Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Noch einmal das große Netz ausgeworfen.
Gehalten am Sonntagmorgen, den 14. November 1886
“Und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem soll eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat; auch bei den andern Übrigen, die der Herr berufen wird.“
Joel 3,5.
Ich dachte bei mir: „Was soll das Thema für die letzte Predigt sein, ehe ich nach meinem stillen Ruheplatze1). abreise?“ Vielleicht mögen meine Predigten am letzten Tage dieser langen Arbeitszeit überhaupt meine letzten sein, denn das Leben ist gar leicht dahin. Wenn ich erst von dem Einen und dann von dem Andern höre, der, obwohl gesund und stark, plötzlich hinweggenommen ward, so fühle ich, wie ungewiss mein eigenes Leben ist. Es wäre weiser, auf das Gewebe einer Spinne zu trauen, als auf das Leben des Menschen. Brüder, wir leben am Rande der Ewigkeit und es tut Not, dass wir wie Männer handeln, die bald den Wirklichkeiten derselben. gegenüber zu treten haben. Wir mögen dies weit früher zu tun haben, als wir meinen. Deshalb sagte ich zu mir selber: „Soll ich die Herde Gottes weiden auf den reichen Auen köstlicher Verheißungen?“ Wahrlich, es wäre gut gewesen dies zu tun; aber dann dachte ich an die verirrten Schafe; muss ich nicht ihnen nachgehen? Die neunundneunzig sind nicht in der Wüste, und deshalb werde ich sie in keiner Gefahr zurücklassen. Sie sind in der Hürde, und der Oberhirte wird sie nicht vergessen. Gott hat ihnen das Leben und volle Genüge gegeben, und die grünen Weiden sind in Fülle vor ihnen; sie können eher sich selbst überlassen werden, als die, welche nahe daran sind, umzukommen. Aber diese verirrten, kann ich sie in der Wüste und unter den Wölfen lassen? Ich habe versucht, sie zu dem großen Bischof und Hirten der Seelen zu bringen, aber sie sind noch nicht zurückgekommen; wie kann ich sie vergessen? Wie kann ich den Gedanken ertragen, dass sie auf ewig verloren seien?
Darum dachte ich, ich wolle noch einmal nach den Verlorenen ausgehen in der Hoffnung, dass der Herr mir helfen würde, sie selbst jetzt noch zu finden und zu ihm zu führen! Ich bitte ernstlich um eure Gebete, dass eine sehr einfache evangelische Ansprache von Gott gesegnet werden möge zur sofortigen Bekehrung derjenigen unter uns, die lange geschwankt haben und bis auf diesen Tag noch unschlüssig sind. Ich hätte zu solchem Zwecke keinen passenderen Text wählen können; er ist eine der umfassendsten Verkündigungen der evangelischen Lehre, die in der Heiligen Schrift zu finden sind.
Ich werde ihn in der einfachsten Weise gebrauchen. In einem Buche über praktische Chirurgie sucht man nicht Redefiguren; alles ist so deutlich wie der Schaft einer Pike. So wird meine Predigt sein. Ich teile das Brot vom Himmel aus, und ihr erwartet nicht, Poesie aus einem Backhause zu erhalten.
Als der Apostel Petrus die Predigt hielt, die ich die Eröffnungsrede der christlichen Ära nennen möchte, konnte er nichts Besseres tun, als seinen Text aus Joel nehmen. Seht im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte nach. Er erklärte die Pfingstwunder durch eine Hinweisung auf diese prophetische Stelle. Als Paulus in seiner berühmten Epistel an die Römer das Evangelium in all seiner Einfachheit hinstellen wollte, konnte er nichts Besseres tun, als im 13. Verse des 10. Kapitels diesen selben Spruch anführen: „Wer den Namen des Herrn wird anrufen, soll selig werden.“ Wenn Apostel diese Stelle so passend für die Darstellung und Bestätigung ihrer evangelischen Botschaft fanden, was kann ich tun, als ihrem weisen Beispiele folgen? Wie sehr hoffe ich, dass ein Segen auf allen hier Anwesenden ruhen wird, während ich über diese köstliche Schriftstelle predige; eben wie ein Segen auf der bunten Menge in Jerusalem ruhte, als Petrus zu ihr sprach! Derselbe Geist ist mit uns, und seine heilige Kraft ist nicht im Geringsten vermindert. Warum sollte er nicht Dreitausend jetzt bekehren, wie er es bei jener Gelegenheit tat? Geschieht es nicht, so wird es nicht seine Schuld sein, sondern die unsere.
Wenn ihr auf den Zusammenhang blickt, in dem unser Text bei Joel steht, so werdet ihr finden, dass ihm schreckliche Warnungen vorhergehen. „Ich will Wunderzeichen geben im Himmel und auf Erden; nämlich Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt.“ Und dies ist nicht alles; dieser umfassenden evangelischen Erklärung folgen Worte von gleicher Furchtbarkeit. „Die Heiden werden sich aufmachen und heraufkommen zum Tal Josaphat, denn daselbst will ich sitzen, zu richten alle Heiden um und um. Schlagt die Sichel an, denn die Ernte ist reif; kommt herab, denn die Kelter ist voll, und die Kelter läuft über, denn ihre Bosheit ist groß. Sonne und Mond werden verfinstert und die Sterne werden ihren Schein verhalten.“ Von den Propheten ist es wahr wie von den Aposteln, dass sie die Leute überredeten, weil sie die Schrecken des Herrn kannten (2. Kor. 5,11). Sie schämten sich nicht, die Furcht als einen mächtigen Beweggrund bei den Menschen zu gebrauchen. Beim Propheten Joel ist der Diamant unseres Textes schwarz eingefasst und sein Glanz dadurch erhöht. Wie eine Laterne umso mehr geschätzt wird, wenn die Nacht dunkel ist, so ist das Evangelium umso köstlicher, wenn die Menschen sehen, wie elend sie ohne dasselbe sind. Den Menschen-Herzen die heilsame Furcht vor der Strafe der Sünde nehmen, das heißt die Schleusen der Bösen öffnen. Wer das tut, ist ein Verräter an der menschlichen Gesellschaft. Wenn man die Menschen nicht vor dem Zorne Gottes warnt, so werden sie sich zügellos der Sünde überlassen.
