Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 10. Capitel.

Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 10. Capitel.

Vers 1-14.

Denn das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst. Alle Jahre muß man opfern immer einerlei Opfer, und kann nicht, die da opfern, vollkommen machen. Sonst hätte das Opfer aufgehört, wo die, so am Gottesdienst sind, kein Gewissen mehr hätten von den Sünden, wenn sie einmal gereiniget waren. Sondern es geschieht nur durch dieselben ein Gedächtniß der Sünden alle Jahre. Denn es ist unmöglich durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegnehmen. Darum, da Er in die Welt kommt, spricht Er: Opfer und Gaben hast Du nicht gewollt, den Leib aber hast Du Mir zubereitet. Brandopfer und Sündopfer gefallen Dir nicht. Da sprach Ich: Siehe, Ich komme, im Buch stehet vornehmlich von Mir geschrieben, daß Ich thun soll, Gott, Deinen Willen. Droben, als Er gesagt hatte: Opfer und Gaben, Brandopfer und Sündopfer hast Du nicht gewollt, sie gefallen Dir auch nicht, (welche nach dem Gesetz geopfert werden;) da sprach Er: Siehe, Ich komme, zu thun, Gott, Deinen Willen. Da hebt Er das erste auf, daß Er das andere einsetze. In welchem Willen wir sind geheiliget, einmal geschehen durch das Opfer des Leibes Jesu Christi. Und ein jeglicher Priester ist eingesetzt, daß er alle Tage Gottesdienst pflege, und oftmals einerlei Opfer thue, welche nimmermehr können die Sünden abnehmen. Dieser aber, da Er hat Ein Opfer für die Sünde geopfert, daß ewiglich gilt, sitzet Er nun zur Rechten Gottes, und wartet hinfort, bis daß Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden. Denn mit einem Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet, die geheiliget werden.

In diesem Abschnitt wird uns zuerst gezeigt, daß nicht das alttestamentliche Opfer von Sünden rein machen konnte, sondern nur das Blut Jesu Christi, daß daher das alttestamentliche Opfer nicht das rechte war, sondern nur das Opfer Jesu Christi; daran knüpft sich dann noch weiter die Lehre, daß die alttestamentlichen Priester nicht die rechten waren, sondern daß der neutestamentliche Hohepriester Jesus Christus der einzig rechte Hohepriester sei. Der Apostel sagt: Denn das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst. Alle Jahre muß man opfern immer einerlei Opfer, und kann nicht, die da opfern, vollkommen machen. Sonst hätte das Opfer aufgehört, wo die, so am Gottesdienst sind, kein Gewissen mehr hätten von den Sünden, wenn sie einmal gereinigt wären. Sondern es geschiehet nur durch dieselben ein Gedächtniß der Sünden alle Jahre. Denn es ist unmöglich, durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegzunehmen. Da sehet ihr also, daß das alttestamentliche Opfer nicht das rechte war, sondern daß es nur auf das rechte Opfer hindeutete, daß es nicht das Wesen der Güter, Vergebung der Sünden, enthielt, sondern nur hindeutete auf den, der Vergebung der Sünden mittheilt. Das alttestamentliche Opfer war nur ein Gedächtniß der Sünden. Das kann ja ein Kind einsehen, daß Ochsen- und Bocksblut keine Sünden wegnehmen kann. Kann doch nicht einmal eines Menschen Blut Sünden wegnehmen, und Keiner seinen Bruder mit Gott versöhnen, ein Jeder muß das anstehen lassen ewiglich, sondern nur allein das Blut des Sohnes Gottes, das also Gottes Blut ist, kann solches ausrichten. Kann aber Menschenblut keine Sünden wegnehmen, so kann es Ochsen- und Bocksblut noch viel weniger. Aber warum hat Gott das alttestamentliche Opfer eingesetzt? Zum Gedächtniß der Sünden.

