Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Vierundzwanzigste Betrachtung.

Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!

Über Jak. 5,13.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.

Jak. 5, 13:
Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!

In dem Herrn Geliebte! Wie unser Luther in der Erklärung des zweiten Gebots an seine Warnung, dass wir „den Namen Gottes nicht unnützlich führen sollen, indem wir bei demselben fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen“, eine Erinnerung an den rechten Gebrauch des Namens Gottes anschließt, nämlich, dass wir denselben „in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken sollen“, so lässt auch Jakobus auf seine Warnung vor dem Missbrauch der Zunge: „Schwört nicht, sondern lasst euer Wort Ja sein, das Ja ist, und Nein, das Nein ist!“ noch einmal eine Ermahnung zu rechtem Gebrauch der Zunge folgen, indem er schreibt: „Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!“ Er denkt bei diesen Worten nicht mehr an die Armen und Elenden allein, welche unter dem Druck der Reichen zu leiden hatten und in Versuchung gerieten, wider dieselben zu seufzen; nein, in allem Leiden, wie in allem Leide, soll der Leidende vor allen Dingen sein Herz im Gebet vor Gott ausschütten. Und wer nicht leidet, für jetzt noch von Leiden verschont ist, der darf nicht meinen, als ob eine solche Ermahnung zum Gebet ihn nicht angehe. Nein, alle Erfahrungen des Lebens, alle Stimmungen und Bewegungen der Seele, in Freud und Leid, in gesunden und kranken, guten und bösen Tagen, sollen uns ins Gebet treiben, und in ein Gebet ausmünden; wir verderben uns selbst ihren Segen, wenn wir nicht der Ermahnung dieses Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi nachkommen:

„Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!“

1.

„Leidet Jemand unter euch, der bete!“ Nun, in dem Herrn Geliebte! Man sollte ja meinen, für diesen Teil seiner Ermahnung dürfe Jakobus am Ehesten auf willige Ohren rechnen. Wie Manchen, der im Glück und Wohlsein Gottes vergaß, hat die Not beten gelehrt; auf dem Krankenlager, am Sterbebette seiner Lieben, auf den Trümmern seiner Habe, im bangen Vorgefühl drohender Geschicke trieb es ihn, zu Gott seine Zuflucht zu nehmen, und betend an seine Türe zu klopfen. Not lehrt beten, und das soll sie ja auch nach dem Willen Gottes; und wohl dir, wenn du beten lernst in der Not! Aber Mancher lernt doch auch in der Not nicht beten. Die Schläge, welche das Herz treffen, erweichen es nicht. Oder sie erweichen es, aber es zerfließt in Gram und Jammer. Statt das Auge zu Gott zu erheben, senkt der Leidende es in trägem Gram zur Erde nieder. Oder er hebt es zu Gott empor, aber um wider ihn zu murren. „Womit habe ich das verschuldet?“ ruft er. „Warum hast Du mir das getan?“ Und für die dringende freundliche Mahnung des Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi: „Leidet Jemand unter euch, der bete!“ bleibt Herz und Ohr verschlossen.

