Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - März.

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - März.

1. März

Wenn man aber sagen wird: Was sind das für Wunden in deinen Händen? - Wird er sagen: So bin ich geschlagen im Hause derer, die mich lieben. - Schwert, mache dich auf über meinen Hirten, und über den Mann, der mir der Nächste ist, spricht der Herr Zebaoth. Zach. 13,6.7.

Die dich liebten, schlugen dir deine Wunden?! Die dich lieben sollten, das Volk, das nach deinem Namen genennt wird, das in aller Welt dafür bekannt sein wollte und stolz darauf war, daß es den wahren Gott kenne und seinen Sohn als Messias, Erlöser und Heiland vom Himmel herab erwartete. Dieses Volk hat die geschlagen, deine sogenannten Geliebten, Auserwählten, Israels Kinder. Wer schlägt jetzt den Herrn? wer anders, als eben wieder sein Volk, das sich nach seinem Namen nennt und dafür bekannt sein will, daß es an Christum glaube, ihn ehre und liebe. Die Heiden schlagen ihn nicht, sie kennen ihn nicht. Aber die Seinigen, die ihn lieben sollten, schlagen mit allen Waffen der Sünde auf ihn zu. Und er läßt sich schlagen, um zu heilen, die ihn schlagen! - Auch der Vater hat dieselbe Liebe zu den Undankbaren, daß er das Schwert des Todes über seinen Sohn herausfordert, über den, der ihm der Nächste ist an göttlicher Natur und ewigem Wesen. Welch ein Wort im Munde Gottes: Schwert! mach dich auf, schlage meinen Hirten - für die Schafe - schlage den, der mir am nächsten, am ähnlichsten ist - damit die Entfernten von mir, die Tiefgefallenen, nahe gebracht und heraufgeholt werden aus ihren Tiefen, aus Abgründen des Verderbens. Siehe da den Rathschluß Gottes, das Urtheil über seinen geliebten Sohn, zu deiner Seligkeit! Der Vater hat all den Leiden gerufen über seinen Sohn, nicht, weil er ihn nicht liebte, sondern weil sie beide die Menschen gleich lieb hatten, von denen sie nicht geliebt, sondern gehaßt wurden. O Liebe! nimm dir unsere Herzen gefangen! Da ist das meine!

2. März

Er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch - erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze. Phil. 2,7.8.

Seine Entäußerung und Erniedrigung können wir nicht begreifen, weil wir seine Erhabenheit und Herrlichkeit, die er von Anbeginn beim Vater hatte, nicht fassen. Wir können nicht ermessen die Höhe, in der er war, darum können wir auch nicht ergründen die Tiefe, in die er sich herabgelassen hat. Aber genug, wir wissen, er war der Höchste und ward der Niedrigste; er war der Allmächtige und wurde der Ohnmächtigste, der Schwächste; er war der Heiligste und nahm die Sünden aller Welt auf sich. Die Liebe zu uns trieb ihn in diese Tiefen herab. Denn er mußte gerade so tief herabsteigen, als tief wir gesunken und gefallen waren, um uns herauszuholen aus dem tiefsten Verderben. Er hat es gethan, der treue Gott, und will dafür von uns nichts als Liebe und daß wir mit Dank genießen und besitzen, was er uns durch seine Erniedrigung bis zum Tode am Kreuz erworben hat. Wir sollen davon leben und selig sein, daß er litt und starb. Alles war verloren für den Menschen durch den Fall; Alles wurde wieder erfunden und hergestellt durch die Erniedrigung Gottes. Alle Menschen waren Gefangene und Sklaven der Sünde, des Todes und der Hölle, Alle wurden frei, erlös't, losgekauft durch die Verkaufung, die Bande, die Gefangenschaft und das Kreuz des Sohnes Gottes. Alles Blut auf Erden war verdorben, vergiftet und verflucht; Alles kann gerettet, geheilt, gesund und gesegnet werden durch das Blut des Versöhners.

3. März

Es ist Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für Alle zur Erlösung. 1. Tim. 2,5.6.
Fürwahr, er trug unsre Krankheit, und lud auf sich unsre Schmerzen - er ist um unserer Missethat willen verwundet, und um unserer Sünde willen geschlagen. Jes. 53,4.5.

Daß unser Erlöser - obwohl ewiger Gott, doch auch wahrer Mensch war, daß er fühlte wie ein Mensch, daß er wahre menschliche Natur, die des Leidens fähig ist, angenommen hatte, zeigte sich immer in seinem Leben, aber doch besonders in seinen Leidenstagen. Darum sagt Paulus deutlich, der Mensch Jesus Christus, den er sonst Gott, hochgelobt in Ewigkeit, nennt, der in göttlicher Gestalt war, der hat sich ausgeleert und selbst erniedrigt. Als Gott konnte er nicht leiden, die Liebe trieb ihn aber doch, die Menschen durch Leiden zu erlösen und ihnen durch Sterben seine Liebe zu beweisen, indem er selbst die von ihnen verdienten Strafen des Todes duldete; darum mußte er menschliche Natur annehmen und sich in unser Elend und in unsre Schwachheit kleiden. Wer von uns möchte eine Schlange, ein Thier werden? und doch wäre das für uns nicht so erniedrigend und demüthigend, als es für den Sohn Gottes war, ein Mensch, den verdammten Sündern gleich zu werden und als ein Missethäter zu sterben; vor Todesangst Blut zu schwitzen, mit dem Tode zu ringen, sich von Gott verlassen zu fühlen, verflucht und verworfen zu werden von seinen Geschöpfen, geschlagen, verwundet, angespieen, unter die Uebelthäter gezählt zu werden u. s. w. Das Alles, und wie viel mehr, that ein Gott - Mensch für dich, o Seele! All' seine Angst, Schmerzen, Wunden und Striemen, die du an ihm erblickst, hast du ihm verursacht, das hat er freiwillig für dich gelitten, um dich davon zu erlösen und dir Freude und Seligkeit zu bereiten.

4. März

Und sie gingen hinaus an den Oelberg, da sprach Jesus zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir ärgern. - Und er fing an zu zittern und zu zagen. Matth. 26,30.37.

Möchten alle Herzen der Menschen sich im Geiste dahin begeben und nur eine Stunde recht ernstlich betrachten, was der Heiland da für sie gelitten hat, gewiß, sie würden alle der Sünde und Welt Abschied geben und sich ihm in die Arme werfen - sie würden Christen. Nun du, frommer Christ! wenn sie Alle nicht mit dir gehen, wenn sich Alle an ihm ärgern, wenn sie Alle seine Leiden zu geringe achten, so eile doch du recht oft zu ihm hin, zu deinem leidenden Versöhner, und laß es dein liebstes Geschäft auf Erden, deine Herzenslust sein, in den Leiden des Erlösers deine Seele zu weiden. Du kannst keine wohlriechenderen Blumen, keine Herz und Geist stärkenderen Gerüche finden, als in diesem Garten. Es kann dir kein helleres Licht leuchten, als in dieser Nacht, wenn du dich zu deinem Heiland am Oelberge hinwirfst und ihn betrachtest, wie er für dich betet, weint, seufzet, ringt, sich ängstet und Blut schwitzet. O laß diese heiligste Geschichte, die allermerkwürdigste, die je auf Erden geschehen und geschrieben worden ist, nicht vergeblich für dich geschrieben sein, sondern sammle dir Alles, was von den Schmerzen und Leiden deines Heilandes aufgezeichnet ist, als köstliche Kleinodien in den Schatz deines Herzens und weide deine Augen Tag und Nacht daran, so bist du reicher und glücklicher, als alle Glücklich - und Reichgenannten auf Erden.

5. März

Und es kam, daß er mit dem Tode rang, und er betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen. Luc. 22,44.