Erstlich sollte der Mensch daraus sehen: So wie dies Thier jetzt stirbt, so solltest du eigentlich sterben, wie das Blut dieses Thieres jetzt vergossen wird, so sollte eigentlich dein Blut vergossen werden. Aber auch zweitens sollte dadurch hingewiesen werden auf das rechte Versöhnungsopfer, durch welches auch die Gläubigen des alten Bundes Vergebung der Sünden haben konnten. Wir fragen: Haben denn die Gläubigen des alten Bundes auch schon Vergebung der Sünden gehabt, da doch Christi Blut noch nicht vergossen war? Ja wohl; denn hätten sie die nicht gehabt, so hatte David nicht sagen können: Ich will dem HErrn meine Uebertretung bekennen. Da vergabst Du mir die Missethat meiner Sünde. Wohl dem, dem die Uebertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist. Wohl dem Menschen, dem der HErr die Missethat nicht zurechnet. Aber das sollt ihr wissen, nicht durch das Blut der Kälber und Böcke haben sie Vergebung der Sünden empfangen, eben weil dies Blut keine Sünden abwaschen kann, sondern weil sie mit ihren Glaubensaugen auf das Lamm Gottes geschauet haben. Ihr sehet daraus, daß das alttestamentliche Opfer nur ein Vorbild auf das zukünftige Opfer war, weßhalb es auch die zukünftigen Güter selbst nicht geben konnte. Es mußte also ein anderes Opfer an die Stelle des vorbildlichen treten, und dies Opfer beschreibt der Apostel nun weiter: Darum, da Er in die Welt kommt, spricht Er: Opfer und Gaben hast Du nicht gewollt, den Leib aber hast Du Mir zubereitet. Brandopfer und Sündopfer gefallen Dir nicht. Da sprach Ich: Siehe, Ich komme, im Buche stehet vornehmlich von Mir geschrieben, daß Ich thun soll, Gott, Deinen Willen. Droben, als Er gesagt hatte: Opfer und Gaben, Brandopfer und Sündopfer hast Du nicht gewollt, sie gefallen Dir auch nicht, welche nach dem Gesetz geopfert werden. Da sprach Er: Siehe, Ich komme zu thun, Gott, Deinen Willen. Da hebt Er das Erste auf, daß Er das Andere einsetze. In welchem Willen wir sind geheiligt, einmal geschehen durch das Opfer des Leibes Jesu Christi. Aus dem 40. Psalm ist diese Weissagung genommen, die der Apostel hier anführt. Da sagt Gott selbst, daß Ihm die alttestamentlichen Opfer nicht gefallen, Er sagt selbst, daß sie nur als Vorbild eingesetzt sind auf das Opfer, welches Gott selbst bereiten wollte. Die Worte des 40. Psalms: Die Ohren hast Du Mir aufgethan, gibt unser Text wieder mit den Worten: Den Leib hast Du Mir zubereitet, was aber ganz dasselbe ist. Damit soll hingewiesen werden auf das vollkommene Versöhnungsopfer, das Jesus im freien, willigen Gehorsam gebracht hat. Es ist das vollkommene und einzige Opfer, das nie wiederholt wird, weil es rück- und vorwärts wirkende Kraft hat. Es hat rückwärts wirkende Kraft, denn alle Gläubigen des alten Bundes haben durch dasselbe Vergebung der Sünden erlangt und sind dadurch selig geworden; es hat vorwärts wirkende Kraft, denn alle Gläubigen, die seit Christo gelebt haben, die jetzt noch leben und die noch geboren werden bis zum jüngsten Tage, haben dadurch Vergebung der Sünden. Wiederholt wird dies Opfer nicht, es ist nur Einmal gebracht und hat beständige Gültigkeit, ich kann jeden Tag zu dem Blute dieses Versöhnungsopfers gehen und meine Sünden in demselben abwaschen, denn das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes macht uns rein von aller Sünde. Dies Blut schreiet alle Tage für uns zu Gott um Barmherzigkeit und Gnade. Fragst du nun: Was muß ich thun, daß ich selig werde? so gibt es Gottlob nur die Eine Antwort: Glaube an den Herrn Jesum. Du brauchst dich nicht vor Ihm zu fürchten deiner Sünden wegen, denn: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Aber glauben mußt du an Jesum und zwar von ganzem Herzen, und diesen Glauben mußt du in dir wirken lassen durch den heiligen Geist, dann hast du einen offenen Born wider alle Unreinigkeit. Darum gibt es für den Gläubigen keine köstlichere Lehre, als die