König, Karl - Predigt am 4. Adventssonntage - Des Johannes Selbstzeugnis.

König, Karl - Predigt am 4. Adventssonntage - Des Johannes Selbstzeugnis.

Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Jak. 4, 6.

Evang. Joh. 1. v. 19 bis 28.
Und dies ist das Zeugnis des Johannes, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte, und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elias? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Was bist du denn? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn! wie der Prophet Jesaias gesagt hat. Und die gesandt waren, die waren von den Pharisäern; und fragten ihn, und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist, noch Elias, noch der Prophet? Johannes antwortete ihnen, und sprach: Ich taufe mit Wasser, aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der ist's, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, dass ich seine Schuhriemen auflöse. Dies geschah zu Bethabara, jenseits des Jordans, da Johannes taufte.

Des Johannes Selbstzeugnis.

Liebe Christen! Ehe die Sonne aufgeht und es heller, lichter Tag hienieden wird, dass man in klarem Lichte alles schaut, was da ist und lebt auf Erden, geht eine Zeit vorher, da das Dunkel der Nacht sich abtönt zu Grau und Zwielicht, bis die Morgenröte in hellen, leuchtenden Strahlen sich über das Firmament ergießt, in hoffnungsfrohem Schimmer die Erde überflutet und was im Dunkel der Nacht gefangen lag bisher, sich ahnend für Auge und Herz enthüllt.

Also, liebe Christen, ist es auch, wenn Gott, der Herr, einen neuen Tag aufgehen heißt für das Seelenleben seiner Menschenkinder. Auf einmal volles, ganzes, helles Licht nach Finsternis das würde blenden und du sähest nicht. Dämmerung, Zwielicht, Morgenrot muss vorbereiten.

So ist's beim Einzelnen heute noch nur allmählich lichten die Pfade des Glaubens und Erkennens sich dir; so ist es und so war es mit der Menschheit im großen und ganzen ahnendes Leuchten geht voran, ehe es voller Tag in ihrem Seelenleben wird. So gingen ein Wyclif, ein Hus, ein Savonarola dem großen, deutschen Lichte, unserm Luther, vorher; so gingen dem Lichtbringer des Herzens für alle Welt, unserm Herrn und Meister Jesus Christus, ein Moses und die Propheten, zuletzt wie Morgenrot ein Johannes der Täufer voran.

Johannes ging voran, Johannes bereitete vor in seinem Volke auf Jesus Christus, und Vorbereitungszeit feiert deshalb im jährlichen Nacherleben der alten und ewig das Herz verjüngenden Geschichte unseres Herrn und Heilandes die Christenheit in diesen Wochen. Advent ist da. Wie Frührot steht diese Zeit am Himmel des christlichen Kirchenjahres.

Nun, meine lieben Hörer, es sollte wohl heller, lichter Tag schon sein für unser aller Seelenleben. Wir heißen Christen! Die Sonne des Lebens leuchtet uns so lange, lange schon; sie leuchtet uns seit der Stunde, da wir von Jesus hörten, von Jesus lernten. Doch Sünde hat sie umdüstert und will sie täglich von neuem umnachten. Dass es doch Frührot nur wäre bei uns allen; dass doch Johannes mit seiner Predigt es aufleuchten ließe in allen Herzen, dann hielte von selbst unser Herr Jesus Einzug in unsere Herzen zur lieben, nahen Weihnachtszeit. Bußpredigt aber war die Johannespredigt, und Bußpredigt ist und bleibt das Licht und Frührot, das den Weg zu Gott uns erhellt.

Aber Buße gibt es nur da, wo Selbsterkenntnis ist und Selbsterkenntnis hilft nur da und wird nur da zur wahren Buße, wo sie als Selbstbekenntnis in Wort und Tat vor Gott und Menschen lebendig in Erscheinung tritt. Du musst Zeugnis geben von dem, was dein Herz durchleuchtet hat. Ist von dem Scheffel sündiger Trägheit oder armseligen Kleinmutes das Licht der Selbsterkenntnis dir gedeckt, dann bleibt es Nacht.

Johannes gab Zeugnis von dem, was seines Herzens Leuchte war, demütig vor Gott und mutig vor den Menschen.

Des Johannes Selbstzeugnis liegt uns heute zur Betrachtung vor.

Lasst uns das eine ernste Mahnung sein! eine ernste Mahnung sein!

