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Jakobus, Kapitel 2

Jakobus, Kapitel 2

2:1 Liebe Brüder, haltet nicht dafür, daß der Glaube an Jesum Christum, unsern HERRN der Herrlichkeit, Ansehung der Person leide.
Wir mögen uns hüten, die Geringern dieser Welt zu verachten und uns gegen sie einnehmen zu lassen. In unsern Verhältnissen mit den Gläubigen wollen wir uns hüten, Rücksicht zu nehmen auf Stand und Talente, auf äußere Annehmlichkeit und was sonst unserm alten Menschen schmeichelt. Laßt uns den Herrn Jesum aufnehmen in Denen, die seine sein, und sie mit gleicher Bereitwilligkeit aufnehmen, in welcher äußern Form sich auch die Glieder seines Leibes uns darstellen mögen. Laßt uns nicht vergessen, was der heilige Geist sagt: „Die Glieder des Leibes, die uns dünken die schwächern zu sein, sind die nöthigsten, und die uns dünken die unehrlicheren am Leibe zu sein, denselben thun wir am meisten Ehre an.“ (1. Cor. 12, 22. 23.) Laßt uns auch die ernstliche Ermahnung Jesu nicht vergessen: „Sehet zu, daß ihr nicht Jemand von diesen Kleinen, die an mich glauben, verachtet!“ Wenn wir glauben, in der Erkenntniß vorgerückter zu sein, als Andere, so müssen wir deßwegen uns nicht einbilden, daß wir in den Augen Gottes mehr seien, als sie. „Die Erkenntniß bläset auf, aber die Liebe erbauet. So aber jemand sich dünken läßt, er wisse etwas, der hat noch nichts erkannt, wie man erkennen soll.“ (1. Cor. 8, 1.) Vor Gott, der aufs Herze sieht, ist derjenige der ausgezeichnetste Christ, der das reichste Maß von den drei Dingen besitzt, die da bleiben: von Glaube, Hoffung und Liebe; nicht derjenige, der am besten davon zu reden versteht. Ueberhaupt sollen wir mäßig sein in der Beurtheilung Anderer, sollten sie nicht ohne Noth richten und immer dabei ein aufrichtiges Mißtrauen in uns selbst setzen. Oft fehlt uns, um ein gründliches Urtheil zu fällen, nur ein Punkt; aber dieser eine Punkt ist eben der wesentliche, nämlich: die gründliche Kenntniß der Herzen. „Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der wird das Verborgene ans Licht bringen.“ (Auguste Rochat)


Woher rührt der Streit zwischen der Christenheit und Jakobus? Denn hier besteht Streit, da die Christenheit beharrlich sagt, die Weise, wie sie Gunst und Ungunst, Bevorzugung und Zurücksetzung austeile, habe mit dem Glauben an Jesus nichts zu tun; sie halte das Evangelium im Glauben fest, auch wenn sie das macht, was Jakobus verwirft und den Reichen wegen seines Kleids ehrt, den Armen dagegen wegen seines Kleides missachtet. Dieser Streit entsteht daraus, dass Jakobus und die Christenheit nicht an denselben Vorgang denken, wenn sie vom Glauben sprechen. Die Christenheit heißt sich gläubig, weil sie das Evangelium gehört hat und kennt. Wenn ich damit zufrieden bin, dass ich den christlichen Unterricht erhielt und durch ihn erfahren habe, wie die Geschichte Jesu sich zutrug und was seine Botschaft uns sagt, dann wird freilich mein Verkehr mit den Menschen von meinem Glauben nicht berührt und ich kann ihnen meine Gunst und Ungunst zuwenden, wie es mir beliebt; dann werde ich den Maßstab, nach dem ich sie schätze, aus meiner natürlichen, somit eigensüchtigen Begehrung schöpfen. Dagegen hat Jakobus nicht nur sein Wissen, sondern sich selber durch den Glauben in den Willen Jesu ergeben und im Glauben nicht nur Erinnerungen an Jesus in sich aufgenommen, sondern sich mit allem, was er ist und tut, unter den Herrn der Herrlichkeit gestellt. Ihm macht es daher der Glaube unmöglich, dass er den Menschen nach seinem Besitz beurteile, um die Gunst des Reichen werbe und jemand wegen seines mangelhaften Rocks verachte; denn Jesus, dem er glaubt, hat auf der Erde nicht das Geld, sondern den Menschen gesucht. Damit ist jene Härte für ihn vergangen und wird als Sünde von ihm gerichtet, mit der wir den Armen ehrlos machen und den Reichen durch unsere Verehrung in seiner Gottlosigkeit bestärken. Denn Jesus, an den er glaubt, ist barmherzig und offenbart Gottes gnädige Gerechtigkeit, die aller Gottlosigkeit widersteht und gütig in jeden Mangel ihre Gabe legt. Wenn mich der Glaube mit allem, was ich bin, mit meinem Denken, Wollen und Tun, unter die Herrschaft Jesu stellt, dann ist sonnenklar, dass das, was ich den Menschen gebe oder versage, meinen Glauben unmittelbar berührt und ihm entweder widerstreitet oder ihm gehorcht.
Du gibst mir, gnädiger Gott, den Glauben nicht, damit ich ihn einsperre und unfruchtbar mache, sondern damit ich im Glauben so handle, wie es Dein Wille mir zeigt und Deine Gnade mir gibt. Ich danke Dir, dass ich keinen Menschen verachten darf und Größeres an ihm ehren soll als seinen Besitz. Stelle mich ganz und in allen Dingen in den Dienst Deiner seligen Gerechtigkeit. Amen (Adolf Schlatter).

