Krummacher, Gottfried Daniel - Die wunderliche Güte Gottes - 2. Predigt

Krummacher, Gottfried Daniel - Die wunderliche Güte Gottes - 2. Predigt

Wir haben eine Zuflucht. So schreibt der Apostel Hebr. 6,18. Diese Zuflucht bezeichnet er im 16. Verse des vorhergehenden Kapitels mit einem sehr vortrefflichen Wort und einer noch vortrefflicheren Sache, nämlich: Dem Thron der Gnade. Ein Thron ist ein Prachtsitz der Könige und Potentaten, den sie bei feierlichen Gelegenheiten einzunehmen pflegen, und wo sie sich in ihrer königlichen Herrlichkeit zeigen und königliche Handlungen verrichten. Ein solcher Thron wird hier sinnbildlich Gott zugeschrieben. Aber nicht ohne einen köstlichen Zusatz, nämlich der Gnade. Es ist nicht ein Richter- sondern ein Gnadenthron, oder wenn es ja ein Richtstuhl ist, so ist es doch nur ein solcher, von wo gnadenvolle Urteilssprüche ausgesprochen werden. Freilich offenbart sich Gott der Seele zunächst als ein strenger Richter. Der Mensch muß vors Gericht, jedoch in Gnaden. Er wird aller eingebildeten Gerechtigkeit verlustig, der Strafe würdig erklärt. Seine Sünden werden, wie in Schlachtordnung wider ihn vorgeladen. Er kommt in Jammer und Not. Das ist nötig und obschon schmerzhaft, doch wohltätig, denn er wird dadurch gedemütigt, und den Demütigen gibt Gott Gnade. Was kann nun aber dem also gedemütigten Sünder willkommeneres widerfahren, als wenn Gott ihm nach dem Evangelium als in Christo, als auf dem Gnadenthron offenbar wird! O, welch ein liebens-, welcher ein vertrauenswürdiger Gott! Deswegen sagt er auch nicht: Laßt uns fliehen, sondern: Laßt uns hinzugehen, und das noch wohl mit Freudigkeit. Was werden wir denn daselbst finden? Was anders als Barmherzigkeit und Gnade auf die Zeit, wann uns Hilfe not sein wird. Wie kommt man denn dahin? Nicht anders als so, wie man ist, nicht anders als mit seinen Sünden und Elenden.

Wir haben eine Zuflucht, wenn alles zittert und zagt, wenn die Welt unterginge. Und diese Zuflucht ist die Güte, die David die wunderliche nennt und davon begehrt: Erweise sie an mir, du Heiland derer, die dir vertrauen!

Beweise deine wunderliche Güte, du Heiland derer, die dir vertrauen wider die, so sich wider deine rechte Hand setzen.

Psalm 17,7

Ich lese den reichen, unerschöpflichen Text noch einmal vor, um noch einiges über die wunderliche Güte Gottes anzumerken.