Vielleicht auch nicht! Du betetest in deinem Leiden. „Zu wem sonst“, sprichst du, „könnte ich denn in meinem Elend meine Zuflucht nehmen, als zu Gott; und worin anders fände ich Trost in meiner Trübsal, als im Gebet? Aber das ist es eben, was mir den Stachel schärft in meinem Leiden, und mir den Druck desselbigen noch unerträglicher macht: „Ich bete; ach wie oft und wie brünstig habe ich Gott angerufen im Gebet; aber er hört mich nicht; ich finde keine Hilfe bei ihm; es kommt kein Trost und Friede durch das Gebet in meine Seele; und ich möchte schier verzagen und irre werden an mir selbst, an der Macht des Gebets, ja, an Gott selbst und seiner Allmacht, Weisheit und Güte!“ Nun an dir selbst und deinem Gebete hast du vielleicht Ursache, irre zu werden; nur nicht an Gott und seiner Allmacht, Weisheit und Güte! Du betetest; aber von welcher Art war dein Gebet? Um was batest du Gott in deinem Gebet? Dass er aus der Not dich errette, dich von deinem Leiden erlöse? Wie hättest du ihn darum nicht bitten dürfen? Hat er doch selbst gesagt: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten; so sollst du mich preisen!“ (Ps. 50,15.) Aber eben dies Preisen nach der Errettung, nach der erfahrenen Hilfe, wie leicht vergessen wir es! Zehn Aussätzige riefen zu dem Herrn in ihrer Not; aber nur Einer kam nach erfahrener Hilfe, um seinem Retter zu danken, und Gott die Ehre zu geben. Vielleicht schien eben darum dein Gebet unerhört zu bleiben. Gott wollte durch den Verzug der Hilfe dich davor bewahren, dass du dir den Segen der erfahrenen Hilfe durch Undank selbst wieder verderbest. Darum halte nur an am Gebet, wenn die Hilfe verzieht; aber bitte nicht allein, ja, nicht einmal vorzugsweise um Errettung aus der äußeren Not! Bitte vor Allem, dass du nicht umsonst leidest, dass du nicht über deinem eigenen Seufzen und Schreien überhörst, was Gott dir zu sagen hat! Bitte ihn, dir zu helfen, dass du die Zeit deiner Heimsuchung recht erkennst! Bitte ihn um Geduld und Gelassenheit, um Weisheit und Ergebung unter seinen Rat und Willen, um kindliches Vertrauen zu seinen Wegen, auch wenn seine Gedanken nicht deine Gedanken, und deine Wege nicht seine Wege gewesen sind! Bitte nicht: „Vater, hilf mir aus dieser Stunde!“ sondern: „Vater, hilf mir in dieser Stunde, dass nur in ihr Dein Name an mir verklärt werde, und Dein guter, gnädiger Wille geschehe!“ Köstlich, wenn in allem währenden Leiden die friedsame Frucht der Gerechtigkeit am Herzen des Leidenden reift, wenn er lernt, auch unter Tränen zu danken, sich auch der Trübsal zu rühmen, und allewege in Gott fröhlich und gutes Mutes zu sein! Seht dort in ihrem Kerker zu Philippi diese beiden Knechte des allerhöchsten Gottes, Paulus und Silas! Sie liegen da mit Striemen bedeckt, aus ihren Wunden blutend, die Füße in den Block gezwängt, neuer Leiden für den kommenden Tag gewärtig; und doch hallen die Kerkerräume zur mitternächtlichen Stunde wieder von den Lobgesängen, mit welchen sie Gott preisen, dass er sie um seines Namens willen zu leiden gewürdigt hat! Wie oft, dass die heiligen Sänger des alten Bundes in ihren Psalmen mit einem Seufzer zu Gott anheben; aber unter dem Beten wächst die Freudigkeit und der Glaubensmut des Betenden, und das Gebet geht aus in einen getrosten Aufblick zu dem Thron der Gnade und einen freudigen Dank gegen den treuen, allmächtigen und barmherzigen Gott, der in seiner Trübsal des Leidenden Trost ist, und sein Erretter aus aller Not! Dass doch auch wir es immer mehr lernten, in allem währenden Leiden so zu beten, und wenn die nach Trost ringende Seele seufzend anhub mit einem: „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir!“ oder einem: Schwing dich auf zu deinem Gott, o betrübte Seele!“ der Glaube zu einem getrosten: „Jesu, meine Freude!“ sich emporschwingt, und mit dem: „Ist Gott für mich, so trete gleich Alles wider mich!“ triumphierend endet!

2.

Wie es aber nicht allemal zusammentrifft: Leiden müssen, Leiden tragen müssen! und: Leid tragen! sondern wie es Leidende gibt, welche unter allen Leiden, die sie zu tragen haben, doch gutes Mutes sind, und Psalmen singen, und frohlockend sprechen:

„Wie sollt' ich nun nicht voller Freuden
In Deinem steten Lobe stehn?
Wie sollt' ich auch im tiefsten Leiden
Nicht triumphierend einhergehn?“

so trifft es auch nicht allezeit zusammen: Sich im Glück und äußeren Wohlsein befinden! und: Gutes Mutes sein! Es gibt vielmehr Leute genug, die bei allem Glücke doch ihres Glückes nie recht froh werden, und bei allem äußeren Wohlsein und Wohlergehen doch trüben Mutes sind, und mit verdüstertem Sinne einhergehen. Aber an solche Leute denkt Jakobus hier nicht. Wie er bei der Ermahnung, welche er an die Leidenden richtet, zu beten, vorzugsweise Solche im Auge hat, die unter dem Druck äußerer Leiden seufzen, so denkt er hinwiederum zunächst an Leute, die sich in äußerem Glück und Wohlsein befinden, wenn er zu dem: „Leidet Jemand unter euch, der bete!“ nun noch die weitere Ermahnung hinzufügt: „Ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!“