2:2 Denn so in eure Versammlung käme ein Mann mit einem goldenen Ringe und mit einem herrlichen Kleide, es käme aber auch ein Armer in einem unsauberen Kleide,

2:3 und ihr sähet auf den, der das herrliche Kleid trägt, und sprächet zu ihm: Setze du dich her aufs beste! und sprächet zu dem Armen: Stehe du dort! oder setze dich her zu meinen Füßen!

2:4 ist's recht, daß ihr solchen Unterschied bei euch selbst macht und richtet nach argen Gedanken?

2:5 Höret zu, meine lieben Brüder! Hat nicht Gott erwählt die Armen auf dieser Welt, die am Glauben reich sind und Erben des Reichs, welches er verheißen hat denen, die ihn liebhaben?

2:6 Ihr aber habt dem Armen Unehre getan. Sind nicht die Reichen die, die Gewalt an euch üben und ziehen euch vor Gericht?

2:7 Verlästern sie nicht den guten Namen, nach dem ihr genannt seid?

2:8 So ihr das königliche Gesetz erfüllet nach der Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,“ so tut ihr wohl;

2:9 so ihr aber die Person ansehet, tut ihr Sünde und werdet überführt vom Gesetz als Übertreter.

2:10 Denn so jemand das ganze Gesetz hält und sündigt an einem, der ist's ganz schuldig.

2:11 Denn der da gesagt hat: „Du sollst nicht ehebrechen,“ der hat auch gesagt: „Du sollst nicht töten.“ So du nun nicht ehebrichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes.

2:12 Also redet und also tut, als die da sollen durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden.

2:13 Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat; und die Barmherzigkeit rühmt sich wider das Gericht.

