Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Lukas.
Das dritte Evangelium und die Apostelgeschichte sind die zwei Teile eines und desselben Werkes, als dessen Verfasser uns Lukas, ein mit Paulus eng verbundener Mann, genannt wird. Die Apostelgeschichte legt den Schluß nahe, daß sich Lukas dem Apostel auf seiner zweiten Missionsreise in Kleinasien angeschlossen und ihn von dort nach Macedonien begleitet habe. Hernach ist er mit ihm nach Jerusalem in die Gefangenschaft und nach Rom gezogen. Der Kolosserbrief sagt, daß er ein Arzt gewesen sei, und deutet seine heidnische Abkunft an, 4,14, vgl. 11. Er hatte also an höherer griechischer Bildung teil, und dies zeigt auch das Vorwort zum Evangelium, das in gewandtem Griechisch abgefaßt ist. Er hat das Evangelium und ebenso die Apostelgeschichte mit einer Widmung an einen Christen Namens Theophilus versehen, dessen Wunsch einen sichern Bericht über Jesu Leben zu besitzen, ihm die Veranlassung zu seiner Arbeit gab. Er war offenbar vornehmen Standes, da ihn Lukas mit einem ehrenvollen Titel1) anredet, und wir werden annehmen dürfen, daß er mit seinen Geldmitteln an der Vervielfältigung und Verbreitung des Evangeliums sich betheiligt hat.2)
Das Evangelium beginnt Lukas mit
den ersten göttlichen Zeugnissen, die Christum kund machen. 1-3.
Nicht erst die Predigt, sondern schon die Geburt des Täufers ist ein großes Zeichen Gottes, das Christum offenbart. Denn seine Geburt und sein Beruf wurden seinem Vater im Tempel durch den Engel verkündigt. 1,5-25.
Darauf sagt der Engel der Mutter Christi die wunderbare Empfängnis ihres Kindleins an, und ihr Geheimnis wird zu ihrer Überraschung von Elisabeth durch prophetische Erleuchtung ausgesprochen, so daß Maria der Mund übergeht in Gottes Lob. 1,26-56.
Nach der Geburt des Täufers wird auch Zacharias prophetisch zum Preise des Christus erweckt. 1,57-80.
In der Geburtsnacht machen die Engel Hirten zu Zeugen ihrer Freude und Anbetung, und bei der Darstellung im Tempel macht Simeon nebst Hanna mit prophetischen Worten die Erhabenheit des Kindleins offenbar, doch nicht ohne daß schon hier auf seine Leiden hingedeutet wird. 2,1-40.
So führt uns Lukas beides vor, wie still und verborgen die Geburt Christi verläuft, und wie zugleich in mancherlei Weise hell und jubelnd die Stimmen von oben ertönen, die Christum kundmachen. In der schönsten, reichsten Weise verbindet dieser erste Abschnitt das Evangelium mit dem alten Testament; denn er führt uns mitten in die Verheißung und Hoffnung Israels hinein. Auch in der Art des Ausdrucks sind diese Erzählungen vollständig hebräisch. Das ist auffällig an dem Arzt aus den griechischen Gegenden, um so mehr, da er soeben die Einleitung in ein griechisches Gewand gekleidet hat. Die Sprache dieser Erzählungen ist ein Zeichen, daß Lukas hier wiedergibt, was er empfangen hat, ohne jede Änderung.
Auf Matthäus nehmen diese Erzählungen keine Rücksicht. Beide Weihnachtsgeschichten haben manches gemeinsame. Hier wie dort ist Jesus das Werk des heiligen Geistes in Maria, der Braut Josephs, der aus dem Hause Davids stammt, und himmlische Boten bringen den Aufschluß über das Geheimnis seiner Geburt und über seinen Namen und Beruf, und es werden ihm Anbeter zugeführt nicht nach menschlicher Erwartung, sondern nach Gottes verborgner Art, der die Niedrigen als seine Werkzeuge braucht. Die Zusammenfügung der beiden Geschichten hat aber darin eine Schwierigkeit, daß Lukas für einen längeren Aufenthalt in Bethlehem und für die Flucht nach Ägypten den Raum nicht offen läßt. Auf dieser gegen Matthäus selbständigen Bahn bleibt die Erzählung durch das ganze Evangelium hindurch.
