Wiener, Wilhelm - Vom Stillesein.

Bußtagspredigt am Palmsonntag (dem hessischen Bußtag)

über Matth. 11, 28-30

von Lic. theol. Wilhelm Wiener, Dekan in Worms.

Matth. 11, 28-30.
“Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“

In Christo Jesu geliebte Gemeinde! Mit diesem Tage beginnt die stille Woche. Da sollen wir das Stillesein lernen. Wir erblicken ja darin Christus am Kreuz, und wir wissen, dass es unsere Sünde war, welche ihn dahin brachte. Das mahnt uns aber zur Buße und zum Gebet. Daher heute nach alter Sitte unser Buß- und Bettag, für welchen uns unser Großherzog als oberster Bischof unsrer evangelischen Kirche den Text vorgeschrieben hat.

Am Palmsonntag denken wir daran, wie Jesus, bevor er am Kreuze litt und starb, über Palmen und bei Hosianna-Rufen in die Stadt Jerusalem eingezogen ist. Warum ließ er sich das gefallen? Er wollte, bevor er sich am tiefsten erniedrigte, der Welt noch zeigen, dass er ein königliches Amt anzutreten hatte. So sitzt er nun zur Rechten Gottes und kommt, zu richten die Lebendigen und die Toten. Ja, Gott hat ihm Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum dass er des Menschen Sohn ist. Wir alle müssen offenbar werden vor seinem Richterstuhl, auf dass ein jeglicher empfange, nachdem er gehandelt habe bei Leibesleben, es sei gut oder böse. So wir uns aber selbst richten, so werden wir nicht gerichtet. Deswegen sollen wir Buße tun.

Palmen in der Hand, Psalmen im Mund und im Herzen, wollen wir stille werden beim Eintritt in die stille Woche. Dazu mögen uns die Worte unsers Textes verhelfen, die Jesus zwar gesprochen hat, bevor er nach Golgatha ging, die uns jetzt aber vom Kreuz mit besonderer Macht entgegentönen. Sie sind lieblich und ernst, und wenn sie nicht leer von uns zurückkehren, dann begehen wir diesen Tag, der für unsere Gemeinde und unser ganzes Hessenland so bedeutsam ist, wie wir's sollen. Lasst uns denn auf Grund derselben reden

vom Stillesein in der stillen Woche

und uns einen dreifachen Zuruf merken:

1. Kommt zum Herrn in die Stille!
2. Holt vom Herrn euch Seelenstille!
3. Wandelt ihm nach in Lebensstille!

1.

Kommt zum Herrn in die Stille!

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!“ „Kommt her zu mir!“ So rief Jesus in die Volksmasse hinein, welche von Pharisäern und Schriftgelehrten in falsche Bahnen geleitet war. Heute sollten in Hessen alle Kirchen gedrängt voll sein; aber mancher überhört leider den Ruf: „Kommt!“ Du bist hier im Haus des Herrn erschienen. Auf, komme denn auch wirklich zu Jesu Füßen und lass da deine Seele stille werden! „Wie die zarten Blumen sich entfalten und der Sonne stille halten, möcht' ich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“ Vom Kreuze her tönt uns heute das Wort: „Kommt.“ Da hing dein Heiland als der Allerverachtetste und Unwerteste für uns. Kommst du zu ihm, dem Mittler, dann nahst du dich Gott, dem Heiligen und Gerechten, und er naht sich zu dir. So schaut deine Seele in einen Spiegel und erblickt darin ihre Flecken, deren sie doch nicht wenig haben dürfte. Aber nicht bloß in dieser gottesdienstlichen Stunde sollst du zu Jesu kommen; nein, dies Kommen soll sich fortsetzen an dem ganzen Tag; denn hehr und heilig ist ein Bußtag. Geh heute in die Stille der Natur; bleib in der Stille deines Hauses; beschäftige dich still in deinem Kämmerlein mit deinem Seelenzustand! „Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!“ (Ps. 46, 11). In unsrer Zeit wird viel gelesen, viel in Zeitungen und Büchern, aber wenig in der Seele. Willst du nicht dieses Lesen lernen und üben? Solltest du darin nicht bereits über die Elementarklasse hinaus sein?