Lehre von dem Versöhnungstode Christi, aber Keiner empört sich mehr dagegen, als die Ungläubigen, und während die Gläubigen das Leben und bis Seligkeit darin finden, wird sie den Ungläubigen ein Geruch des Todes zum Tode. Warum ist denn dies Opfer das einzige und vollgültige Opfer? Weil Christi Blut ein Unschuldiges Blut ist; aber das ist noch nicht genug, es ist auch ein theures Blut, weil es Gottes Blut ist. Indem Christi Blut vergossen ist, ist Gottes Wut zugleich vergossen, denn Christus ist wahrer Gott; darum sagt Paulus: Weidet die Herde Christi, die Gott erkauft hat mit Seinem Blut. Dies Opfer hat Christus aus willigem Gehorsam gebracht, denn es heißt: Gott hat Ihm den Leib zugerichtet, Gott hat Ihm die Ohren aufgethan; es ist kein gezwungenes, sondern ein freiwilliges Opfer, Auf dieses Opfer Christi hat unsere Kirche, weit sie die rechte Kirche ist, von jeher allen Werth gelegt. Mit diesem Opfer steht und fällt unser ganzes Christenthum. Darum singt auch unsere theure Kirche: O Wunder ohne Maaßen, wenn man's betrachtet recht! Es hat sich martern lassen der HErr für Seine Knecht'; es hat sich selbst der wahre Gott für mich verlornen Menschen gegeben in den Tod; und: Dein Blut, der edle Saft, hat solche große Kraft, daß auch ein Tröpflein kleine die ganze Welt kann reine und aus des Teufels Rachen frei, los und ledig machen. In Christo allein ist Heil, das müßt ihr annehmen im Glauben. Ihr braucht Ihm nichts anders zu bringen, als eure Sünden, aber kommt nur im kindlichen Glauben, durch dieses Opfer werden alle eure Sünden getilgt. Aus dem Grunde ist Christus der einzige rechte Hohepriester. Darum sagt Paulus: Ein jeglicher Priester ist eingesetzt, daß er alle Tage Gottesdienst pflege und oftmals einerlei Opfer thue, welche nimmermehr können die Sünden abnehmen. Dieser aber, da Er hat ein Opfer für die Sünde geopfert, das ewiglich gilt, sitzt Er nun zur Rechten Gottes, und wartet hinfort, bis daß Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden. Denn mit Einem Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. Wie kann der der rechte Hohepriester sein, der Ochsen- und Bocksblut opfert? Nur der ist der rechte Hohepriester, der sich selbst zum Opfer bringt. Anders konnte unsere Schuld nicht bezahlt werden, als wenn der Sohn Gottes als unser Hoherpriester und Opferlamm für uns in den Tod ging. Darum hat unser HErr Jesus sich geopfert am Stamm des Kreuzes, das Kreuz war Sein Opferaltar, Er selbst war das Opfer, das einzig gültige, und mit diesem Einen Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet Alle, die geheiligt werden. Darum sagt der Apostel Petrus Ap.-Gesch. 4: Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben zur Seligkeit, als allein der Name Jesus Christus. Deßhalb müssen die verdammt werden, die dies Opfer verwerfen; die es aber annehmen im Glauben, müssen selig werden. Amen.

Vers 15-23.

Es bezeuget uns aber das auch der heilige Geist. Denn nachdem Er zuvor gesagt hatte: Das ist das Testament, das Ich ihnen machen will nach diesen Tagen, spricht der HErr: Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben, und in ihre Sinne will Ich es schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Ungerechtigkeit will Ich nicht mehr gedenken. Wo aber derselben Vergebung ist, da ist nicht mehr Opfer für die Sünde. So wir denn nun haben, liebe Brüder, die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige durch das Blut Jesu, welchen Er uns zubereitet hat zum neuen und lebendigen Wege, durch den Vorhang, das ist durch Sein Fleisch; und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes; so lasset uns hinzugehen, mit wahrhaftigem Herzen, in völligem Glauben, besprenget in unsern Herzen, und los von dem bösen Gewissen, und gewaschen am Leibe mit reinem Wasser; und lasset uns halten an dem Bekenntniß der Hoffnung, und nicht wanken; denn Er ist treu, der sie verheißen hat.

