Krause, Cäsar Wilhelm Alexander - Jesus unser Licht auf unserm Lebenswege.

Predigt am Neujahrstage (1846).

Mein Herr und mein Gott! der du bleibest, wenn Alles vergeht! Bleibe auch in diesem Jahre bei uns mit deiner Gnade. Amen.

Unser Leben währet 70 Jahre, wenn es hoch kommt, so sind es 80 Jahre! Und eins dieser Jahre, theure Mitchristen, ein bedeutender Theil unserer Lebenszeit ist wieder vergangen! Wir sind dem Grabe um so viel näher gekommen; es ist als flögen wir davon! - Denken wir zurück an alle die vergangenen Jahre, die uns Gott in seiner Gnade schon geschenkt, da möchte unsere Seele in ein tiefes Sinnen gerathen, da möchte sie alle die schnell verschwundenen Bilder der vergangenen Zeit sich wieder vorüber führen. Aber zu groß ist ihre Zahl, zu reich ihr Farbenwechsel; sie verschwimmen schon in einander, nur einzelne Licht- und Schattenpunkte treten wie Bergesgipfel oder Thalgründe auf dem Bilde einer Landschaft hervor, und unser Blick weilt wehmüthig auf denselben. Sei's vergangenes Glück, sei's überstandenes Leid, sei's errungener Sieg, sei's begangene Schuld - der gewissenhafte Rückblick auf die Vergangenheit ist immer ein wehmüthiger, denn er führt die Anerkennung mit sich, daß wir unbefleckt aus ihr nicht hervorgegangen, daß wir uns selbst nie genug gethan, daß wir völlige Befriedigung nie gefunden haben. - Und blicken wir von dem Wendepunkte der Jahre, auf welchem wir heute stehen, in die Zukunft hinaus, so umfangt uns ein völliges Dunkel, unsern Hoffnungen und Befürchtungen, unsern Vorsätzen und Entschlüssen den freiesten Spielraum lassend. Nicht ohne Zagen treten wir in dies Dunkel ein, und der Wunsch erwacht: O hatten wir ein Licht, das uns die Zukunft, das uns selbst erleuchte, damit wir in derselben uns nicht verirren, sondern uns bewähren mögen als das, was wir nach unserm christlichen Berufe sein sollen- als die Diener Gottes! Denn ernst ist die Zeit, in der wir leben, und gewichtig die Aufgabe, die sich einem Jeden von uns zu lösen darbietet. Es war ein gewaltiges Jahr, das uns vergangen ist; ein Jahr, wie deren die Weltgeschichte nicht zu viele gesehen hat. Es erinnert uns an die Fortsetzung der Psalmworte, mit denen wir unsere Betrachtung begonnen: Und wenn das Leben köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen. Ja, es hat der Mühe und des Leides viel gebracht damals, als des strengen Winters Kälte nicht enden wollte, dann als die Wasserfluthen hereinbrachen, fruchtreiche Felder und die Wohnungen der Menschen verwüstend; dann als die spärliche Erndte kam, der Sichel des Schnitters nur dürftige Halme, den nach Nahrung verlangenden Menschen theilweise nur kranke Frucht darbietend. Und doch war bei diesem Leide, bei aller dieser Mühe es köstlich zu schauen, wie die Menschenliebe so kräftig erwachte, wie sie so eifrig sich bemühte, Schaden zu vergüten und Unglück zu mindern. In dieser Liebe erschien ein Licht für die leidende Menschheit, und an wessen Worte und Vorbilde hat dieses Licht sich entzündet? -