Aus der Wurzel demütiger Selbsterkenntnis wächst es hervor und wird zum mutigen Selbstbekenntnis vor den Menschen. Erkenne dich und bekenne dich! das also ist die kurze, ernste Mahnung unseres heutigen Adventstextes.

1. Erkenne dich!

„Die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie Johannes fragten: Wer bist du?“

„Wer bist du?“ diese Frage, lieber Christ, lass heute auch als Gottes Sendboten an dein Herze klopfen. Tritt aus der Welt um dich, die all dein Sinnen und Denken so sehr umfängt im täglichen Getriebe des Lebens und seiner Notdurft und Genüsse, heraus; ins stille Kämmerlein tritt, in jenes Kämmerlein, aus dem alles wächst, was du bist; ich meine, dein Menschenherz. Das ist deine eigentliche, kleine Welt, die erst die große und weite um dich gestaltet. Buntes Glas färbt die Welt da draußen für dein Auge, lässt sie in düsterem Grau oder rosigem Lichte erscheinen, je nachdem du die Farbe wählst. Durch die Brille, durch das Fensterlein deines Herzens schaust du selbst deine eigene Welt in die Welt hinein; sie erscheint hell und froh oder trübselig und schmutzig, voll von Liebe und frohem, selbstlosem Thun oder voll von Eigennutz und alles raffender Gier, je nachdem du selber worden bist. Du selbst bist eben die Welt, dein Herz ist die Welt. Dein Herz macht sie entweder zu einem Tempel Gottes oder zum Tummelplag sich selbst verzehrender Leidenschaften und zur öden Sandwüste in sich selbst vertrocknenden Eigennutzes.

Drum hinein in deine kleine Herzenswelt geschaut, auf sie kommt alles an! Erkenne dich! Wer bist du? Lass heute mal Johannes dir einige bedeutsame Fingerzeige für die rechte Beantwortung dieser Frage geben. Als ihn die Pharisäer fragten: „Wer bist du?“ antwortete er zunächst: „ich bin nicht Christus.“

Nun, meine lieben Christen, haben wir denn allzeit so gedacht und gesprochen? Haben wir nicht vielmehr nur allzu oft uns das sein wollen, was Johannes nicht sein wollte, unser eigener Helfer, unser eigener Heiland, unser eigener Christus? Wie war es so oft, wenn Schicksalsschläge über uns kamen? Wie mancher verzweifelte da an der Welt und an der Hilfe überhaupt und endete sein Leben gar mit frevler Hand, weil er eben in seinem kleinen Ich nur den Helfer sah und als der nimmer helfen konnte, an allem verzweifelte; der Helfer aus der Höhe war eben ihm ein unbekanntes, fremdes Ding geblieben.

Oder, wie war es vollends mit uns, wenn das Wetterglas des Glücks auf „ruhig, windstill, heiter“ für uns stand? Wie standen wir so fest, so selbstbewusst auf unseren Füßen; wir brauchten keinen Helfer aus der Höhe; waren ja unser eigener kleiner Gott schier worden. Die ganze Welt drehte sich um uns, und unser kleines Ich stand im Zenit all unserer Gedanken und Wünsche. Was wollte uns ein Helfer da? Wir halfen uns selbst; wir fühlten uns so gesund und stark - wozu tat Heilung not? Die Starken bedürfen des Arztes nicht“, so sprachen wir wohl zu unserer Seele. Und doch, sagt selbst, war nicht so oft, gerade wenn das sogenannte Glück an seinem Gängelband uns führte, drinnen, tief drinnen im Herzen eine wunde Stelle? Da zuckte es manchmal so schmerzend auf, das bittere Lied vom Scheiden und Meiden, das keinem ungesungen bleiben kann. Totenglocken klangen vielleicht an unser Ohr da war es uns als und wenn auf Sekunden nur schauten wir plötzlich alles, was wir so stolz doch unser nannten, in Staub und Asche zusammensinken, und es rief in uns: Was dann, wenn das zerfällt, was ich gebaut? - Und fallen wird es und fallen muss es und wir, wir fallen mit, ob wir nun Könige hienieden waren oder arme, geplagte Tagelöhner.“ Und doch, wir möchten nicht fallen, es graut uns davor; wir wollen steigen, steigen auch über den Tod hinaus! Aber wie, wenn das Herz am gelben Golde klebt und alle Sinne am eitlen Sinnenspiel, wenn alles nach unten zieht, so lange wir hienieden sind, wie wollen wir steigen, wenn unsere Stunde schlägt?