Wir haben das letzte Mal im ersten Theil des zehnten Capitels das einzige wahre Opfer für unsere Sünden durch den Apostel preisen hören. Er hat uns da zuletzt gesagt, daß mit diesem Einen Opfer Alles vollendet ist, und daß es keines andern Opfers weiter bedarf. Um zu zeigen, daß dies nicht seine eigene Meinung ist, sondern die Lehre der ganzen Bibel, fährt er nun in unserm Text weiter fort: Es bezeugt uns aber das auch der heilige Geist. Denn nachdem Er zuvor gesagt hatte: Das ist das Testament, das Ich ihnen machen will nach diesen Tagen, spricht der HErr: Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben, und in ihre Sinne will Ich es schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Ungerechtigkeit will Ich nicht mehr gedenken. Es beruft sich der Apostel zur Bestätigung Seiner Lehre auf das Wort Gottes, auf das Zeugniß des heiligen Geistes. Ihr findet die angedeutete Stelle Jeremias 31, 34, da heißt es wörtlich: Es wird Keiner den Andern, noch ein Bruder den andern lehren und sagen: Erkenne den HErrn; sondern sie sollen Mich Alle kennen, beide Kleine und Große, spricht der HErr. Denn Ich will ihnen ihre Missethat vergeben, und ihrer Sünde nicht mehr gedenken. Merket dabei den Ausdruck, daß der Apostel nicht sagt: Der Prophet Jeremias bezeugt solches, sondern der heilige Geist bezeugt es. Er will uns damit warnen vor den Lästermäulern der Weltkinder, die ihren Unglauben mit der Redensart beschönigen wollen, die Bibel sei von Menschen geschrieben. Nicht ein Werk der Menschen ist die Bibel, sondern der heilige Geist hat sie uns gegeben. Nehmt euch vor den Leuten in Acht, die da sagen: In der Bibel ist Gottes Wort enthalten, aber sie ist nicht Gottes Wort. Nicht in der Bibel ist Gottes Wort enthalten, sondern die Bibel ist Gottes Wort vom Anfang bis zum Ende. Von allen Worten der Bibel muß es heißen: Das hat der heilige Geist mir gesagt. Nur dann stehst du auf dem Felsengrunde, der nicht weicht und nicht wankt, wenn du sagen kannst: Gott hat es gesagt. Was bezeugt denn der heilige Geist? Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben, und in ihren Sinn will Ich es schreiben. Lernt da den Unterschied zwischen dem alten und neuen Bunde. Im alten Bunde gilt das Gesetz, im neuen auch; in jenem ist es auf Sinai gegeben, in diesem ist es das erste Hauptstück unseres Katechismus. Aber der Unterschied besteht dann: Im alten Bunde steht es auf steinernen Tafeln und ist ein auswendiges Gesetz; im neuen Bunde steht es in dem neuen Herzen und ist ein inwendiges Gesetz. Wenn Einer im alten Bunde sagt: Ich halte das siebente Gebot, ich stehle nicht, und du fragst ihn: Warum stiehlst du nicht? so wird er dir antworten: Weil ich es nicht darf. Wenn du aber einen Gläubigen im neuen Bunde fragst: Warum stiehlst du nicht? so antwortet er dir: Weil ich nicht stehlen mag. Der Christ tödtet nicht, weil er nicht tödten mag, der Christ hurt nicht, weil er nicht huren mag, weil es ihm ein Greuel ist, und so geht es bei allen andern Sünden. Für die Menschen zur Zeit des alten Bundes ist das Gesetz und seine Erfüllung eine Last, für den Christen im neuen Bunde ist es eine Freude und Lust; jenen treibt die Furcht, diesen treibt die Liebe. Woher kommt das? Der Apostel löset dies Räthsel, indem er sagt: Ihrer Sünden und ihrer Ungerechtigkeit will Ich nicht mehr gedenken. Darin liegt der Grund. Der Christ, das Kind des neuen Bundes, hat Vergebung der Sünden, er kann mit seliger Gewißheit sagen: Mir ist Barmherzigkeit widerfahren ich habe Gnade gefunden, meine Sünden sind