„Der singe Psalmen!“ Meine Lieben! Das Wort, welches unser Luther so übersetzt hat, hat eigentlich einen allgemeineren Sinn; es bedeutet: Das Saitenspiel rühren, singen. Und wie beachtenswert und köstlich ist die Ermahnung des Jakobus schon, wenn wir das Wort in diesem Sinne fassen: „Ist Jemand gutes Mutes, der rühre sein Saitenspiel, und singe!“ Da fehlt doch etwas an dem Frohsinn und guten Mute einer glücklichen Stunde, wo, was die Seele bewegt, nicht auch im Liede und Gesange laut wird. Es trifft ja wohl nicht immer zu, das: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder; böse Menschen haben keine Lieder!“ Gibt es doch auch der bösen Lieder so viele, die nur zu oft gesungen werden; und wie leicht geschieht es, dass der gute, frohe Mut der Singenden in Übermut und trunkenen Mut umschlägt! Aber die Möglichkeit des Missbrauchs darf doch den rechten Gebrauch nicht hindern, und Gott bewahre uns vor einer mönchischen Heiligkeit, die es dem Fröhlichen wehren und zur Sünde machen wollte, aus voller Brust miteinzustimmen in den Hochgesang unserer vaterländischen Lieder, oder in die herrlichen Klänge, in denen, was irgend die Menschenbrust in Wonne und Weh bewegte, im Wohllaut des Wortes und des Liedes seinen Ausdruck gefunden! Und doch fehlt freilich an dem rechten guten Mute der frohen Stunde noch Etwas, wenn die Freude nur im Gesang, nicht auch im Lobgesange sich ausspricht, und die herrlichen Worte unseres edlen vaterländischen Sängers nicht zu ihrem Rechte kommen:

Sind wir vereint zur guten Stunde,
Wir starker deutscher Männerchor,
So dringt aus jedem frohen Munde
Die Seele zum Gebet hervor!“

Jakobus wenigstens denkt bei seiner Aufforderung zum Gesange vorzugsweise an den Gesang zum Preis und zur Anbetung Gottes. „Ist Jemand gutes Mutes“, meint er, „der Lobsinge!“ Er weiß es: Viel näher noch, als dem Leidenden die Gefahr des Kleinmuts und des Unmuts, liegt dem Glücklichen die Versuchung, an der Demut Schiffbruch zu leiden, und es zu vergessen, Gott die Ehre zu geben, die hm gebührt. Darum: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre!“ (Ps. 115,1.) Wir sind viel zu geringe aller Barmherzigkeit und aller Treue, die Du an uns getan hast!“ (1 Mos. 32,10.) Darum: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ (Ps. 103,1.2.) Das erhält in der Demut und Dankbarkeit gegen Gott, und bewahrt vor Hoffart, Geiz, Üppigkeit, sündlicher Lust und jeglichem anderen Missbrauch der guten Gaben Gottes. Siehe da den Probierstein, auf welchem du prüfen kannst, ob dein guter Mut vor Gott bestehen mag, oder nicht! Wo es so die Seele treibt, Gott zu loben, und ihm die Ehre zu geben, da fehlt zu dem demütigen Danke auch die Bitte nicht: „Aber nun hilf, o Herr! dass auch mein ganzes Leben ein Lobpreis Deines heiligen Namens werde, und ich meine Freude Dir heilige, und auch der leidenden Brüder in erbarmender Liebe und williger Handreichung gedenke!“

Köstlich, in dem Herrn Geliebte! wenn so, wie die Bitte des Leidenden in Lobgesang, der Lobgesang des Glücklichen in inbrünstige Bitte ausgeht, und Alles, was die Seele in Lieb und Leid bewegt, gleich fern von stumpfer Gleichgültigkeit, wie von sündlichem Übermaße, von Unmut und Kleinmut, wie von Hochmut und Übermut, in Bitte, Gebet und Danksagung vor Gott laut wird, und es also geschieht nach der Mahnung dieses Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi: „Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand gutes Mutes, der singe Psalmen!“

Amen, das walte, allmächtiger, barmherziger Gott, Du Vater unseres Herrn Jesu Christi und unser Vater im Himmel! Also lehre Du selbst uns, in Lieb und Leid, in guten und bösen Tagen unsere Straße zu ziehen, und in allen Dingen unsere Bitte in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Dir kund werden zu lassen, bis wir, von allem Wechsel dieser irdischen Geschicke erlöst, in das Halleluja Deiner himmlischen Scharen einstimmen, und mit allen Engeln und Auserwählten beten, loben und danken dürfen in Ewigkeit! Amen.

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