Ja, ich kann mich nicht selber tragen, kann mich nicht selber heben, mir nicht selber helfen; ich kann und vermag nicht, aus eigener Kraft das Ziel zu erlangen, das vom Gewissen und von Gott ich gesetzt mir fühle, das ich als Christ mir gesetzt weiß klar und deutlich in des Meisters gewaltigem Worte: Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ - „Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren“, ich bin mein Helfer nimmer, „ich bin nicht Christus“: das ist die Erkenntnis, die sich aus unserer Seele ringen muss, ob wir gleich über Tausende von Goldstücken und Tausende von Menschen zu gebieten hätten oder auch nichts unser Eigen nennen. Und diese Erkenntnis ringt sich auch aus deinem Herzen, sobald du Ernst machst mit der Frage: „Wer bist du?“ Bei ernster Selbstprüfung kannst du gar nicht anders, als dass du die Ohnmacht deiner Selbsthilfe durchschaust und mit Schmerzen es durchfühlst, dass das Bleigewicht der Sünde immer wieder den freien, fröhlichen Aufschwung des Geistesmenschen in dir zu hemmen weiß. Aber gerade diese deine demütige Selbsterkenntnis der eigenen Hilfsbedürftigkeit ist und bleibt der erste Schritt zum wahren Helfer hin. Denn erst, wenn du auf dein eigen Helfertum mit Schmerzen verzichten musstest, schaust du nach einem anderen Helfer aus, der dir abnehme die Last des „du sollst“, unter der du mit einem: „Ich kann es ja nicht, so gern ich möchte,“ zu erliegen drohtest. Und wer da suchet, der wird finden. Jesus, den du kanntest und doch nicht kanntest, so lange du selbst dein Helfer sein wolltest, er wird nun dein Helfer, dein Heiland. Er freilich weist dich eben von dir selber weg empor zu Gott und weist in ihm den Quell dir an, der jeden gesund und stark macht, der die Welt verjüngte und verjüngt bis diesen Tag; den Quell des Lebens deckt er dir auf: Gott ist die Liebe, Gott ist der Vater, der den verlorenen Sohn, sobald er sich nur tapfer aufmacht aus Sünde und Schwachheit, schon von ferne schaut und ihm entgegenkommt und an sein Vaterherz ihn nimmt. Aber freilich nur im Sichselbstverlieren kann man also finden; nur wer seine eigene Ohnmacht demütig erkannte, kann mächtig werden in Gott, dem Vater, als sein Kind durch Jesum Christum. Drum, meine lieben Brüder, lasst uns mit Johannes auf die Herzensfrage: „Wer bist du?“ in demütiger Erkenntnis antworten: ich bin mein Helfer nicht, bin nicht Christus, Jesus ist mein Christus, weil er auf Gottes Vaterliebe mich gründet und in der Liebe mir Kraft verleiht zum Siege über die Welt und über mein eigen sündiges Ich. „Ja, ich bin nicht Christus!“ Liebe Christen, dass doch diese demütige Selbsterkenntnis in den Herzen und Köpfen aller unserer Zeitgenossen ebenso lebendig wäre, wie sie es in Johannes war! Seht, die Tage des Johannes haben mit unserer Zeit gar viele Züge gemein. Unter innerem und äußerem Drucke, unter Knechtschaft der Leiber und Herzen quälte sich damals das Judenvolk, und in dieser Not und Qual verzehrte die Volksseele sich nach einem Helfer und Erretter. Und als nun die gewaltige Predigt des Johannes erklang, da war der Wunsch der Vater des Gedankens, die Scharen des Volkes strömten ihm zu, die Pharisäer selber kamen und eine Frage stand auf allen Lippen: ist er es, der da kommen soll, die Not zu enden? Den Helfer ersehnte man - der Helfer kam anders, als man ihn erträumt.