Wie wenig Worte! wie kurz beschrieben! und welch ein Inhalt! Jahrhunderte reichen nicht hin, alle Zungen und Federn sind zu wenig, um auszusprechen oder zu beschreiben, was der Heiland da gelitten hat. Der Todtenerwecker, der das Leben wie der Vater in sich selber hat, der Allem Leben und Odem und Alles gegeben hat, ringt mit dem Tode, ist voll Todesangst; wie unbegreiflich, und doch wie erfreulich, wie glaubwürdig! Das Leben, der Urheber des Lebens ringt mit dem Tode, damit er allen todeswürdigen Sündern Leben und Seligkeit mit Recht geben könnte. Er ringt mit dem Tode, und die Angst, die Bangigkeit preßt ihm Blutschweiß aus, und du willst dir keine Gewalt anthun, der Sünde, die ihn so quälet, los zu werden. Er betet und betet immer heftiger, dringender, und du willst nicht anhalten im Gebete, sondern deine Hände so bald sinken lassen? Er schwitzt Blut wegen deiner Sünde; dir ist weder angst noch bange, du kümmerst dich nicht um deine Seligkeit; du überläßt das dem guten Gott und ergibst dich deinen Neigungen. Ach, ich fürchte, daß du den blutigen Schweiß deines Heilandes unbenutzt zur Erde fallen lässest und daß er für dich verloren gehe. Komm doch und eile an den Oelberg, suche seine Blutstropfen, bete, ringe mit deinem Heilande, bis du seines Blutes Kraft und Wirkung an deinem Herzen fühlst, bis du Frieden in ihm gefunden hast. Aber laß es dann nicht mehr fallen, sondern halte ewig fest, was du in ihm findest.

6. März

Lasset uns aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, da er wohl hätte mögen Freude haben, das Kreuz erduldete und die Schmach nicht achtete, nun aber zur Rechten der Kraft Gottes sitzet. Hebr. 12,2.
Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen; wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl. Off. 3,21.

In heißen Leiden und tiefen Dunkelheiten ist nichts heilsamer, tröstlicher und stärkender, als der Blick auf Jesum, den leidenden und gekreuzigten Heiland. Darum schaue nicht hin und her und suche dir nicht da oder dort bei Menschen und in Kreaturen deinen Trost; suche ihn, wo er zu finden ist, wo er für dich bereitet liegt - blick' auf Jesum, der das Werk des Glaubens in dir angefangen hat, der wird und muß auch dein Vollender sein. Sieh ihn leiden, sterben - sieh ihn, dem ewig alle Freude und Herrlichkeit im Himmel zu Gebote stand, und der doch freiwillig alle Freude verließ und für dich Kreuz und Tod erwählte, aber durch Kreuz und Tod wieder in seine Herrlichkeit einging. Was seine Gotteskraft in seiner Menschheit konnte und wirkte, das kann sie auch in dir, in deiner menschlichen Natur: denn du bist Bein von seinem Beine, Fleisch von seinem Fleische. Wie er überwunden hat in der großen Noth und Angst, in allen Leiden, so wirst auch du durch ihn überwinden, wenn du im Glauben auf ihn schauest. Wie er nach seinem Leiden zur Rechten Gottes erhöht, auf Gottes Throne sitzt, in seiner menschlichen Natur, so wirst auch du durch ihn erhoben werden, wenn du überwindest durch ihn. Was er durch sich selbst konnte und ward, das kannst und wirst du durch ihn. Folge ihm mit deinem Blicke vom Oelberge bis zur Rechten Gottes und laß seine Kraft in dir mächtig wirken, so wirst du auch mit ihm vom Leiden in die Herrlichkeit eingehen.

7. März

Und er fiel nieder auf sein Angesicht und betete, und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. Matth. 26,39.

Was bist du, o Mensch? Wie tief bist du gefallen, daß Gottes Sohn deinetwegen zur Erde sinken und also ringen muß! Wie groß muß dein Verderben, wie schrecklich deine Sünde, wie gefährlich deine Wunde, wie unheilbar deine Krankheit sein, da dein Arzt sich so viel bemühen, sich so zerarbeiten, so anstrengen, solche Angst und Noth ausstehen muß? Aus dem Mittel, welches zu deiner Wiederherstellung angewendet wurde, kannst und sollst du schließen auf deine Krankheit. Das Mittel ist schrecklich, man kann es ohne herzzerreißenden Schmerz nicht ansehen; es verwundet wie ein zweischneidend Schwert das Innerste der Seele und geht durch Mark und Bein; - wie schrecklich, wie verzweifelt muß dein Schade, deine Krankheit sein! Lerne doch an deinem Versöhner und Mittler, an deinem Arzt und Heiland, an seinem Leiden dich selbst kennen, wer und wie du bist. Demüthige dich doch einmal und wirf dich zu ihm hin auf die mit seinem für dich vergossenen Angstblute gefärbte Erde, und fasse seine Blutstropfen auf in dein Herz, daß sie es erweichen, ändern und reinigen. Diesen bittern Todeskelch hast du ihm eingeschenkt. Du hast den Tod und des Todes Schrecken in diesen Kelch gethan, und er mußte ihn trinken. Dafür reicht er dir nun darf den Kelch des Heils und des Lebens. Setze deinen Glaubens-Mund an und trinke. Siehst du deinen Heiland, auf seinem Angesicht liegend, für dich beten und den bittersten Kelch für dich trinken, so schäme dich nicht, auch deine Kniee zu beugen, ja auch auf deinem Angesicht ihm abzubitten, ihn anzubeten und dir Kraft und Gnade zum Kampf und zur Geduld in deinem Pilgerlauf auszubitten.

8. März

Gedenket an den, der so viel Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldete, daß ihr in eurem Muthe nicht matt werdet und ablasset. Hebr. 12,3.
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset - Du bist mein. Jes. 43,1. u. s. w.

Wenn dich der Schwindelgeist des Mißtrauens anwandeln will, so eile geschwind nach Golgatha und sieh dort, was dein Gott für dich gethan und gelitten hat. Wenn du dies recht ins Auge fassest, muß Vertrauen und Zuversicht in dir wieder aufleben und der Schwindel des Mißtrauens und der Zaghaftigkeit dich verlassen. Alle Zweifel und Teufel schicke zum Kreuze Christi; dort sollen sie ihre Stärke messen und ihre Kraft beweisen. Vergiß du nicht, daß du, ein wehrloses Kind, ihnen nicht gewachsen bist und es mit ihnen nicht aufnehmen kannst. Flieh du in den Schoos der Mutter, wirf dich mit Vertrauen in die Arme deines gekreuzigten Erbarmers; der wird für dich streiten und alle Zweifel und Anfechtungen deines Glaubens an seinem Kreuze tödten; denn in der Kreuzesluft kommen sie nicht fort, sondern müssen ersterben. Treffen sie dich aber außer Golgatha, fern vom Kreuze Christi an, so bist du geschlagen; ihr Hauch vergiftet, lähmt und tödtet dich. Darum bleibe unverrückt bei dem Kreuze Christi; gedenke ohne Unterlaß seines Leidens und Todes, womit er dich erlöset und erkaufet hat. Du bist eben deswegen sein und es soll dich ihm kein Zweifel und kein Teufel rauben, wenn du nur in ihm bleibest und nicht von seinem Kreuze weichest. Dort werden alle mißtrauische Gedanken oder Zweifel, die dir das Vertrauen schwächen, als Lügner und Verläumder Gottes entlarvt. Denn alle Zweifel an Gottes Wort und Verheißungen sind Lügen und Verläumdungen Gottes, weil sieseinem Worte widersprechen und es als falsch und erlogen darstellen. Sie sind Geburten der Hölle, Kinder des Teufels, die du zerschmettern mußt an dem Felsen des Kreuzes Christi.

9. März

Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Friede hätten. Der Herr warf alle unsre Sünde auf ihn. Jes. 53,5.6.