Auch in ihrer inneren Haltung ist die Weihnachtsgeschichte des Lukas von derjenigen des Matthäus recht verschieden. Da finden wir nicht den argwöhnischen Joseph und das gleichgültige Jerusalem und den blutigen Herodes, sondern das wahrhafte Israel nach dem Geist, das auf Gottes Gabe wartet, sie im Glauben empfängt und mit dem Loblied des Geistes preist. Dadurch bilden diese Geschichten eine notwendige Ergänzung zu Matthäus. Ein solches Israel hat die Kindheit des Täufers und Jesu umgeben; das gehörte mit zur Erfüllung der Zeit.
Hierauf zeigt uns Lukas den Knaben Jesus, der sich im Tempel als im Eigentum seines Vaters heimisch weiß, und die Kindschaft zu Gott höher stellt als Vater und Mutter auf Erden und ihnen doch in allem unterthan bleibt. 2, 41-52.
Das Auftreten des Täufers leitet er durch eine chronologische Angabe ein, die erste und einzige, welche Jesu Leben in die übrige Weltgeschichte einordnet. Die Predigt desselben stellt er durch drei kleine Reden dar. Die erste, das Bußwort des Täufers, und die dritte, seine Verheißung vom Kommen Christi, enthalten dieselben Worte, die wir auch bei Matthäus lesen; die mittlere, die Weisungen des Täufers an die Bußfertigen, ist neu. Dieselbe Erscheinung, daß nämlich Lukas an die Stelle der großen Reden des Matthäus zahlreiche kleine Redestücke setzt, findet sich im ganzen Evangelium. Hiezu fügt er sofort die Erwähnung der Gefangenschaft des Täufers und eine kurze Meldung über Jesu Taufe. Und nun erst, wo Jesus an der Schwelle seiner Thätigkeit steht, und der Spruch Gottes bei der Taufe ihn als Gottes Sohn bezeichnet hat, schaut der Evangelist auf seine menschliche Abstammung zurück, aber nicht nur auf David und Abraham, sondern auf Adam, ja auf Gott, dessen Sohn Adam war. Der Evangelist hat das Geheimnis der Menschwerdung vor Augen und den Zusammenhang derselben mit derjenigen Gotteskindschaft, in welcher der Mensch als Geschöpf Gottes steht. Dabei zieht er die Geschlechtslinie anders als Matthäus und läßt die königliche Linie beiseite. Man hat oft vermutet, daß bei Lukas das Geschlechtsregister der Maria vorliege; nur läßt sich dies den Worten des Lukas nicht entnehmen. Es fehlen uns jetzt die Mittel, um die beiden Geschlechtsverzeichnisse gegen einander abzuwägen; wir müßten ein drittes Dokument haben, das schiedsrichterlich ihren Zwiespalt aufklärte und für das eine oder andere die Entscheidung gäbe. 3.
Jesu erste Offenbarungen. 4,1-5,11.
In des Geistes Salbung weist er den Versucher ab, zuerst in der Wüste, wo er ihn offen zu böser Entschließung versucht, dann auch im Tempel, wo er ihm unter frommem Scheine nahe tritt. Den Leuten Nazareths verkündigt er, daß sein Kommen der Verheißung die Erfüllung bringt, und da er von ihnen verachtet wird, deutet er auf das Schicksal Israels hin, welches der Gabe Gottes verlustig geht, während die Heiden sie empfangen, worauf ihn die Nazarener töten möchten. So stellt schon der Anfang Jesu den künftigen Gang der Kirche ins Licht. Nun folgt der erste Sabbath Jesu in Kapernaum ganz wie bei Markus. Darauf stellt Jesus dem Petrus nebst den andern drei ersten Jüngern die Macht und das Ziel des Apostelamts durch den wunderbaren Fischzug dar, und begründet so den Jüngerkreis.
Die großen Thaten Jesu in Galiläa. 5,12-9,50.
Nun folgen nach der Ordnung des Markus der Aussätzige, der Gichtbrüchige, das Mahl mit den Zöllnern, die Frage wegen des Fastens, die beiden Sabbathgeschichten und die Auswahl der Zwölfe. Aber nun führt Lukas die Erzählung nicht gleich in der Weise des Markus weiter, sondern verbindet mit der Einsetzung der Zwölfe die Bergpredigt, jedoch in verkürzter Gestalt.