Wunderlich sind ihre Wege. Abraham lachte wohl vor Freude seines Herzens, als Gott ihm einen Sohn verheißen, und er die Verheißung mit starkem Glauben annehmen, glauben konnte, was Gott verheißen, das könne und werde er auch tun. Das beinahe spöttische lachen seiner Frau, der es ungereimt und lächerlich vorkam, daß sie in ihrem hohen Alter noch Mutter werden und einen Sohn haben solle, schien aber doch weit besser begründet, da Sarah 90, Abraham aber 10 Jahre älter war. Doch litt der Vater aller Gläubigen auch noch einmal eine Verdunkelung seines Glaubens, da er in Sorge geriet, noch vor Erfüllung der Verheißung ermordet zu werden. Seine Vernunft tat ihren Mund auf und redete ihm drein. Er suchte sich auf eine fleischliche Weise zu retten, indem er seine Erhaltung nicht, wie er hätte tun. sollen, im Glauben von seinem Bundesgott erwartete, sondern sie durch ein nur halb wahres Vorgeben erwirken wollte, wodurch er großes Unglück hätte anrichten können, wenn nicht Gott zur rechten Zeit sich seiner angenommen hätte. Mit Lazarus wurde es von Stunde zu Stunde schlimmer, bis die Not einen so hohen Grad erreicht hatte, daß gar keine Hilfe mehr denkbar war. Da brach sie daher in voller Pracht. Wie lange und wie heftig mußte das kananäische Weiblein schreien, ohne nur so glücklich zu sein, ein Wörtlein zur Antwort zu bekommen. Und als sie endlich eine bekam, so war sie von der Art, daß sie schien, allen Mut gänzlich rauben zu sollen. Ja wir müssen wissen, daß Gott gewohnt ist, die Erfüllung seiner Verheißungen unter schrecklichen Zerstörungen, wovon der Tod die letzte ist, die auch bei wahren Gläubigen nicht immer so leicht hergeht, anfängt, fortsetzt, vollendet, auf daß die überschwengliche Kraft sei Gottes und nicht von uns. Paulus war nicht der einzige, der von gewissen Lebenserfahrungen bekennen mußte: „Das geschah aber darum, daß wir nicht auf uns vertrauen sollten, sondern auf den Gott, der die Toten lebendig macht“, wozu eine ganz besondere Kraft gehört. Diese Zerstörungen des alten Menschen müssen wir uns gefallen lassen, und sie ergehen nicht nur über unser Schlechtes, sondern sogar über Dinge, die uns so lieb und wohl lieber sind als unser Leben. David sagt und klagt: Das Licht meiner Augen ist nicht bei mir. Meine Kraft hat mich verlassen, er betet: Tröste mich wieder mit deiner freundlichen Hilfe, und dergleichen. Selbst der Messias klagt darüber, daß er so lange müsse harren auf seinen Gott. Will's der Herr, so müssen wir immer wieder die Erfahrung machen, daß niemand, auch ein Wiedergeborener nicht, zu ihm kommen kann, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, daß Gott es ist, der in uns schafft beide das Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Auch an einen begnadigten Paulus kann die Reihe kommen, daß er ausrufen muß: Ach, ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe des Todes? O wunderliche Güte, wie versteckst du dich„ Was gibt es festes außer dir? Nichts. Unser Glaube, unsere Erfahrung, unser Licht, unsere Freude, unser Trost, selbst Gottes Gaben sind es nicht. Er, er ist es selbst in seiner wunderlichen Güte, die da ewiglich währet. O wunderliche Güte, laß uns auf dich festiglich hoffen!