Was fürchtest du, o Sünder? Die Strafe der Sünden? Gericht, Tod, Teufel und Hölle, als den verdienten Lohn deiner Sünden? Fürchte das nicht, denn das liegt nicht auf dir; nein, das liegt auf ihm, der für dich ins Gericht, in den Tod, in den Kampf mit dem Teufel und in die Hölle, in Höllenpein und Qual ging und dies Alles ausgestanden, überwunden und besiegt hat. Warum fürchtest du also, was nicht mehr auf dir liegt, sondern auf ihm, auf dem Rücken des Lammes Gottes gelegen hat und durch dasselbe weggetragen, getilgt und vergütet ist. Wie kam aber deine Sünde auf seinen Rücken? - Gott warf sie auf ihn - und er nahm sie auch selbst auf sich, weil er vorhersah, daß du sie nicht tragen und tilgen könntest, daß sie dich zerdrücken würde. Dein Rücken jammerte ihn; darum legte er es auf den Rücken seines Sohnes, und dieser nahm es selbst freiwillig auf sich und trug es weg. Darum fürchte nicht, was gehoben und getilgt ist; sieh aber doch fleißig auf den Rücken des Lammes Gottes, wie schwer es trägt an deinen Sünden, wie es, niedergebeugt unter der schweren Last, sich ängstet, seufzet, Blut schwitzt und fast vergeht. Lerne daraus fürchten, was noch fürchterlich ist und es immer bleibt, so lange du im Fleische lebst, - das ist, die Lust zur Sünde, Fleisch und Blut, Welt und Satan, die dich zur Sünde versuchen. Lerne durch den Blick auf des Lammes belasteten Rücken, welches Uebel die Sünde ist, wie sehr du dich davor hüten und dem Lamme Gottes nicht neue Lasten auflegen, dir nicht neue Gerichte und Strafen zuziehen sollst. Bewahre vielmehr den Frieden, den dir das Lamm Gottes durch Tilgung deiner Sünden erworben hat. Die alten Sünden sollen und können dir diesen Frieden nicht stehlen, aber neue Untreuen und Beleidigungen des Lammes berauben dich desselben. Hüte dich und sieh unablässig auf des Lammes Rücken.

10. März

Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt: Schädelstätte, das heißt auf Hebräisch: Golgatha. Allda kreuzigten sie ihn. Joh. 19,17.18.

Er, der Himmel und Erde und alle Dinge trägt mit dem Worte seiner Kraft, trägt dein Kreuz, o Seele, und das nennt er aus Liebe zu dir sein Kreuz. Seine Liebe hat sich dasselbe zugeeignet; denn ihm gehört kein Kreuz. Die Himmel und aller Himmel Herrlichkeiten sind sein. Anbetung und Ehre von allen Engeln und Menschen gebühret ihm - und nun hat er ein Kreuz, das Holz des Fluches, der Schmach und des Todes auf seinen Schultern, und nennt das sein Kreuz, als wäre er der Schuldige, der Sünder, der am Kreuze sterben müßte. So geht er hin unter deinem Kreuze, das er wie das seine liebt, und trägt deine Schulden. O Seele! sieh ihm nach, betrachte diesen Weg des Kreuzes, den dein Heiland wandelt. Bedenke, wie konnte Gott seinem geliebten Sohne ein so schweres Kreuz auflegen, und zwar dein Kreuz, das du hättest tragen sollen, nahm er von deinen Schultern und warf es auf die Schultern seines unschuldigen Sohnes; als wenn du ihm lieber wärest, als wenn ihm an dir mehr gelegen wäre, als an seinem Sohne. Wer faßt diese Liebe? kein Mensch und kein Engel. Diese gelüstet, da hinein zu schauen, in dies Geheimniß der Liebe Gottes; aber sie können nicht, haben auch, wie wir, zu kurze und zu schwache Augen, um diese Tiefen zu erforschen. Aber Etwas kannst du und sollst du - das Kreuz, das er für dich trug, fasse auf und pflanze es in dein Herz, und laß es dir nimmermehr aus dem Sinne kommen, wie schwer er an deinem Kreuze zu tragen hatte und wie sehr dich Gott geliebet hat, so daß er seines Einigen Sohnes nicht verschonte, sondern ihm dein dir unerträgliches Kreuz auflegte, damit du nicht verloren gehen, sondern selig werden möchtest.

11. März

Große Farren haben mich umringt, fette Ochsen haben mich umgeben. Ich möchte alle Gebeine zählen, sie aber schauen und sehen ihre Lust an mir. Sie theilen meine Kleider unter sich, und werfen das Loos um mein Gewand. Ps. 22,13.18.19.
Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rocke der Gerechtigkeit gekleidet. Jes. 61,10.

Jesus wurde seiner Kleider beraubt und nackt an das Kreuz geschlagen. Er ließ sich aller Dinge berauben, er ließ sich das Leben nehmen, um uns das Leben, das Kleid der Unschuld und Herrlichkeit, den Rock der Gerechtigkeit zu schenken. Der alle Dinge, alle Blumen auf dem Felde, alle Vögel in der Luft, die ganze Erde mit so mannigfaltiger Schönheit kleidet, der steht da - entkleidet von aller Schönheit, als der Allerärmste und Verachtetste, wie ein Schlachtschaf, um sich für seine Geschöpfe zu opfern. Er, der da lehrte, „wer dir den Rock nimmt, dem laß auch den Mantel;“ hat sich ganz nackt ausziehen lassen, daß auch nicht ein Faden mehr an ihm war, den er nicht für uns hingegeben hätte. Wer läßt sich auch nur Ein Stück seiner überflüssigen Kleider nehmen? Wie haben die Menschen die Kleider so lieb? Wie viel Eitelkeit steckt hinter ihren Kleidern! Wie stolz sind sie auf diese geborgte Schönheit? Wie verachten sie den Mann in schlechtem Kleide? Welchen Vorzug genießt in der Welt der Thor und Gottlose im schönen Kleide vor dem Weisen und Frommen im geringen Gewande? Wie viele bringen ihre ganze Lebenszeit blos mit Gedanken auf Kleidung zu? - Sieh, dafür seht der Schöpfer aller Dinge entblößt - doch er hat noch ein Kleid, und zwar das schönste und köstlichste, das ihn in seiner Blöße bedecket und das die Engel bewundern und wir ewig mit ihnen anbeten werden. Licht, Liebe, Demuth, Geduld ist sein Kleid, in dem er hier prangte. Dies strahlende Gewand sehen aber nur Augen, die Gott geöffnet hat. O Herr, gib uns den Sinn, zu erkennen deine schöne Blöße!

12. März

Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennet; mein Herz ist in meinem Leibe zerschmolzen wie Wachs. Denn Hunde haben mich umgeben, und der Bösen Rotte hat sich um mich gemacht. Sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Ps. 22,15.17.
Er lehret meine Hand streiten, und errettet meine Füße vom Gleiten. Ps. 18,35. u. 56,14.

So klagte David im Namen des Messias, vorhersehend seine Leiden, wie ihn die Kinder Israel einst umringen und ihn an den Pfahl des Kreuzes annageln würden. Haben die Alten das erst zukünftige Leiden des Erlösers schon so lange voraus im Geiste betrachtet und darauf hingedeutet, da ihnen doch nur Bruchstücke, und die nur in dunkeln Bildern, im Geiste bekannt waren; wie sollen wir seine Leiden alle ohne Unterlaß unsern Gemüths-Augen vorschweben lassen und beherzigen, ohne auch nur den geringsten Umstand seiner Marter zu übersehen. Liebes Herz! sieh da deinen Heiland, wie er, der seine Hände so oft ausstreckte, um zu heilen und gesund zu machen, nun dieselben Hände willig darstreckt, um sie für dich annageln zu lassen an das Kreuz, an dem du sogar nicht aushalten willst. Der Schmerz, den er durch die Hammerschläge empfand, die ihm die spitzigen Nägel durch seine immer segnenden und wohlthuenden Hände und Füße trieben, dieser Schmerz durchdringe deine Seele und heile sie von allen Begierden zur Lust und Freude der Welt. Ergreife diesen Hammer und diese Nägel immer wieder im Geiste, wenn deine Hände sich nach verbotener Lust ausstrecken, oder deine Füße den Irrweg wandeln wollen; wenn eine Begierde des Fleisches, wenn Eigenliebe rc. sich in dir meldet, und hefte sie damit an das Kreuz Christi. So wirst du mit Christo gekreuziget und also auch mit ihm leben. So lehren seine angenagelten Hände deine Hände streiten; so bewahren seine durchbohrten Füße deine Füße vor dem Ausgleiten. Wenn du aber die böse Lust in dir leben läßt, was hilft es dir, daß dein Heiland am Kreuze hängt? Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. (Gal. 5,24. und Röm. 6,6.)