2:14 Was hilfst, liebe Brüder, so jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen?
Dass ich sage, ich habe Glauben, das ist unmöglich die Hilfe, die mich von der Sünde, Schuld und Strafe befreit. Wie könnte das, was ich sage, meine Rettung sein? Nicht dass ich sage, ich habe Glauben, sondern dass ich glaube, das rettet mich, stellt mich in Gottes Frieden, bringt mir Gottes Gnade und ist meine Gerechtigkeit vor Gott. Habe ich Glauben, so sage ich auch, dass ich ihn habe. Der Glaube erzeugt das Bekenntnis und wäre nicht vorhanden, wenn er es nicht schüfe. Wenn ich nicht einmal reden mag, wie soll ich denn im Glauben handeln? Darum hat das Bekenntnis dieselbe Verheißung wie unser Glaube. Denn das Bekenntnis ist des Glaubens erste Frucht. Er schenkt mir das antwortende Wort, das zur Botschaft Gottes die Danksagung fügt und aus seiner Verheißung meine Bitte macht. Ich kann vor Gott nicht stumm bleiben, wenn ich glaube. Durch Glauben beten wir, sagt Jakobus. Und der Glaube gibt mir auch im Verkehr mit den Menschen das Wort. Ich glaube, darum rede ich, sagt Paulus. Habe ich aber damit Gottes Gnade schon ganz beschrieben? Gäbe mir der Glaube bloß Worte, dann freilich wäre mir schon damit geholfen, dass ich sage, ich habe Glauben. Aber das ist ein finsterer Gedanke. Bin ich denn nur ein Denker und Redner? Gott hat mir Leben gegeben und das bedeutet, er hat in mich einen Willen gepflanzt, der handeln kann, aber auch handeln muss nach unzerbrechlicher Notwendigkeit. Das gilt für meinen Verkehr mit Gott und ebenso für mein Verhältnis zu den Menschen. Der Dienst Gottes ist Tat und unsere Gemeinschaft miteinander entsteht durch das, was wir einander tun. Wenn ich nun keine Werke habe, nichts tue, also auch das nicht tue, was Gott von mir will, so ist das nicht Rettung, sondern Sünde und Tod. Es ist unmöglich, dass ich nichts tue; wenn ich nicht den Willen Gottes tue, so entsteht mein Werk aus meiner Eigensucht, ist also gottlos und Unheil für die anderen. Nun brauche ich aber die Warnung des Jakobus dringend; denn es ist süß, auf nichts anderes zu schauen als auf Gottes Werk und alles in die stille Ruhe zu versenken, die ich habe, weil ich in Gott geborgen bin. Das Werk stellt sich neben dem Glauben immer als schwer dar; es ist Kampf, entsteht durch Selbstüberwindung und bringt mich in die gefährliche Nähe der Welt. Aber die träge und selbstsüchtige Art unseres Herzens darf mich nicht täuschen. Daran darf ich keinen Zweifel hängen, dass ich handeln muss, und soll Gott danken, dass ich als der Glaubende handeln kann, so dass mein Werk nicht Schuld und Unheil ist, sondern den Willen Gottes tut.
Was Du, gnädiger Gott, für uns und an uns tust, das braucht keine Hilfe und Ergänzung. Mein Werk ist nicht der Grund Deiner Gnade. Sie hat in Dir ihren Grund und ist vollkommen wie Du. Deshalb glauben wir Dir, und glauben nicht an uns und unser Werk. Du gibst aber Deine Gnade mir in meiner Lage und meinem Beruf und hast mich mit Arbeit beschenkt. Ich würfe Deine Gnade weg, wenn ich sie nicht täte. O gib mir, Vater, die warme, starke, freudige Liebe, die Dir gehorcht. Amen. (Adolf Schlatter)

2:15 So aber ein Bruder oder eine Schwester bloß wäre und Mangel hätte der täglichen Nahrung,

2:16 und jemand unter euch spräche zu ihnen: Gott berate euch, wärmet euch und sättiget euch! ihr gäbet ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist: was hülfe ihnen das?

2:17 Also auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot an ihm selber.

2:18 Aber es möchte jemand sagen: Du hast den Glauben, und ich habe die Werke; zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.
Wie viel sind ietzo derer, die das Evangelium rühmen, die um desselben willen wolten einen Heller willig verliehren, oder ihren Geitz und Muthwillen lassen? Ist doch kein Bauer oder Bürger, der um desselben willen sein Korn auf dem Marckte eines Pfenniges wohlfeiler wolte geben, wenn es gleich gerathen ist, sondern wers einen Glden theurer machen könte, so thäte ers viel lieber. Und kein Bürger, könte er seinen Kosend für Bier verkauffen, ob man gleich den Tod dran trincken müste, so macht er sich kein Gewissen davon. Desgleichen mit allerley Handel und Handwerck, da sich jedermann befleisset, wie er die Leute übersetze, und nur scharre, geitze, und Schaden thue, GOtt gebe, das Evangelium und Gewissen bleibe, wo es kan. (Martin Luther)

2:19 Du glaubst, daß ein einiger Gott ist? Du tust wohl daran; die Teufel glauben's auch und zittern.

2:20 Willst du aber erkennen, du eitler Mensch, daß der Glaube ohne Werke tot sei?

2:21 Ist nicht Abraham, unser Vater, durch die Werke gerecht geworden, da er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte?

2:22 Da siehst du, daß der Glaube mitgewirkt hat an seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden;

2:23 und ist die Schrift erfüllt, die da spricht: „Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet,“ und er ward ein Freund Gottes geheißen.