Nun, liebe Christen, heute ist's ähnlich. Auch unsere Zeit verlangt in ihrem wogenden Gären und Gebären nach einer helfenden, sicher führenden Hand, die alle Wirrsale entwirre und alle Knäuel löse. Äußere und innere Fragen haben sich aufgetürmt und fordern eine Lösung. In Wirtschaftspolitik und Glaubensleben zieht ein kaum gekannter Kampf, ein Werden und Ringen alles in seinen Strudel, und in der unseligen Verkettung und Vermengung der äußeren und inneren Lebensfragen liegen die Dinge in unsern Tagen ähnlich wie damals im Judenvolk. Nach einem Helfer und Heiland verlangt man, aber verlangt ihn zunächst als Helfer in äußerer Not, ohne zu erkennen, dass sie in innerer Krankheit der Herzen ihre Wurzel hat. Man verlangt nach einem Messias, wie die Juden, um durch ihn äußerlich zu Brot, zu Wohlleben, Ehre, Macht, Ansehen und alledem zu kommen, was nun einmal das Menschenherz an eitlen Wünschen trägt. Ein solcher Messias kommt nicht und kann nicht kommen. Aber siehe da, wie damals im Judenvolke falsche Messiasse, Eliasse und Propheten auftraten, die teils in kluger Berechnung der gärenden Wünsche, teils vom Hirngespinste ihres eigenen erträumten Helfertums betört, dem Volte sich als Retter in der Not und Herbeiführer goldener, seliger Zeiten anpriesen - so heute nicht anders. Wir haben sie auch die vermeintlichen Christusse und Propheten, die auf der umgestürzten, alten Welt eine neue aufbauen und mit äußeren Mitteln das zu Wege zu bringen versprechen. Und da liegt der Grundirrtum all dieser Zukunftspropheten. Alle wahrhafte, segensvolle, in sich selbst kräftige und dauernde Ordnung äußerer Art kann nur herauswachsen, nur sich gründen auf eine innere gesunde Ordnung der Menschenherzen. Gesetze und Verordnungen fruchten nichts, wenn nicht der Geist der Ordnung und Liebe in den Herzen regierend sie willig und froh erfüllt. Was hilft denn das Gesetz wider den Diebstahl, wenn diebische Gesinnung in den Herzen lebt und die Hand sich ausstreckt nach verbotenem Gute, sobald das Auge sich nur unbeachtet wähnt? Nein, Herzensordnung ist die Grundlage aller Lebensordnungen, Herzensbildung die Grundlage aller Staatenbildung, brüderliche Liebesgesinnung, Treue im großen und im kleinen die Grundlage für alle und jede Arbeit, für Handel und Wandel und alles Volkswohl schlechthin.

All diese inneren Lebenskräfte aber, die aus dem Herzen quellend die äußere Welt ordnend und heilend durchdringen, weckt in vollstem, reinstem Maße und leitet in die rechten Bahnen nur ein Helfer, nur ein Heiland, nur ein Christus, und das ist Jesus von Nazareth. Wo ihm je und je ein Herz sich anvertraute und durch ihn auf Gott sich gründen und aus dem ewigen Liebesquell des himmlischen Vaters schöpfen lernte, da ward es geheilt und ist es heute noch geheilt so gut, wie in den Tagen, da Jesus noch durch Galiläa wandelte, weil es kuriert ist alsobald von dem gefährlichsten aller Irrtümer, als könnte Weltverbesserung im kleinen und großen möglich sein ohne Herzenserneuerung und Herzensverbesserung. Drum also, liebe christliche Brüder, mögt ihr hoch oder niedrig stehen, belastet sein von Reichtum oder Not, mögt ihr links oder rechts stehen in politischer, wirtschaftlicher und religiöser Überzeugung, einer Erkenntnis müsst ihr alle Raum geben und einig sein in dem Einen, so ihr den Namen Christen mit Recht tragen wollt: es gibt nur einen Helfer, nur einen Christus, und das ist Jesus von Nazareth; er heilt von innen heraus durch Gott die kleine Herzenswelt, und ist diese kleine Herzenswelt unter seiner Hand dir besser worden, dann wird es die Welt da draußen ganz von selbst für dich und durch dich für die anderen mehr. O dass es doch von uns nicht hieße, was Johannes zu den Juden sagen musste über Jesus: „er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt!“ Dass wir ihn doch recht von Herzen erkennen wollten, dass wir doch alle zu ihm gingen und uns heilen ließen durch ihn von aller zersetzenden Selbstsucht und aller fressenden Leidenschaft! Dann würden wir selbst Gesundheit und Genesung fröhlich unter die Brüder tragen. Dann wäre Adventszeit in wahrem Sinne auch bei uns im Anbruch. Das Reich der Himmel zöge mit Jesus, unserm Helfer, Heiland und Christus, ein in uns. Wir suchten die Hilfe nicht bei diesem oder jenem Zeitpropheten, suchten sie auch nicht in uns selbst, beanspruchten weder den Titel des Helfers noch des Propheten, in Jesus nur schauten wir den, der durch Gott uns heilt, ständen vor ihm, dem großen Lehrmeister dieser Erde, als demütige Schüler, die mit Johannes nicht wert sich fühlten, ihm die Riemen der Schuhe zu lösen, aber doch mit seinem Geiste getauft Erlösung von Sündenlast und neue Lebenskraft aus Gott gewönnen.