Sie erweiset sich aber auch als wunderlich, diese Güte, indem die Hilfe oft unerwartet und plötzlich hereinbricht, da man sich dessen gar nicht, oder doch noch lange nicht versah. So geschieht es oft bei der ersten Bekehrung. wie erstaunten die ersten Christen, als ihnen die Nachricht zukam, der Saulus, der sie verfolgt, predige jetzt das Evangelium selber, das er verfolgt hatte. Und werden uns nicht von Zeit zu Zeit ähnliche erfreuliche Nachrichten zuteil, und auch wohl von Personen, von denen wir's nicht hätten vermuten sollen, da es hingegen mit andern nicht fort will? Und was war oft die Veranlassung einer solchen seligen Veränderung an Herz, Mut und Sinn? Eine Kleinigkeit vielleicht, vielleicht ein einziges, wohl nicht gar so wichtiges und nicht mit Absicht gesprochenes Wörtlein, vielleicht ein Traum, ein unwillkürlicher Gedanke, das Geschrei eines Hahnes und dergleichen. Jesus brauchte nur zu jemandem zu sagen: Stehe auf und folge mir, so stand er auf und folgte ihm augenblicklich. O welch ein Glück! Wie gewiß wird er die hören, die ihn anschreien und wohl meinen, so kämen dem Heilande zuvor und wären früher willig wie er, wie sie später wohl ganz anders erkennen, erkennen, daß er sie zuerst geliebt und gesucht hat, daß selbst die erste Neigung des Willens zur Liebe der Wahrheit und zu Christo nicht aus uns, sondern Gottes Gabe sei. Oft bricht die Hilfe plötzlich herein, da man sich ihrer wohl gar nicht mehr, oder doch noch lange nicht versah. Welch eine Reihe von Jahren hatte der alte Erzvater seinen geliebten Josef als tot, als durch ein wildes Tier grausam zerrissen beweint! Nach allen seinen Gedanken blieb ihm nichts anders übrig als Davids Trost: Ich werde wohl zu ihm fahren, aber er wird nicht wieder zu mir kommen. Und nun, wo nichts dergleichen weiter erwartet wurde, noch vernünftigerweise erwartet werden konnte, hieß es mit einmal: Dein Sohn Josef lebet noch und ist ein Herr im ganzen Ägyptenlande. Das war zu viel auf einmal. Er glaubte es nicht. Es deuchten ihm Märlein. Endlich glaubte er und rief: Ich habe genug, daß mein Sohn Josef noch lebet, ich will hin und ihn sehen, ehe ich sterbe. Ging's den Jüngern bei dem Tode und der Auferstehung Christi nicht ebenso? Und ist es mancher Seele nicht auf eine ähnliche Weise gegangen und geht ihr noch so? Sie befindet sich wohl in so bedrängten Umständen, daß sie glaubt, es werde nie wieder besser und gut werden. Aber ehe sie's denkt, bringt ein einzelnes Wörtlein die süßeste Veränderung in der Seele zuwege und schwindet auch wieder. Hiob, als sich seine Trübsal wendete, war wie ein Träumender, und so, sagt der 126. Psalm, werde es den Gefangenen Zions sein, wenn der Herr sie erlösen werde; dann wird ihr Mund voll Lachens, und ihr Zunge voll Rühmens sein. Josef ward in seinem Gefängnis nicht nur von dem Mundschenken, dem er sich empfohlen hatte, sondern, wie es schien, von Gott selbst vergessen; da wandte sich mit einem mal sein Schicksal, und aus der tiefsten Erniedrigung stieg er zur höchsten Herrlichkeit. Wie war es aber möglich, möchte man fragen, daß Josef selbst seines Vaters so ganz vergessen zu haben schien? Ganz Ägyptenland stand ihm ja zu Dienste. War denn kein einziger Bote zu haben, um seinem betrübten Vater Nachricht geben zu lassen? Oder mußte ihm dieselbe vorenthalten werden, bis auf die bestimmte Zeit vom Vater? Da es mit Israel in Ägypten aufs äußerste gekommen war, siehe, da ward das Knäblein geboren und erhalten, das sie retten sollte und rettete, und das nicht zu der Zeit, da er meinte, Israel würde merken, daß Gott ihnen durch ihn helfen wollte, sondern 40 Jahre später, da er selbst verzagt war und niemand für untüchtiger dazu achtete als sich selbst. Ja, mit dem Beginn der Hilfe stieg erst die Not. Jene blutflüssige Person, als sie mit der Gesundheit auch ihr Vermögen und Hoffnung verloren, ward auf einmal gesund. Da der Kranke zu Bethesda seine langen 38 Jahre ausgewartet hatte und nicht zu der Lebensquelle kommen konnte, kam sie zu ihm, und ein Augenblick machte ihn gesund. Endlich ward Paulus von dem Satansengel befreit und konnte ausrufen: In allem überwinden wir weit, da er auch geseufzt hatte: Ach, ich elender Mensch! Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf' mit Macht herein. Darum, wenn er mich töten wollte, sollte ich nicht auf ihn hoffen?