Mit drei Seligpreisungen und ebensoviel Weherufen zeigt Jesus, welchen Sinn er bei seinen Jüngern sucht, daß sie auch in der Armut und im Leiden im Blick aufs Himmelreich sich freuen sollen. Dann legt er ihnen das Gebot der Geduld und Liebe aus in seiner Höhe, und hält ihnen weiter vor, was ihr Beruf an den Menschen sei, wie sie ihnen als Führer dienen sollen und dazu einen guten inneren Schatz bedürfen und sein Wort nicht nur hören müssen, sondern thun. Alle Worte der Bergpredigt bei Matthäus, die den Unterschied hervorheben zwischen dem Weg der Jüngerschaft und der alten Weise Israels, sind in derjenigen Gestalt, die ihr Lukas gibt, weggelassen. Aus der dringenden Warnung vor Israels Verdorbenheit nimmt Lukas das heraus, was für die ganze Christenheit zu aller Zeit Jesu Gebot ausdrückt.
Auf die Bergpredigt läßt Lukas noch einige Erzählungen folgen, die Markus nicht darbot, und die doch in diese erste galiläische Wirksamkeit Jesu gehören. In Kapernaum heilt er den Knecht des Hauptmanns; in Nain gibt er der Witwe den Sohn zurück. Auch die zweifelnde Frage des Täufers mit der Klage Jesu über den stumpfen Leichtsinn des Volks stellt er hieher, und die Begegnung mit dem gefallenen Weibe, von dem sich Jesus zum Ärgernis des Pharisäers salben ließ. Er hebt hervor, wie völlig und zart Jesus ihr Vergebung gewährte, wie er dieselbe rechtfertigte durch die Liebe, die sie ihm erwies, und wie er die Lieblosigkeit des Pharisäers beschämte. Hieran schließt sich ein Bericht über die Frauen, die Jesu dienten. Darauf gibt Lukas wieder Erzählungen, die auch Markus enthält: das Gleichnis vom vierfachen Acker mit der Aufforderung zum rechten Hören, die Abweisung seiner Familie, und - von nun an ist auch die Ordnung wieder dieselbe wie bei Markus - die Stillung des Sturms und Heilung des Besessenen, Jairus und das blutflüssige Weib, die Aussendung der Zwölfe, die Meinungen des Herodes und des Volks über Jesus, und nach der Rückkehr der Jünger die Speisung der Fünftausende. An den folgenden Geschichten des Markus geht er vorbei und wendet sich sofort zum Bekenntnis des Petrus und zur Leidensweissagung. Jesus wird verklärt und der mondsüchtige Knabe geheilt. Die Leidensweissagung wird erneuert, den Jüngern der ehrgeizige Streit verwehrt und der blinde Eifer des Johannes zurecht gewiesen. An derselben Stelle wie Markus schließt Lukas die galiläische Wirksamkeit.
Jesus nähert sich Jerusalem. 9,51-19,44.
Für die folgenden Erzählungen gibt Lukas eine Zeitbestimmung: sie fallen in die Nähe des Todes Jesu, in die Zeit, da er Galiläa bereits verlassen hatte. Man könnte erwarten, mit 9,51 leite der Evangelist eine rasche Reise nach Jerusalem ein; aber es folgt noch ein großer reicher Abschnitt, der uns Jesus in derselben Weise wirksam zeigt wie vordem. Dadurch wird die Zeichnung der äußeren Lage etwas unklar, da wir uns Jesus nicht mehr in Galiläa denken sollen und noch nicht in Jerusalem. Das Gesamtbild ist jedoch kein anderes als das, welches uns Markus und Matthäus geben. Denn auch bei ihnen zieht Jesus nicht in rascher Wanderung von Kapernaum nach Jerusalem, sondern hält sich noch einige Zeit in der Nähe der Stadt und den Jordangegenden auf, und Johannes sagt uns ebenso, daß Jesus den letzten Winter nicht mehr in Galiläa zubrachte, sondern dasselbe schon zur Zeit des Laubhüttenfestes verließ. Ehe Lukas die lehrhaften Abschnitte wiedergibt, die Markus in diese Zeit verlegt, gibt er eine große Sammlung von neuen Erzählungen und verbindet mit diesen viele Worte Jesu, die wir auch bei Matthäus lesen, die aber bei Lukas in eigentümlicher Gestalt und Gruppierung wiederkehren. Dieselben sind aus allen Reden Jesu entnommen von der Bergpredigt bis zu den Abschiedsworten an die Jünger auf dem Ölberg, und werden entweder mit einander zu kleinen Reden gruppiert, oder auch mit den neuen Stoffen, die Lukas erzählt, verbunden.
