Brenz, Johannes Katechismus oder Kinderpredigten - Vorwort des Herausgebers.

Brenz, Johannes Katechismus oder Kinderpredigten - Vorwort des Herausgebers.

Unter Allem, was durch Gottes Gnade die Kirchenreformation des 16ten Jahrhunderts uns Großes und Herrliches gebracht hat, steht weit oben an das Kleinod der reinen christlichen Lehre. Es ist wahrhaft erstaunenswürdig, wenn man auch die herrlichsten Werke erleuchteter Männer der letzten Jahrhunderte vor Luther mit den Lehrschriften vergleicht, die von ihm und seinen Freunden und Schülern ausgingen; mit welch einer Klarheit darin die Haupts und Grundwahrheiten der Schrift erkannt, und der Weg zur Seligkeit gewiesen wird.

Auch unsre Mark Brandenburg erfreute sich dieses Lichtes, sobald durch den Churfürsten Joachim II. vor dreyhundert Jahren der Zugang ihm gestattet war.

Bey der so überaus großen Unwissenheit, welche, namentlich in der Mark, der Reformation voranging, so wie bey dem schnellen Einreißen der alten Verfassung, war kein Mangel fühlbarer, als der einer tüchtigen, wohl unterrichteten Geistlichkeit. Im Jahre 1540 publicirte daher der Churfürst eine Kirchenordnung, und ließ derselben eine Reihe von Predigten anhängen, in welchen die christlichen Lehren, nach der Ordnung des kleinen Lutherischen Katechismus, für das Volk und die Jugend vorgetragen sind1). Bey der Kirchenordnung sowohl, als bey diesen Predigten bediente man sich indeß einer schon anderwärts vorhandenen Grundlage. Als nämlich des Churfürsten Vetter, der Markgraf Georg von Brandenburg Anspach dem Drange nach einer Kirchenverbesserung, der sich unter allen Ständen seiner Fürstenthümer offenbarte, nicht länger widerstehen konnte, verband er sich mit der Reichs-Stadt Nürnberg zu gemeinschaftlicher Einführung einer Kirchenordnung. Den ersten Entwurf dazu hatte der bekannte Prediger an St. Laurentii in Nürnberg, nachher Königsberger Professor, Andreas Osiander (geboren 1498 in Gunzenhausen, unweit Nürnberg,) gemacht; dieser Entwurf war jedoch später, auf Andringen der Prediger zu Nürnberg, von Osiander selbst, von dem Prediger Brenz zu Schwäbisch-Hall, und von dem Markgräflichen Hofprediger Strattner mit Erinnerungen versehen und wieder umgearbeitet worden. Auf den Einwurf, die Protestantischen Stände sollten sich unter Leitung von Chursachsen zu einer allgemeinen Kirchenordnung vereinigen, wurde der umgearbeitete Entwurf Dr. Luthern noch einmal vorgelegt, welcher, vereinigt mit Justus Jonas, Johann Bugenhagen und Philipp Melanchthon sich dahin erklärte: „Dieselbige Ordnung ist in Summa dem göttlichen Worte nicht ungemäß, und stimmt mit unsrer Visitationsordnung überein, lassen uns derhalben dieselbige wohlgefallen.“

Diese Kirchenordnung, deren eigentlicher Verfasser somit unbekannt, oder noch nicht ermittelt ist, versah Churfürst Joachim II. mit einer selbstverfaßten Vorrede, und ließ durch den nun nach Berlin versetzten Hofprediger Strattner, den Mitverfasser derselben, so wie durch den Propst Buchholzer einige Aenderungen und Zusätze zu derselben machen.

Gleich nach der Kirchenordnung steht: „Hier folgt der Katechismus.“ Und nun die Ueberschrift: „Catechismus oder Kinder Predig, wie die in dem Churfürstenthum der Margken zu Brandenburgk allenthalben gepredigt werden. Auch diese Kinderpredigten leitete der Churfürst mit einer eigen verfaßten Vorrede2) ein, welche dem Hauptinhalt nach folgendermaßen lautet:

„Wir Joachim, Churfürst rc. entbieten hiemit allen unsern Unterthanen, und bevorab den geistlichen Pfarrherren, Predigern, Seelsorgern unsern Gruß und Gnad zuvor.

Liebe Getreue! Dieweil der größte Fleiß an dem bey euch allenthalben seyn soll, daß Gottes heilsamer Name wahrhaftig erkannt, gepreiset und der rechte Gottesdienst rechtschaffen gelehrt und gefördert werde, auf daß Gott seinen von uns wohl verdienten Zorn abwende: will derhalben groß und hoch von Nöthen seyn, daß nicht allein die Pfarrherren und Prediger, sondern auch die Hausväter an ihren Kindern und Hausgesinde das Ihre fleißig ausrichten mit Predigen, Vermahnen, Unterweisen, Bitten und Strafen. Aus Gottes Befehl sind zuvörderst alle Obrigkeit, geistlich und weltlich, schuldig, allen Menschen, zuvoraus aber der Jugend, Gottes Gebot und heilsames Wort vortragen und unterrichten zu lassen, daß sie den Herrn Jesum Christum, unsern Heiland, lernen erkennen, fürchten und immerdar vor Augen halten; denn sie sollen das empfangne Pfund nicht in die Erde graben oder das Licht unter den Scheffel stellen und verbergen; sonst werden sie einmal unversöhnlich von dem Hausvater als unnütze, faule, ungetreue und schädliche Knechte aus dem Hause gestoßen und in die äußerste Finsterniß geworfen werden. Ein Bischof, Pfarrherr oder Prediger soll fleißig in der Kirche wachen, Predigen, und darauf sehen, daß er nichts versäume an den Schäflein, die ihm befohlen sind, und allen möglichen Fleiß anwenden, daß sie mit der heilsamen Lehre des göttlichen Wortes treulich geweidet, geleitet und versorgt werden. Will man aber das christliche Wesen reformiren, erhalten, und ein beständig Regiment, Ordnung und Gottesdienst anrichten, so muß man es mit der Jugend anfangen. Wiewohl dieser Catechismus nicht allein der Jugend zu Gute gestellt ist, sondern die Alten, deren leider viele befunden worden, die von den zehn Geboten, Glauben, Vaterunser und vom Brauche der heiligen Sacramente wenig oder gar nichts wissen, bedürfen sein auch wohl. Doch, wie oben gesagt, mit der Jugend muß man anfangen, wie Salomon spricht: Unterweiset man den Knaben, so läßt er nicht davon, wenn er alt wird; das ist, wie Horatius in Epistolis sagt, das Faß behält seinen ersten Geschmack; also zeucht man die Jugend am ersten zu der Furcht Gottes, so wächst sie darin auf; gewöhnt man sie zu Scham, Zucht und Ehren, so hängt's ihr an ihr Leben lang. Summa, Christus, unser lieber Herr, will, daß man die Kinder zu ihm bringe, wie auch Sankt Paulus den Eltern ernstlich befiehlt, daß sie ihre Kinder aufziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Darum so wollen wir hiemit gnädiglich begehret auch treulich ermahnet haben; die Pfarrherren und Seelsorger, auch die Eltern und Hausväter wollten um Gottes willen ihres Amtes rechtschaffen und treulich warten, die Prediger auch diesen Catechismum von der Kanzel für und für, so viel sie dazu Zeit haben mögen, ablesen, damit er den Alten und Jungen bekannt und eingebildet werde und sie alle ohne Unterlaß denselben im Gedächtniß behalte. Und dieweil ein solcher Catechismus so hoch von Nöthen, und bisher wenig in unsern Landen und bey euch im Gebrauch gewesen, haben wir den folgenden für die Pfarrherrn, so es nicht besser wissen, auch für die Hausväter, stellen lassen, daß sie eine Form und Exempel haben, wie sie die Jugend mögen anleiten, ein christliches Leben zu führen, zu Lob und Ehre dem Allmächtigen Gott, unserm himmlischen Vater, und seinem Sohne, unserm lieben Herrn Jesu Christo, der mit ihm lebet und regieret in Einigkeit des Heiligen Geistes. Amen.“

Gott sey Dank können wir noch heutzutage diese schöne Ermahnung des Churfürsten uns aneignen; unsre Kirche steht noch auf demselben Grunde der evangelischen Lehre erbaut, welcher in diesen schönen Kinderpredigten so klar und einfältig ausgesprochen ist, und wir können sie auch heute noch zu demselben Gebrauche, wozu der Churfürst sie bestimmt hatte, allen Predigern, Lehrern und Hausvätern angelegentlich empfehlen. Mögen sie in vielen Herzen und Häusern den rechten Grund reiner evangelischer Erkenntniß legen und uns alle zur Einheit des Glaubens führen, welchen die großen, erleuchteten Männer Gottes des sechzehnten Jahrhunderts aus der Quelle des göttlichen Wortes uns wieder hergestellt haben!

Die Vorrede zu diesen Predigten, welche sich nicht in den Churfürstlich Brandenburgischen, sondern nur in der Markgräflichen und Nürnberger Kirchenordnung findet, ist wegen ihrer unmittelbaren Beziehung auf die Predigten selbst und um ihres schönen Inhalts willen hier gleichfalls abgedruckt.

Berlin im Oktober 1839.

1)
Diese Kirchenordnung ist auch dadurch noch merkwürdig, daß sie das erste in Berlin gedruckte Buch ist. Vgl. G. Friedländer, Beiträge zur Buchdruckergeschichte Berlins. Berlin 1834 bey G. Gichler S. 6 u. ff. Sie findet sich mit den Katechismuspredigten abgedruckt in Mylii Corpus Constitutionum Marchicarum. Vol. I, no. 2.
2)
Die Vorrede des Churfürsten erhielt den größten Beifall Luthers; ob er wohl in der Kirchenordnung selbst die Beibehaltung einiger vermittelnder Gebräuche stark rügte, sagt er von jener in seinem Briefe an den Churfürsten: „Es gefällt mir über die Maßen wohl Ew. Churfürstlichen Gnaden Vorrede, so im Drucke soll mit ausgehen.
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