13. März

Und sie kreuzigten mit ihm zween Mörder, einen zu seiner Rechten, und einen zur Linken. Marc. 15,27.
Darum will ich ihm große Menge zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, weil er sein Leben in den Tod gegeben hat, und den Uebelthätern gleich gerechnet worden, und er vieler Sünden getragen und für die Uebelthäter gebeten hat. Jes. 53,12.

Er hing in der Mitte der Mörder und Uebelthäter, als wäre er der größte. Das wollte er so, weil er alle Uebelthaten aller Menschen, die lauter Uebelthäter sind, (Röm. 3,12.) auf sich genommen und an seinem Leibe am Holze getragen hat. Welche Schmach, welche Schande lag da auf ihm, dem heiligsten Sohne Gottes! Wie konnte ihn das Auge des liebendsten Vaters in dieser Gesellschaft, an diesem Orte, zwischen Mördern am verfluchten Holze hängen sehen! Und er sah ihn und ließ ihn hängen; warum? weil er ihn haßte? o nein, weil er dich liebte und deine Uebelthaten tilgen, und aus Uebelthätern gerechte und selige Menschen machen wollte. So liebt nur Gott! So kann kein Mensch und kein Engel lieben. Wenn man bedenkt, was Johannes sagt: Wer seinen Bruder haßt, ist ein Todtschläger, ein Mörder, (1. Joh. 3,15.), so ist Jesus oft unter den Mördern. Aber eben darum, weil er sich so erniedrigte und die Uebelthäter nicht verschmähte, soll er eine große Menge Sünder zur Beute, auch die Starken, die gröbsten und verhärtetsten Uebelthäter zum Raube haben. O Seele, sieh doch deinen Heiland am Kreuze recht an, in seiner Schmach und Liebe! wie viel wirket sein Leiden! welche herrliche und unzählige Früchte trägt dieser Baum! Wie weit erstreckt sich die Kraft seiner Leiden und seiner Gebete im Leiden für Sünder! Die Sünder aller Jahrhunderte und aller Nationen der Erde haben ihr Heil und ihre Seligkeit seiner blutenden Fürbitte am Kreuz zu danken. Die Erhörung seines Gebetes hat kein Ende; die Ewigkeiten der Ewigkeiten werden davon erzählen können.

14. März

Und sie gaben ihm (ehe sie ihn am Kreuz erhoben) Essig (Myrrhen-Wein) zu trinken, mit Galle vermischt, und da er es schmeckte, wollte er nicht trinken. Matth. 27,34.
Und Jesus sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Luk. 23,34.

Sie reichen ihm Galle, er erwidert ihren Gallentrank mit dem süßen Gebete um Vergebung ihrer Sünden. Was ist all unser Wesen und Thun, was er an uns sieht und von uns empfängt, anders als lauter Galle? Denn die Sünde, die doch Alles ist, was er an uns findet, ist ihm bitterer als Galle und unangenehmer für seinen Geschmack als Essig und Myrrhen-Wein. Er liebt nicht diesen bittern Trank, den wir ihm darreichen; aber deswegen verwirft und flucht er uns nicht, sondern bittet für uns und vertritt uns bei seinem Vater, daß er uns unsre Sünden nicht zurechne und nicht ins Gericht mit uns gehe. Nachdem er dich aber begnadiget hat, sollst du ihm nun nicht mehr Galle und Myrrhen-Wein, nicht mehr Essig reichen, sondern den süßen Wein der Liebe und Dankbarkeit. Nun soll deine Seele an ihm hangen mit innigliebendem und treuem Herzen. Die bittere Galle der bösen Lüste, des Hasses, Neides rc. sind ihm ungenießbar, darum will sie seine Gnade in dir verwandeln in die heiße Begierde, ihm zu gefallen, in einen heiligen Ernst, alles ungöttliche Wesen zu verleugnen, mäßig und gerecht und gottselig in dieser Welt zu leben. Er wendet sich von den Kreuzigern zum Vater, aber nicht gegen sie, sondern für sie, ruft nicht Rache über seine Feinde, sondern die Barmherzigkeit des Vaters über sie herab; schickt nicht Anklagen, sondern Entschuldigungen, Fürbitten hinauf; verlangt nicht vom Vater, daß er Rache und Feuer herabsende und seine Feinde vertilge, sondern daß er Vergebung und Gnade ihnen zu Theil werden lasse, sie zu ihm ziehe und selig mache.

15. März

Die aber vorüber gingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe. Matth. 27,39.
Auch der Uebelthäter einer lästerte ihn; der andere aber sprach: Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst. Und Jesus sprach zu ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein. Luk. 23,39-43.
Zu seiner Mutter sprach er: Weib, siehe da deinen Sohn! und zum Jünger: Sieh da deine Mutter! Joh. 19,26.

Sie lästern, er macht selig. Sie schütteln ihre Köpfe vor ihm, um ihm wehe zu thun, er rüttelt den Sündern das Herz, um ihnen wohl zu thun. Da aber Alles lästert, Priester und Volk, Alles ihn verwarf und ihm fluchte, war doch Einer, der zu ihm betete; er war zwar nur ein Mörder, kein Heiliger, aber sein Gebet ward erhört; - er betet nicht, vom Kreuz los zu werden, sondern nach dem Kreuzestode in das Himmelreich zu kommen. - Das war eine große Bitte - ein Mörder will das Himmelreich! Wie kommen diese zusammen? Und doch ward seine Bitte auf der Stelle erhört. Je mehr Andere fluchen lästern, spotten und verachten, desto zuversichtlicher bete du, denn desto mehr erhältst du. Je weniger Menschen um dich her Christum suchen, erkennen und lieben, desto gläubiger bekenne du dich zu ihm, denn desto lieber wirst du von ihm angenommen und um so willkommener bist du ihm. Und wenn du dich auch des Himmelreichs und der Gnade so wenig werth achtest als der Mörder und Dieb am Galgen; ist dein Herz zerknirscht, reumüthig, gläubig und zuversichtlich wie das seine; scheust du dich eben so wenig, als er, vor aller Welt dich als todeswürdigen Verbrecher, Christum oder als den Herrn des Reiches und als deinen Retter und Seligmacher zu bekennen, so wirst du von ihm dieselbe Antwort und Verheißung erhalten, die der Schächer bekam. Er verdammte sich selbst, und Christus sprach ihn selig. Er schiffte gegen den Strom aller Welt, richtete sich weder nach den lästernden Priestern, noch nach dem spottenden Volke, noch auch nach seinem mitgekreuzigten Lästerer, sondern zielte nur auf Christum und sein Reich - und es ward ihm Alles zu Theil. Geh' hin und thue desgleichen. Da er am Kreuze die Sünder sah und annahm, wie konnte er der Freunde und Geliebten vergessen? Sein Wort an Maria und an Johannes zeugen deutlich genug von seiner unveränderlichen Liebe und Treue gegen Freunde bis ans Ende. Er ist der zärtlichste Freund. Wie er, fühlt kein Menschen-Herz.

16. März

Und es ward eine Finsterniß über das ganze Land von der sechsten bis zur neunten Stunde; und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! Matth. 27,46.
Und er hat am Tage seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der ihm vom Tode aushelfen könnte, und ist erhöret worden. Hebr. 5,7.

Von außen und von innen lag die dickste Finsterniß auf ihm. Da war der schwerste Kampf des Lichtes mit der Finsterniß. Er, das Licht der Welt, sollte das Reich der Finsterniß zerstören, den Fürsten der Finsterniß überwinden und alle Kinder der Nacht in Kinder des Lichtes umwandeln: darum mußte er alle Stürme und Angriffe der finstern Satans-Kräfte auf einmal über ihn herfallen lassen; es mußte aufs Aeußerste kommen; das Licht schien schon ausgelöscht, und die Finsterniß herrschend geworden zu sein. Nacht umgab die Erde, der Tag war wie verschwunden und verschlungen. Aber sein Dulden, sein starkes inneres Geschrei und thränenvolles Gebet, das nun in seiner Seele den höchsten Grad erreicht hatte, drang durch, überwand Alles und vollendete den Sieg. Da zeigte er, wie der Christ durch Unterliegen siegen, und und der Feind des Lichts, die Hölle, durch Siegen unterliegen muß. Hier am Kreuze bei diesen Worten Jesu ist die rechte Physionomie des Christenthums zu sehen. Wenn alle Lichter auslöschen, und der Tag in schwarze Nacht eingehüllt ist; wenn Gott selbst in einen Feind und Gegner verwandelt und auf Seiten der Feinde zu sein scheint, daß auch der Gläubigste und Vertrauteste Gottes nichts als Klagen, Thränen und starkes Geschrei opfern kann - dann ist der Sieg nahe und der Triumph gewiß. - Hier verweile, o Seele! Dieses starke Geschrei, dieses thränenvolle Gebet Jesu in seiner tiefsten Verlassung hat dich von der ewigen Finsterniß und dem ewigen Tode errettet. So mußte dein Erlöser verlassen und geängstet werden, damit du könntest angenommen und getröstet werden. All dein Trost und Friede fließt aus dieser Angst-Quelle Jesu.