Als Samariter Jesus verstoßen, verwehrt er den eifernden Jüngern die Anrufung des göttlichen Zorns. 9,51-56. Die Geschichte eröffnet die Wanderung nach Jerusalem sehr bedeutsam: sie zeigt, mit welchem Sinn Jesus in den Tod geht, und was er im Blick auf seinen Leidensweg von seinen Jüngern verlangt. Hieher stellt Lukas auch die Forderung unbedingter Hingabe, die Jesus an die beiden Männer richtet, die ihm nachfolgen wollen, und vermehrt sie durch ein drittes Beispiel. 9,57-62. Vgl. Mt. 8,19-22. Jetzt da Jesus nach Jerusalem aufbricht, wird diese Forderung nach ihrer ganzen Tragweite offenbar. Er verteilt 70 Jünger in die Dörfer, die er besuchen will, damit durch ihr Wort seine eigene Predigt vorbereitet sei, und gibt ihnen die Regeln für ihren Missionsberuf. Mit dem Gerichtswort über die, welche Jesu Boten verachten, verbindet Lukas den Weheruf Jesu über die Städte, welche seine Zeichen sahen. 10,1-16. Vergl. Mt. 9,37.38. 10,9-16. 11,20-24.
Die Siebenzig kehren erfreut zurück und Jesus zeigt ihrer Freude den rechten Grund und Inhalt. Daran schließt Lukas das Dankgebet Jesu der Unmündigen wegen, und an das Wort, das die Herrlichkeit seiner Gottessohnschaft ausspricht, fügt er dasjenige, welches den Jüngern ihren Vorzug vorhält vor den Alten, welche hoffen mußten, ohne zu sehen. 10,17-24. Vgl. Mt. 11,25-27. 13,16. 17.
Dem Schriftgelehrten bestätigt er das Liebesgebot als den Weg ins Leben und erläutert es ihm an der Geschichte vom Samariter. 10,25-37. Vgl. Mt. 22,34-40.
Von den beiden Schwestern spricht er das Eine was not thut, derjenigen zu, die sein Wort über alles setzt. 10,38-42.
Auf das Begehren der Jünger, daß er sie beten lehre, gibt ihnen Jesus das Unser Vater, und kämpft mit der Geschichte vom bittenden Freund und mit dem Bilde vom Sohne, dem der Vater keinen Stein gibt, gegen die glaubenslose Unterlassung des Gebets. 11,1-13. Vgl. Mt. 6,7-13. 7,7-11.
Das lästernde Wort der Pharisäer widerlegt er und warnt sie mit dem Spruch vom rückfälligen Besessenen vor einem schlimmen Ende. Das Weib, das ihn durch die Seligpreisung seiner Mutter ehren will, verweist er auf die Bewahrung seines Worts und nun folgen die Strafworte über die Unbußfertigkeit derer, die ein Zeichen suchen, und die beiden Sprüche vom Licht, daß man das Licht nicht unter den Scheffel stelle, und daß das Auge des Leibes Licht sei. Jener sagt ihnen, daß sie sehen können, weil Jesus sein Licht nicht verbirgt, dieser, warum sie dennoch nicht sehen, weil ihr Auge finster ist. 11,14-36. Vgl. Mt. 12,22-30.43-45.39-42. 5,15.16. 6,22.23.
Als sich ein Pharisäer ärgerte, weil er sich nicht vor dem Mahle wusch, antwortet Jesus mit dem Wehe über die heuchlerische Reinheit der Pharisäer und den Prophetenmord der Schriftgelehrten. 11,37-54. Vgl. Mt. 23,14-36.
Die Worte vom Sauerteig der Pharisäer, von der Offenbarung alles dessen, was verborgen ist, von der Furcht vor dem, der Leib und Seele verderben kann, vom gezählten Haar und unvergessenen Sperling, vom Bekenntnis zu Christo, von der unverzeihlichen Lästerung des Geists und von der Unterweisung des Geistes in der Stunde der Verantwortung, lauter Sprüche, die wir auch durch Matthäus kennen, sind zu einer kleinen Rede verbunden, deren Grundgedanke die Mahnung zum treuen Bekenntnis zu Jesus ist. 12,1-12. Vgl. Mt. 16,6.10,26-33. 12,31.32. 10,19.20.
Den, der durch ihn sein Erbe zu erlangen sucht, warnt er vor dem Geiz mit dem Bilde des reichen Manns, und nun folgen die Sprüche gegen die irdische Sorge und die Mahnung zum wachen Warten auf seine Ankunft. Er sagt den Jüngern den Streit und Kampf an, in den sie kommen, bezeugt die helle Art der Zeichen der Zeit und mahnt mit dem Wort vom Schuldner, der den Gläubiger unterwegs besänftigen soll, zur Ausnützung der Gegenwart, ehe der Richter eingreift. 12,13-59. Vgl. Mt. 6,25-34.19-21. 24,44-51. 10,34-36. 16,2-4. 5,25.26.