Gewisse neuere Lehrer geben vor, so zart zu sein, dass sie, wenn sie an die Lehre der Schrift von ewigen Strafen glaubten, niemals wieder lächeln könnten. Arme Leidende! Man sollte meinen, sie seien Personen von höherer Frömmigkeit, voll Liebe für Menschenseelen, dass sie Tag und Nacht über dieselben weinten und dahin arbeiteten, sie zur Buße zu führen. Wir sollten erwarten, in ihnen eine beständige Angst um das Wohl ihrer Mitmenschen zu sehen, da sie sich für so geeignet halten, Andere in der Kunst des Mitleidens zu unterweisen. Aber, meine Brüder, wir sind nicht im Stande gewesen, in diesen gefühlvollen Leuten irgendeine besonders heilige Teilnahme für die Ungöttlichen zu entdecken; nein, wir haben gehört, dass sie mit den Weltlichen eher Gemeinschaft in ihren Belustigungen haben, als mit den Frommen in ihrer Trauer über Sünde. Ich habe in diesen Männern, welche die Benutzung der Schrecken des Herrn verschwören, keine bemerkenswerte Kraft gesehen, die Menschen durch Liebe zu Jesu zu ziehen. Ich habe keinen besonderen Eifer für die Bekehrung der Menschen, weder durch sanfte Beweise noch durch irgendwelche andere Mittel bei ihnen wahrgenommen. Ich zweifle, ob sie überhaupt an eine Bekehrung glauben. Andererseits sind die seraphischen Evangelisten, die in der ganzen Welt umherreisten, um das Evangelium zu predigen und sich durch ihren christlichen Ernst krank arbeiteten, stets Männer gewesen, welche das Gewicht des zukünftigen Zornes gefühlt haben. Diese, obwohl die zarten Superfeinen höhnisch auf sie herabblicken, haben eine zärtliche Liebe bewiesen, die ihren Richtern fremd ist.
Der, welcher ehrlich über das zukünftige Gericht redet, ist der Mann mit dem zartesten Herzen. Wer die Sünder selbst bis zu Tränen ermahnt, tut so, weil er glaubt, dass sie auf ewig verloren gehen, wenn sie nicht Buße tun. Ich glaube nicht, dass dieser neumodische Eifer, die Gerechtigkeit Gottes zu verhüllen und die Bestrafung der Sünde zu verbergen, von überfließendem Mitleid mit Seelen begleitet ist; ich fürchte, dass er im Gegenteil nicht viel anderes ist, als die zufällige Form eines leichtfertigen Unglaubens, der alle Lehren des Wortes Gottes als veraltete Vorstellungen behandelt, die verdienen, dass Männer von fortgeschrittenen Ansichten über sie scherzen. Meine Brüder, die Liebe Jesu hinderte ihn nicht, die Menschen vor künftigem Weh zu warnen. Er rief laut unter einer Flut von Tränen aus: „O Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen!“ und er verschwieg nicht die furchtbare Tatsache: „Siehe, euer Haus soll wüste gelassen werden!“ Sein Vorhersehen der künftigen Zerstörung der Stadt rief sein Mitgefühl hervor, und er zeigte sein Mitleid nicht dadurch, dass er die schreckliche Zukunft ihnen verbarg, sondern dadurch dass er die Menschen davor warnte. Ich wage zu sagen, dass, soweit meine Beobachtung reicht, überhaupt keiner das Evangelium predigt, wenn er nicht die tiefe und ernste Überzeugung hat, dass die Sünde in der künftigen Welt in sehr gerechter und furchtbarer Weise bestraft werden wird. Prediger kommen allmählich immer weiter von dem Evangelium und seinem versöhnenden Opfer ab, je mehr sie sich durch die Vorstellung täuschen lassen, dass die Sünde im Grunde doch nur eine geringe Sache und ihre Bestrafung eine Strenge die noch zu bezweifeln sei. Auch die, welche für die Unbußfertigen eine künftige Möglichkeit der Besserung erwarten, mögen es wohl von geringer Wichtigkeit halten, ob die Menschen jetzt zum Glauben an Jesum gelangen oder im Unglauben verharren. Die Sache so leicht zu nehmen, kann mir nicht in den Sinn kommen, denn ich glaube an ewige Strafe. O meine Hörer, wenn ihr nicht zu Jesu fliehet, werdet ihr auf ewig verloren sein, und dies drängt mich, euch zu bitten, dass ihr euch erretten lasst! Jenes Blut und Feuer, jene verfinsterte Sonne und jener blutrote Mond, wovon Joel spricht, treiben mich, euch zu ermahnen, Erlösung zu suchen. Jener große weiße Thron und der furchtbare Urteilsspruch dessen, der darauf sitzt, wenn er sagen wird: „Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln“ alles dies bewegt mich, euch zu überreden, zu Jesu zu fliehen. Deshalb ist es meine Freude, zu euch zu kommen mit einer freien, weiten, gesegneten, evangelischen Verheißung in der ernsten Hoffnung, dass diejenigen von euch, welche jetzt in Gefahr sind, sofort ihre Seele erretten und vor dem zukünftigen Zorn fliehen werden.
Nach dieser Vorrede gehe ich zu meinem Texte über, beseelt von dem heißen Wunsche, dass Gott ihn segnen möge. Beachtet zuerst, dass er eine herrliche Verkündigung erhält: „Es soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Diese ist jedoch begleitet von einer lehrreichen Erklärung, der wir einige Aufmerksamkeit widmen wollen, wie unsere Zeit es erlauben wird: „Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem soll eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat; auch bei den andern Übrigen, die der Herr berufen wird.“
I.
Hört zuerst die herrliche Verkündigung. Da wir keine Zeit verlieren dürfen, wollen wir sogleich zu unserem Thema übergehen.