Jesus sagt: „Kommt her zu mir alle.“ Alle werden wir zu Jesu Kreuz gerufen, Volk und Fürst (weshalb wir unter ein Bibelwort uns beugen), Stadt- und Landbewohner, Reiche und Arme, Vornehme und Geringe; denn wir hängen alle zusammen, zum Leben des Guten aufeinander angewiesen und füreinander verantwortlich. Und hat nicht jeder den andern gegenüber viel verschuldet? Denke doch keiner, bloß der Gefängnissträfling, der Räuber, Mörder und Ehebrecher brauche Buße zu tun! Ja, stünde es so, dann gäb's freilich viel Gerechte. Was für eine Fülle von Schuld haben wir in einem Jahr oder gar in unserm Leben bis hierher angehäuft! „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie an Gott haben sollen.“ Wähne du nicht, bloß der Kränkliche brauche sich mit dem Zustand seiner Seele zu beschäftigen! Was man nicht ist, das kann man gar schnell werden, wie uns die tägliche Erfahrung zeigt. Und ist nicht oft die Krankheit mit Seelensturm verbunden, so dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Siehe, heute Nacht kann man deine Seele von dir fordern. Nicht allein die Alten sind zur Buße zu rufen; auch die Jungen sollen zu Jesu kommen, auf dass sie einst graue Haare als eine Krone der Ehre tragen. Und heutzutage haben gerade die Jungen viel Veranlassung, an die Brust zu schlagen und zu sprechen: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Wie viel gesunkene Jünglinge trifft man im Haftlokal, Gefängnis und Zuchthaus! Kommt heute zum Heiland, besonders auch ihr Konfirmanden, die ihr einem so wichtigen Schritt eures Lebens entgegenseht! Oder wären nicht auch eure Unarten, die ihr seither in Haus und Schule gezeigt, zu den Sünden zu rechnen? „Es sei stille vor Ihm, alle Welt!“ (Hab. 3, 20), Bußstille überall!

Wir alle sind „mühselig und beladen“. Die Elenden ruft Christus zu sich; aber ist nicht des Unglücks Stachel ein böses Gewissen? Auf, lasst uns erkennen, dass wir an unserm Unglück doch meist die Schuld tragen! Mancher ging in sträflichem Leichtsinn eine Ehe ein; manches Familienleben ist äußerlich übertüncht mit der Farbe der Weltbildung und innerlich durch Streit und Zank voll Staub und Moder; mancher ist krank durch Trunksucht und Unzucht. Ans Kreuz erinnert uns die Karwoche. Sieh, das rote Kreuz ist ein Zeichen derer, welche den Verwundeten im Kriege helfen, das weiße Kreuz das Panier derer, welche die Unzucht bekämpfen; das blaue Kreuz ziert die Fahne derer, welche die Opfer der Trunksucht zu retten suchen. Wo fallen mehr Opfer? Auf dem Schlachtfeld, wo die Kugeln fliegen? oder da, wo Unmäßigkeit und Unzucht ihre Opfer greifen? Findet keiner bei der Erwähnung dieser Angelegenheit Veranlassung, zu rufen: „O, meine Sünde, meine Sünde“? Die Menschen mühen sich um ihr Glück. Sie erstreben es durch Mehrung ihres Besitzes; denn „Geld ist eine Macht“, sagen sie. Aber ich sage dir: Ohne Frieden, Freude, Liebe, Hoffnung ist Geld keine Großmacht, bleibst du „mühselig“ bei allem Reichtum. Man will sich gute Tage machen durch Häufung und Verfeinerung des Genusses. Aber ohne die Ruhe, die vorhanden ist dem Volke Gottes, hat man bei allen Vergnügungen bloß „löchrige Brunnen“, wie unser heutiger alttestamentlicher Text sagt. Oder fällt nicht die Sonntagserholung so vieler Leute gewöhnlich so aus, dass sie am Montag sich vom Vergnügen erholen müssen? Und sind nicht gewöhnlich die Leute, welche am meisten genießen können, die allerunzufriedensten? Man erstrebt edle Haltung und geistige Befreiung durch selbsterwählte Sittlichkeit; aber immer wieder zeigt sich das Herz „beladen“ durch Schuld und will nicht ruhig in uns werden, bis es ruht in Gott. Man möchte sich eine beschwichtigende Zukunftsreligion durch eignes Denken bilden und wird dabei gleichgültig gegen kirchliches Christentum und die Haupterrungenschaften der Reformation. Lasst uns erst rechte Kirchenchristen werden und zum Kreuze Jesu kommen, als Mühselige und Beladene vor dem Gesetze Gottes uns finden und Buße tun und uns heute beim Beginn der stillen Woche den Ruf merken: „Kommt zum Herrn in die Stille!“

