Markus, Kapitel 6

6:1 Und er ging aus von da und kam in seine Vaterstadt; und seine Jünger folgten ihm nach.

6:2 Und da der Sabbat kam, hob er an zu lehren in ihrer Schule. Und viele, die es hörten, verwunderten sich seiner Lehre und sprachen: Woher kommt dem solches? Und was für Weisheit ist's, die ihm gegeben ist, und solche Taten, die durch seine Hände geschehen?
Die Leute von Nazareth haben sich an den äußeren Umständen gestoßen; darüber ist der Glaube erstickt. So geht's noch oft. Es wird einem etwas Besonderes zuteil, in das man sich vergafft und in dem man sich spiegelt; aber dann ist's verfehlt. Man muß sich also in keine Predigt, in keine Postille, in kein Lied, in nichts, das in die Sinne fällt, vergaffen. Das Ärgernis ist ein Stoß, der unserm Glauben gegeben wird, so daß er nicht aufkommen kann; das geschieht eben, wenn man am Äußern hängen bleibt. (Johann Albrecht Bengel)

6:3 Ist er nicht der Zimmermann, Marias Sohn, und der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern allhier bei uns? Und sie ärgerten sich an ihm.

6:4 Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Prophet gilt nirgend weniger denn im Vaterland und daheim bei den Seinen.
Man schließe vom Kleinen aufs Größere. Wir haben nun Zeugnis vom wirklichen Tod, von der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu, von seinem Sitzen zur Rechten Gottes usw. Wenn eine Seele ihr ganzes Leben hindurch diese Botschaft ausschlägt, wie groß muß ihre Verantwortung werden! (Johann Albrecht Bengel)

6:5 Und er konnte allda nicht eine einzige Tat tun; außer wenig Siechen legte er die Hände auf und heilte sie.

6:6 Und er verwunderte sich ihres Unglaubens. Und er ging umher in die Flecken im Kreis und lehrte sie.

6:7 Und er berief die Zwölf und hob an und sandte sie je zwei und zwei und gab ihnen Macht über die unsauberen Geister,

6:8 und gebot ihnen, daß sie nichts bei sich trügen auf dem Wege denn allein einen Stab, keine Tasche, kein Brot, kein Geld im Gürtel,

6:9 aber wären geschuht, und daß sie nicht zwei Röcke anzögen.

6:10 Und sprach zu ihnen: Wo ihr in ein Haus gehen werdet, da bleibet bis ihr von dannen zieht.

6:11 Und welche euch nicht aufnehmen noch hören, da gehet von dannen heraus und schüttelt den Staub ab von euren Füßen zu einem Zeugnis über sie. Ich sage euch wahrlich: Es wird Sodom und Gomorrha am Jüngsten Gericht erträglicher gehen denn solcher Stadt.

6:12 Und sie gingen aus und predigten, man sollte Buße tun,

6:13 und trieben viele Teufel aus und salbten viele Sieche mit Öl und machten sie gesund.

6:14 Und es kam vor den König Herodes (denn sein Name war nun bekannt) und er sprach: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden, darum tut er solche Taten.

6:15 Etliche aber sprachen: Er ist Elia; etliche aber: Er ist ein Prophet oder einer von den Propheten.

6:16 Da es aber Herodes hörte, sprach er: Es ist Johannes, den ich enthauptet habe; der ist von den Toten auferstanden.

6:17 Er aber, Herodes, hatte ausgesandt und Johannes gegriffen und ins Gefängnis gelegt um der Herodias willen, seines Bruders Philippus Weib; denn er hatte sie gefreit.

6:18 Johannes aber sprach zu Herodes: Es ist nicht recht, daß du deines Bruders Weib habest.

6:19 Herodias aber stellte ihm nach und wollte ihn töten, und konnte nicht.

6:20 Herodes aber fürchtete Johannes; denn er wußte, daß er ein frommer und heiliger Mann war; und verwahrte ihn und gehorchte ihm in vielen Sachen und hörte ihn gern.

6:21 Und es kam ein gelegener Tag, daß Herodes auf seinen Jahrestag ein Abendmahl gab den Obersten und Hauptleuten und Vornehmsten in Galiläa.