Laßt uns nun noch zwei Stücke von dieser wunderlichen Güte bemerklich machen. Das Erste ist dieses: Sie segnet und hilft oft durch Mittel, die niemand hätte vermuten können, ja, die das Gegenteil auszuwirken scheinen. Ist es nicht von der Art, wenn David sagt: Wenn du mich demütigst, so machst du mich groß? Sehen wir aufs Ganze und Große, welch ein wunderbares Mittel war es doch, wodurch Gott die Welt mit sich selbst versöhnte! Von Gott war ja in der ganzen Leidensgeschichte nichts zu sehen, sondern nur die Verruchtheit der Menschen und der Grimm des Satans. Der Gemeine Gottes erschien hier nichts als Untergang, Zerstörung und Unheil, Ursachen zu weinen, zu heulen, zu verzagen, zu schreien: Es ist alles aus! Und doch, welche erhabenen Absichten wurden dadurch erreicht, welche Güter erworben, welche Fundamente des Glaubens wurden hier gelegt! Der Fuß Gottes war hier in tiefen Wassern. Hier und auf solche Weise wurde die Missetat versöhnt, die Sünde zugesiegelt, und die ewige Gerechtigkeit gebracht. Wer mag's ergründen! Wenden wir unsere Aufmerksamkeit auf andere Mittel, deren sich die wunderliche Güte zum Helfen und Segnen bediente, was war denn Mosis Stab, um damit das Meer zu teilen, und was ist wunderbarer als Christi Kreuz, um uns dadurch den Segen zuzuwenden. David ist so gut wie in den Händen Sauls. Nur noch eine kleine Bewegung, und er ist ringsum eingeschlossen. Entfliehen kann er nicht. Wer reizt in diesem gefahrvollen Augenblicke die Philister, ins jüdische Land zu fallen, wodurch Saul genötigt wird, von David zu weichen. Ja, diese nämlichen Philister mußten das Mittel sein, David auf den Thron zu bringen, weil Saul die Schlacht wider dieselben und mit derselben sein Leben verlor. Der teure Prophet Jeremias wurde von allen verlassen, ja verfolgt, aber Gott erweckte einen Fremden, einen Mohren, der ihn aus der Grube rettete, und der dankbare Prophet nennt diesen schwarzen Biedermann mit Namen Ebed-Melech, ein Name, der's verdient, auch vor unsern Ohren genannt und mit Liebe von uns gehört zu werden. Dankbar gedenkt er auch der alten vertragenen Lumpen, welche dieser Edle dem Jeremias zuwarf, daß er sie unter die Achseln um das Seil legte, woran sie ihn aus der Grube herauf ziehen mußten, damit es ihn nicht zu sehr schmerzte; dahingegen ein anderer von seinen Landsleuten noch in der Grube boshafter Weise Wasser über ihn goß, so daß der Prophet auch schrie: Nun bin ich gar dahin. Wie unerwartet sind die Mittel, wodurch der syrische Feldhauptmann Naeman zur Gesundheit seines Leibes und seiner Seele zugleich geführt wird. Ein gefangenes jüdisches Mädchen, die Dienerin seiner Gemahlin, muß ihm die Veranlassung zu seiner leiblichen und geistlichen Genesung werden, indem sie gegen seine Frau äußert: Ach, daß mein Herr bei dem Propheten in Samaria wäre! Der Feldhauptmann folgte dem guten Rat, machte sich aber seine Gedanken und Vorstellungen davon, wie derselbe ausgeführt werden sollte. Ich meinte, sagte er, so und so, er erfuhr es aber ganz anders, so daß er voll Zorn und Verdrießlichkeit ungeheilt wieder weg gehen wollte. Und es werden unter den Christen, die eine Zeitlang im Christentum gewandelt haben, wohl ohne Zweifel wenige sein, die nicht auch bekennen müßten, ich meinte, es würde so und so mit mir gehen, aber es ging gar häufig ganz gegen mein Meinen an, so daß ich's ganz habe aufgeben müssen, auch noch damit beschäftigt bin. Um einen blindgeborenen Menschen sehend zu machen, bediente Jesus sich des Kots, den er ihm auf die Augen legte, ein Mittel, das geeigneter schien, einen Sehenden blind als einen Blinden sehend zu machen, und warum mußte dieser Mensch sich denn zu Siloah seine Augen waschen, als weil der Herr Jesus es befahl? An sich nötig und nützlich war es ja gar nicht. Welch' ein wunderliche Güte bewies sich darin, daß Gott den, der von keiner Sünde wußte, zur Sünde machte, und daß eben dies das Mittel war, daß wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden! Welch' eine wunderliche Güte, daß sie die Bosheit der Menschen brauchte, nicht nur den Josef nach Ägypten, sondern Jesum Christum ans Kreuz zu bringen, damit er daselbst den Fluch von uns nehme, Friede machte und uns den Segen zuwendete! O wunderliche Güte!