17. März

Darnach, als Jesus wußte, daß alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllt würde, spricht er: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig da. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysopen, und hielten es ihm dar zum Munde. Joh. 19,28.29.

Jesus hatte nun, nach jener finstern Verlassungsstunde, in sich schon das Sieges-Gefühl und sah schon die Vollendung aller Dinge, die ewige Erlösung der gefangenen Menschheit, die Niederlage aller ihrer Feinde, und in diesem Bewußtsein spricht er: Mich dürstet. Wo nach? o Ewiger, auf den Aller Augen sehen, der du deine Hand aufthust und sättigest Alles mit Wohlgefallen; der du in der Wüste Wasser, und Ströme in der Einöde geben willst zu tränken dein Volk, deine Auserwählten. (Jes. 43,20.) Der du aus Wasser Wein gemacht und Wasser aus dem Felsen springen ließest, um die Durstigen, Menschen und Vieh, zu tränken; - der Regen aufs dürre Laub giebt, das Wasser im Meere zusammenhält, wie in einem Schlauch, der die Wasser mit der Faust mißt; wornach dürstest du? Nach unserm Heile; nach der Seligkeit deiner Erlöseten. Aber womit löschen sie deinen Durst? Du dürstest, und Essig ist deine Labung. Das ist wohl das wahre Bild, wie die Menschen ihrem Schöpfer und Erlöser danken und deine Wohlthat vergelten. Wie vielerlei Getränke und Früchte, den Durst des Menschen zu stillen und ihn zu laben, hat er erschaffen! Ihm aber, da er nun dürstet für uns und an unsrer Statt, reicht man Essig. Aber so wollte er es, so stand es geschrieben. Dieser heiße Durst ist für uns ein unversiegbarer Brunnen, ein Strom des Lebens, eine Quelle der süßesten Labung geworden. Er, der gute Hirte dürstete so sehr, damit er seine Schafe auf grünen Auen weiden und zu frischen Wassern führen konnte. (Ps. 23,2.) Er, der Brunn des Heils versiegte für sich und dürstete, damit wir mit Freuden Wasser schöpfen könnten aus dem Heilbunnen. (Jes. 12,3.) Er mußte vom Durste gequält werden, damit er Alle einladen und sagen konnte: Wohlan, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser. (Jes. 55,1.) Denn zu der Zeit (nach seinem Durste) werden frische Wasser fließen aus Jerusalem, aus Golgatha, wo der heiße Dürster litt und schmachtete. (Zach. 14,8.) Du mußtest dürsten, damit du sagen könntest: Wer des Wassers trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten. Wer an mich glaubt, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Ich will rein Wasser über euch sprengen. (Joh. 4,14. 7,38. Offenb. 21,6. Ezech. 36,25.) - Solche Wasser, solche Labung hat uns dein Durst bereitet. Wir trinken Alle von deinem Durste, dein Schmachten erquicket uns.

18. März

Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! - und rief laut: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! und neigte sein Haupt und verschied. Joh. 19,30. Luc. 23,46.

Da fall' nieder und bete an. Ein größeres Wort ist auf Erden nie ausgesprochen worden, ein Folgereicheres nie gehört worden. Seele! was ist vollbracht? Dein Heil, deine ewige Erlösung, Gerechtigkeit, Heiligung und Beseligung; die Tilgung deiner Sünden, die lebendige Hoffnung der ewigen Herrlichkeit, deine Kind- und Erbschaft Gottes; - deine zweite Schöpfung oder Neuschaffung, deine Umwandlung aus einem Kinde der Finsterniß in ein Kind des Lichtes und der Seligkeit; aus einem Knechte der Sünde und Sklaven des Teufels in ein freies Gnadenkind Gottes; aus einer Beute der Hölle in einen Hausgenossen Gottes und Mitbürger der Heiligen im Himmel; aus einer Behausung der unreinen Geister in einen Tempel Gottes und Wohnung der heiligen Dreieinigkeit. Und wer kann aussprechen, wer nennen, was der Sohn Gottes durch sein Leiden und Sterben vollbracht hat? Das Alles ist nun dein - ist für dich vollbracht, bereitet und fertig - du kannst es haben und genießen, es ist dir zugedacht und wird dir im Evangelio angeboten. Und was wäre dem Sohne Gottes, den die Vollbringung aller dieser Dinge so viel Leiden und den Tod gekostet hat, lieber, als daß du Alles schon hättest und genössest; daß er an dir alle diese Früchte seiner Erlösung sehen könnte? Den ganzen Tag streckt er seine durchbohrten Hände nach dir aus, um dir in deinen Schooß schütten und dir mittheilen zu können, was er dir so sauer erworben hat. - Thue deinen Mund auf und laß dich erfüllen, daß du trunken wirst von den reichen Gütern seines Hauses - glaube, liebe, hoffe; ergib dich mit ganzer Seele an deinen Vollbringer und Urheber der Seligkeit, so soll Alles dein sein. Rühme dich aber seiner und seiner Gnaden nicht blos mit der Zunge, sondern laß dein Herz voll sein von der Kraft, Fülle und Gnade der Erlösung Jesu, dann mag dein Mund auch davon überfließen.

19. März

Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, der auch für uns bittet. Röm. 8,34.

So fragt Paulus, so frage du, wenn Sünde und Satan auf dich losstürmen und dir allen Trost und Glauben nehmen wollen. Fliehe zum Kreuze Christi, sieh ihn an, wie er sein Haupt neigt und stirbt - zu dir neigt er es, für dich stirbt er, daß du leben und in ihm leben sollst. O seliges Verweilen bei dem Kreuzestode Jesu! Wie die Bienen auf den Blumen ruhen, tief in den Blumenkelch sich einsenken und süße Säfte saugen, so legt sich jede fromme Seele auf das Kreuz Christi, senkt Herz und Gedanken tief, so tief, wie möglich, in den Kelch, in die Tiefe seiner leidenden und versöhnenden Liebe, und schöpft aus dieser ewigen Heilquelle allen Trost fürs Leben und Sterben. Was hätte der Vater den sündigen Menschen für einen größern Trost geben können, als daß er seinen Sohn für sie am Kreuze sterben ließ? Wer kann uns nun unsre Sünde zurechnen, wer uns richten oder verdammen, da der Beleidigte, dem wir gesündiget haben und der allein das Recht zu strafen und zu verdammen hätte, selbst für die straf- und verdammungswürdigen Sünder sich hat verdammen und tödten lassen? Der Richter selbst stirbt für den Missethäter; wer will den Missethäter anklagen und richten? Der Herr, der Richter, trägt die Strafe des Knechtes, wer will ihn strafen? Der Beleidigte bittet für den Verbrecher; wer will diesen verdammen?

20. März

Jesus sollte sterben für das Volk, doch nicht für das Volk (Israel) allein, sondern, daß er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zusammenbrächte. Joh. 11,52.
Auf daß er aus zweien Einen neuen Menschen schaffte in ihm selber, und Friede machte, und daß er beide versöhnte mit Gott in Einem Leibe durch das Kreuz. Eph. 2,15.16.