mir vergeben. Aber die Vergebung der Sünden ist eine Gnadengabe. Da Gott mich armen Sünder zu einem Gefäße Seiner Gnade gemacht hat, da Er Seine Liebe ausgegossen hat in mein Herz durch den heiligen Geist, so kann ich nicht anders, ich muß Ihn wieder lieben, und weil ich Ihn von ganzem Herzen lieb habe, so lasse ich das, was Ihm mißfällt, was Ihn betrübt und thue, was Ihm wohlgefällt, was Ihm Freude macht, ich hatte das Gesetz. Sehet, so wird durch die Vergebung der Sünden dem Menschen das Gesetz in das Herz geschrieben. Einem solchen Menschen könntest du aber auch die ganze Welt anbieten mit allen ihren Schätzen, um ihn dadurch zur Sünde zu verführen, er würde dir mit Joseph antworten: Wie sollte ich ein so großes Uebel thun und wider den HErrn, meinen Gott, sündigen. Du könntest einen solchen Menschen quälen mit allen Martern der Welt, um ihn dadurch zur Sünde zu verführen, deinen Zweck erreichtest du nicht. Er würde deine Marter verlachen, denn höchstens kannst du ihm nur das leibliche Leben nehmen, und damit thust du ihm den größten Gefallen, denn nun kann er ganz zu seinem Heiland gehen, wonach er sich schon so lange gesehnt hat. Sehet, durch Christi Opfer, das im Glauben angenommen wird, ist der Mensch ein ganz neuer geworden. Nachdem der Apostel dies gezeigt hat, so folgt nun eine ernste und dringende Ermahnung, den Weg zu wandeln, den er zeigt. Er sagt: So wir denn nun haben, liebe Brüder, die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige durch das Blut Jesu, welchen Er uns zubereitet hat zum neuen und lebendigen Wege, durch den Vorhang, das ist, durch Sein Fleisch; und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes. Hier führt der Apostel zuerst die Gründe an, die uns dazu treiben sollen. Das Heilige ist der Himmel. Sehet hier wieder den Unterschied zwischen einem Gläubigen und einem Weltkinde. Sage einmal zu dem Weltkinde: Heute sollst du abscheiden und in den Himmel eingehen, meinst du, daß er sich darüber freuen wird? Wenn der Weltmensch wirklich glaubt, was du ihm sagst, so wird er vielleicht anfangen zu weinen und zu heulen. Diese Welt ist sein Himmel geworden, jenen Himmel der Gläubigen mag er nicht. Seine Sünden scheiden ihn von seinem Gott, darum hat er keine Freudigkeit zum Sterben. Ich will den Fall setzen, solch ein Weltmensch käme wirklich in den Himmel, meinst du, daß er darin selig sein würde? Nein, da würde er die schrecklichste Langeweile haben, denn im Himmel wird nur getrieben, was er hier gescheuet hat, wovor er hier geflohen ist. Dagegen der Gläubige freuet sich, herzlich auf den Eingang in den Himmel, denn er hat Vergebung der Sünden, seine Sünden scheiden ihn nicht mehr von seinem Gott. Dazu kommt noch, daß das, was im Himmel getrieben wird, schon hier seine Freude gewesen ist, und sein Kummer war, daß er hier so unvollkommen ausrichten konnte, was seines Herzens Lust war. Er wurde hier so oft gestört in seinen himmlischen Geschäften durch die Welt, durch den Teufel und durch sein eigenes Fleisch und Blut, dort kann er nun ungestört seinem Heiland dienen. Das ist für die Kinder Gottes die größte Freude, wenn sie von dieser Welt abscheiden und zu ihrem Heiland eingehen können. Aber diese Freude haben wir nur durch unsern HErrn Jesum. Jesus ist der Weg zum Himmel. Fragst du das Gesetz: Welches ist der Weg zum Himmel? so heißt es: Thue das, so wirst du leben. Fragst du aber den HErrn Jesum, so lautet die Antwort: Glaube an Mich. Dieser Weg führt allein zum sichern Ziel. Der Weg des Gesetzes kann dich nur verdammen, weil