6:22 Da trat hinein die Tochter der Herodias und tanzte, und gefiel wohl dem Herodes und denen die am Tisch saßen. Da sprach der König zu dem Mägdlein: Bitte von mir, was du willst, ich will dir's geben.

6:23 Und er schwur ihr einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben, bis an die Hälfte meines Königreiches.

6:24 Sie ging hinaus und sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das Haupt Johannes des Täufers.

6:25 Und sie ging alsbald hinein mit Eile zum König, bat und sprach: Ich will, daß du mir gebest jetzt zur Stunde auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers.

6:26 Der König war betrübt; doch um des Eides willen und derer, die am Tisch saßen, wollte er sie nicht lassen eine Fehlbitte tun.

6:27 Und alsbald schickte hin der König den Henker und hieß sein Haupt herbringen. Der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis

6:28 und trug her sein Haupt auf einer Schüssel und gab's dem Mägdlein, und das Mägdlein gab's ihrer Mutter.

6:29 Und da das seine Jünger hörten, kamen sie und nahmen seinen Leib, und legten ihn in ein Grab.

6:30 Und die Apostel kamen zu Jesu zusammen und verkündigten ihm das alles und was sie getan und gelehrt hatten.

6:31 Und er sprach zu ihnen: Lasset uns besonders an eine wüste Stätte gehen und ruht ein wenig. Denn ihr waren viele, die ab und zu gingen; und sie hatten nicht Zeit genug, zu essen.

6:32 Und er fuhr da in einem Schiff zu einer wüsten Stätte besonders.

6:33 Und das Volk sah sie wegfahren; und viele kannten ihn und liefen dahin miteinander zu Fuß aus allen Städten und kamen ihnen zuvor und kamen zu ihm.

6:34 Und Jesus ging heraus und sah das große Volk; und es jammerte ihn derselben; denn sie waren wie die Schafe, die keinen Hirten haben; und er fing an eine lange Predigt.
Eine traurige, die schmerzlichsten Gefühle aufregende Geschichte! Unter allen Personen, die hier handelnd auftreten, ist auch nicht eine, die eines ehrenwerthen Gedächtnisses würdig wäre: ein schwacher, sündenbeladener König, der ein leichtsinnig gegebenes Wort höher hält, als die Stimme der Gerechtigkeit und Wahrheit; - ein rachsüchtiges Weib, welches die wohlverdiente Züchtigung ihres unkeuschen, treulosen Lebens mit dem Tode bestraft, - und eine leichtsinnige Tochter, welcher Leben oder Tod eines Menschen etwas völlig Gleichgültiges ist – wo ist hier eine Freude, wo ein Vorbild zu einem christlichen Leben? Nur ernste Mahnungen und Warnungen sind es, welche diese Geschichte predigt. – Der treue Prophet des Herrn, Johannes, mußte das traurige Opfer der Sünden solcher Menschen werden: unbegreifliche Zulassung Gottes! Doch erleuchtet einiges Licht schon hier dieses Dunkel. Johannes scheint freilich zu unterliegen; wahrhaft aber hat er gesiegt. Welche Schreckensgewalt übt er noch nach seinem Tode über das Gemüth seines Mörders aus! Welche stille Angst verfolgt den Herodes bis in seine Träume hinein! Das Reich des Herodes ist längst zerstört, die Wirksamkeit des Johannes aber ist eine mächtige Säule geworden an dem erhabensten Gebäude, das ewig dauert, und sein Wort wirkt noch heute segensreich auf Millionen Herzen. Im Reiche Gottes geschieht nichts umsonst, geht nichts verloren. In den Herzen der meisten Menschen hat die Wahrheit Gottes einen geheimen Bundesgenossen, der ihm wohl einmal zu günstiger Stunde den Eingang öffnet, daß Gottes Wort endlich den beharrlichen Widerstand überwindet. Doch der vollendete Sieg der Diener Gottes über die Kinder der Welt liegt jenseits in einer höheren Zukunft, wo Johannes längst den Lohn seiner Treue empfangen hat, während seine Verfolger der qualvollen Finsterniß übergeben sind, die sie sich selbst geweiht haben. Laß mich also nicht irre werden an Deinen Führungen, o Herr, durch den Märtyrertod Deines Zeugen, im Gegentheil weder durch Genuß noch durch Leiden mich von Deiner Liebe scheiden; in Dir überwinden die Kinder Gottes zuletzt doch die Welt, den Tod, die Hölle und den Satan. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

6:35 Da nun der Tag fast dahin war, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Es ist wüst hier, und der Tag ist nun dahin;

6:36 laß sie von dir, daß sie hingehen umher in die Dörfer und Märkte und kaufen sich Brot, denn sie haben nichts zu essen.