2.

Holt vom Herrn euch Seelenstille!

„Ich will euch erquicken - So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“

„Ich will euch erquicken.“ So sprach der Herr unter Hinweisung auf seine Lehre, sein Leben, sein Leiden. Im griechischen Urtext ist vom Geben der Ruhe, des Friedens bei diesem Ausdruck die Rede. Solche Erquickung kommt nicht ohne Vergebung der Sünde. Die Passionszeit, die Karwoche, sie erzählen uns von Christi Verdienst für uns. „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum.“ Gott kommt nicht bloß zu uns im Sturm und in Feuerflammen der Gesetzespredigt, sondern auch im sanften Wehen der Gnade, wie er sich schon dem Elias offenbarte. Vergebung wird heute jedem angeboten, welche Sünde er begangen haben mag. Unser Gebet ist heute: „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern!“ Die Predigt dieses Tages soll nicht bloß strafen, sondern auch trösten. Gott will nicht bloß von dir fordern, er will dir auch geben. Valentin Andreä singt auf Grund unsers Textes: „Kommt zu ihm, die ihr mühselig und beladen, sucht Ruh! Er, er wird euch Geistesleben, Unschuld, Liebe, süße Kraft, Herzenssaft, Gottes Ruh wird er euch geben Gott im Menschen, das gibst du.“ Das ist die Erquickung des geistlich Kranken, der gesundet, die Nahrung des seelisch Hungernden, die Stärkung des Geängsteten, der nun Mut fasst, dass er auffährt mit Flügeln, wie Adler. Der Heiland sagt: „Ich will euch erquicken.“ Er will, so darfst du nur wollen, und du empfängst Gnade um Gnade. Dadurch hört deine Seele auf, dem immer stürzenden, springenden, aufschäumenden Bergwasser zu gleichen und ähnelt dem klaren blauen See.

Welch eine schöne Verheißung: „So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“ Der Heiland spricht: „Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch; nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt; euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“ Nach dem Keuchen unter schwerer Last, nach dem Wandern durch Hitze und Staub sehnt sich der Leib nach Ruhe. So auch die Seele nach all ihrem Tragen und Klagen. Sieh, wer in Christo einen versöhnten Gott, einen himmlischen Vater hat, der braucht nicht im Unglück, das ihn trifft, in Zweifel und Verzweiflung zu geraten, und dass das nicht selten geschieht, sehen wir leider immer wieder. Warum so viel Verfinsterung des Denkens und Anfechtung? Die Leute kennen nicht trotz ihrem „protestantischen Bewusstsein“ die Rechtfertigung, die aus dem Glauben kommt, und denken nicht an das Wort: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat!“ Der im evangelischen Sinne Gerechte ist stille dem Herrn und wartet auf ihn (Ps. 37, 7). Und du? Bist du geneigt, dir das Wort Paul Gerhardts zu merken:

„Gib dich zufrieden und sei stille
in dem Gotte deines Lebens!
In ihm ist aller Weisheit Fülle,
ohn' ihn mühst du dich vergebens.
Er ist dein Licht und deine Sonne,
scheint täglich hell zu deiner Wonne:
gib dich zufrieden“? 1)

Lasst uns doch heute recht innig darum beten, dass dies Vertrauen von keinem von uns weiche; denn geschieht das, so wird der Mensch nicht bloß unglücklich, sondern auch unzuverlässig und und unheimlich. Ja, das Gottvertrauen gehört zum Volkswohlsein. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Wer durch seine Lehre und sein Beispiel das Volk seinem Gott entfremdet, der mag auch noch so viel materielle Mittel zur Abhilfe der Not sinnen: er streut Sand ins Meer. In der Sündenvergebung beruht auch die Hoffnung zukünftigen Glückes, des ewigen Lebens. Denn im Bewusstsein derselben sprechen wir: „Der seines eigenen Sohnes nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben, sollte der uns mit ihm nicht alles schenken?“ Es heißt nicht vergeblich: „Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein“ (Jes. 30, 15). Es gibt so viel ruhelose Seelen auf der Erdenwanderschaft. Gehörst auch du dazu? Fange nur bei Christi Kreuz an auf Heilung zu denken und lerne mit dem frommen Dichter sprechen: „In meines Herzens Grunde dein Nam' und Bild allein funkelt all' Zeit und Stunde.“ „Kehre aus der Welt Zerstreuung in die Einsamkeit zurück, wo in geistiger Erneuung deiner harrt ein neues Glück, wo sich bald die Stürme legen, die das Herz so wild bewegen; wo des Heiligen Geistes Mahnen du mit stillem Beben hörst und von neuem zu den Fahnen Jesu Christi heilig schwörst!“

So merken wir uns heute am Anfang der stillen Woche den Ruf: „Holt vom Herrn euch Seelenstille!“

3.

Wandelt ihm nach in Lebensstille!

„Nehmt auf euch mein Joch! Lernt von mir!“

„Nehmt auf euch mein Joch!“ mahnt uns der Heiland. Da scheint ein Widerspruch mit dem vorher Gesagten vorzuliegen; aber es scheint auch bloß so. Wohl macht Christus den „Beladenen“ frei von der Last, die ihn niederdrückt; aber dann stellt er auch seine Forderungen an ihn. Je vollkommener eine Religion ist, desto mehr heißt sie auf Sittlichkeit dringen; obwohl wir uns vor dem Wahne zu hüten haben, dass die Moral oder Sittlichkeit die Religion selber sei. Nein, sie geht aus dem Glauben allein hervor und gibt so die nötige Gebundenheit vor Gott, Gewissensschärfe und Erinnerung an das Gericht, ohne welche die Menschen das Gesetz nicht achten. Das Christentum ist nicht bloß die vollkommenste Religion von allen, sondern die vollkommene Religion schlechthin: aus ihr kommt die reinste Sittlichkeit. Möge unser Leben mit Christo verborgen sein in Gott; dann wird man an unsern Früchten uns erkennen. Dann können wir für unsern Heiland auch etwas tragen. Daran erinnert uns doch das Wörtchen „Joch“, und es will uns wohl auch sagen, dass wir mit andern, z. B. in der Ehe, der Familie, der Gemeinde, der Kirche, zu tragen haben. Hast du Angst davor? Der Heiland macht uns Mut, indem er spricht: „Mein Joch ist sanft.“ Es ist ganz dem Wesen der Seele, der „geborenen Christin“, entsprechend. Der Heiland gibt uns auch Kraft, es zu tragen. Darum kann er sagen: „Meine Last ist leicht.“ Diese Kraft liegt in der heiligen Liebe, des Gesetzes Erfüllung und dem Band der Vollkommenheit. Dadurch bekommen wir auch Willigkeit zum Leiden und wissen, dass wenn Gott unser Kreuz auf unser Gebet nicht von uns nimmt, er doch erhöhte Tragkraft gibt. Ein starker Mann hebt Lasten, vor denen andre seufzen, mit Leichtigkeit. Lasst uns am Bußtag Besserung vornehmen, aber auch nicht vergessen, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, wie das Sprichwort sagt, und wir ohne Erneuerung, Wiedergeburt sie unausgeführt lassen. Und sind wir wirklich auf dem Weg, unserm Leben eine echt-christliche Färbung geben zu lassen, dann lasst uns nicht zu laut davon reden, sondern im guten Sinn des Wortes zu den „Stillen im Lande“ gehören, die am Joche Christi freudig mitziehen. Merken wir uns die Ermahnung des Apostels: „Ringt danach, dass ihr stille seid!“ (1. Thess. 4, 11).

