Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Die Belagerung von Kopenhagen, oder die Quäker
Zur Zeit der Kopenhagener Belagerung unter Admiral Nelson hat sich folgende wunderbare Geschichte zugetragen, die ein Marineoffizier erlebte. „Ich war ganz besonders hingenommen von einem Ereignis, das ich drei oder vier Tage nach diesem furchtbaren Bombardement beobachtete,“ schreibt er. „Schon verschiedene Nächte vor der Einnahme wurde die Dunkelheit der Nacht fortwährend von dem Feuern der Geschütze blitzartig erhellt, während das Donnern der Kanonen, das Knattern der Gewehre und das Prasseln der mörderischen Kartätschen die Herzen der Menschen in beständigem Schrecken erhielt. Helles Licht zeigte nur zu deutlich, dass die Bomben nicht umsonst in die geängstete Stadt gesandt wurden, denn Paläste und Hütten standen in Flammen, und der rote Schein fiel vom Himmel zurück in die Wasser, auf denen ein Wall von Schiffen schwamm, deren Mannschaft das Zerstörungswerk betrieb. Die Belagerung ging fort; Tag und Nacht stieg das Entsetzen, bis Kopenhagen zuletzt übergeben wurde, und diejenigen der Einwohnerschaft, die am Leben geblieben waren, wieder aufatmen konnten. So sehr mich der Anblick alles Elends auch ergriff, so konnte ich es doch nicht unterlassen, die Unglücksstätten zu besuchen, und so ging ich eines Tages, von Wehmut erfüllt, auf einen der am meisten vom Brande heimgesuchten Plätze und blieb an den Trümmerhaufen stehen. Da lagen die schwarzen Überreste der Häuser, der Warenlager, der stolzen Wohnungen der Reichen, wie die niedrigen Hütten der Armen! Alles war dahin und nichts als verkohlte, verbrannte Überreste zeugten von dem früheren blühenden Zustand. Aber was erblickte man denn da, ganz mitten zwischen allen Trümmern? Ich traute meinen Augen nicht, denn völlig unversehrt, als ob der Krieg vor dem kleinen, netten Häuschen plötzlich inne gehalten hätte, stand eine einzige ganz unzerstörte, menschliche Wohnung. Wem gehört jene Wohnung, fragte ich mit Staunen, und die Antwort lautete: „Es ist das Haus eines Quäkers, der nicht zu bewegen war, mit zu fechten und auch nicht aus seinem Hause fliehen wollte. Während des ganzen Bombardements hat er sich mit seiner Familie hier betend aufgehalten.“ Jawohl, dachte ich, der Herr behütet die Gottesfürchtigen, Er ist ihr Schild im Streit. Und ich beschaute mir das Häuschen noch einmal, das die Flammen nicht verzehrt hatten, und das da stand als ein Denkmal der Gnade. Es ist keine erfundene Geschichte, sie ist so wahr, wie irgend etwas, was nur erzählt werden kann.“
Aus diesem selben dänischen Krieg gibt es noch eine andre ähnliche Geschichte, die sich 1807 eignete, kurz nachdem Kopenhagen an die Engländer übergeben worden war. In diesen Tagen lag viel Militär unweit der Stadt auf dem Lande einquartiert, und eines Tages mussten drei Soldaten des Hochland-Regiments auf den Bauernhöfen furagieren1). Sie kamen auf verschiedene Höfe, wo sie alles zerstört und ausgeplündert fanden, so dass sie doppelt erstaunt waren, als sie plötzlich einen Obstgarten vor sich erblickten, dessen Bäume mit Früchten schwer beladen waren. Durch ein Hoftor gelangten sie zu einem freundlichen Pächterhause, wo sie alles friedlich und schön geordnet fanden. Als sie eintraten, floh die Frau des Hauses samt den Kindern aus der Hintertür, und niemand hinderte die gefürchteten Eindringlinge, sich jetzt genau in der ganzen Wohnung umzusehen, in welcher alles so sauber und hübsch war, wie man es hier auf dem Lande sonst kaum erwarten konnte. Eine Uhr hing tickend neben dem Kamin, und ein Bücherbrett mit vielen Bänden erregte die Neugier des älteren Soldaten. Er nahm ein Buch herunter, das freilich in einer ihm unbekannten Sprache geschrieben war, auf dessen Blättern er aber dennoch den Namen Jesus Christus immer wieder lesen konnte. Als er mit diesem Lesen beschäftigt war, trat der Herr des Hauses in die Tür ein, durch welche die Frau mit den Kindern entflohen war, und der andre Soldat forderte nun sofort in barscher Weise allerlei Proviant. Allein der bedrohte Hausherr stand fest und unerschrocken, nur langsam sein Haupt schüttelnd, während der wissbegierige Leser sich ihm jetzt ebenfalls näherte, um in dem Buch den Namen Jesus Christus zu bezeichnen und dann seine andre Hand aufs Herz zu legen. Er blickte hierbei gen Himmel, und kaum hatte ihn der Hausbesitzer so vor sich stehen sehen, als er ihm mit schnellem Griff die Hand kräftig schüttelte, und dann auch wieder aus der Hintertür verschwand. Die zurückgebliebenen Krieger sahen ihm verwundert nach, und noch waren sie nicht fertig mit ihrem überlegen, was sie nun tun sollten, als der Hausvater mit seiner Familie schon wieder eintrat, ein jedes von ihnen beladen mit Milch, Eiern, Speck rc. das wurde den Gästen freundlich angeboten, während das Geld dafür zurückgewiesen wurde, und als die zwei anderen Soldaten, die auch redliche Leute waren, dennoch darauf bestanden, das Empfangene zu vergüten, da wurde der Preis nur mit sichtbarer Betrübnis angenommen. Beim Abschied warnten die Soldaten den frommen Landmann durch Zeichen, seine Uhr doch künftig nicht so offen hängen zu lassen, allein dieser gab durch ebenso deutliche Bewegungen zu erkennen, dass er sich vor nichts fürchte, sondern dass er sein Vertrauen auf Gott gesetzt habe. Und dies Vertrauen war nicht umsonst, denn während seine Nachbarn zur Rechten und zur Linken nach allen Richtungen geflohen waren, und all ihr Eigentum dahin war, verlor dieser fromme Quäker kein Haar von seinem Haupte, und nicht einmal einen Apfel von seinen Bäumen. Er hatte das Wort beherzigt: „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen,“ und während er sich selbst nicht verteidigte, da ließ der Herr, auf den er vertraute, nicht zu, dass ihm ein Leid geschah.
Ist es nicht auch eine wunderbare Tatsache, dass bei all den grausamen Verfolgungen der Protestanten in Irland, wo Tausende den Märtyrertod starben, im ganzen Lande nur zwei Quäker umkamen? Und diese zwei waren solche, die nicht fest an ihren Glaubenssätzen hingen. Einer von ihnen floh, und verbarg sich in einer Festung und der andre hielt Waffen in seinem Hause. Die andren ihrer Brüder gingen unbewaffnet ein und aus, inmitten wütender Soldaten, sowohl der römisch-katholischen wie der protestantischen; sie waren stark in der Stärke des Israel Gottes, und steckten ihr Schwert in seine Scheide, weil sie sich auf Christi Worte stützten: „Widerstrebt nicht dem Übel,“ „und so dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dem biete die andre auch dar.“ „Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen.“ Ach, wir schämen uns, diesen Quäkern nachzuahmen, wir fürchten uns, Gott zu vertrauen, und so lange wir dies tun, lernen wir auch nicht die majestätische Übermacht des Glaubens kennen, und erfahren nicht, mit welcher Macht Gott uns beschützt.