Das in unserem Text verkündete Gut ist köstlich „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Errettung ist ein sehr umfassendes Gut; sie ist in der Tat eine Vereinigung von Gaben, eine Masse von Gütern in einem Wort zusammengefasst. Es ist ein Gut, das von der Höllentür bis zur Himmelspforte reicht. Die Errettung, die wir euch jetzt zu predigen haben, ist Errettung von der Sünde in jedem Sinne dieses Wortes. Sie ist ein Diamant mit vielen geschliffenen Flächen. Ihr, die ihr die ewigen Folgen der Missetat fürchtet, werdet froh sein, zu erfahren, dass es eine Errettung von der Strafe der Sünde gibt eine völlige und ewige Errettung. Dies ist kein Geringes für eine Seele, die von dem Bewusstsein der Schuld und der Gewissheit, dass die notwendigen Folgen der Sünde furchtbar sein müssen, zermalmt wird. An die Folgen der Sünde kann man nicht ohne Zittern denken. Wahrlich, Bangigkeit mag wohl das stärkste Herz ergreifen, wenn es an das künftige Gericht denkt. Wir predigen Errettung von dem unaussprechlichen Weh, welches der Sünde auf den Fersen folgt. Was auch die Schrecken jenes furchtbaren Tages, für den alle andern Tage gemacht sind, sein mögen, wir verkünden im Namen Gottes Errettung von ihnen allen. Was auch das Dunkel jenes bodenlosen Abgrundes sein mag, in den die Schuldigen auf ewig sinken sollen, wir sind im Stande, vollständige Befreiung von jenem endlosen Fallen zu verkünden Errettung für jede Seele, die an Jesum Christum, den Herrn glaubt. Keine Anklage in irgendeiner Form soll gegen einen Gläubigen vorgebracht werden. Kein Verdammungsspruch soll je über ihn gefällt werden. Die Errettung entlässt den Gefangenen von dem Gericht völlig freigesprochen. Alle Strafen aller Sünde sollen von allen denen hinweggenommen werden, welche die göttliche Gnade dahin führt, den Namen des Herrn anzurufen.
Die Errettung befreit auch von der Schuld der Sünde. Der Herr kann den Gottlosen rechtfertigen, so dass er unter die Gerechten gezählt wird. Durch das Blut Jesu macht er die Unreinen weißer denn Schnee.
Er will nicht nur die Sünde selbst hinwegnehmen, sondern alle Befleckung, die der innere Mensch dadurch erlitten hat. O, mein Hörer, all den Schaden, den du dir schon durch die Sünde zugefügt hast, kann der Herr wieder gut machen! Die Sünde, selbst wenn sie keine Strafe zur Folge hätte, ist eine Krankheit, welche die Schönheit des inneren Menschen vernichtet und uns vor den Augen Gottes ekelhaft macht ja, und abstoßend vor dem Blick unseres eigenen Gewissens, wenn wir uns bei dem Lichte des Geistes Gottes in dem Spiegel seines Wortes sehen. O ihr, an deren Stirnen der Aussatz weiß ist, wir predigen völlige Heilung für euch, eine Errettung, welche eure Natur erneuern und euer Fleisch wie das Fleisch eines jungen Kindes machen wird, wie das Naemans, als er aus dem Wasser herauf stieg und dem prophetischen Befehl gehorsam gewesen war. Brüder, die Errettung des Herrn nimmt jedes schädliche Resultat der Sünde von dem Herzen und Gemüte hinweg. Ist dies nicht eine Freude?
Wir predigen auch Errettung von der Sünde. Die Sünde findet ein Nest in der fleischlichen Natur, aber sie verbirgt sich da wie ein Dieb, sie soll nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter dem Gesetze, sondern unter der Gnade. O Sklaven, eure Ketten klirren in euren Ohren, aber in diesem Augenblick könnt ihr frei sein! Ob die Bande die der Trunkenheit, Liederlichkeit, Weltlichkeit oder Verzweiflung sind, der Herr löset die Gefangenen. Jesus ist gekommen, die Fesseln von euren Händen und die Ketten von euren Füßen zu nehmen. Wenn der Sohn euch frei macht, so werdet ihr recht frei sein. Er ist gekommen, euch frei zu machen dass Heiligkeit, Reinheit, Frieden und Liebe in euch wohnen mögen. Er will euch mit neuem Leben segnen, er will Gnade in euch herrschen lassen zum ewigen Leben. Errettung von der Macht des Bösen ist eine Gabe, die eines Gottes würdig ist. Dies ist die Errettung, die wir predigen; wir verkünden sofortige Befreiung von dem Fluche der Sünde, gegenwärtige Erlösung von der Macht der Sünde und schließliche Freiheit auch von der Inwohnung der Sünde. Jedem Menschen, der vom Weibe geboren, wird diese Errettung verkündigt, wenn er nur dem Befehl des Evangeliums gehorsam sein will, welches sagt: Blicke auf Christum und lebe. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Glücklicher Herold, der eine solche Verkündigung bringt! Das Gut ist unberechenbar köstlich.
Beachtet ferner, dass die Zeit dieser Verkündigung die gegenwärtige ist; denn Petrus sagt uns, dass die Zeit, von welcher der Prophet Joel spricht, am Pfingsttage begann. Als das Brausen des gewaltigen Windes gehört ward und die feurigen Zungen sich auf der Jünger Häupter setzten, da war die Zeit des Evangeliums in ihrer vollen Freiheit angebrochen. Der Heilige Geist, der damals auf die Erde herabkam, ist niemals wieder zurückgegangen; er ist noch inmitten der Kirche, er wirkt nicht leibliche Wunder, aber er vollbringt sittliche und geistliche in unserer Mitte bis auf diesen Tag. Heute wird durch seine Kraft jedem bußfertigen Sünder gepredigt; heute wird einem jeden, der an Jesum glaubt, völlige Errettung verheißen. Noch diesen Tag gilt die Verheißung: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“
Ich weise als ganz und gar unbiblisch die Vorstellung zurück, dass der Tag der Gnade für irgendeinen Menschen, der den Namen des Herrn anrufen will, vorüber sei. Wenn du rufen willst, so sollst du gehört werden, wie der Tag auch sei; ja, ob er sich auch zur elften Stunde neige. Der Tag der Gnade ist niemals vorüber für irgendeine Seele, die da lebt, so lange sie willig ist, an Jesum zu glauben. Mir ist nicht befohlen, hinzugehen und zu sagen, dass bis zu einem bestimmten Punkte Gnade für die Menschen da sei, aber über diesen Punkt hinaus keine. Nein, es ist keine Grenze gesetzt für die Willigkeit oder Fähigkeit Christi, diejenigen zu erretten, die seinen Namen anrufen. Wer wagts, den Heiligen in Israel in den Taten seiner Gnade einzuschränken? So lange Glaube möglich ist, ist Errettung möglich. Ich habe meines Meisters Befehl, das Evangelium aller Kreatur zu predigen. Er hat zu seinen Knechten gesprochen: „Ladet zur Hochzeit, wen ihr findet.“ Wir sind verpflichtet, jedem zu sagen: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Ob du ein Kind von zehn oder ein Mann von fünfzig bist, ich habe dieselbe Botschaft für dich. Wenn du gelebt hast, bis du hundert bist, so gilt die Verheißung des Evangeliums immer noch trotz des Verlaufs der Jahre. Die Zeit der Unwissenheit hat Gott übersehen; nun aber gebietet er allen Menschen an allen Enden Buße zu tun. Er erklärt gnadenvoll für alle, die ihn suchen: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Der Tag der Gnade vorüber! So! Das ist Satans Einflüsterung. Habt nichts mit dieser Lüge zu tun; denn der Heiland befiehlt euch immer noch zu ihm zu kommen und zu leben. Selbst bei der Ebbe des Lebens ruft er: „Kommt nun und lasst uns mit einander rechten.“
„So lang du lebst, ist Gnade da,
Wenn du ihn suchst, so ist er nah;
So lang noch brennt des Lebens Licht
Verstößt er auch den Sünder nicht.“
Wer zu des Vaters Hause wiederkehrt, soll eine frohe Aufnahme finden. Wenn du am heutigen Tage, diesem 14. November, den Herrn anrufen willst, so sollst du errettet werden. Gott spricht durch meinen Mund in diesem Augenblick zu dir und erklärt, dass heute, wenn du seine Stimme hören willst, deine Seele leben soll. Das Sprichwort sagt: „Es ist kein Tag wie heute“, und.es spricht die Wahrheit. Der jetzige Augenblick ist der beste Augenblick, den du besitzt. Was für einen andern Augenblick hast du? Wer in dieser dahinschwindenden Stunde den Namen des Herrn anrufen wird, soll errettet werden. Dies ist ein Evangelium, das wohl wert ist, gepredigt zu werden; selig sind unsere Ohren, dass wir den fröhlichen Ton hören!
Beachtet weiter, wie das Gut köstlich und die Zeit die gegenwärtige ist, so ist auch der Umfang dieser Verkündigung verheißungsvoll. Er ist voll Aufmunterung für alle, die mich am heutigen Tage hören. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Wer! Mir ist bange, dass irgendetwas, was ich sage, um die Weite des Wortes auszulegen, es nur verengern wird; gerade wie der, welcher die Ewigkeit zu erklären sucht, sie immer viel kürzer erscheinen lässt, als wir sie uns dachten, und so seinen Zweck verfehlt. „Wer“2). Es ist in diesem Wort kein Gitter, kein Graben, keine Grenzlinie. Ihr seid draußen auf den freien Bergen der Gnade. Beim Fahren durch die Schweiz findet man hie und da längs des Weges Pforten angebracht, zu keinem andern Zwecke, so viel ich sehen konnte, als um die Reisenden zu besteuern und zu plagen; viele der Schranken, die bei der Verkündigung des Evangeliums gesetzt werden, entsprechen keinem andern Zwecke. Nieder mit diesen Schlagbäumen auf dem Wege zum Himmel! Wir können nicht und dürfen nicht irgendeinen Menschen davon abhalten, den Namen des Herrn anzurufen: euer und eurer Kinder ist diese Verheißung; aber sie ist auch aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird. In dieser Sache ist kein Unterschied zwischen Juden und Heiden. „Wer“ schließt die Leute aus den Hintergassen, die Ärmsten der Armen ein; aber es schließt nicht die Vornehmen, nicht einmal die Reichsten der Reichen aus. „Wer“ winkt den Unterrichteten und blickt freundlich auf die Gebildeten und Feinen, aber nicht weniger ladet es die Ungebildeten ein, für die alle Gelehrsamkeit ein unerreichbares Geheimnis ist. „Wer“ hat einen Finger für Kindlein und einen Arm für Alte; es hat ein Auge für die Begabten und ein Lächeln für die Unbegabten.
Junge Männer und Mädchen, „Wer“ erbietet sich, euch einzuschließen! Gut und schlecht, ehrenhaft und ehrlos, dies „Wer“ spricht zu euch allen mit gleicher Wahrheit! Könige und Königinnen können Raum darin finden; und ebenso Diebe und Bettler. Adelige und Arme sitzen auf einer Bank in diesem Wort. Wer hat eine besondere Stimme für dich, mein Hörer! Antwortest du: „Aber ich bin ein wunderlicher Mensch?“ „Wer“ schließt alle Wunderlichen ein. Ich habe stets ein warmes Gefühl für wunderliche, exzentrische, von andern abweichende Leute, weil ich selbst einer von ihnen bin, wenigstens wird das oft von mir gesagt. Ich bin sehr dankbar für diesen unseren Spruch; denn wenn ich einer bin, der in keinem anderen Verzeichnis genannt wird, weiß ich doch, dass dieses mich einschließt; über jede Frage hinaus bin ich unter dem Schatten des „Wer“. Unzählige wunderliche Leute kommen zum Tabernakel oder Lesen meine Predigten; aber sie sind alle innerhalb des Bereiches des „Wer“.