Als sie ihm von der Ermordung der Galiläer erzählen, heißt er sie hierin ein Bußzeichen sehen, das auch ihnen anzeigt, was sie verdienen, und stellt die Dringlichkeit der Umkehr an der Verschonung des unfruchtbaren Feigenbaums dar. 13,1-9.
Er verteidigt sein Recht, auch am Sabbath einer verkrüppelten Tochter Abrahams zu helfen. 13,10-17.
Das Gleichnis vom Senfkorn und Sauerteig ist zu einer kleinen Rede verbunden, die des Himmelreichs Anfang und Fortgang zeigt. 13,18-21. Vgl. Mt. 13,31-33.
Auf die Frage, ob wenige ins Himmelreich kommen, mahnt er, nach dem Eingang in dasselbe zu ringen und sich nicht der äußerlichen Gemeinschaft mit ihm zu rühmen. Diese Warnung wird verstärkt durch den Spruch vom Zutritt der Heiden und dem Ausschluß Israels, und von den Ersten, die Letzte werden. 13,22-30. Vgl. Mt. 7,13.14.21-23. 8,11.12. 19,30.
Man meldet ihm, Herodes stelle ihm nach, und er antwortet, er werde bald vollendet, jedoch in Jerusalem, und damit ist die Klage Jesu über Jerusalem verbunden, welches Jesus vergebens wie eine Henne ihre Küchlein sammeln wollte. 13,31-35. Vgl. Mt. 23,37-39.
Als Gast bei einem Pharisäer heilt er einen Wassersüchtigen am Sabbath und warnt vor eitler Selbsterhöhung und jener eigennützigen Freundlichkeit, die auf Vergeltung rechnet. Und denen, die sich des Himmelreichs zuversichtlich getrösten, erzählt er mit dem Gleichnis vom Gastmahl, wie die geladenen Gäste desselben verlustig gehen. Das Gleichnis hat hier nicht wie bei Matthäus den Gegensatz zwischen den Juden und Heiden im Auge, sondern denjenigen zwischen den selbstzufriedenen Gerechten und den Verkommenen. Daher fehlen hier die Mörder der Boten und die Verheerung ihrer Stadt und der freche Mann ohne das festliche Kleid. Dafür sind es die Krüppel und Obdachlosen, die hereingerufen werden. 14,1-24. Vgl. Mt. 22,1-14.
Er bezeugt den Ernst seiner Nachfolge und erläutert sie durch das Gleichnis vom unvollendeten Turm, und vom König, der seinem Gegner nicht gewachsen ist, und vom verdummten Salz. 14,25-35. Vgl. Mt. 10,37. 5,13.
Als die Pharisäer über seinen Verkehr mit den Zöllnern murrten, zeigte er ihnen, wie ein Hirt sein Schaf und ein Weib ihren Groschen sucht, und wie der Vater den heimkehrenden Sohn mit Freuden aufnimmt, während der Bruder über ihn murrt. Darauf thut er mit der Geschichte vom ungerechten Haushalter den rechten Gebrauch und hohen Wert des Geldes dar, und als die Pharisäer darüber murrten, stellt er nach einigen Worten, die die Hauptsünden des Pharisäismus aufdecken, am reichen Mann und armen Lazarus den schlimmen Gebrauch des Reichtums und dessen Folgen ins Licht. 15 u. 16. Vgl. Mt. 18,12.13. 21,28-31. 6,24. 11,12.13. 5,18.32.
Die Jünger werden vor dem Ärgernis gewarnt und zum Vergeben ermahnt, und als sie ihn um Mehrung des Glaubens bitten, zieht er ihren Blick von ihrer eigenen Person weg, sowohl von der Schwäche ihres Glaubens als von der Größe ihres Dienstes und Werkes. 17,1-10. Vgl. Mt. 18,6.15.21. 17,20.
Von zehn Aussätzigen bewegt seine Hilfe nur einen einzigen, einen Samariter, dazu, daß er Gott die Ehre gibt. 17,11-19.
Denen, welche fragen: wann kommt das Reich? sagt er, daß es gegenwärtig sei, und verkündigt sein unerwartetes plötzliches Kommen mit der überraschenden Scheidung, die es den Menschen bringen wird. 17,20-37. Vgl. Mt. 24,37-42.
Mit dem Gleichnis von der bedrängten Witwe mahnt er zum Bitten um den Anbruch des Reichs, und am Pharisäer und Zöllner zeigt er, daß der Stolz einer sich selbst verherrlichenden Frömmigkeit vor Gott nichtig, dagegen die gläubige Reue vor ihm Gerechtigkeit ist. 18,1-14.
Mit der Segnung der Kinder nimmt Lukas die Erzählung des Markus wieder auf, und es folgen sich nun die Abschnitte wie bei Markus. Es fehlt nur die Bitte des Johannes und Jakobus, da Lukas später beim letzten Mahle die Erklärung Jesu geben will über das, was im Himmelreich Ehre und Größe ist. In Jericho erzählt er neu die Einkehr Jesu beim Zöllner Zachäus und leitet den Aufbruch nach Jerusalem mit dem Gleichnis von den verschieden begabten Knechten ein, bereichert durch einen Blick auf das aufrührerische Israel. Vor der Stadt weint Jesus über den Fall Jerusalems. 18,15-19 44.
Die letzten Verhandlungen im Tempel und mit den Jüngern, 19,45-21,38,
werden nach Markus erzählt. Es fehlen bloß das Zeichen am Feigenbaum und die Frage nach dem größten Gebote, weil uns Lukas schon vorher ähnliche Abschnitte gegeben hat.
Die Passions- und Ostergeschichte, 22-24,
enthält manches neue, was das dunkle Leidensbild der frühern Evangelien mit hellem Licht durchbricht. Die letzten Worte Jesu während des Passa sind vermehrt. Neben Pilatus erscheint auch Herodes als Richter Jesu. Bei der Ausführung aus der Stadt wird Jesu Klage über Jerusalems Untergang, bei der Kreuzigung die Bitte für die, welche ihn töten, die gnädige Zusage an den Schächer und das Gebetswort Jesu bei seinem Sterben erzählt. Und nun macht eine helle, reiche Ostergeschichte den Schluß mit den Frauen, die das Engelswort vom Grabe bringen, mit den beiden Jüngern, die nach Emmaus wandern, mit der Erscheinung Christi im Apostelkreis und der Himmelfahrt bei Bethanien.
Das dritte Evangelium entspricht in seiner Beschaffenheit dem, was uns seine Einleitung erwarten läßt; es ist eine reiche Sammlung von Erinnerungen an Jesu Wort und That, wie sie in der Kirche durch die Apostel vorhanden waren. Jesu Geburt und Jesu Ausgang, sein Lehren und sein Handeln, sein verdammendes Strafwort und die freundliche Anbietung seiner Gnade werden mit derselben Sorgfalt und Liebe dargestellt. Es tritt kein lehrhafter Gesichtspunkt besonders hervor, wonach die Darstellung gestaltet wäre. Sie bleibt bei der Art der mündlichen Erzählung und stellt die einzelnen Geschichten und Reden schlicht neben einander. Matthäus hat seine eigene innere Stellung zu Christus, die seinen besonderen christlichen Charakter ausmacht, deutlicher auch in seinem Evangelium ausgedrückt, als es Lukas thut.
Das Verhältnis, in welchem Lukas zu Markus und zu Matthäus steht, ist sehr verschieden. Markus ist nach seinem weitaus größern Teil von Lukas wiederholt.3) Anders stellt er sich zu Matthäus. Er stimmt zwar auch mit ihm in vielen Sprüchen und Spruchreihen wörtlich überein. Aber die Anordnung derselben ist gänzlich verschieden. Wörtliches Zusammentreffen in der Wiedergabe der Worte Jesu ist aber sein unzweideutiges Zeichen, daß der eine Evangelist den andern kennt. Ein solches liegt nur dann vor, wenn sie nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form des Evangeliums, in der Anordnung und Reihenfolge desselben zusammenstimmen. Nur dann berühren sie sich in dem, was an den Evangelien die Sache und das Werk der Evangelisten ist. Das findet aber bei Lukas wohl Markus, aber nicht Matthäus gegenüber statt. Deshalb ist es nicht sicher, ob Lukas nicht nur Markus, sondern auch Matthäus bei der Abfassung seines Evangeliums zu Nutzen zog. Hat er auch ihn schon gekannt, so hat er ihn jedenfalls nicht in derselben Weise benützt, wie er es mit Markus thut.
Vielleicht hat Lukas in ähnlicher Weise wie den Markus so auch die Berichte anderer Männer mehr oder weniger wörtlich in sein Evangelium aufgenommen. Jedenfalls lag ihm auch dasjenige Evangelium vor, dem er die Weihnachtsgeschichte entnommen hat. Was aber von den andern Erzählungen etwa noch diesem Evangelium angehört haben mag, darüber sind die Vermutungen zweifelhaft.
In der Fassung der Worte Jesu wird Matthäus in der Regel für ursprünglicher zu halten sein, wenn gleich diejenige bei Lukas stets auf höchst gedankenreicher Vertiefung in den Sinn dieser Sprüche beruht und zu ihrem Verständnis einen wichtigen Beitrag. gibt. Lukas macht die Sprüche gern dadurch deutlicher, daß er sie mit einer bestimmten Situation verknüpft. Die Bergpredigt wird von Matthäus einfach dadurch eingeleitet: „Als Jesus die Volksmenge sah, die ihm nachzog, ging er auf den Berg und that seinen Mund auf.“ Er sah die Leute; was bedurfte es mehr für ihn, um sie zu warnen vor den Gefahren, in denen sie stehn, um ihnen das Gesetz Gottes auszulegen und den schmalen Weg zu zeigen, der zum Leben führt? Lukas will uns nachdrücklich zeigen, daß es sich hier um die Regel für Jesu Jüngerschaft handelt, und verknüpft die Rede deshalb mit der Einsetzung der Zwölfe. Der Weheruf über Bethsaida und Kapernaum hat bei Matthäus keine besondere Veranlassung; er bedarf auch keine. Die bleibende unbewegliche Unbußfertigkeit der Leute bereitet Jesus den tiefen Schmerz, der dieses Wehe über seine Lippen treibt. Ebenso ist sein Dankgebet an den Vater nicht durch ein besonderes Ereignis motiviert. Es äußert seine Freude, die er bei diesem traurigen Gang der Dinge beständig in sich trägt. Lukas hat die Bedeutsamkeit beider Worte dadurch hervorgehoben, daß er sie mit der Aussendung der 70 Jünger verbindet Im Blick auf die Erfolglosigkeit ihrer Sendung spricht Jesus das Wehe über die Orte, um die er sich selber abgemüht hat, und bei ihrer freudigen Rückkehr erhebt auch er seine Seele zum Lobe des göttlichen Waltens. Das schließt nicht aus, daß an einzelnen Stellen die Mitteilungen des Lukas vollständiger sein können als die des Matthäus. So werden wir z. B. das Unser Vater mit Lukas als Jesu Antwort auf das Verlangen: Lehre uns beten! betrachten dürfen. Matthäus verbindet es mit der Bergpredigt, damit dort Jesu Unterricht über das Gebet vollständig vorliege.
Öfter wendet Lukas Worte, die Jesus zunächst seinen Gegnern sagte, ausdrücklich auch auf den Jüngerkreis an. Bei Matthäus spricht Jesus von den Blinden, die sich Blinde zu Führern wählen und deßhalb in die Grube fallen, damit sich die Jünger vom Einfluß der Pharisäer losmachen, Mt. 15,14. Bei Lukas steht das Wort in der Bergpredigt als Mahnung für die Jünger, daß sie selbst nicht blind sein dürfen, wenn sie ihren Beruf erfüllen und andre leiten wollen, Luk. 6,39. Das Wort von der Lästerung des Geistes, die nicht verziehen werden wird, steht bei Matthäus in der Antwort Jesu an seine lästernden Feinde. Lukas hat es neben die Warnung vor der Verleugnung Christi gestellt, damit auch der Jünger Jesu in diesem Wort den tiefen Fall erkenne, vor dem er sich zu hüten hat, Luk. 12,10. Sodann bringt er gern die Weisungen Jesu mit dem höchsten Ziel des christlichen Hoffens und Strebens in Zusammenhang. Die Sprüche gegen das Sorgen faßt er mit der wachen Erwartung der Wiederkunft Christi zusammen, und während uns Matthäus mit dem Wort vom Schuldner, der sich noch unterwegs mit dem Gläubiger verständigen kann, ermahnt, alle Verletzungen der Liebe abzuthun, fordert uns Lukas mit demselben Worte überhaupt zur Bereitschaft auf den kommenden Richter auf. So läßt uns die neue Gruppierung und Verwendung der Worte Jesu bei Lukas sehn, wie die apostolische Gemeinde die Bedeutung derselben erwog, sich selbst unter sie stellte und ihr ganzes Leben und Streben mit ihnen durchdrang.
Bei einem Manne, der manches Jahr mit Paulus zusammen gelebt hat, liegt es nahe, den Einfluß des Apostels auch in der Art zu suchen, wie er Jesu Bild auffaßt und wiedergibt. Nun hat Lukas mehr als die andern Evangelisten die Freundlichkeit Gottes und Christi, die sich gnädig der Verirrten und Gefallenen annimmt, in den Worten Jesu dargestellt. Manche unter den neuen, Lukas eigentümlichen Stücken heben diese Seite an Christo hervor: die Jesum salbende Sünderin, der Hirte und das Weib, die das Verlorne suchen, der verlorne Sohn, der verschonte Feigenbaum, der Pharisäer und Zöllner, Zachäus, der Schächer am Kreuz. Vom unbestechlichen Urteil Jesu gegen alle Scheinfrömmigkeit, die der Bosheit zur Hülle dienen soll, und von seinem ernsten Gebot, welches die thätige Liebe und die Treue bis zum Tode fordert, hat Lukas nichts weggethan. Er hat auch bei Paulus nichts anderes gelernt. Paulus hat nichts mit einer leeren Liebe gemein, die nur in Worten steht, und mit einer halben Treue, die andre Dinge über Christus setzt. Allein über dem Ernst der Arbeit, des Gebots und Gerichts leuchtet im Evangelium des Lukas Jesu zarte, milde Gnade. Wenn uns Matthäus die beiden verschiedenen Söhne des Vaters beschreibt, 21,28-31, so richtet er unsern Blick knapp und ernst nur auf das Verhalten der Söhne, auf den heuchlerischen Ungehorsam des einen und den reuigen Gehorsam des andern. Wir sollen bedenken, was wir dem Vater schuldig sind. Bei Lukas sehn wir auch den Vater im Reichtum seiner Güte gegen den einen, wie gegen den andern Sohn. Wie zart zeichnet Lukas an der Sünderin Jesu Verhalten zu den Reumütigen, wie schonlich und sorgsam hebt er sie empor, indem er das, was sie ihm thut, für Liebe achtet, die ihn erfreut und die er mit seiner Vergebung belohnt. Nun zeigt uns auch Matthäus am großen Schuldner, wie das Empfangen der Vergebung und die Übung der Liebe bei einander sind; allein er führt uns sofort zu den Menschen hin, die uns selbst Schuldner sind, damit sich die Liebe an ihnen als thätig und fruchtbar erweise, und zeigt uns warnend, wie uns Gottes Vergebung verloren gehen kann. Damit steht in Übereinstimmung, daß sich der Blick des Lukas sofort über Israel hinausrichtet. Schon in Nazareth spricht Jesus von der Witwe in Sarepta und dem Syrer Naeman, und nicht am Priester und Leviten, sondern an einem Samariter zeigt er dem Schriftgelehrten, wie man den Willen Gottes thut. Daß die Freiheit und der Reichtum der Gnade Christi unserm Evangelisten hell und groß geworden ist, das ist wohl der Beitrag, den Paulus indirekt zu seinem Evangelium geleistet hat.
Aus den verwandtschaftlichen Beziehungen der Evangelisten zu einander ergibt sich, daß Lukas jedenfalls der jüngste unter ihnen ist. Man pflegt aus der Art, wie Matthäus und Lukas vom Gericht über Jerusalem reden, 4) den Schluß zu ziehen, jener habe vor, dieser nach der Zerstörung der Stadt geschrieben. Jedenfalls wird Matthäus noch vor die Zerstörung Jerusalems zu lesen sein, als die jüdische Christenheit noch nicht durch den Aufruhr in Palästina auseinander getrieben war. Die Evangelien werden rasch nach einander in den sechziger, Lukas vielleicht erst in den siebziger Jahren entstanden sein. Daß auch Lukas noch ins erste Jahrhundert gehört, wird dadurch sicher gestellt, daß von den Männern des zweiten Jahrhunderts, Papias, Justin rc. keiner auch nur ein einziges Wort Jesu beizubringen vermochte über die Evangelien hinaus. Was sie neben den Evangelien haben, ist Fabel und Stroh. Lukas hat uns aber noch eine große Zahl kostbarer Worte Jesu geben können. Solche fand man im zweiten Jahrhundert nicht mehr. Dazu mußte man denen, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Worts gewesen sind, näher stehn.