2:24 So sehet ihr nun, daß der Mensch durch die Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein.

2:25 Desgleichen die Hure Rahab, ist sie nicht durch die Werke gerecht geworden, da sie die Boten aufnahm und ließ sie einen andern Weg hinaus?

2:26 Denn gleichwie der Leib ohne Geist tot ist, also ist auch der Glaube ohne Werke tot.1)
Auf den ersten Blick scheint ein Widerspruch zu sein zwischen Jacobus hier und Paulus im Briefe an die Römer, insbesondere 3,28, wo Paulus sagt: „So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben.“ Allein Paulus hatte ganz anderen Gegner zu widerlegen als Jacobus. Jener hatte es mit solchen zu thun, die dem Christenthum dem Namen nach zwar anhingen, aber sonst in dem Wahne eines falschen Judenthums befangen waren, als könnten die äußerlichen Werke des Gesetzes, das halten des todten Buchstabens gerecht machen; daher nennt er sie auch Gesetzes Werke; Jacobus dagegen hatte es mit solchen zu thun, die vom Glauben reden, sich des Glaubens rühmen, und zeigen keinen Gehorsam. Paulus stellt dem ächten Glauben Werke des Gesetzes und Verdienstes entgegen und verwirft deren Verdienstlichkeit; Jacobus stellt dem todten Glauben die ächten Gottes- und Liebeswerke entgegen, bei denen man nichts Eigenes, Verdienstliches oder Ruhm sucht, sondern allein Gottes Ehre und des Nächsten Heil, und behauptet deren Nothwendigkeit zum Erweis des Glaubens, aber nun und nimmer deren Verdienstlichkeit zur Erlangung der Gerechtigkeit. Paulus bekämpft die Werkgenossen, Jacobus die Heuchler. Beide widerstreiten sich also so wenig, daß sie vielmehr einander bestätigen und dieselbe Sache von zwei verschiedenen Seiten beleuchten. Beide lehren, daß der lebendige Glaube sein Leben beweisen müsse durch Werke, die in Gott gethan sind und ein Glaube ohne diese Werke ein Mund- und Heuchelglaube sei, daß aber die Werke wohl rechtfertigen vor Menschen, aber niemals vor Gott, vielmehr da immer ungenügend und unverdienstlich sind. Gieb mir denn, o Herr, den rechten Glauben und erhalte, belebe, mehre ihn immer mehr in mir, damit ich so viel Gutes thue, als ich kann, mir aber auf keines derselben etwas einbilde, sondern immer demüthiger werde und nur aus Gnaden die Seligkeit erwarte. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Hier wird im ersten Theil vom Glauben an Christum gehandelt, jedoch so, daß unterschiedene Stücke angezeigt werden, welche demselben entgegen sind - und neben ihm nicht bestehen mögen.
So leidet der wahre und rechte Glaube an Christum zuvörderst das Ansehen der Person nicht. Denn obschon Gott der HErr in dem äußerlichen Leben dieser Welt einen Unterschied unter den Menschen gemacht hat, (da einer Obrigkeit, und der andere Unterthan ist, jener zu befehlen hat, und dieser gebührenden Gehorsam leisten muß, da einer in hoher Würde und großem Ansehen lebet, dem der andere, so niedrigen Standes ist, die gebührende Ehre erweisen muß, da der dritte reich ist und mit Gütern dieser Welt gesegnet, dem dann der Arme um's Brod dienen muß, wenn er Nahrung und Kleidung haben will,) obschon Gottes Wort selber und das Evangelium diesen Unterschied nicht aufhebt, sondern vielmehr gut heißet, so gilt doch solcher in dem Christenthum, was das Geistliche betrifft und anbelangt, nicht. Denn da sind die Frommen allzumal Einer in Christo Jesu, weil sie in der heiligen Taufe denselben angezogen haben - und in dem rechten Glauben stehen, der durch die Liebe thätig ist.
Es will sich also nicht gebühren, daß man zum Exempel einen reichen und wohlbegüterten Mann blos um seines Vermögens willen einem Armen, der fromm und christlich ist, vorziehe, weil der, so arm ist an zeitlichem Gut, an Glauben und Gottseligkeit wohl reicher seyn kann, als einer, der viel zeitliche Schätze besitzet. Daher ist der fromme Arme weit angenehmer, als zumal der stolze Reiche, welcher seiner zeitliche Habe und sein Vermögen zur Unterdrückung der Armen und zu mancherlei Sünden und Wollüsten mißbrauchet. Darum soll man wegen solches Ansehens auf Gott selber sehen, der auch keine Person anstehet, sondern dem in allerlei Volk, wer Ihn fürchtet und recht thut, angenehm ist.