du das Gesetz nicht gehalten hast; aber auf dem Wege des Evangeliums ist es anders. Du Sünder sollst zu Jesu gehen, sollst dir Vergebung der Sünden holen, sollst Gnade und Erbarmung finden und das Alles sollst du durch den Vorhang haben, d. h. durch Christi Fleisch. Der Vorhang im alten Bunde verdeckte Gott, wer sich Gott nahen wollte, der mußte durch den Vorhang gehen. So wird die Menschheit Christi hier der Vorhang genannt. Du mußt durch die Menschheit Christi zu Gott kommen; in dem Mensch gewordenen Christus siehst du Gott. Ohne die Menschwerdung Christi ist dir Gott ein zürnender Gott, durch die Menschwerdung Christi ist Er dir ein versöhnter Vater. Christus hat sich selbst in den Tod gegeben und darin hat Gott selbst gelitten. An diesen Jesum glaube, durch die Menschwerdung Christi gebe in die Gottheit ein, das ist der lebendige Weg, der nicht fehlen kann. Wem Christus den Himmel ausschließt, dem kann Niemand zuschließen. Das sind die Gründe. Nun können mir hinzutreten. Aber wie? Das schreibt euch recht in das Herz: Mit wahrhaftigem Herzen. Komm als ein bußfertiger Sünder, der seine Sünden erkennt und bekennt, dem seine Sünden von ganzem Herzen leid sind und der Vergebung der Sünden suchet im Blute des Lammes. Aber komm auch im völligen Glauben. Damit soll nicht gesagt werden, was dich in Verzweiflung stürzen könnte, daß es ein solcher Glaube sein muß, der die höchste Stufe der Vollendung erreicht hat. Solchen Glauben hatten selbst die Apostel nicht. Was ist unter dem völligen Glauben zu verstehen? Der völlige Glaube setzt seine ganze Zuversicht allein auf Christum, nicht auf sich selbst und Christum, sondern allein auf Christum. Ob dieser Glaube nun schwach oder stark, klein oder groß ist, darauf kommt es in diesem Stück nicht an. Der völlige Glaube suchet und findet in Jesu allein die Ursache seiner Seligkeit. Weiter: Wir sollen kommen besprengt in unserm Herzen. Das können wir uns nicht erwerben durch unsere Werke, sondern das wird aus Gnaden an uns gethan. Womit muß unser Herz besprengt sein? Mit dem theuren, kostbaren Blute Christi; und Gott selbst ist es, der uns damit besprengen muß. Aber wir sollen auch los sein vom bösen Gewissen. Gott der HErr nimmt uns das böse Gewissen, indem Er uns die Sünden vergibt um Christi willen. Endlich: Gewaschen am Leibe mit reinem Wasser. Das hat Gott schon an uns gethan bei unserer Taufe, und wir brauchen nur die Taufgnade von Neuem wieder durch den Glauben zu ergreifen. So will Gott der HErr aus Gnaden Alles an uns thun, und wir brauchen nur im Glauben Seine Gnadengaben anzunehmen! O, was sind wir doch für glückselige Menschen, daß wir nur zu nehmen brauchen, was Gott uns gibt. Dadurch soll aber auch unsere Liebe zu Ihm immer mehr wachsen; darum ermahnt uns der Apostel zum Schluß: Lasset uns halten an dem Bekenntnis der Hoffnung, und nicht wanken; denn Er ist treu, der sie verheißen hat. Ja, wie könnten wir auch wohl anders, denn wir haben keinen andern Weg, der uns in den Himmel bringen kann. Aber fragst du: Wie soll ich schwacher Mensch das anfangen? Hast du's nicht gehört, daß Er treu ist? Der treue Gott wird dich treu machen, und deine Untreue hebt Seine Treue nicht auf. Gebe nur mit deiner Untreue immer wieder zu Ihm und laß sie dir von Ihm vergeben, da sollst du Seine Treue erfahren. Ja Seine Treue geleitet dich durch das ganze Leben und hilft dir durch die Todesstunde, daß du dann in die ewige himmlische Herrlichkeit eingehen kannst, die dein treuer Gott dir aus Gnaden bereitet hat. Amen.

Vers 24-31.

Und lasset uns untereinander unser selbst wahrnehmen, mit Reizen zur Liebe und guten Werken; und nicht verlassen unsere Versammlung, wie Etliche pflegen; sondern untereinander ermahnen, und das so viel mehr, so viel ihr sehet, daß sich der Tag nahet. Denn so wir muthwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntniß der Wahrheit empfangen haben, haben wir kein anderes Opfer mehr für die Sünde; sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Wenn Jemand das Gesetz Mosis bricht, der muß sterben ohne Barmherzigkeit, durch zwei oder drei Zeugen. Wie viel, meinet ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiliget ist, und den Geist der Gnade schmähet? Denn wir wissen den, der da sagt: Die Rache ist Mein, Ich will vergelten, spricht der HErr. Und abermal: Der HErr wird Sein Volk richten. Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

Der heilige Apostel Paulus hat uns in dem letzten Abschnitt unsern HErrn Jesum Christum als den wahrhaftigen Hohenpriester und als das rechte Opfer für die ganze Welt vorgestellt, und hat uns gezeigt, daß wir in Ihm allein Vergebung der Sünden haben, so daß ein Jeder, der Vergebung der Sünden sucht, dieselbe nur durch Christum erlangen kann. Nachdem uns der Apostel gezeigt hat, welchen Schatz wir an unserm lieben Heiland haben, zeigt er uns nun, welchen Dank wir dem HErrn dafür bringen sollen. Dieser Dank ist ein zwiefacher. Der Apostel sagt zuerst: Lasset uns unter einander unser selbst wahrnehmen mit Reizen zur Liebe und guten Werken. Unter den wahren Christen soll ein Wetteifer sein, wer es dem Andern zuvor thun könne in Erweisungen der Liebe und guten Werken, und daran sollen sie ihre herzliche Freude haben. Aber davon darf nicht die Ursache sein, daß der Eine besser sein will als der Andere, sondern die herzliche, dankbare Liebe gegen den HErrn muß dazu treiben. Der Mensch, der, wie man wohl zu sagen Pflegt, ein natürlich gutes Herz hat, beweiset auch Liebe vielleicht ein oder zweimal, dann ists aber auch vorbei. Wird er dann noch wieder dazu aufgefordert, so heißt es: Die unverschämten Menschen, ich soll auch immer etwas geben.

Daraus sieht man klar und deutlich, daß die sogenannte natürliche Gutmüthigkeit weiter nichts ist als die pure Selbstsucht. Wer da weiß, daß er seinem Heiland nicht zu oft kommt, dem kommt der HErr Jesus auch nie zu oft, wenn Er anklopft durch die Armen in der Christenheit, oder durch die noch ärmeren Heiden; denn was man gibt, das gibt man nicht den Menschen, sondern dem HErrn. Das ist der erste Dank: Der Wetteifer in der Liebe und guten Werken. Den zweiten Dank spricht der Apostel aus in den Worten- Lasset uns nicht verlassen unsere Versammlungen, wie Etliche pflegen; sondern unter einander ermahnen, und das so viel mehr, so viel ihr sehet, daß sich der Tag nahet. Sehet, meine Lieben, alle wahre Liebe und alle guten Werke gehen lediglich aus dem Glauben hervor; wo der Glaube nicht ist, da können auch die Glaubensfrüchte nicht sein. Stehen wir im Glauben, verlassen aber unsere gottesdienstlichen Versammlungen, so wird unser Glaube immer schwächer, bis er zuletzt ganz erstirbt. Gott der HErr hat uns den Glauben gegeben durch Wort und Sakrament, Gott der HErr muß den Glauben in uns erhalten und stärken durch Wort und Sakrament; diese Gnadenmittel werden aber nur in den gottesdienstlichen Versammlungen der Kirche verwaltet. Verlassest du den Gebrauch der Gnadenmittel, so bist du dem Menschen gleich, der keine Speise mehr zu sich nimmt und der deßhalb Hungers sterben muß. Du mußt des geistlichen Todes sterben, wenn du die gottesdienstlichen Versammlungen verläßt. Solche Leute können einmal den Glauben gehabt haben, aber Glauben bewahren bis ans Ende können sie nicht. Ich kann euch nicht genug warnen: Verlasset nicht die gottesdienstlichen Versammlungen, weder am Sonntag Vormittag, noch am Sonntag Nachmittag, noch in der Woche. Verlaßt ihr erst den öffentlichen Gottesdienst, dann habt ihr dem Teufel den kleinen Finger gegeben, und der wird euch bald ganz zu sich ziehen. So lange ein Mensch die gottesdienstlichen Versammlungen noch gebraucht, ist auch noch Hoffnung da, daß er selig werden kann; denn in denselben werden die Gnadenmittel verwaltet, wodurch der heilige Geist wirkt und arbeitet. Ist euch eure Seligkeit lieb, so