Das andere, was ich noch von dieser Güte, als einer wunderlichen, anmerken wollte, ist dieses, daß sie aller ihrer Wunderlichkeit ungeachtet, dennoch Güte ist und bliebt, sie mag sich unsern Empfindungen spürbar und sichtlich als Güte, oder auch als Zorn zeigen. Es war nicht nur Güte, die den David auf den Thron Israels erhob, sondern es war auch, nach seinem eigenen Geständnis, Güte und Treue, die ihn demütigte. Güte war es nicht nur, die die Jünger auf Thabor führte, sondern auch die sie mit in Gethsemane nahm. Aus der nämlichen Quelle floß es, daß sie eine Weile so vergnügt mit Jesu über den See daher fuhren, als daß er sich schlafen legte, daß sich ein schrecklicher Windwirbel erhob, und daß er ihn stillte, wiewohl das eine ganz entgegengesetzte Empfindungen in ihnen aufregte, wie das andere. Es war die nämliche wunderliche Güte, die dem Petrus Kraft verlieh, auf dem Meer zu wandeln, als wäre es festes Land, und die den Wind erregte und ihn sinken ließ, ja, es war dieselbe Güte, die ihn in des Hohenpriesters Palast hinein- und herausführte. David preiset Gott als einen bewunderungswürdigen sowohl darüber, daß er ihn erfahren lasse viel und große Angst, als dafür, daß du mich wieder lebendig machst und holest mich aus der Tiefe herauf; und die Hanna rühmt den Herrn als einen solchen, der tötet und lebendig macht, in die Hölle und wieder herausführt. Predigen uns denn auch nicht immer unsere Begegnisse von innen und von außen die Güte Gottes, fühlen wir sie nicht immer in unsern Herzen, sehen wir sie nicht allezeit mit unsern Augen, ja, redet von dieser Seite alles wider dieselbe, so predigt uns doch das Wort Gottes dieselbe auf die nachdrücklichste Weise, und es ist leichter, daß Himmel und Erde vergehen, denn daß ein Jota oder ein Titelchen vom Gesetz oder Evangelium falle. Auf solchen unwandelbaren Grund sollen wir unsere Hoffnung, auch wider Hoffnung, gründen und bauen. Die Schrift sagt es, das muß uns genügen. Und ob das Fleisch sagt lauter nein, laß die sein Wort gewisser sein, und laß dir gar nicht grauen!

David nun bittet um die Erweisung dieser wunderlichen Güte, so wie seine Lage, Bedürfnisse und Umstände es erforderten. Diese waren damals die angenehmsten nicht. Er beklagt sich ja in dem Verfolg dieses Psalms über Gottlose, die ihn zerstören, spricht von Feinden, die um und um nach seiner Seele stehen, die ihn umgaben, wo er ging, und ihre Augen dahin gerichtet hatten, wie sie ihn zu Boden würfen. Das war auf jeden Fall schlimm, mag dies leiblich oder geistlich oder von beiden zugleich zu verstehen sein. Er wußte in und durch sich selbst kein Rettungsmittel, wußte auch nicht, wie der Herr selbst ihn erhalten und retten wollte. Er flehte aber: Errette meine Seele von den Gottlosen! Bewahre mich als einen Augapfel!

Um nun seine Seele zu ermuntern, setzt er hinzu: O du Heiland derer, die dir vertrauen. Zu diesem Vertrauen ermuntert er seine Seele durch den lieblichen Namen, den er ihm beilegt. Er nennt ihn Moschia, den Heiland. Es ist das nämliche Wort, wovon unser Herr Jesus den Namen hat, und den der Engel dahin auslegt und erklärt: Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden. Es ist das nämliche Wort, womit jene ihn anschrieen und bewillkommneten, da sie riefen: Hosianna, mach' nun selig! Dieser Name Moschia enthält alles, was dazu erforderlich ist, uns von jeglichem Elend, wie es Namen hat, zu erlösen und frei zu machen, uns jegliches Heil und Vollkommenheit zu schenken und mitzuteilen. Er kann erretten alle, die zu ihm treten. Er kann und will es allein, er kann und will es vollkommen. Man werde denn nur elend und trage Leide, man scheue es nicht, seinem Elende bis auf den Grund zu sehen, es recht in seiner Tiefe, in seinem Umfange, in seiner Rettungslosigkeit einzusehen, wie schmerzhaft dies auch der eigenliebigen Natur ist. Man scheue es nicht, wenn alles Vertrauen auf eigene Kraft, Würdigkeit, Weisheit ganz und gar aus unserm Herzen genommen wird, so daß uns nichts als dieser Moschia übrig bleibt. Man scheue es nicht, wenn wir uns genötigt sehen, alles, was in uns ist, ganz und gar verdammen zu müssen, denn dieser Moschia will den Ruhm unserer Seligmachung nicht mit uns teilen. Wir sollen den Genuß, er aber will die Ehre davon haben und zwar ganz und allein. Laßt uns aber seinen Namen Moschia, oder, wie er kürzer lautet, Jesus, recht verstehen und immer besser verstehen lernen, war wir nur in seinem Lichte können, wie ja auch die Sonne und alle Lichter nur in ihrem eigenen Lichte gesehen werden, wie in der Natur, so in der Gnade; die Augen allein helfen nicht. Dann wird uns das tunlich werden, was der Psalmist hinzusetzt: Die dir vertrauen. Das Dir steht wohl eigentlich nicht da, versteht sich aber freilich von selbst. Und wenn wir genau auf die Bedeutung des Worts, das durch Vertrauen übersetzt ist, sehen, so heißt es doch eigentlich: Zuflucht nehmen, flüchten, Schutz und Sicherheit zu finden, da das Vertrauen sich mehr auf die gefundene Sicherheit und Schutz bezieht. Der Text läßt sich also zu den Schwächeren herab. Zwar ist ihr Herz nicht voll beruhigenden Vertrauens. Aber ihr Druck, ihre Drangsal, ihre Anfechtungen treiben sie an, zu flüchten. Wohin denn? Herr, wohin sollen wir gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens. Siehe, wir kommen zu Dir. Kommt, wir wollen zum Herrn. Er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. O du Heiland solcher Flüchtlinge! Ja bei ihm, bei ihm haben wir Zuflucht. Dahin soll jegliche Not, auch die Sündennot, auch die Not des Unglaubens, die Not der Zweifel uns treiben, wie sie die Jünger trieb, daß sie sprachen: Herr, stärke uns den Glauben, wie jener schrie: Komm zu Hülfe meinem Unglauben! ist es denn eine wunderliche Güte, so ist es doch eine Güte, die Wunder tut, die überschwenglich tun. kann, über Bitten und Verstehen. So beweise dann deine wunderliche Güte an uns, du Heiland derer, die dir vertrauen! Amen.

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