„Ich bin nicht Christus, nicht Elias, bin kein Prophet“ sprach in demütiger Selbsterkenntnis Johannes zu den Priestern und Leviten. Und als sie weiter in ihn drangen und weiter ihn fragten: „Was bist du denn? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?“ da sprach er das bescheidene und doch so große Wort: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn.“

Nun, liebe Hörer, ich meine, auch von uns allen sollte dasselbe gelten in gewissem Sinne. Stimmen eines „Predigers in der Wüste“ sollten wir alle sein, sollten's zunächst und zuerst uns selber sein. Johannes war es auch zuerst für sich, ehe er es anderen werden konnte. Erst hatte er in sein eigen Herze schauen und da die Wüste durchmessen lernen müssen, die die Sünde schafft, indem sie alles Göttliche und Gute, Reine und Selbstlose ausdörrt und versandet. Erst hatte er weiter dann die göttlichen Lebensquellen schauen und schmecken lernen müssen, die aus der Wüste, aus dem öden, sonnenverbrannten, unfruchtbaren Sündenlande wieder ein gut Land des Segens machen können. Dann erst, als er selbst diese doppelte Erkenntnis von sich und Gott gewonnen, als er sich selbst die Bußpredigt zum Leben gehalten und in ihr den göttlichen Lebensquell sich eröffnet hatte, dann erst konnte es aus seinem Herzen über seine Lippen strömen, und er wurde, was er von sich sagt: die Stimme eines Predigers in der Wüste. Der Bußruf Gottes, den er in der Wüste seines Herzens vernommen, drang als Bußpredigt in die Wüste der Welt, um zu befruchten und zu beleben, was dort bei den Brüdern seines Volkes versandet und verschüttet lag in Sündenlust der Sinne und hochmütigem Eigendünkel der Herzen.

Also auch du mein Christ! Erkenne dasselbe als deinen Beruf; werde dir selbst die Stimme eines Predigers in der Wüste“, werde und sei sie dir stets, sobald dein Herz durch Sünde dich verwüsten will; predige die Buße treu und ernst; tu es täglich; erkenne täglich von neuem die wüsten, öden Stellen, die dein Inneres noch birgt und hast du sie erkannt, dann erkenne weiter mit Johannes, ja noch besser, noch klarer und reiner wie er, den Lebensquell, der alles wüste Herzensland in blühende Gefilde wandelt. Jesus heißt er. Johannes ahnte ihn als den Christus, als den Heiland seines Volkes, und ahnend nur das Heilandstum des Nazareners für diese Welt bekannte er sich doch demütig mutig zu ihm vor allen Leuten.

Und du, der du Christ heißest, der du das Helfer- und Heilandstum Jesu von Jugend an kennen gelernt, der du ihn kennst, nicht nur, wie er dem Leibe nach einst wirkte in den engen Grenzen seines Volkes, sondern wie sein Geist durch sein Wort durch die Jahrhunderte und Jahrtausende und durch alle Welt Hilfe und Heilung, Licht und Klarheit und frisches und neues Leben weckte in allen, die zu ihm sich fanden; du, der du in Sündenerkenntnis und Erkenntnis des Sünderheilandes größer bist oder doch sein solltest wie ein Johannes, der nur ahnend an der Schwelle des Gottesreiches stand; du wolltest einem Johannes nachstehen, der nur Jesum als Messias ahnte und doch mit frischem Mute zu ihm als dem Christus sich bekannte?

Das darf und kann nicht sein. Hast du mit Johannes deine eigene Hilfsbedürftigkeit und Herzenswüste erkannt, hast du aber auch in Jesu den Helfer und Heiland, den Christus, dir gefunden, nun dann füge zur Erkenntnis auch das Bekenntnis bei; stelle das Licht, das dir aufgeleuchtet, nicht unter den Scheffel; nein, lasse es leuchten vor den Leuten.

2. Bekenne Dich!

„Bekenne dich“, das ist das zweite, darin Johannes dir heute ein Vorbild ist.