Jesus sagt: „Lernt von mir!“ Manche Leute hören das, fragen aber nicht danach. Wohl kommen sie in die Kirche, um sich, wie sie richtig sagen, „zu erbauen“; aber unter dieser Erbauung verstehen sie Genuss und wollen Kurzweil, etwa wie man sie im Theater und Konzert findet. Aber man muss hier im Gotteshaus von Jesu Lernen. In religiöser Hinsicht gibt's keinen höheren Lehrer, als er ist, und wenn es sonst unsere unbestreitbare Aufgabe bleibt, die Augen und die Ohren aufzutun und von allen Menschen zu lernen, sind wir in Dingen des Glaubens und des sittlichen Lebens doch an ihn allein gewiesen. Möge darum der Kirchenbesuch und der Abendmahlsgenuss in unsrer Gemeinde sich ständig mehren! Dann werden es die sittlichen Gemeindezustände in den Häusern, auf den Straßen und Märkten bald zu spüren geben. Inzwischen wird da draußen in der lauten Welt, die mit Pauken und Trompeten einlädt, manches gelernt, was besser ungelernt bliebe. Merkt man die Einwirkungen desselben nicht an dem Erfolg der häuslichen und Schulerziehung der Kinder, der so oft gehemmt oder vereitelt wird? Darüber wäre gerade am Bußtag noch so manches zu sagen. Unser Heiland, der uns auf Lebensstille in sittlichem Wandel weist, ist ein gar anziehender, fesselnder Lehrer; denn er konnte von sich sagen: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ Er will ja nicht bloß mit Worten, sondern auch durch sein Beispiel lehren, und in ihm, dem Sohne Gottes, tritt uns Gott menschlich nahe. Und es heißt doch: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Wir sollen umkehren und werden wie die Kinder, und die sind bekanntlich auf Nachahmung angewiesen. Wollen wir nicht Jesum, den Reinsten, Größten, Höchsten, Liebewertesten, den uns die Weltgeschichte kennen gelehrt hat, zu unserm Vorbild nehmen? Da werden wir selbst sanftmütig und von Herzen demütig zu werden suchen, und gerade daran lassen es manche Menschen, auch solche, die sich zu den „Stillen im Lande“ rechnen, mangeln; denn wie könnten sie sonst so viel Lärm von ihren Leistungen machen, so gern Streit pflegen? In Jesu Dienst werbe ich jetzt um eure Seelen. „So bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ Gott gebe uns allen einen sanften und stillen Geist! (1. Petr. 3, 4). Er mache uns demütig und zwar „von Herzen“, nicht bloß, soweit es Menschen merken!

Und so gehen wir mit Palmen und Hosianna dem König der Ehren entgegen. Ja, Er, der die Dornenkrone getragen, hat die Königskrone empfangen.

„Er kommt zum Weltgerichte,
zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad' und süßem Lichte
dem, der ihn liebt und sucht.
Ach, komm, ach, komm, o Sonne,
und hol' uns allzumal zum Licht,
zur ewgen Wonne in deinen Freudensaal!“ 2)

Unsere Seele sei stille in der stillen Woche! Amen.

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