Ein Jahr voll rastloser Arbeit, voll heißen Ringens im geistigen Gebiete haben wir geschaut: Wer ist davon unberührt geblieben? Es galt den heiligen Kampf gegen geistige Tyrannei, die hier und dort noch immer geübt wird auf Erden; es galt Schranken zu durchbrechen, welche Jahrhunderte gebaut und gefestigt, welche mehr als einem Angriffe schon widerstanden haben, welche aber den Völkern den freien Zugang zu ihrem Heilande und seinem Evangelio, und durch ihn zu Gott, versperren, und bestimmt waren, sie in dem Zustande bewußt- und willenloser Heerden zu erhalten, geleitet von Mächten, die oft nicht wollten, was göttlich, sondern was menschlich ist; und diese geistige Arbeit, dieses geistige Tagwerden für so viele Tausende - es war köstlich zu schauen, unter wie vieler Mühe und theilweiser Ungunst der Welt es sich auch vollzog. Und wessen Wort und Vorbild war es denn, an dem auch dieses Licht sich entzündete? Es war Jesus Christus, der das Licht der Welt ist immerdar, derselbe gestern und heute, derselbe auch in Ewigkeit! -

Wir sprachen vorher die Sehnsucht aus, daß uns bei unserm Gange in das Dunkel der Zukunft doch ein Licht verliehen sein möchte, das unsere Zukunft, das uns selbst erleuchte, damit wir uns in allen Fällen bewähreten als die Diener Gottes! O, diese Sehnsucht hat ihre Befriedigung schon gefunden durch Gottes reiche Gnade; das Licht, dessen wir bedürfen bei unserm Gange durch das Leben, leuchtet der Welt bereits durch 18 Jahrhunderte und leuchtet je länger, mit um so herrlicherem Scheine! Es fehlt nur, daß wir Herz und Geist ihm öffnen, damit es die Schatten der Finsterniß daraus vertreibe. Jesus Christus ist unser. Licht auf unsern, Lebenswege! Daran zu erinnern und uns zu seiner Nachfolge zu ermuntern, sei die Aufgabe unserer Neujahrs-Betrachtung - und Gott gebe seinen Segen dazu, Amen.

(Gesang. Gebet.)

Evangelium Johannis 8, 12.
Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsterniß, sondern das Licht des Lebens haben.„

Der, welcher sprach: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht, derselbe ruft uns auch zu: Ich bin das Licht der Welt! Derselbe verheißet uns: Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsterniß, sondern das Licht des Lebens haben. Das ist es ja, was wir bedürfen, um unser Leben zu erhellen, um das Dunkel unsrer Zukunft und den Weg zum ewigen Leben für uns erleuchtet zu sehen. Lasset es uns denn aufnehmen, lasset uns dem Heilande nachfolgen! Er, Jesus Christus, sei unser Licht auf unserm Lebenswege, in unsern Trübsalen, in unsern Bestrebungen und in unsern Hoffnungen. Dem lasset uns jetzt weiter nachdenken.

1.

In dem Dunkel der Trübsale, das uns auf unserm Lebenswege so oft umfängt, sei Jesus unser Licht: er zeige uns den Gott der Gnade, der alle unsere Wege leitet. Habt ihr dieses Lichtes segnenden Schein nicht schon oft genug geschaut, Christen, und den Frieden, den es darbietet, in der vergangenen Zeit empfunden? O, blicket zurück, auf daß ihr dem die Ehre gebet, dem sie gebühret. Wer ist unter uns, dessen Leben nicht schon von vielfachen Prüfungen und Schmerzen heimgesucht worden ist? Wer, dem nicht auch das vergangene Jahr irgend eine theure Hoffnung getäuscht, irgend etwas, woran sein Herz hing, geraubt, oder dem es nicht in irgend einer andern Weise ein Leid gebracht hätte? Ach, wir dürfen nicht weit suchen, um eine reiche Quelle des Leides zu entdecken, die uns Allen hienieden fließt. Die fortrollende Zeit hat auch in dem vergangenen Jahre manche liebliche Blüthe, manche reife Frucht, manches welke Blatt von dem Baume des Lebens herabfallen lassen. Manches liebliche Kind ist aus den Armen seiner Eltern, mancher liebende Watte, mancher theure Freund von der Seite des Gatten, des Freundes hinfortgerissen, manches ehrwürdige Haupt von uns in das Grab gelegt worden, und - blicken wir in diesem Gotteshause umher, so fehlt uns Mancher, der an dem vorigen Neujahrstage hier noch betete, der uns hier eine gewohnte liebe Erscheinung war. - Woher nehmen wir Trost in solchem Leide? Wer war in diesem Dunkel unser Licht? Jesus Christus wars mit seinem tröstenden Worte: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und in dieser Zuversicht blickten wir froh zum Himmel und dankten Gott, der durch Jesum Unsterblichkeit und ewiges Leben an das Licht gebracht hat, und getrösteten uns der frohen Hoffnung: Auch wir gehen heim, um zu denen zu kommen, die uns vorangegangen sind. Wer hätte in jenem Dunkel des Schmerzes uns erleuchten, was uns Kraft und Hoffnung geben sollen, wenn nicht durch die Darbietung so seligen Glaubens das Evangelium Jesu unser Licht geworden wäre? - Warf dich Krankheit auf das Schmerzenslager, nahm das wechselnde Glück dir etwas von deinem zeitlichen Besitze, täuschten dich die Menschen mit glatten Worten, oder stießen sie dich zurück mit liebloser That, wohin konntest du mit deinem Schmerze sicherer flüchten, als in die Arme deines himmlischen Vaters, und wer hat dir den Zugang zu ihm eröffnet, wer das kindliche Vertrauen zu ihm eingeflößt, wenn nicht Jesus durch sein heiliges Evangelium? - Oder warst du zum Bewußtsein deiner Sünde gekommen, fühltest du der Reue bittere Seelenpein, sprach dein besseres Ich in dir: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen! wer trieb dich da an, den guten Vorsatz auszuführen, wer verhieß dir offene Vaterarme, wenn nicht Jesus Christus durch die von ihm der Welt gebrachte frohe Botschaft von der Sünden vergebenden Gnade Gottes?

Sieh', Christ, so war dein Heiland dir immer schon ein Licht des Lebens in den trüben Tagen der Vergangenheit, und hat dir eine Befriedigung gewährt, wie du nirgends anders sie finden konntest. Kannst du deshalb nach einem Andern dich sehnen? Und wo würdest du einen Andern finden, der dir das darbieten könnte, was du bei ihm schon erprobet hast? Nein! nein! Schließe dich immer fester an ihn an, und mit ihm im Bunde schreite getrost in das Dunkel der Zukunft hinein. Er ist das Licht der Welt; er sei auch dein Licht in trüben Lebenslagen. Er wird dich stärken, daß du in ihnen treu bleibest, weder Muth, noch Vertrauen, weder Kraft noch Liebe zum Guten verlierest; er wird dich anleiten, das Böse, das die Welt dir zufügt, mit Liebe zu überwinden; er wird dich die Seligkeit des Mannes empfinden lassen, der die Anfechtung erduldet, aber, weil er darin bewährt erfunden wird, die Krone des Lebens empfängt, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieben. Durch alle Mängel des Lebens, durch alle Sorgen der Zeit, durch alle Leiden der Erde zeigt er dir hindurchleuchtend den Rathschluß Gottes, der uns erziehen will zum ewigen Leben, der uns nicht lässet versuchet werden über unser Vermögen, und der uns nimmer verläßt, wenn wir ihn nicht verlassen. Ja, er ist der seligste Gefährte auf unserer ferneren Lebensbahn, er ist wahrlich das Licht der Welt, das Licht unsers Lebens in unsern Trübsalen, er soll es auch sein

2.

in unsern Bestrebungen.

Wem hast du gedient in der vergangenen Zeit? hat dich die Selbstsucht so verblendet, daß du nur dir dientest, und bei Allem, was du vollbrachtest, nur die Frage berücksichtigtest: Welchen zeitlichen Vortheil bringt es mir? Jagtest du den falschen Götzen dieser Zeit nach: Erdenlust, Gut und Ruhm? Welche Frucht wirst du davon haben? Solche, deren du dich endlich schämen wirst. Oder meinest du, deine ewige Bestimmung nur so nebenbei erfüllen zu können? Irre dich nicht! Jesus ruft uns in heiligem Ernste zu: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet; ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. - Doch die vergangene Zeit ist vergangen; sicherlich ist sie bei uns Allen an Irrthümern, Sünden und verfehlten Bestrebungen nicht arm; wohl dem, der seine Buße nicht sparte! - Aber ein neues Jahr bricht über uns an. Jetzt gilt es einen festen Entschluß für die Zukunft zu fassen, den Weg zu wählen, den wir gehen wollen. Wer soll da unser Meister sein? Wer das Licht, dem wir nachfolgen? - Einer nur, Geliebte, ist unser Meister: Jesus Christus! Er ist das Licht der Welt, er sei auch unser Licht, und wenn wir ihm nachfolgen, werden auch wir nicht wandeln in Finsterniß, sondern das Licht des Lebens haben. Er fordert uns auf, Arbeiter zu werden in seinem Weinberge, er verheißt uns herrlichen Lohn - wohin sollten wir sonst gehen, als zu ihm, der Worte hat des ewigen Lebens?

Wohlan denn, so folgen wir ihm; und was haben wir dann zu thun?

Zuerst verlangt er, daß wir von Neuem geboren werden, daß wir der Sünde absterben und der Gerechtigkeit leben sollen. Auf denn, meine Lieben! Ist Jesus das Licht unsers Lebens in unsern Bestrebungen, so gilt es zuerst den Kampf mit uns selbst, so gilts zu entsagen der Sünde und allem ungöttlichen Wesen; die böse Begier in uns zu dämpfen und dem göttlichen Geiste eine Wohnung zu bereiten in unsern Herzen. - Tann will er, daß wir das Gebot der Liebe anerkennen und üben sollen als das alleinige Gesetz, das zwischen uns und unserm Nächsten gelte, und was wir gethan haben dem Geringsten unter unsern Brüdern, das will er ansehen, als hätten wir es ihm gethan. Denn das ist seines heiligen Herzens Verlangen, daß Allen geholfen werde und zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, und damit dies geschehe, so giebt er uns die Anweisung: So ihr bleiben werdet in meiner Rede, so seid ihr meine wahren Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen. - Und das, Geliebte, ist es ja, worauf unsere Zeit hinarbeitet mit aller Macht; hindurchdringen will sie zu dem reinen Worte Jesu, durch dasselbe zur Wahrheit und durch die Wahrheit zur Freiheit. Frei machen will sie die Geister auch von den Fesseln, die man so lange ihnen auferlegte, und neuerdings ihnen wieder aufzulegen versucht; von den Menschensatzungen, die vergangene Jahrhunderte aufgebaut hatten, und die unsere Zeit bereits überwunden hat; von menschlicher Gewalt, die sich unterfangen will, das Gericht über Glauben und Gewissen zu üben, das Gericht, welches Gott sich allein vorbehalten hat. Unmittelbar herantreten will sie an die Quelle der Wahrheit, an das Wort des Herrn; selbst aus derselben schöpfen, und auf Grund des reinen Evangeliums eine Kirche Christi erbauen, darin Priesterwahn nicht mehr die Geister blenden, Priesterherrschaft nicht mehr die Gewissen verwirren, und statt zur Liebe zu Verketzerung und Verfolgung anders Denkender aufreizen soll, sondern in welcher die christliche Gemeinde sich bewußt und selbstthätig bestimme zum Dienste und zur Nachfolge Jesu. - Das, theure Gemeinde, sind Bestrebungen, welche außer, wie auch in der evangelischen Kirche erwacht sind, und nothwendig um so mehr erwachen müssen, je mehr das Licht vom Herrn die Menschen erleuchtet, denen wir uns anschließen müssen, wenn wir Jesum als das Licht des Lebens annehmen. Denselben Kampf, den er einst zu seiner Zeit in Jerusalem gegen Schriftgelehrte und Pharisäer, gegen Priesterherrschast und geisttödtendes Formelwesen in der Religion zu kämpfen hatte, denselben Kampf, nur unter veränderten Umständen, hat unsere Zeit wieder zu kämpfen. Die vergangenen Jahre haben ihn begonnen, das kommende wird ihn fortzusetzen haben. Möglich, daß er wieder Opfer fordert; nehmen wir aber Christum zum Lichte unsers Lebens, so dürfen wir uns auch nicht scheuen oder weigern, ihm sein Kreuz nachzutragen. - Aber noch Eins dürfen wir nicht! Das ist: von ferne stehen, weder kalt noch warm sein! Es naht eine Zeit der Entscheidung, und sie fordert entschiedene Gesinnung, warme Herzen, festen Willen, kräftige Liebe zu dem Heilande und dem Lichte seiner Wahrheit. Wir dürfen uns den freien Gebrauch der höchsten Gottesgabe, unserer Vernunft, in Sachen der Religion weder rauben, noch auch nur verkümmern lassen; sonst haben wir keine Schranke mehr, die die Menschheit vor der Rückkehr in den krassesten, mittelalterlichen Aberglauben schützt; wir dürfen keinerlei Pabstthum in der evangelischen Kirche anerkennen, weder ein lebendiges, noch ein geschriebenes, weder ein ausländisches, noch ein einheimisches; wir müssen fest bestehen in der Freiheit, damit uns Jesus Christus befreiet hat, aber auch eben so fest auf dem Grunde, den er gelegt hat, wenn wir ihn anders lieben und ihn das Licht unsers Lebens in unsern Bestrebungen sein lassen wollen. Dann wahren wir am sichersten den Glauben unserer Väter, die für ihre Freiheit von Menschensatzungen und Menschengewalt in religiösen Dingen voller Begeisterung Gut und Blut dahin gaben. Der apostolische Ruf: Ihr seid theuer erkauft, werdet nicht wieder der Menschen Knechte! muß in dieser schwerbewegten Zeit und gegenüber allen Drohungen der Widersacher stets in unsern Gewissen widerklingen. Mögen diese immerhin versuchen, Spott und Hohn auf uns zu werfen und uns in verächtlicher Bedeutung die „Lichtfreunde“ nennen! Wir haben den Namen nie beansprucht, aber wir können ihn uns schon gefallen lassen: möchten wir denn lieber „Dunkelmänner“ heißen? Ja, wir sind Freunde des Lichts, das Gott in den Menschen gelegt hat, unserer Vernunft, und wollen sie uns nicht verdunkeln lassen, denn ohne sie sind wir den Thieren gleich! Wir verehren demuthsvoll Jesum als das Licht der Welter nennt sich selbst so, und seines Lichtes-Freunde sind wir und wollen wir bleiben. Wir wollen mit unsern Bestrebungen auch nicht im Dunkeln schleichen, denn nur wer das Arge thut, hasset das Licht, wer aber das Gute thut, der kommt ans Licht, und solchen Lichtes Freunde sind und bleiben wir. Wir wollen uns auch nicht abschließen von dem Volke, meinend, nur uns gebühre das Licht, ihm nur die Finsterniß-, nein, wie Jesus und seine Apostel es thaten, offen wollen wir hintreten vor alles Volk und zeugen von dem Lichte, das Jesus uns gebracht hat, es mahnen und anleiten zu christlichem Wandel im Licht, denn auch dieses Lichtes Freunde sind und bleiben wir! O, Geliebte, lasset euch nicht täuschen von den trügerischen Worten derer, die, indem sie für den Glauben eifern, Gerechtigkeit und Liebe verleugnen; die Jeden, der nicht ihre Satzungen annehmen will, sogleich des Unglaubens beschuldigen, ihn verdächtigen und für ewig verdammt erklären! - Mit solchen Worten wird in unsern Tagen viel falsches Spiel getrieben, viel Ungerechtigkeit geübt. Nehmen wir daher Jesum Christum, den Heiland der Liebe, das Licht der Welt, auch zu unserm Führer auf unserm Lebenswege, dann werden unsere Bestrebungen edle, Gott wohlgefällige, uns heiligende, die Brüder segnende, Wahrheit und Tugend fördernde, das Gottesreich bauende sein. Dazu helfe uns Gott! Er hat uns schon dazu geholfen dadurch, daß er uns Jesum gesandt, auf daß wir nicht wandelten in Finsterniß, sondern das Licht des Lebens hätten; so soll er denn unser Licht auch sein

3.

in unsern Hoffnungen.

In unsern Hoffnungen spiegelt sich der innerste Zustand unsers Gemüthes und unserer Sittlichkeit ab. Den Eitlen, den Ehrgeizigen, den weltlich Gesinnten umspielen Hoffnungen der sinnlichsten Art, lenken seine Seele vom Hohen und Göttlichen ab, und in der Begierde, seine Hoffnungen zur Erfüllung zu bringen, wendet er seine Kraft dem Vergänglichen zu und geht dann leicht für das Ewige verloren; hascht er nach dem blendenden Schein und versäumt, nach dem einzig wahren Gute, nach der Gnade Gottes zu streben. Darum ist es, wollen wir das ewige Leben ererben, für uns so nöthig, daß auch bei unsern Hoffnungen Jesus Christus unser Licht sei. -

Auch in das neue Jahr, geliebte Mitchristen, treten wir mit freudiger Hoffnung ein; wir wissen ja, daß wir unter der väterlichen Leitung des Herrn unsers Gottes stehen. Worauf soll denn aber die von Jesu erleuchtete Hoffnung sich hinrichten? Nicht darauf, daß wir es mühelos durchleben werden, sondern darauf, daß, wenn auch jeder Tag in demselben seine Plage hat, es uns unter Gottes Beistande doch gelingen wird, unserm mühevollen Berufe in der kommenden Zeit zu genügen; nicht darauf, daß eitel Glück und Friede uns in dem neuen Jahre umkränzen werde; sondern daß, wenn auch Leiden unser warten, Kämpfe uns bevorstehen, wir mit Gottes Hülfe die Einen würdig tragen, die Andern ehrenvoll streiten werden; nicht darauf, daß wir fortan werden unangefochten bleiben von der Versuchung der Sünde; sondern darauf, daß durch Wachsamkeit und Gebet wir ihre Angriffe bald entdecken und ihre Kraft in unserm Herzen brechen werden; nicht darauf, daß nun Alles, was wir beginnen, uns wohlgelingen, daß jeder unserer Wünsche in Erfüllung gehen, sondern darauf, daß es uns wenigstens vergönnt sein werde, mit unserer Kraft das Gottesreich zu fördern, und daß der allliebende Vater uns das verleihen werde, was zu unserm Frieden dient. Mit einem Worte: unsere Hoffnungen werden dann nicht eitle, hochmüthige, irdische, uns in Sicherheit einwiegende, sondern demüthige, himmlische und unsere sittliche Wachsamkeit schärfende sein. - Verliert so die durch Christum erleuchtete Hoffnung an irdischem Schimmer, so leuchtet sie doch um so herrlicher und beseligender, wenn sie sich auf das Ewige hinwendet. Da zeiget sie uns nach den Leiden und Mühen des Lebens einen seligen Frieden; statt des starren Bildes des Todes läßt sie das freundliche des ewigen Lebens, statt des drohenden Richterwortes des Ewigen, des allliebenden Vaters freundlichen Gnadenruf erscheinen - o wahrlich: Erst die Hoffnung, deren Licht Christus ist, schmückt unsern Lebenspfad, sie läßt uns nimmermehr zu Schanden werden.

Folgen wir darum Jesu, meine Geliebten, so werden wir die Wahrheit seines Wortes erproben: Wir werden nicht wandeln in Finsterniß, sondern das Licht des ewigen Lebens haben. So verleihe er denn auch in dem kommenden Jahre uns kräftigen Trost in aller Trübsal; richtige Erkenntniß seines Willens für alle unsere Bestrebungen, und Kraft, ihn zu vollbringen; und die Hoffnung und der Glaube an ihn, welche sein heiliges Evangelium begründet, sie bleiben uns stets frisch und grün im Leben wie im Sterben.

Durch Jesum wollen wir uns dir weihen, Vater im Himmel; dir vertrauen, dir dienen, auf dich setzen unsere Zuversicht; - und du, o Vater, segne uns. Amen.

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