6:37 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Und sie sprachen zu ihm: Sollen wir denn hingehen und für zweihundert Groschen Brot kaufen und ihnen zu essen geben?

6:38 Er aber sprach zu ihnen: Wieviel Brot habt ihr? Gehet hin und sehet! Und da sie es erkundet hatten, sprachen sie: Fünf, und zwei Fische.

6:39 Und er gebot ihnen, daß sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras.

6:40 Und sie setzten sich nach Schichten, je hundert und hundert, fünfzig und fünfzig.

6:41 Und er nahm die fünf Brote und zwei Fische, sah zum Himmel auf und dankte und brach die Brote und gab sie den Jüngern, daß sie ihnen vorlegten; und die zwei Fische teilte er unter sie alle.

6:42 Und sie aßen alle und wurden satt.

6:43 Und sie hoben auf die Brocken, zwölf Körbe voll, und von den Fischen.

6:44 Und die da gegessen hatten, waren fünftausend Mann.

6:45 Und alsbald trieb er seine Jünger, daß sie in das Schiff träten und vor ihm hinüberführen gen Bethsaida, bis daß er das Volk von sich ließe.

6:46 Und da er sie von sich geschafft hatte, ging er hin auf einen Berg, zu beten.

6:47 Und am Abend war das Schiff mitten auf dem Meer und er auf dem Lande allein.

6:48 Und er sah, daß sie Not litten im Rudern; denn der Wind war ihnen entgegen. Und um die vierte Wache der Nacht kam er zu ihnen und wandelte auf dem Meer;

6:49 und er wollte an ihnen vorübergehen. Und da sie ihn sahen auf dem Meer wandeln, meinten sie, es wäre ein Gespenst, und schrieen;

6:50 denn sie sahen ihn alle und erschraken. Aber alsbald redete er mit ihnen und sprach zu ihnen: Seid getrost, ich bin's, fürchtet euch nicht!
Ich bin's! Dies hat ihnen wohlgetan. 0 wie gut ist's, wenn man mit dem Herrn Jesus so bekannt ist, daß man sofort zufrieden sein kann mit seinem Wort: Ich bin's! So spricht er dort im Garten zu seinen Feinden (Joh. 18, 5); aber es hatte eine ganz andere Wirkung. Wo vorher Ordnung in einer Seele gemacht worden ist, da kann durch solch ein einziges Wörtlein alles wieder hervorgebracht werden. Mit dem Glauben ist's wie mit einer hölzernen Fackel; bald glostet nur ein einzig Ecklein, bald ist alles wieder voll entflammt. (Johann Albrecht Bengel)

6:51 Und er trat zu ihnen ins Schiff, und der Wind legte sich. Und sie entsetzten und verwunderten sich über die Maßen,

6:52 denn sie waren nichts verständiger geworden über den Broten, und ihr Herz war erstarrt.1)

6:53 Und da sie hinübergefahren waren, kamen sie in das Land Genezareth und fuhren an.

6:54 Und da sie aus dem Schiff traten alsbald kannten sie ihn

6:55 und liefen in alle die umliegenden Länder und hoben an, die Kranken umherzuführen auf Betten, wo sie hörten, daß er war.

6:56 Und wo er in die Märkte oder Städte oder Dörfer einging, da legten sie die Kranken auf den Markt und baten ihn, daß sie nur den Saum seines Kleides anrühren möchten; und alle, die ihn anrührten, wurden gesund.
Warum haben sie begehrt, den Saum anzurühren? Es heißt nicht, daß sie begehrt haben, ein Stück davon mitzunehmen. Sie haben nur eben in der Gegenwart des Herrn Jesu sich aufgehalten. Daher spricht dieses Wort nicht für den Reliquienglauben der Katholiken. - Wenn etwas zur Mode werden soll, dann hört Gott auf. (Johann Albrecht Bengel)

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