„Ach!“ ruft der Eine, „ich bin schrecklich verzagt, ich bin zu niedergedrückt, als dass die Gnadenverheißung mich meinen könnte.“ Bist du das? Ich glaube es nicht. „Wer“ geht in die Tiefen der Verzweiflung hinab und in die Höhen der Herrlichkeit hinauf. Ach!“ murmelt ein anderer, „ich traure nicht genug über meine Sünde. Ich bin eine zu leichtsinnige Natur!“ Sehr wahrscheinlich, aber „Wer“ schließt dich ein; wenn du den Herrn anrufst, so sollst du errettet werden. Du magst heute Morgen das ganze Tabernakel durchgehen, und „Wer“ wird all die Tausende einbegreifen, die darin sind; danach magst du die Straßen hinabeilen und von einem Ende des mächtigen Flächenraums Londons bis zum andern schreiten, und du wirst keinen ausgeschlossen finden. Dann magst du ein Touristenbillet nehmen und durch Europa, Afrika und Asien reisen, bis du selbst China und Japan durchwandert hast. Du magst die Meere des Südens besegeln, Australien durchforschen und über San-Francisco heimkehren, und auf dieser ganzen Rundreise wirst du niemand, weder Mann, Frau noch Kind, ob weiß, schwarz, rot, gelb, blau oder grün, antreffen, der nicht in den Kreis dieses Wortes „wer“ mit eingeschlossen ist. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Ich hoffe, ich habe den Umfang des Textes nicht verkleinert, gewiss habe ich nicht beabsichtigt, es zu tun. Nehmt euch in Acht, dass ihr euch nicht selber die Tür zuschließt. Ich möchte, jeder von euch käme herein und fände sogleich Errettung. Für jetzt magst du den Neger, den Indianer und den heidnischen Chinesen vergessen; aber ich bitte dich, vergiss nicht selber zu Jesu zu kommen. Komme, denn du darfst kommen, du sollst kommen, du musst kommen.
„Keiner wird nun ausgeschlossen,
Der da will errettet sein;
Ob er roh und ohne Wissen,
Ob er hochgelehrt und fein.
Gnade rettet frei den Fürsten,
Und der Arme nimmt sein Teil;
Keinen Vorwand kannst du finden,
Zu verzweifeln an dem Heil.“
Hier ist der Spruch: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll befreit oder errettet werden.“ Glaube dem, und gehorche ihm. Es ist eine Gnadengabe, nimm hin und sei reich auf ewig.
Weiter, was erfordert wird, ist sehr einfach. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird.“ Du brauchst keine Bibliothek, um dir zu erklären, wie du errettet werden kannst. Hier ist „des einfachen Mannes Weg zum Himmel.“ Du hast nicht nötig, nach. der Sorbonne in Paris oder der Universität in Oxford zu gehen, um in der Kunst, das Heil zu finden, unterrichtet zu werden. Glaube und lebe. Ist das nicht einfach genug? Wer den Namen. des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Was ist unter dem Anrufen des Namens des Herrn zu verstehen? Den Namen des Herrn anrufen heißt zuerst: an Gott glauben, wie er sich in der Schrift offenbart. Seine Offenbarung seiner selbst ist sein Name“. Wenn du dir deinen eigenen Gott machst, so hast du keine Verheißung, dass er dich erretten will; im Gegenteil, wenn du ihn machst, so ist er zu nichts gut, denn er ist geringer als du selber. Wenn du jetzt willig bist, zum Lichte zu kommen und den Herrn zu sehen, wie er sich in seinem eigenen Worte zeigt, dann sollst du einen großen Gott und einen Heiland sehen. Du sollst nicht nur an einen Gott glauben, sondern an den lebendigen und wahren Gott: an Jehovah, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott und Vater unseres Herrn und Heilands Jesu Christi. Wenn du ihn annimmst als den, für den er sich erklärt, so sollst du in ihm Errettung finden. Das Unglück ist nur, dass die meisten Leute in unseren Tagen einen Gott von ihrer eigenen Erfindung verehren. Sie machen kein Bild von Ton oder Gold, aber sie verfertigen in ihrem Geiste einen Gott nach ihren eigenen Gedanken. Sie sitzen stolz darüber zu Gericht, was Gott sein sollte, und sie wollen Gott nicht annehmen, wie er wirklich ist. Was ist dies anders als ein Gott-Machen, so grob wie das, was bei den Heiden sich findet? Was kann schlechter sein, als wenn man versucht, sich einen besseren Gott vorzustellen, als den Einen wahren und lebendigen Gott? Da die Gottheit eurer Phantasie keine Existenz hat, so möchte ich euch nicht empfehlen, ihr zu vertrauen. Es gibt Einen lebendigen und wahren Gott, und dieser lebendige Gott hat sich in den zwei Büchern des Alten und des Neuen Testaments geoffenbart. In diesen wird er klarer gesehen als in seinen Werken der Schöpfung oder der Vorsehung. Auf diesen Gott müsst ihr vertrauen; und wenn ihr ihm vertraut, so wird er euch nicht täuschen. „Wohl allen, die ihm vertrauen“. Wenn ihr auf “Denken“ oder „Fortschritt“ vertraut oder auf irgendeine andere selbstgemachte Gottheit, so werdet ihr umkommen; aber wenn ihr auf den lebendigen Gott vertraut, so will er, so kann er euch nicht verlassen. Vertraut auf den Vater, Sohn und heiligen Geist, und ihr werdet erlöset werden. „Wer an ihn glaubt, der wird nicht zu Schanden werden.“ Ein einfaches, kindliches Vertrauen auf Gott, wie er sich in seinem Worte offenbart, und besonders wie er sich in der Person Jesu Christi enthüllt, wird euch erretten. In dem Herrn Jesu wohnt alle Fülle der Gottheit leibhaftig; traut auf ihn, und ihr seid errettet.