Darnach will es der wahre Glaube an Christum nicht leiden, daß man mit seinem Nächsten bei eintretenden Umständen allzuhart und nach der Strenge verfahre, da man vielmehr die Barmherzigkeit der Härte und Strenge vorziehen muß. Dies hat aber nicht den Sinn, als dürfe man der offenbaren und gottlosen Sünder Laster und Uebelthaten nicht strafen, sondern daß man nur, wo es die Noth erfordert, und so viel man Berufs und Gewissens halber thun kann, die Strenge der Gerechtigkeit mit Liebe und Barmherzigkeit mildere und mäßige. Denn auch Gott selber verfährt nicht allezeit nach der Strenge Seiner Gerechtigkeit mit uns, sondern lasset bei so vielfältigen Uebertretungen die Barmherzigkeit vordringen - und gibt zu erkennen, daß bei Ihm die Barmherzigkeit sich wider das Gericht rühme.
Es ist auch eine Sünde und wider den Glauben, wenn man den dürftigen Nebenchristen bei seinem Mangel und Nothstand, in welchem er uns um Hilfe und Erbarmung anrufet, nur mit guten und glatten Worten abweiset, in der That aber und im Werk hilflos lasset. Denn nur sagen: „Gott berathe euch!“ oder nach unserer Art zu reden: „Helfe euch Gott!“ das wird dem Hungrigen und Nackenden wenig nützen oder helfen, wo man ihn nicht auch zugleich mit Brod und Kleid an die Hand gehet. Solche verhärtete Christen, die lieber selber nehmen, als daß sie andern etwas geben, wollen sich ja ihres Glaubens nicht rühmen, weil es nur ein bloser Heuchelglaube ist, der weder selig machen - noch im Kreuz und Unglück Trost und Erquickung geben kann.
Aus dem andern Theil dieses Kapitels lasset sich die nützliche und nöthige Lehre von den rechten Früchten des wahren Glaubens gar fein herausziehen, daß nämlich allerlei gute Werke und christliche Tugenden, unter welche vornehmlich das königliche Gesetz von der Liebe des Nächsten gehöret, den gottgefälligen Glauben beweisen, als welcher keine blose Wissenschaft alles desjenigen ist, was in der heiligen Schrift und dem Wort Gottes stehet; (denn dies wissen auch die Teufel, erzittern aber heftig, weil ihr Glaube kein Glaube zur Seligkeit ist;) sondern der gottgefällige Glaube zeiget sein Geschäft in mancherlei christlichen Tugenden und in dem Werk der Heiligkeit.
So haben die Gläubigen des alten Testamentes auch gethan, von denen sogar gesagt wird, daß sie durch die Werke gerecht worden seyen; was der Lehre Pauli ganz und gar nicht zuwider ist, da er die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, allein dem Glauben an Christum zuschreibt - ohne Zuthun der Werke; denn Jakobus redet von der Gerechtigkeit, wie sie vor der Menschen Augen aussehen soll, weil der Glaube an Christum inwendig im Herzen verborgen liegt. Darum müssen sich die Werke der Gerechtigkeit in dem äußerlichen Wandel zeigen, auf daß wir uns nicht, wenn wir in allerlei wissentlichen und vorsätzlichen Sünden leben, einen wahren seligmachenden Glauben fälschlich einbilden. Denn so wenig ein Leib ohne Geist das Leben haben kann, ebensowenig kann der Glaube ohne die Werke lebendig und gottgefällig seyn.
Gott lasse uns doch durch Seine Gnade und Seinen Geist reich seyn im Glauben und in der Liebe, so können wir uns gewiß versichern, daß uns Gott erwählet habe zu Erben Seines Reiches; und wenn wir gerne Werke der Gerechtigkeit thun - und die Barmherzigkeit üben, so werden auch wir mit Abraham Gottes Freunde heißen - und dermaleinst in jenem Gericht ewige Gnade und Barmherzigkeit erlangen. Amen. (Veit Dieterich)

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