Der Messias der Juden sollte nicht nur die Sünden der Juden, sondern aller Menschen Sünden tilgen, und Alles, was sich in aller Welt von Gott und von einander getrennt hatte, wieder mit ihm und unter einander vereinigen. Die Trennung und Scheidung seiner Seele von seinem Leibe, sein Tod, war also die Vereinigung und ewige Verbindung alles Getrennten. Seine Seele ward ausgeschüttet wie Wasser, und gerade dies sammelte und versammelte alle Zerstreuten. Nun soll sein Tod, sein durchstochenes Herz, der Einigungspunkt aller Menschen Herzen sein. Unter seinem Kreuze, bei seinem Herzen, aus dem Allen gleiches Heil und Leben strömt, sollen wir uns Alle vereinigen, von welcher Nation oder Religion wir immer sein mögen. Da wir Einen Hirten haben, der sein Leben für alle Schafe hingab, sollen wir Alle auch nur Eine Heerde sein. Alle Trennungen, Parteien und Spaltungen sind Christo und seinem Tode zur Schmach; denn er starb und ließ sich sein Herz spalten, auf daß alles Gespaltete sich in ihm vereinigte. O möchte sein Blut und Tod, außer dem doch kein Mensch selig wird, bald alle zerstreuten Kinder Gottes zusammenbringen, denn noch sind sie so weit auseinander, durch elende Nebendinge gespaltet. Laßt uns von Allem absehen und nur auf ihn und sein Kreuz hinblicken, so werden wir Ein Leib an Einem Haupte, werden Friede haben inwendig und auswendig und nur Ein neuer Mensch sein. Aber der alte Mensch, der noch allenthalben so viel Leben hat, trennt und wird trennen, bis er am Kreuze Christi getödtet wird.

21. März

Ihr Töchter Jerusalems, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch, und über eure Kinder - denn so man das thut am grünen Holz, was will am dürren geschehen. Luc. 23,28.
Wenn der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? 1. Pet. 4,18.

Die frommen Jüngerinnen Jesu weinten, da man ihren Meister durch die volkreichen Straßen der heiliggenannten Stadt als einen zum Tode verdammten Missethäter führte - und wer hätte nicht weinen mögen? Wer möchte nicht noch weinen, so oft er denkt: Solche Schmach mußte mein unschuldiger Heiland für mich schmachwürdigen Sünder leiden, und es wird ihm so schlecht von mir vergolten. Ich komme so schwer daran, für ihn auch nur ein wenig Schmach zu leiden! Das voraus sehend, tadelte zwar der Heiland ihre Thränen nicht, sagte auch nicht, daß sie nicht weinen sollten, sondern sie sollten es, - aber nicht über ihn, er bedarf unserer Thränen nicht, sondern über uns selbst sollen wir weinen. Warum? wirst du doch nicht fragen. Wenn du dein Herz kennst, wirst du Gegenstände genug finden, die beweinenswürdig sind, worüber du Blut weinen solltest, wenn es helfen könnte. Denn wenn das am grünen Holze, am Sohne Gottes, geschieht, wenn Gott um der Sünde willen seines einigen Sohnes nicht verschonet, sondern ihn in solchen Schmach, in Tod und Kreuz hingibt, was wird am dürren geschehen, was wird Gott mit dem Sünder thun, der sich durch diese große Liebe Gottes nicht erweichen, nicht bessern und selig machen läßt? Was mit den falschen Christen, die wohl heucheln und weinen, aber doch nicht von ganzem Herzen am Heiland hängen, sondern der Welt und sich selbst noch leben, nicht dem, der für sie gestorben ist? Du dürres Holz! Du magerer Christ! der du ohne Herz, ohne Besserung, ohn Liebe Jesum deinen Heiland nennest; Herr Herr! sagst, aber seinen Willen ungethan lässest, dich der Gerechtigkeit und des Verdienstes Christi rühmest, und doch dich mit der Gerechtigkeit der Pharisäer begnügst - du dürres Holz! sieh da am Leiden Christi, was Gott mit dem grünen Holze thut! Grüne wieder, verpflanze dich durch Buße, Glauben und Liebe in das grünende Holz des Kreuzes Christi, in die Gemeinschaft seiner Leiden und seines Todes, so wirst du vor dem Verbrennen, vor dem Feuer bewahrt.

22. März

Darum preiset Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. - Denn so wir Gott versöhnet sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, vielmehr werden wir selig werden durch sein Leben, so wir nun versöhnet sind. Röm. 5,8-10.

Wie könnten wir die Liebe mehr preisen, als sie sich selbst gepriesen und verherrlichet hat, da sie für ihre Feinde und für Sünder starb! Die ewig Preiswürdige! wird sie uns nun verderben und sterben lassen, nachdem wir sie erkannt, geglaubt, aufgenommen und im Herzen wohnend haben?! Welch ein Pfand unserer künftigen Seligkeit und des ewigen Lebens hat sie uns gegeben! Ich möchte sagen, das Pfand, das wir schon haben, ist größer, oder ist dasselbe, was wir als verpfändet hoffen. Die Liebe ist unser Pfand und ist unsre Hoffnung, unser ewiges Leben - hier im Vorgeschmacke, und dort im vollen Genusse unser, ewig unser. Hat Gott uns gesucht und gefunden, da wir von ihm flohen; wird er uns wohl fliehen und wegstoßen, da wir ihn suchen und finden? Hat Gott unsre Versöhnung zu Stande gebracht, obwohl sie den Tod und das Blut seines Sohnes kostete; soll er uns wieder wegwerfen, und nicht vielmehr selig machen, da unsre Beseligung das Leben und die Ehre seines Sohnes mehr verherrlichen und erhöhen wird? Hat er uns als Feinden Gutes gethan, wird er uns als Freunden Böses vergelten? Da wir die Sünde liebten und dem Satan dienten, starb er für uns; sollte er uns jetzt tödten und verderben, da wir ihn lieben und ihm dienen? Wenn er die bis in den Tod liebte, die ihn haßten, wie wird er die lieben, die ihn lieben? - Darum laßt uns nicht mehr weggehen vom Kreuze Jesu, um die preiswürdige Liebe Gottes in ihrer ganzen Größe und Herrlichkeit erkennen und lieben, auf sie hoffen und vertrauen zu lernen!

23. März

Mit Einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. Hebr. 10,14.
Zu der Zeit wird das Haus David einen freien offenen Born (Brunnen) haben wider die Sünde und Unreinigkeit. Zach. 1. Vergl. Hebr. 10,22.

Opfer und Born ist der Tod unsers Heilandes, ein Opfer zur Versöhnung und Rechtfertigung des Sünders, ein Born und Brunnen zur Gesundheit und völligen Genesung von aller Untugend. In jeder Hinsicht eine vollkommene Erlösung, Entsündigung und Heiligung. Er nimmt die Schuld, die Strafe vom Gewissen, und tilgt die Wurzel der Sünde im Herzen, daß sie nicht wieder ausschlägt, nicht wieder herrschend wird. Ein Opfer, vollgültig für alle Sünden aller Welt, so daß kein Sünder verzagen darf, so groß und schwer die Menge seiner Sünden ist, und wären sie mehr als der Sand am Meer, als Tropfen im Meere und Blätter an den Bäumen; das Opfer Jesu tilgt alle ihre Schuld, hat alle Strafe getragen und sie vollkommen versöhnet. Und eben so vollkommen genugthuend oder allgenugsam ist es auch zur Heiligung. Wenn sich und so oft sich eine Spur der Sünde in uns zeigt, dürfen wir nur zu diesem Born gehen, und schöpfen aus diesem Heilbrunnen, aus dem Wasser des Lebens quillt, das die jedesmalige Unreinigkeit abwäscht und zugleich neue Kräfte gibt, von der Krankheit der Sünde zu genesen und stark zu werden an Sinn und Geist. Also der wahre und der einzige Gesundbrunnen, der diesen Namen verdient. Selig, wer nicht nur gewaschen, sondern auch gesund werden will!

24. März

Dein Schaden ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Aber Ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen. Jer. 30,12.17.
Durch seine Wunden sind wir geheilt. Jes. 53,5. 1. Petr. 2,24.

Da sagt dir Gott, der Herr, wer und wie du bist, laß dir's doch einmal sagen - verzweifelt böse bist du - unheilbar sind deine Wunden. Wer dürfte dich also schelten, wenn es der Herr nicht thäte, dem du nicht widersprechen darfst. Er kennt dich durch und durch. Glaube, Gott übertreibt es nicht. Es ist keine Rettung für dich, wenn er dich nicht rettet. Aber so schlecht und verzweifelt dein Zustand ist, so wirft er dich doch nicht weg - Ich, ich will dich doch gesund machen; ich will deine unheilbaren Wunden heilen, spricht er. Glaubst du ihm das erste, daß du verzweifelt böse bist, so glaube ihm auch das zweite, daß er dich dennoch heilen wolle und könne. Leugne nicht, verbirg nicht dein Verderben, decke deine Wunden nicht aus Heuchelei zu, denn dadurch werden sie nicht geheilt. Gib Gott die Ehre, bekenne, daß sein Wort Wahrheit und du verzweifelt böse bist, so gibt er dir Heil und Leben. Wodurch? Durch seine Wunden, durch Jesu Wunden. Er war um unsertwillen zerschlagen und um unserer Missethaten willen verwundet, und dadurch werden wir geheilt; wenn wir uns nur erst zerschlagen, zerknirschet und wirklich verwundet im Geiste fühlen, so soll es am Heile nicht fehlen. Aber wer sein Verderben leugnet, nicht böse scheinen will, oder sich selbst heilen zu können glaubt; oder, wer seine Wunden mit den bloßen Worten der Wunden Jesu nur so zudeckt, ohne sie gründlich ausheilen zu lassen, dessen Schaden ist, möchte ich sagen, mehr als verzweifelt böse, dessen Wunden können ewig nicht geheilt werden. Mache aus den Wunden Jesu nicht blos ein Deckpflaster für deine Wunden. Heil, Heil seien sie dir! Viele sagen: Wir sind heil durch seine Wunden, und sie sind doch nicht heil, sondern voll Gewissenswunden. Hast du aber wirklich Vergebung durch seine Wunden, so bleib in seinen Wunden, und hüte dich durch die Kraft derselben vor der Sünde, daß sie dir nicht neue Wunden schlage, damit du nicht ein zweimal erstorbener Baum werdest, der kaum mehr zu beleben ist.

25. März

Saget den Kindern Israel; Gebet unter euch Freistädte - dahin fliehen möge ein Todschläger, der eine Seele aus Versehens schlägt. (Josua 20, 2 - 3)
Wo aber Jemand an seinem Nächsten frevelt und ihn mit Hinterlist erwürgt, so sollst du denselben von meinem Altare nehmen, daß man ihn töte. (2. Mose 21,14)
Meine Taube ist in den Felslöchern, in den Steinritzen. (Hohelied 2,14)
Und er wird eine Hütte sein, zum Schatten des Tages von der Hitze, und eine Zuflucht zur Verbergung vor dem Wetter und Regen. (Jesaja 4,6)

Die Freistädte in Israel, in welchen auch ein Totschläger, wenn er es aus Versehens und wissend getan hatte, Sicherheit; Schutz und Rettung fand, das ihn sein Bluträcher ergreifen durfte, die aber dem mutwilligen und listigen Mörder nichts halfen, sind ein Bild von den Wunden Jesu, welche auch jedem Sünder, der redlich und aufrichtig seine Sünden bereut, als Freistadt offen stehen und ihn schützen vor Gericht, Tod, Teufel und Hölle, welche als Bluträcher jeden Sünder verfolgen und ihm ewiges Verderben drohen. Wer sich in die Wunden Jesu bringt, weil er der Sünde müde ist und ernstlich bessert, frei von Sünde werden will, der ist unantastbar, der ist geborgen. So wie aber ein mutwilliger Mörder selbst im Tempel, wenn er auch die Hörner des Altars ergriff, nicht sicher, nicht geschützt war, sondern ergriffen, weggerissen und der verdienten Strafe überliefert werden musste, so kann und soll sich auch kein Sünder und kein Heiliger der Wunden Jesu trösten, wenn er sich nicht aufrichtig und redlich bekehrt, wenn er heimlich oder öffentlich die Welt und Sünde noch liebt; wenn er ohne Herz, bloß mit dem Munde die Wunden, das Verdienst Jesu ergreift und sich in falscher Sicherheit daran hält. Ein solcher wird von dem Altar des Kreuzes, von den Wunden Jesu, die er nur im Munde führt, weggerissen und mit den Heuchlern in den Feuer und Schwefelpfuhl geworfen werden. Über allen redlichen Bekehrten, allen ernsten Suchern des Heils, allen eifrigen, gewissenhaften, um ihr Heil tief bekümmerten Seelen, sind die Wunden Jesu selige Freistädte, Felsenlöcher und Steinritzen, wo sie vor dem Zorn, der Strafe und dem Gerichte, dem Tode und der Hölle, die sie mit ihren Sünden verdient hätten, frei und gerettet werden, in jeder Not und Klage finden sie da Schatten; Kühlung, Schutz, Schirm, Heil und Seligkeit. Eine wahrhaft fromme Seele geht da nicht mehr heraus, findet da ewige Freude und Ruhe, all ihre Kraft und Stärke, ihr volles Genügen.

26. März

Wir müssen bedenken, daß unser alter Mensch mit Christo gekreuziget worden, damit der Leib der Sünde zerstört werde, daß wir nicht mehr der Sünde dienen. (Römer 6,6)
Ich bin mit Christo gekreuziget - Es sei fern von mir, mich zu rühmen, als des Kreuzes unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt. (Galater 2,19 u. 6,14)

Wie viele Worte werden dem lieben Apostel so gern nachgesprochen, aber diese hört man selten - wenigstens nicht in Wahrheit sprechen. Und doch kann der wahre Christ nicht über sie wegkommen, wie die leichten Schmetterlinge, die über die Blumen wegfliegen, ohne Honig daraus zu fangen. Und doch wäre gerade hierin der beste Honig. Das Kreuz, der Gekreuzigte muß, wenn wir wahrhaft an ihn glauben, in uns sein; und wenn dieser Fels des Heils in uns ist, werden sich alle anschlagende Wellen und Wogen der stürmischen Leidenschaft, alle Versuchungen des Fleisches, der Welt und des Teufels daran brechen und den Kopf zerstoßen, ihre Kraft verlieren und sterben. Christus uns sein Kreuz oder Verdienst sei dir ja nicht ein Sündendiener, sondern ein Sündentilger, der der Schlange in dir den Kopf zertritt - nicht nur außer dir. Wenn dir die Welt und Sünde, und jede Regung, ja schon der Gedanke an die Sünde ein Kreuz ist, und du sie eben darum mit dem Kreuz oder an dem Kreuze Christi tötest, so bist du, oder dein alter Mensch mit Christo gekreuzigt und kannst dich in Wahrheit des Kreuzes Christi rühmen, aber auch allein des Kreuzes Christi, denn nur dieses kann die Sünde, den alten Menschen in dir kreuzigen; ohne ihn und sein Kreuz ist all dein Bemühen vergeblich, und all dein Ruhm lauter Schande und Schaden.

27. März

Wenn wir nun gestorben sind mit Christus, so glauben wir, das wir auch mit ihm leben werden. (Römer 6,8 Vergleich Vers 5)
Christus ist für uns gestorben, das wir, wir mögen wachen, oder schlafen, zugleich mit ihm leben sollen. (1. Thessalonicher 5,10)

Er hat uns erworben, da er für uns gestorben. Wir sollen sein, sein ewig sein, dafür starb er. Wehe dem, der sich ihm entzieht, der vorgibt, er glaubt an ihn, und lebt ihn doch nicht. Wer ihm lebt, oder in ihm lebt, mit ihm zusammen lebt, wie er Paulus haben will, so wie der Schüler mit dem Meister, in einem Hause und in einer Werkstätte, wer mit ihm so vertraulich und gemeinschaftlich lebt, kann mit der Sünde leicht fertig werden. Kommt sie, so sieht der Schüler nur den Meister an - und fertig ist er mit ihr - sie zieht ab - kommt aber wieder - nun ja, es ist uns wieder ein Blick auf ihn erlaubt - je öfter, je besser - er hat’s gern so - ein nach ihm geschickter Blick bringt allemal einen Donnerschlag für die Sünde und zugleich ein Präservativ (Schutz) mit zurück. Überhaupt das mit Jesu Zusammenleben ist das seligste Leben; wenn’s die Leute nur wüßten, sie würden gar nichts Besseres wünschen. Und zwar, wachend und schlafend - wie mögen im Bett oder im Grabe schlafen, hier oder drüben wachen - so sollen wir allezeit mit ihm sein, und ihn nicht aus Aug, Herz und Sinn bringen können, es auch wohl versuchen. Dafür, dafür ist Christus gestorben. So nahe gehst du ihm. Ein solches Leben will dir sein Tod geben - hier und dort - denn es soll ein ewiges, ununterbrochenes Zusammenleben sein und bleiben.

28. März

Sieh das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt! Joh. 1,29.
Wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Golde erlöset seid von eurem eitlen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem theuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. 1. Petr. 1,18.19.

Ja, er ist das Lamm, auf welches im Alten und Neuen Bunde alle Boten Gottes hingewiesen haben. Schon Jesaias, der Evangelist Israels, sah es und deutete darauf hin: „Da er gestraft und gemartert ward, that er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scherer, und seinen Mund nicht aufthut.“ (Jes. 53,7.) Er ist aber das Lamm, nicht nur wegen seiner stillschweigenden Geduld im tiefsten, kränkendsten Leiden, sondern vorzüglich als das Opfer und die Versöhnung für unsre Sünden. Mit seinem Blute sind wir erlöset und erkaufet von der Knechtschaft der Sünde und von der Gewalt des Satans, zu diene dem lebendigen Gott. Was ist schöner anzusehen, was lieblicher und anziehender, als daß uns Gott den, welchen er zu unserm Heile in die Welt sandte, als ein Lamm darstellen läßt. Vor einem Richter und Herrn würden wir erschrecken und zittern. Aber ein Lamm zieht die Kinder an, und ist allen Menschen lieblich. Wie freundlich ist der Herr, auch in dieser Hinsicht. Schreckt die Hölle dich, wird dir der Satan fürchterlich, droht dir des Gerichtes Entsetzen, schau aufs Lamm, Johannes zeigt es dir mit Fingern. Was uns aber dieses Lamm gar so lieblich und schön macht, ist, daß es unsre Sünde trägt und für uns geschlachtet ward, als vollgültiges Opfer für unsre Sünde.

29. März

Christus hat gelitten für uns, und uns ein Vorbild gelassen, daß ihr seinen Fußstapfen nachfolgen sollt - welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht dräuete, da er litte, er stellte es aber dem heim, der da recht richtet; welcher unsre Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem (Kreuz) Holze, auf daß wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. 1. Petrus 2,21-24.

Das Leiden Jesu ist, wie wir es immer betrachten, für uns von unaussprechlichem Werthe und Verdienste. Er litt für uns in jeder Hinsicht, allervörderst zur Vergebung unsrer Sünden, als unser Versöhner, da sein Verdienst mein Verdienst wird durch den Glauben, und ich ihn ansehe als das Lamm, das meine Sünden büßet und wegnimmt, mir einen gnädigen Gott und Vater machet durch seinen Gehorsam bis zum Tode. Dann zweitens litt und starb er, um uns Gnade, Geist, Kraft und Leben zu erwerben und zu schenken, zur Heiligung und Erneuerung des innern Menschen. Sein Tod ist eine Lebensquelle, ein Heilbrunnen, wodurch alle, die davon trinken, gesund werden. Drittens litt er und starb zum Vorbild und Troste für uns in unserm Leiden und Sterben, daß wir auf ihn sehen und in seine Fußstapfen treten, wie die Apostel deutlich schreiben. Wer ihn immer nur als Versöhner, und nie auch als Vorbild betrachtet, denkt und handelt nicht apostolisch, so wenig als die, welche ihn nur als Beispiel und Tugendbild, aber nie als Versöhner vorstellen. Er ist uns Alles. Wir müssen ihn auf keine Weise theilen und zerstückeln, sondern ganz nehmen, wie er sich uns darstellt, wie die Apostel ihn uns verkündigen.

30. März

Es prüfe sich aber der Mensch selbst, dann esse er dieses Brod, und trinke diesen Kelch; denn wer unwürdig ißt und trinkt, trinkt sich selbst ein Gericht hinein, weil er nicht unterscheidet den Leib des Herrn. Darum sind rc. 1. Cor. 11,28-30.

Die Selbstprüfung ist immer, täglich, stündlich nöthig, am allerwenigsten aber soll man sie beim Genusse des heiligen Abendmahls versäumen oder verschieben auf gelegnere Zeit. Da ist sie durchaus unentbehrlich und so wesentlich nothwendig, daß Leben und Tod, Segen und Fluch, Gnade und Gericht an ihr hängt und von ihr abhängt. Paulus schreibt dem ungeprüften oder unwürdigen Genuß, was ihm Eines ist, schwere Gerichte zu und weist auf Thatsachen und Beispiele seiner Zeit hin, wo der unwürdige Genuß Vielen leibliche und geistliche Schwäche, Krankheiten und selbst den Tod zugezogen hat. So züchtigt der Herr, die seinen, für sie in den bittersten Tod hingegebenen Leib, sein für sie theuer vergossenes Blut ungeprüft, leichtsinnig, unwürdig genießen, die seinen Leib von einer gewöhnlichen irdischen Speise nicht unterscheiden. Hole dir also keine Krankheit, iß nicht Tod und Gericht beim Abendmahle, denn das kannst du eben so leicht da finden, als das Leben und die Seligkeit. Für Kranke ist die gesunde Speise nicht, sie macht sie noch kränker, elender und kann gar tödten. Die Kranken dürfen keineswegs essen, was die Gesunden essen; was den Gesunden zur Gesundheit, Nahrung und Stärkung dient, wird den Kranken, wenn sie es in ihrem Zustande genießen, Gift und Tod. So hüte dich denn, dir die Speise des ewigen Lebens, das göttliche Brod, das himmlische Manna durch deinen Leichtsinn und Frevel in Gift und Fluch, Gericht und Hölle zu verwandeln. Prüfe dich, erforsche dich, bete um Licht und Erkenntniß deiner selbst; bekenne die erkannten Sünden Gott und deinem beleidigten Nächsten; mache das gegebene Aergerniß gut, so viel du kannst, und gib doch wenigstens nicht neues Aergerniß, daß du bei einem leichtsinnigen, unordentlichen Wandel doch dem heiligen Tische dich näherst. Versöhne dich mit Gott, mit deinem Nächsten und mit deinem eignen Herzen. Suche Frieden in dir und außer dir herzustellen, und zeige unzweideutig, daß du Reue, Buße, Glauben und Besserung fest im Sinne habest. Zeige, daß du wissest und fühlest, wem du dich näherst - dem, der Augen hat wie Feuerflammen, und Nieren und Herzen prüft und forscht; der da weiß was in dir ist, der alle verborgenen Anschläge deines Herzens kennt.

31. März

Mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe ich leide. Luc. 22,15.

Ihn verlangt herzlich nach dir, du lieber Abendmahlsgenosse! Ihn hungert mehr nach dir, als dich nach ihm, als wenn er der Speisende, und du die Speise wärest. Darum sagt er auch anderswo: ich habe eine Speise, die ihr nicht kennet - und was war es dort? Eine arme Sünderin. (Joh. 4.) So ist es wirklich eine Speise für ihn, nach der er hungert und sehnlich verlangt, wenn du zu seinem Tische kommst mit der brünstigen Begierde und dem heißesten Verlangen, ihm recht nahe zu werden, dich innigst mit ihm zu vereinigen, dich seiner so zu erinnern, ihn so vor dein Geistes-Auge im Glauben hinzustellen, als wäre er vor dir gekreuziget, als reichte er sich selbst dir dar, als sähest du sein Blut fließen, ihn sein Haupt neigen und für dich sterben. Der Heiland hat Großes im Sinne bei diesem Mahle. Er gibt uns nicht leere Zeichen seines Todes, Er gibt sich selbst; darum will er auch keine kleinen, engen Herzen, sondern erweiterte, einen großen Glaubens-Mund, einen heißen Hunger, um viel, um Alles, um sich selbst geben zu können. Je mehr Raum in dir für ihn bereitet ist, desto mehr wirst du von ihm empfangen; je größer dein Verlangen, desto mehr wirst du Christi theilhaftig werden. (Hebr. 3,14.)

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