Den Namen des Herrn anrufen, heißt auch beten. Das ist die Vorstellung, die bei dem ersten Ton des Wortes in unserer Seele erweckt wird. Du hast dich in einem Walde verirrt. Was sollst du tun? Du sollst um Hilfe rufen. „Gott, höre mein Schreien! Errette mich, denn ich hoffe auf dich.“ Wenn ich dich mit einem verirrten Schaf vergleiche, was kannst du tun? Du kannst den Weg zurück zur Herde nicht finden; die Dornen halten dich fest und zerreißen dein Fleisch. Nun, du kannst blöken, und so nach dem Hirten rufen. Gebet wirkliches, aufrichtiges, gläubiges Gebet wird nie vergeblich sein. Der Herr hat gesagt: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten.“
Ich erinnere mich, dass ich in der Zeit meiner Seelennot monatelang von diesem unserem Texte lebte. Er sieht nur wie ein kleiner Bissen aus, aber er ist aus Fleisch-Essenz gemacht und erhält das Leben manchen Tag lang. Versucht die Kraft desselben. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Ich sagte zu mir selbst: „Ich rufe seinen Namen an und ich will fortfahren, seinen Namen anzurufen; ja, wenn ich umkomme, so will ich beten, und nur so umkommen!“ Und ich rief auch den Herrn nicht vergeblich an. Er hörte mich und errettete mich. Gelobt sei sein heiliger Name! Niemand, der betet, glaubt und vertraut, bleibt unerrettet. Was erfordert wird, ist sehr einfach. „Traue und bete.“
Und wenn du dies getan hast, dann gedenke daran, dass den Namen des Herrn anrufen, auch heißt, diesen Namen. bekennen. Wir lesen im Alten Testament: „Zu derselbigen Zeit fingen die Menschen an, den Namen des Herrn anzurufen.“ (1. Mos. 4, 26.) Nicht, als hätten sie damals zuerst gebetet, sondern sie fingen an zusammenzukommen, um Jehovah zu verehren. Sie sonderten sich von den anderen ab und nannten den heiligen Namen als den ihres Gottes und Herrn, und erklärten, dass sie, was immer andere auch täten, ihm dienen wollten. Der Herr fordert von allen Erretteten, dass sie dieses tun. Ihr müsst bekennen, dass der Herr euer Gott und Jesus euer Heiland ist. Ihr müsst sagen: „Dieser Gott ist unser Gott auf immer und ewig.“ Unser Herr sprach: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Paulus sagte: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig.“ Ihr müsst auf die eine oder die andere Weise euren Glauben bekennen; und die beste Weise ist diejenige, welche der Herr selber verordnet hat, als er sprach: „Also gebühret es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Nicht länger wünschend, ohne Gott zu leben und nicht länger dem vertrauend, was ihr sehen und hören und tun könnt, müsst ihr fortan euch ganz allein auf Gott verlassen und den Herrn als euren Gott und Vater anerkennen. Keiner, der dies tut, wird dem Verderben überlassen. Gott wird euch euer ganzes Leben lang helfen, wenn ihr ihm vertraut. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln, seine Wahrheit ist Schirm und Schild.“ Wer vertraut, betet und sich zu dem Herrn bekennt, der soll errettet werden.
Dieses Erfordernis ist einfach genug und ich sehe nicht ein, was weniger von einem Menschen verlangt werden könnte. Wollt ihr einen Menschen errettet haben, der seinem Gott nicht trauen will? Wollt ihr einen Menschen begnadigt haben, der seinem Herrn nicht gehorchen will? Ist Christus in die Welt gekommen, um unserer Sünde Vorschub zu leisten und uns zu erretten, während wir in der Empörung verharren? Gott behüte! Seine Gnade ist geoffenbart, damit wir Gott in allem anerkennen und vor dem Herrn in dem Lande der Lebendigen wandeln. Auch hierbei wirkt der Heilige Geist in uns das Wollen und das Vollbringen.
Ich will euch in den nächsten paar Minuten daran erinnern, dass, wie das Geforderte einfach ist, so die Versicherung des Segens bestimmt ist. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Hierbei ist keine Klausel und kein Vielleicht. Der Spruch enthält keine bloße Hoffnung, sondern eine feierliche Versicherung. Wenn du glaubst, arme Seele, so sollst du errettet werden, ob du auch ganz und gar eine Masse von Sünden wärest! Siehst du nicht, wie gewiss dies ist? Gott, der nicht lügen kann, verpfändet dir sein Wort; wage deine Seele darauf hin. Hier ist in der Tat kein Wagnis. Die einzige Hoffnung, die ich habe, ist die auf die Verheißung meines treuen Gottes, die er allen gibt, die seinen Namen anrufen. Ich kann nicht anderswo Ruhe finden, aber auf sein bloßes Wort hin wage ich fröhlich meine ganze Ewigkeit. Wie könnte es sein, dass ein aufrichtiges Vertrauen auf Gottes eigene Verheißung je von dem Herrn verworfen werden könnte? Als ich am Bette eines Sterbenden saß, der auf Christum baute, eben wie ich es tue, sagte ich zu mir: Gesetzt, wir, die wir allein auf Jesum trauen, kämen um, was dann? Nun, es würde eine ewige Unehre für den Herrn sein, auf den wir vertrauten. Wir würden unsere Seelen verlieren, gewiss, aber er würde seine Ehre verlieren. Denkt euch, wenn einer von uns in der Hölle sagen könnte: „Ich vertraute auf des gepriesenen Heilandes Hilfe und verließ mich auf Gott, und doch bin ich verloren.“ Nein, der Himmel selbst würde verdunkelt werden und die Kronjuwelen Gottes würden ihren Glanz verlieren, wenn das einmal der Fall sein könnte! Aber es kann nicht sein. Wenn du auf Gott, den Allmächtigen, vertraust, so wird er dich erretten, so gewiss er Gott ist. Niemand wird von Gott je besser denken, als er ist. Tue deinen Mund auf, soweit du willst, er wird ihn füllen.
Und nun, um das über die Verkündigung Gesagte zu schließen, gedenke, dass sie, obwohl weitreichend genug, eine weite Welt von Gläubigen einzubegreifen, dennoch eine persönliche Botschaft an dich zu dieser Stunde ist. „Wer“ schließt dich ein, und wenn du es unter dem rechten Winkel ansiehst, so blickt es dich insbesondere an. Du, wenn du Gott anrufst, sollst errettet werden; du, sogar du! Freund, ich kenne deinen Namen nicht und brauche ihn auch nicht zu kennen; aber ich meine dich mit diesem Wort. Du sollst errettet werden, wenn du den Namen des Herrn anrufst. „Ah!“ sagst du, „ich wünsche, mein Name wäre in der Bibel niedergeschrieben.“ Würde das dich trösten? Wenn in der Schrift geschrieben stände: „Charles Haddon Spurgeon soll errettet werden“, so ist mir bange, ich würde nicht viel Trost aus der Verheißung schöpfen, denn ich würde nach Hause gehen und im Londoner Adressbuch nachsehen, ob es nicht einen anderen dieses oder eines sehr ähnlichen Namens gäbe. Wie viel schlimmer noch würde es für die Schmidts und Brauns sein! Nein, meine Brüder, verlangt nicht, euren Namen in dem offenbarten Buche zu sehen, sondern seid zufrieden mit dem, was ihr seht, nämlich euren Charakter! Wenn die Schrift sagt „Wer“, so könnt ihr euch davon nicht ausschließen. Da geschrieben steht: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll errettet werden“, so ruft den Namen an und ergreift den Segen. Die Verzweiflung selber kann kaum dem Troste dieses gesegneten Spruches ausweichen. O Heiliger Geist, du Tröster, versiegle ihn in jedem Herzen!
Aber vielleicht hast du nicht den Namen des Herrn angerufen. Dann beginne sogleich. Rufe: „Herr, sei mir gnädig!“ und rufe augenblicklich. Wenn du nie gebetet hast, so bete jetzt. Möge Gott, der Heilige Geist dich dahin führen, in diesem gegenwärtigen Augenblicke den Namen des Herrn anzurufen, ohne dass du erst wartest, bis du nach Hause gekommen oder an einen anderen Ort gegangen bist! Ob du auch nie vorher an den Herrn Jesum geglaubt hast, so glaube jetzt an ihn. Wenn dies der erste Atemzug des Glaubens ist, den du je getan hast, so ist die Verheißung so gewiss für dich, wie für die unter uns, die den Herrn nun schon vierzig Jahre lang gekannt haben. „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden“, ist ein Wort an den Sorglosen, der nie in seinem Leben gebetet hat.
O mein Hörer, der Text spricht zu dir. Wie ich wünsche, ich könnte zu dir gelangen, dich bei der Hand fassen und festhalten, bis ich dich zum Nachdenken gebracht hätte! Ich erinnere mich, wie Mr. Weaver, als er in seinen jüngeren Tagen in unserer früheren Kapelle gepredigt hatte, von der Kanzel herunterkam und an den Stühlen umherging, um mit den Einzelnen zu sprechen und zu sagen, „du, du, du.“ Ich bin nicht behände genug im Gehen, um das zu tun, und ich glaube nicht, dass ich es versuchen würde, wenn ich jünger wäre; aber ich wünsche, ich könnte irgendwie zu jedem von euch kommen und euch diese fröhliche Botschaft ans Herz legen. Du, mein lieber greiser Freund, sie gilt dir! Du, junges Mädchen, dort drüben zur Rechten, sie gilt dir! Du, liebes Kind, das neben seiner Großmutter sitzt, sie gilt dir! „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden!“ O Herr, segne dieses Wort an jedem Unbekehrten, zu dem es kommt!
II.
Ich könnte fast wünschen, mit diesen sanften Tönen zu schließen, aber ich darf einen Spruch nicht verstümmeln. Ich will den zweiten Teil desselben außerordentlich kurz behandeln, aber ich darf ihn nicht ganz verschweigen. Die zweite Hälfte dieses Textes enthält eine lehrreiche Erklärung. „Und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden.“ Das ward erfüllt an Pfingsten, denn an diesem Tage wurde eine große Menge gläubig, wurde getauft und war errettet; so wurden die, welche den Namen des Herrn anriefen, errettet. Aber höret weiter: „Auf dem Berge Zion und zu Jerusalem soll eine Errettung sein.“ Dies wurde auch buchstäblich wahr; die erste Predigt des Evangeliums war an die Juden zu Jerusalem selber. Die Errettung kam zu dem Berge Zion und zur Stadt des großen Königs. Der Zorn wider die Sünde und Unreinigkeit ward zu Jerusalem eröffnet.
Es ist etwas bei dieser Tatsache, das mir heute Morgen als etwas sehr Ernstes in die Augen fällt; obwohl diese Errettung einigen zu Teil ward, so ward doch die Stadt vollständig zerstört. Das Himmelreich kam ihnen nahe, aber sie wiesen es ab, und eine furchtbare Zerstörung kam über sie. Die Juden waren lange Zeit äußerlich das erwählte Volk des Herrn gewesen, aber bis zu einem gewissen Grade hatte er sie verstoßen, denn die Römer regierten das Land, und sie selber kreuzigten in ihrem Eigenwillen ihren König. Die bevorzugte Nation nagelte den Messias an das Holz; und doch wurde den Sündern zu Jerusalem die Errettung zuerst gepredigt. Das Heil kam von den Juden, und durch Juden wurde es uns Heiden gebracht. Eine traurige Sache, dass sie uns Leben brachten und dennoch als Volk in den geistlichen Tod sanken!
Beachtet, dass der Prophet spricht: „Auf dem Berge Zion und zu Jerusalem soll eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat.“ Er verhieß Errettung und er sandte sie seinem Worte gemäß; wollten sie dieselbe nicht haben, er sandte sie doch, wie er gesagt, und ihr Blut war auf ihrem eigenen Haupte, wenn sie sie zurückwiesen. Der Herr ging in seiner Gnade, soweit er nur konnte, indem er jenen Führern in der Gottlosigkeit, die mit verruchten Händen ihren eigenen Messias gekreuzigt, Errettung sandte.
Infolge der Güte des Herrn ward ein Überbleibsel errettet. Beachtet dies, „und bei den Übrigen, die der Herr berufen wird.“ Einige Übrige riefen den Herrn an und lebten. Jene elf, die am Pfingstfeste auftraten und von der Auferstehung zeugten, waren alle Juden; und die, welche in jenem Hause beisammen waren, als der Heilige Geist hernieder kam, waren Juden; dies waren „die Übrigen“. Aber der ernste Gedanke ist, dass es nur „Übrige“ aus dem bevorzugten Volke Gottes waren. Jahrhunderte der Heimsuchungen, Propheten, Wunder; doch nur ein Überbleibsel errettet! Gottes Herrlichkeit leuchtete unter ihnen, doch nur ein Überbleibsel gehorsam! Der Christ Gottes selbst aus ihrem Volk geboren und dennoch nur ein Überbleibsel errettet! Bis auf diesen Tag sprechen wir die Wahrheit, wenn wir singen:
„Du auserwählter Same
Von Israels Geschlecht,
Du Zahl, gering und kleine“ rc.
Die jüdische Kirche ist ein sehr unbedeutender Teil des jüdischen Volkes. Der Apostel sagt uns, dass „ein Überbleibsel ist nach der Wahl der Gnaden“; und Jesaias sagt: „Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein Weniges ließe überbleiben, so wären wir wie Sodom und gleich wie Gomorra.“
Armes Israel! Armes Israel! Am meisten bevorzugt manches Jahrhundert lang, und doch nur ein Überbleibsel dahin gebracht, den errettenden Namen des Herrn anzurufen! Viele kommen aus fernen Landen und sitzen mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich; aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen in die äußerste Finsternis; alle, bis auf ein Überbleibsel.
Mir ist es lehrreich, zu beachten, dass sogar diese Übrigen nie den Namen des Herrn anriefen, bis der Herr sie rief; „bei den Übrigen, die der Herr berufen wird.“ Wir alle bedürfen eines Wunders der Gnade, um die einfache Tat des Anrufens Gottes zu vollbringen. Dies war ganz ersichtlich bei Israel, denn das Volk als solches verwarf Jesum von Nazareth, und nur wenige wurden durch die Macht des Heiligen Geistes bekehrt. Aber, ob Juden oder Griechen, wir sind gleichermaßen verderbt und wenn nicht eine wirksame Berufung uns aus unserem natürlichen Zustande herausruft, so wird das Lekte, was wir je tun, dies sein, zu Jesu zu kommen und in ihm zu ruhen. Unglücklicher Zustand, das höchste Gut abzuweisen!
Gläubige Juden sind ein Überbleibsel bis auf diesen Tag und nur hie und da wird einer durch die Gnade berufen. Ihr sagt: „Was haben wir damit zu tun?“ Wir haben viel damit zu tun. Lasst uns beten für die Landsleute unseres Herrn. Lasst uns für sie arbeiten. Lasst uns auch dieses tun, lasst uns von ihrem Fall lernen. ihr, die ihr Kinder gottesfürchtiger Eltern seid, ihr, die ihr regelmäßig die Gottesdienste besucht, die ihr in diesem Gebetshause Jahr auf Jahr sitzt, ihr seid so ziemlich in derselben Lage wie das alte Israel! Ihr habt die äußeren Vorrechte, wollt ihr die Hoffnungen verwerfen, die euch vorgehalten werden? Ich fürchte, ihr werdet so daran gewöhnt, das Evangelium zu hören, dass ihr denkt, bloßes Hören sei genug. Ich zittere bei dem Gedanken, euch könnten die Äußerlichkeiten der Religion so zur Gewohnheit werden, dass ihr für alles Innerliche derselben tot wäret, und nur ein Überbleibsel von euch errettet würde. Denkt an die Menge in England, die das Evangelium hört und an die vergleichungsweise Wenigen, die durch die Gnade berufen werden, zu kommen und an Jesum zu glauben. Es ist traurig, an die Weite der Gnade des Evangeliums und an die Beschränktheit der Annahme derselben seitens der Menschen zu denken. Das Mahl ist groß, der Gäste sind wenige. Ich sehe einen Ozean von Gnade ohne Ufer; und auf demselben schwimmt eine Arche, worin nur wenige errettet sind. Soll es immer so sein? kommt und empfangt die Gabe der freien Gnade! Ach, ich sehe die Menschen in die Finsternis des Unglaubens versunken und nur ein Überbleibsel derselben zum Licht des Glaubens aufsteigen! Alles zusammengefasst haben wir in diesem London von vier oder fünf Millionen zu keiner Zeit eine halbe Million beim Gottesdienste gegenwärtig! Wie viele von dieser halben Million, denkt ihr, sind wirklich Christen? Wahrlich, es ist immer noch ein Überbleibsel. O, dass ihr und ich zu demselben gehören mögen!
Lasst uns ferner den Herrn bitten, die Menge einzusammeln und so schnell die Zahl seiner Erwählten voll zu machen. O, dass er nicht nur die Unumschränktheit seiner Gnade verherrlichen wollte, sondern auch die Weite derselben offenbaren! O, dass er Jesu, seinem geliebten Sohne, geben wollte die Frucht der Arbeit seiner Seele zu sehen, bis er die Fülle hätte! O Herr, die Ochsen und das Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; lass es nicht wiederum gesagt werden, dass die, welche geladen sind, es nicht wert waren! Oder, wenn es so ist, so mache uns fähig, hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune zu gehen und die Ausgestoßenen zu nötigen, hineinzukommen, damit Gäste beim Hochzeitmahl seien! Geht aus, ihr Boten Christi, in alle Welt! Stehet auf, meine Brüder und Schwestern, von diesem Gottesdienste und geht aus, jeder von euch, um so viele hereinzurufen, wie ihr findet; ja, nötiget sie, hereinzukommen! Möge der Herr geben, dass in London und in Britannien eine Errettung sei; ja, möge sein Heil verkündigt werden bis an die Enden der Erde! Amen.