Was das „bekenne dich“ bedeutet, ist kurz gesagt. Von Johannes heißt es: „er bekannte und leugnete nicht“ und mutiges offenes Auftreten kennzeichnet die ganze Art seines Wirkens in unserm Texte sowohl, wie sonst, wo die Schrift den eigenartigen Mann im härenen Gewande erwähnt. Wir haben als Christen dieselbe Pflicht und haben sie zuerst gegenüber dem, dessen Namen wir tragen. Zwei Dinge hindern gewöhnlich daran: saumselige, bequeme Trägheit und armseliger Kleinmut. Gar mancher, der im Herzen drinnen nahe daran ist, in Jesu voll und ganz seinen Helfer gefunden zu haben, wagt ihn sich selbst und anderen doch nicht dazu zu machen, weil er die Leute, die Tagesmeinung, Spott hier und gehässige Bemerkungen dort zu befürchten hat.

Da wird das Wort von Jesus, jedes Gespräch über ihn und sein alleiniges Helfertum wie Feuer gemieden. Man drückt sich darum herum, wo es nur geht, um der lieben Bequemlichkeit willen, die jedes kämpfende Eintreten und jedes unerschrockene, volle Einsetzen der eigenen Person ängstlich zu meiden sucht. Aber was wäre denn aus der Welt geworden, wenn Johannes so gedacht und die Pharisäer und den Herodes gescheut und ihre Sünden nicht offen gebrandmarkt hätte; was wäre geworden, wenn Jesus die bequeme Zimmermannswerkstätte dem ruhelosen, verfolgten Leben und dem Golgatha vorgezogen hätte; was, wenn ein Hus die Flammen, ein Luther den Bannstrahl des Papstes gefürchtet hätte? Nacht wäre es, wenn die Lichtbringer auf Erden unter dem Scheffel der Bequemlichkeit und armseligen Kleinmutes ihr Licht verborgen hätten. Und wir, denen gottlob heute kein Feuer und kein Schwert, nur Spott von kurzsichtigen Toren oder höchstens bittere Stunden und Tage, vielleicht auch Zurücksetzung und Gefängnis gar, einmal aus offenem Bekennermute erwüchsen, wir wollen davor zurückschrecken und den zu Tode schweigen, dessen Namen wir doch tragen? Nein, liebe, christliche Brüder, die Erkenntnis ist keinen Heller wert, wenn sie nicht allezeit als frohes, mutiges Bekenntnis auf den Plan zu treten weiß. „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, und wer mich nicht bekennt vor den Menschen, den will ich auch nicht bekennen vor meinem himmlischen Vater“. „Wer sein Leben gewinnen will, der wird es verlieren, wer es aber verliert um meinetwillen, der wird es gewinnen“, diese ernsten Worte Jesu vom wahren Bekennertum wollen wir tief in unser Herze schreiben. Aber freilich Wortbekenntnis genügt auch nicht; ja, wir wollen uns hüten vor jeder heiligen Wortemacherei, der die Schamhaftigkeit und die Tiefe fehlt. Zwar können Worte auch Taten sein und sie sind es jedes Mal da, wo dir aus ihnen Unannehmlichkeiten zu erwachsen drohen. Da dürfen wir nie schweigen aus eigennütziger Befürchtung, da müssen wir reden um Gottes willen und Schweigen wäre Lüge und Verrat an uns selber, an Jesus und an Gott. Des Johannes Worte waren Taten in diesem Sinne; sie brachten ihn ja auch bald in Kerkersnacht. Aber dennoch, gerade unserer Zeit tut mehr als Johannes, mehr als mutiges Selbstzeugnis und mutiges Bekennerwort not, ihr tut Jesus selber not, dessen Geburtsfest vor der Türe steht. Jesus tut uns so not, weil er zum Worte stets die Tat, zur Bußpredigt gleich die helfende, heilende, suchende Liebe stellte. Groß war Johannes, klein steht er vor Jesus da. Die Sünde bekämpft sich nie mit Worten, sie bekämpft sich bloß durch die Liebe. Johannes predigte in der Wüste, er ließ die Leute zu sich kommen Jesus kam zu den Leuten, suchte sie, und dieses Kommen, dieses Suchen, dieses selbstlose Helfen und Heilen, das ist das wahre Bekenntnis seines Namens, dessen unsere Zeit bedarf. Lasst uns also Jesus als unseren Christus erkennen und bekennen! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/koenig/koenig-4_advent.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain