Körber, Emil - Vorwort zur ersten Auflage.

Körber, Emil - Vorwort zur ersten Auflage.

Nur schüchtern trete ich mit dieser kleinen Predigtsammlung vor die Öffentlichkeit; denn der Blick auf die reiche Predigt-Literatur mit ihren gediegenen, ausgezeichneten Werken aus alter und neuer Zeit macht mir bange. Da aber im Reiche Gottes nicht nur die Großen, sondern auch die Kleinen wirken und Segen stiften können, so hoffe ich, auch mit meiner kleinen Gabe durch des Herrn Gnade für den Bau der Kirche Jesu Christi ein Steinchen beizutragen. Mut macht mir der Blick auf diejenigen unter meinen Zuhörern, welche sich mit den Predigten in der Kirche nicht zufrieden geben wollten, sondern allen Ernstes die Herausgabe derselben verlangten. Und wie ernst es ihnen mit diesem Verlangen sei, zeigten sie damit, dass sie in kürzester Zeit eine genügende Summe Geldes zur teilweisen Deckung der Druckkosten aufbrachten. Ich spreche den edlen Freunden der Sache hiermit öffentlich meinen tiefgefühlten Dank aus. Der Herr der Kirche wolle ihnen, was sie von Irdischem darreichten, zehn- und hundertfältig, ja tausendfältig im Geistlichen wiedergeben. Das ist mein Gebet.

Aber selbst das ernste Verlangen von Seiten meiner Zuhörer hätte mich wohl nicht zur Veröffentlichung dieser Predigten bestimmen können, wenn nicht noch ein anderer Beweggrund hinzugetreten wäre. Es ist dies der Blick auf die Lerberschule1), an deren Gymnasium ich seit mehreren Jahren Unterricht in Religion und alten Sprachen erteile. Für dieses edle, christliche Glaubenswerk, das ich als Lehrer aus eigener Anschauung als solches kennen gelernt habe, auch ein kleines Scherflein beizutragen, war mir schon längere Zeit ein stiller Herzenswunsch. Nun hoffe ich durch Herausgabe dieser Predigten auf seine Verwirklichung. Möge der Herr, an dessen Segen Alles gelegen ist, auch in dieser Hinsicht das Unternehmen segnen und die Verbreitung des Buches fördern, so dass der Lerberschule ein erfreulicher Ertrag zufällt.

Für die Fernerstehenden bemerke ich, dass ich diese Predigten. als Stellvertreter für Herrn Pfarrer Baggesen, den ehrwürdigen Senior der Berner Geistlichkeit, der nun als treuer Knecht zu seines Herrn Freude eingegangen ist, in der Münsterkirche zu Bern von Mitte 1871 bis Anfang 1873 gehalten habe. Es sind also eigentlich Gastpredigten. Aber eben der Umstand, dass ich an der Stelle eines altbewährten Zeugen Christi, der durch eine treue Wirksamkeit von nahezu einem halben Jahrhundert mit der Gemeinde eng verwachsen war, die Kanzel betreten durfte, dieser Umstand, sowie das freundliche Entgegenkommen von Gliedern aus der Gemeinde, nahm mir selbst bald das Bewusstsein eines Gastes und Fremdlings; ich fühlte mich schon nach den ersten Predigten ganz heimisch auf der Kanzel und vertraut mit der Gemeinde, als ob ich zu ihr schon lange gehörte, so dass ich ungeniert von Herzen zu Herzen redete.

Soll ich noch ein Wort beifügen über den Sinn und Geist, in dem diese Predigten gehalten sind, so kann ich nur sagen: ich glaube, darum rede ich. Und zwar habe ich am liebsten geredet von dem Kern und Stern des Evangeliums, von der Sonne des Neuen Bundes, dem Mittelpunkt unseres Christenglaubens, von Jesu Christo, dem Heiland aller Welt, der durch sein bitteres Leiden und Sterben und siegreiches Auferstehen unsere Versöhnung und unser Friede geworden und von Gott uns gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Dieses große, selige Predigtthema hat eine solche Tiefe, Höhe, Breite und Länge, dass kein evangelischer Prediger, auch wenn er mit der Zunge und dem Verstand eines Engels predigte, es bis auf den Grund ausdenken und auspredigen kann. Auch darf ich es offen bekennen, dass ich die Seligkeit dieses Predigtthemas am eigenen Herzen erfahren habe. Denn als ich durch das Studium der Philosophie und Theologie in die dunkelsten Zweifel geriet und das ganze Gebäude des Christenglaubens über meinem Haupte zusammenzustürzen drohte, da trat eben der gekreuzigte Herr und Heiland still und groß vor meine im Zweifel trauernde Seele als der König der Wahrheit und Friedefürst, mit seinem Friedensgruß: Friede sei mit dir! Glaube nur, zweifle nicht! Nun weiß ich, was ich glaube; ich weiß, dass mein Erlöser lebt; ich weiß, dass Christus Jesus nicht der moderne Christus des Zeitgeistes, sondern der Christus des alten teuren Bibelbuchs das einzige Heil der Welt, der Kirche, des Staates, der Schule, der Familie, der ganzen Gesellschaft, wie der einzelnen Seele ist. Ihn, den großen Heiland und Friedefürsten, den Seelen recht groß, anbetungswürdig groß zu machen; die noch im geistlichen Tode liegen, aufzuwecken; das unruhige, in der Welt unbefriedigte und nach wahrer Ruhe dürstende Herz zur Friedensquelle zu weisen; die schon den Frieden gefunden haben, im Frieden zu stärken und zu zeigen, dass uns der Friede in Christo nicht unfruchtbar und träge lässt, sondern uns heiligt und reinigt, dass wir Gottesmenschen werden, zu allem guten Werke geschickt, die endlich in das ewige Friedensreich der Seligkeit verpflanzt werden, da kein Leid, kein Schmerz und kein Geschrei mehr ist - das ist der Zweck dieser Predigten.

Der Herr der Kirche möge die in Schwachheit gesprochenen Worte der Predigt nun auch in dieser Gestalt segnen. Er selbst, der große Friedefürst, trage dieses „Ölblatt des Friedens“ in viele Herzen und Häuser und schenke den Seelen seinen stillen, heiligen, ewigen Frieden.

Und nun drücke ich noch im Geiste die Hand allen Zuhörern und Lesern: Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen! Lasst uns im Glauben mutig und getrost pilgern als stille Friedenskinder durch die Unruhe und den Sturm dieser Zeit zur Stadt des lebendigen Gottes, auf dass wir uns am Thron des Lammes wiederfinden, grüßen und ewiglich freuen.

Bern, den 31. März 1873.

Der Verfasser.

1)
Die Lerberschule gibt es heute nicht mehr - sie war als Gegengewicht zu den liberalen Schulen der Schweiz gegründet worden, hat sich diesen jedoch angenähert, so dass Theoderich von Lerber, der Gründer, sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts von ihr distanzierte und ihr die Nutzung seines Namens untersagte.
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autoren/k/koerber_e/oelblatt/koerber-oelblatt-vorwort_1.txt · Zuletzt geändert: von aj
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