Goetz, Christoph Wilhelm - Kurze Betrachtungen über die Leidensgeschichte Jesu - Vierzehnte Betrachtung.

Willst du die Buße noch, die Gott gebeut, verschieben;
So schändest du sein Wort, und musst dich selbst nicht lieben.
Ist deine Besserung nicht deiner Seele Glück?
Und wer verschiebt sein Heil gern einen Augenblick?

Noch heute, weil du lebst und seine Stimme hörest,
Noch heute schicke dich, dass du vom Bösen kehrest,
O suche deinen Gott, willst du zu deiner Pein,
Dein hier verscherztes Glück, nicht ewig dort bereu'n!

Text: Joh. 18,27. Luk. 22,62. Matth. 27,2-5.
**Da verleugnete Petrus abermals und alsbald krähte der Hahn. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich. - Und banden ihn, führten ihn hin und überantworteten ihn dem Landpfleger Pontio Pilato. Da das sah Judas, der ihn verraten hatte, dass er verdammt war zum Tode, gereute es ihn und brachte wieder die dreißig Silberlinge den Hohepriestern und den Ältesten und sprach: Ich habe übel getan, dass ich unschuldig Blut verraten habe. Sie sprachen: Was geht uns das an? Da siehe du zu. Und er warf die Silberlinge in den Tempel, hub sich davon, ging hin und erhenkte sich selbst.

Die Schriftworte, diesmal aus verschiedenen Evangelien absichtlich entlehnt, stellen uns, in den beiden Jüngern Petrus und Judas Ischarioth, zwei Gefallene und zwei Reuige vor. Aber welch ein Unterschied zwischen beiden? - Wie verschieden ihre Tat, wie verschieden ihre Reue? Der erster kehrt zurück in seines Meisters Arme; der andere gibt sich der Verzweiflung bin, und richtet sich selbst. Was macht ihre Reue so verschieden? Was erleichtert sie dem einen mit ihren beglückenden Folgen, was erschwert dieselbe so sehr dem andern? - Das lasst uns betrachten:

Was erleichtert und erschwert die wahre Reue?- nach dem Vorbild eines Petrus und Judas beantwortet.

Auf dreierlei, dies zeigt uns das Leben der beiden genannten Jünger, kommt es an, ob die Reue wahrhaft sein und somit zu unserer Errettung gereichen soll oder nicht, nämlich darauf:

  1. ob ein Gott geweihtes Leben im Hintergrund unseres Falles steht, oder ein ungeheiligtes;
  2. ob wir ungesäumt unsere Tat bereuen, oder erst lange, nachdem sie vollbracht ist, und endlich
  3. wo wir Trost in der Angst der Sünden suchen.

1.

Petrus fiel. Er verleugnete seinen Herrn; aber im Hintergrund dieser Tat stand ein Gott geweihtes Leben. Sein Eifer für das Gute war feurig, seine Liebe stark, seine Gesinnung rein, er gehörte, das zeigt uns das Vertrauen, welches der Herr ihm selbst schenkte, zu den ausgezeichnetsten, edelsten Menschen. Indessen traute er sich selbst mehr zu, als er zu leisten im Stande war, deshalb fiel er; aber er fiel aus Schwachheit. Er sündigte; aber unvorsätzlich. Judas hatte, im Hintergrund seiner Tat, ein Leben durch die Sucht nach Irdischem vergiftet; von ihm wird gesagt, er war ein Dieb; sein Herz war liebeleer und böse; was auch aus seiner Missbilligung der Tat Marias hervorgeht. Er verabscheute nicht den Betrug. Wohlbedacht, vorsätzlich, trotz aller Warnungen seines Meisters; unter dem Schein der Liebe vollbrachte er seinen Verrat, und dieser war nicht ein Fehltritt, er war die letzte seiner Schandtaten, um das Maß der Sünde voll zu machen.

Dass Petrus, außer seinem Fall, auf ein reines Leben zurück schauen konnte, dies erleichterte ihm eine heiligende Reue. Dass auf Judas der Fluch eines ganzen Lebens der Sünde, und vorsätzlicher Vergehungen lag, trieb ihn zur Verzweiflung. Je mehr uns das Böse zur Gewohnheit wird; desto mehr verringert sich die Kraft, es zu besiegen. Immer ungeneigter, Warnungen und Zurechtweisungen zu benützen, immer ehr- und gewissenloser werden Taten, die eine noch verwerflicher als die andere, vollbracht. Die Entschuldigung, mit welcher der Mensch das erste Einherschreiten auf dem Pfad des Lasters bei sich selbst zu beschönigen sucht, dass sein Unrecht nur eine Kleinigkeit sei, lässt ihn am Ende auch in der verwerflichsten Handlungsweise, nur ein unbedeutendes Vergehen sehen. So häuft sich das Maß der Sünde. Kommt nun der Augenblick des Erwachens, ach, dann ist nur ein Gedanke da: Berge deckt mich und ihr Hügel fallt über mich! Das Maß der Schuld däucht ihm zu ungeheuer, als dass der Gedanke an eine sich erbarmende, verzeihende Liebe Platz gewinnen könnte. Die Umkehr scheint unmöglich und so bleibt denn nur Verzweiflung. O Mensch, wer du auch seist, blicke in dein Inneres! Bist du auf dem Wege der Sünde, ach, kehre zurück, entreiße dich dem Gewühl der breiten Straße! Verachte den Preis des Lasters, so lockend er dir auch scheine! Sprich zum Verführer: Hebe dich weg von mir, Satan! Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde du das Böse!

2.

Ob unsere Reue zum Heil oder Verderben führt, hängt hauptsächlich davon ab, dass wir nicht säumen, den begangenen Fehler zu bereuen, und uns zu bessern; auch dies zeigt uns das Beispiel eines Petrus und Judas.

Kaum hatte Petrus den Fehltritt begangen, kaum hatte sein Ohr das Geschrei des Hahns vernommen, da fielen ihm seines Meisters Worte bei: Ehe denn der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen - und das erfüllte seine Seele, mit tiefem, tiefem Schmerz. Augenblicklich ging er hinaus und weinte bitterlich. Dies waren die Tränen der Reue, es waren die Zeugen einer Trauer, die niemand gereut; denn die göttliche Traurigkeit wirkt zur Seligkeit, eine Reue, die niemand gereut. Petrus ging hinaus und weinte, aber er blieb dabei nicht stehen, er umfasste die Sache des Herrn um so eifriger. Wir sehen ihn ja bei dem Herrn nach seiner Auferstehung; wir sehen ihn schmerzlich bewegt, da der Herr ihn fragte: Petrus hast du mich lieb? - wir vernehmen, wie der Herr an ihn die feierliche Aufforderung ergehen lässt: Weide meine Schafe! wir sehen ihn Gefahr und Tod nicht achten, um der Sache der Wahrheit zu dienen und das Wort reines Meisters zu verkünden.

Wie ganz anders war es mit Judas; wie verhärtet im Bösen zeigt er sich uns. Es macht keinen Eindruck auf ihn, dass er seinen Herrn und Meister betrübt sieht, dass derselbe ihm am Vorabend seines Scheidens vielfach zu erkennen gibt, dass er mit seinem verabscheuungswürdigen Vorhaben bekannt sei. Judas beharrt in seiner Tat. Auch nachdem er den Heiligen durch das Zeichen der Liebe seinen Feinden überliefert hatte, fühlt er kein Mitleiden. Wie oft in seinem Leben mag durch die Nähe des Herrn, durch sein gewaltiges Wort und durch tausendfach anderes, die Aufforderung zu Reue, zu Buße vergebens an ihn ergangen sein.

Jetzt endlich, nachdem der Heilige schon zum Tode verurteilt ist; jetzt, nachdem, was er verursacht, nicht mehr abgewendet werden kann, jetzt erst erwacht das Gewissen, jetzt erscheint ihm der Lohn des Lasters als Blutgeld; nun treibt es ihn hin, den Richtern dasselbe zurückzugeben, und ihr Hohn und Spott füllt das Maß seines Elends und bringt ihn zur Verzweiflung. Er kann den Weg nicht mehr finden, der ihm Rettung gäbe, er war ihn ja wohl nie gegangen.

Ungesäumte Reue beim ersten Schritt, sie führt zum Heil. Aufschub der Reue führt zur Verhärtung im Bösen, und macht sie nicht selten unmöglich. Wir wollen den weichen Sinn uns zu erhalten suchen, der den Fehltritt, den er begangen, augenblicklich schmerzlich beklagt, - der ungesäumt das geschehene Unrecht bereut. Lasst uns mit heiligem Ernst die Tiefen unseres Herzens erforschen, und ungesäumt ändern, was einer Änderung bedarf. - Keine falsche Scham soll uns abhalten, unser Unrecht laut zu bekennen, durch die geheiligtere Tat den Ernst unserer Reue an den Tag zu legen. Und wäre einer unter uns, der in Torheit und Sünde wandelte und keinen Schmerz über seine Vergehungen fühlte, wer du auch seist, bedenke dass auch dir zugerufen wird: Heute, so ihr seine Stimme hört, verstockt euer Herz nicht - tut Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden vertilgt werden. - Wer den günstigen Augenblick entfliehen lässt, hat leicht die Zeit des Heils versäumt. - O, lasst uns zurückkehren so lange es noch Zeit ist, um nicht da anzugelangen, wo kein Heil mehr zu finden ist, wo nichts bleibt, als der Verzweiflung sich in die Arme zu stürzen.

3.

Ob unsere Reue zum Heil oder zum Verderben uns gereicht, hängt endlich hauptsächlich davon ab, worin wir Ruhe, Frieden und Errettung suchen. Petrus hatte zu kühn mehr versprochen, als er halten konnte; er fiel, bereute seine Tat, und suchte Trost bei dem, den er verleugnet hatte. Seine Liebe zu dem Herrn wurde nur durch diesen Fall feuriger; sein Glaube an den Herrn unerschütterlicher. Größer, edler stand er auf. Die Liebe des Vaters, den ihn Jesus gezeigt, der auch den verworfensten Sünder, der umkehrt, liebreich empfängt; das Verdienst seines Erlösers, sie waren die Stützen, an denen er sich aufrichtete; seine Briefe zeugen davon, zeugen, dass wir damit nicht zu viel behaupten; er selbst ruft uns zu 1 Pet. 1,3.4.13.18 und 19.: Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung, durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel. Darum so begürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird, durch die Offenbarung Jesu Christi. Und wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid, von eurem eitlen Wandel nach väterlicher Weise; sondern mit dem teuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Und Judas fühlte Reue, aber die Reue des Verzweifelten, der keinen Glauben hat, keine Gnade hofft und durch einen gewaltsamen Tod, dem Richter zu entfliehen sucht, welchem er durch den Tod nur näher gebracht wird. Auf das Vergängliche hatte Judas sein Glück gebaut, von dem Vergänglichen, von dem Zerreißen der Bande des irdischen Lebens, hoffte er sein Heil. Sein Leben war Gott entfremdet, er hatte die Liebe des Vaters nicht gesucht, die in dem Sohne sich verherrlichte, wie konnte er Erbarmung von dem hoffen, den er nicht kannte. Ja die Sünde scheidet von Gott, darum bleibt denen, die in der Sünde beharren, bis zum letzten Hauch nichts als die Flucht vor Gott.

Ach, der Mensch sucht so oft in der Angst der Sünden, in der Unruhe, die das nagende Gewissen ihm macht, anderswo Ruhe und Frieden, als wo sie zu finden sind, er sucht sie in Zerstreuung, im tobenden Lärm der Welt, und sinkt immer tiefer und tiefer, und wenn einmal das geistige Auge sich der Erkenntnis des Wahren und Rechten verschlossen hat; ach selten, dass es dann sich wieder derselben öffnet; der Mensch wandelt seinen finstern Weg hin in den Abgrund des Verderbens!

Nur bei ihm, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens; nur bei ihm, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist; nur bei ihm, der, uns zu gut, am Stamm des Kreuzes geblutet; bei ihm allein ist Ruhe und Frieden in der Angst der Sünden zu finden; durch ihn allein ist der Zutritt zum Vater uns geöffnet, durch ihn allein wird die Gewissheit uns, die ewige Liebe verstößt nicht, der verlorene Sohn, der umkehrt, findet in Vaterarmen, am Vaterherzen eine Freistätte.

Uns alle ruft der Vater durch den Sohn zu sich. Darin steht die Liebe nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat, und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung unserer Sünden. Uns nimmt Jesus an, der uns Heil und Leben erwarb. Denn das ist gewisslich wahr und ein teuer, wertes Wort, dass Jesus Christus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin. Geöffnet ist uns allen, allen ohne Ausnahme, der Zugang zur Erbarmung und Gnade des Allheiligen. Denn barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht immer hadern, noch ewig Zorn halten. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden, und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, waltet seine Gnade über die, so ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten.

Ja, du bist es, Herr, dessen Joch sanft, dessen Last leicht ist, der du allein Ruhe gibst den Mühseligen und Beladenen! Lass uns Trost und Frieden nur bei dir suchen, wenn der Schmerz, so oft von dem Weg des Lebens abgewichen zu sein, uns verzagen machen will! Löse das schnöde Band der Sünde auf, damit uns nichts mehr von dir trenne und wir immer freudiger dir folgen, durch dich einst eingehen zum Vater, zur Herrlichkeit der bessern Welt! Amen.

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