verlasset nicht die gottesdienstlichen Versammlungen; aber leidet es auch nicht, daß eure Weiber, Kinder, Knechte und Mägde dieselben verlassen, ihr seid sonst Mörder an ihren Seelen. Der jüngste Tag kommt immer näher, wie ein Dieb in der Nacht wird er auf einmal hereinbrechen, und dann wird ein Jeder empfangen, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse. Wer hier ein Verächter der Gottesdienste gewesen ist, muß den nicht Gott am jüngsten Tage wieder verachten? Zu dem wird Gott dann sagen: Indem du die Gottesdienste verachtet hast, hast du Mich verachtet; und wer Mich verachtet vor den Menschen, den will Ich vor Meinem himmlischen Vater auch verachten. Durch die Verachtung der gottesdienstlichen Versammlung bist du ein Verächter Christi, der nichts von seinem Heiland wissen will. -

Nun folgt eine sehr ernste Warnung, eine Warnung, die einem durch Mark und Bein geht: So wir muthwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntniß der Wahrheit empfangen haben, haben wir forthin kein anderes Opfer mehr für die Sünde; sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Für die muthwillige Sunde gibt es keine Vergebung. Die Bibel kennt nur eine Sünde, die keine Vergebung finden kann, das ist die Sünde wider den heiligen Geist. Die muthwillige Sünde, das ist die Sünde wider den heiligen Geist. Was beißt muthwillig sündigen? Antwort: Sündigen, nachdem man die Erkenntniß der Wahrheit empfangen hat. Also nur ein bekehrter Christ kann diese Sünde thun. Ein solcher dient nicht bloß der Sünde, - das thun alle Weltkinder auch -, sondern er will aus Feindschaft gegen Jesum der Sünde dienen. Da ist z. B. ein Christ, der sagt: Ich weiß aus Gottes Wort und eigener Erfahrung, daß das Huren Sünde ist, aber ich will doch huren, weil ich Christi Feind bin. Das ist die Sünde wider den heiligen Geist. Dabei müssen wir aber immer festhalten, daß ein solcher Mensch schon ein Freund Christi gewesen sein muß, denn Paulus sagt: So wir muthwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntniß der Wahrheit empfangen haben. Nur ein Freund Christi empfängt die Erkenntniß der Wahrheit. Bist du aus einem Freunde Christi ein Feind Christi geworden, um Ihn nun mit muthwilligen, wissentlichen Sünden zu kränken und zu betrüben, dann hast du die Sünde wider den heiligen Geist gethan. Du sagst wohl: Nenne mir einmal solche Leute, an denen ich das sehen kann. Nun so siehe ins alte Testament, da ist der König Saul. Von ihm steht ausdrücklich geschrieben, daß er den heiligen Geist empfangen, daß ihm Gott ein neues Herz geschenkt habe, daß er ein neuer Mensch geworden sei. Nachher aber hat er dem Satan Raum gegeben in seinem Herzen, der gute Geist hat weichen müssen, nachdem der böse Geist über ihn gekommen war; er verfolgte David bis aufs Blut, von dem er doch wußte, daß er König werden sollte. So fiel er von einer Sünde in die andere, trat endlich in einen Bund mit dem Teufel, indem er zu dem Zauberweibe ging und machte dann seinem elenden Leben ein Ende, indem er sich selbst in sein Schwert stürzte. Gottes Zorn hat ihn hinweggerafft. Sehet in das neue Testament, da ist Judas. Judas war ein rechter Apostel, ein rechter Jünger Jesu, er war Jesu Freund, aber er ist Jesu Feind geworden, also daß er lechzte nach dem Blute des HErrn. Im 109. Psalm heißt es von ihm: Darum, daß er so -gar keine Barmherzigkeit hatte, sondern verfolgte den Elenden und Armen, und den Betrübten, daß er Ihn tödtete. Und er wollte den Fluch haben, der wird ihm auch kommen; er wollte des Segens nicht, so wird er auch ferne von ihm bleiben. Und zog an den Fluch, wie sein Hemd, und ist in sein Inwendiges gegangen wie Wasser, und wie Oel in seine Gebeine. Was in diesem Psalm von Judas geweissagt ist, das ist Alles an ihm erfüllt worden; Ap. Gesch. 1, 25 heißt es: Er ist hingegangen an seinen Ort. Wer da stehe, der sehe wohl zu, daß er nicht falle. Wer zum Glauben an den HErrn Jesum gekommen ist, der soll nicht meinen, er müsse nothwendig im Glauben bleiben. Wenn wir nicht wachen und beten, so kann es uns ebenso ergehen wie Saul und Judas. Wer diese Sünde begeht, der hat kein anderes Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Das einzig gültige Opfer für die Sünde ist Jesu Opfer; wer nun die Sünde wider den heiligen Geist begeht, der hat dies Opfer verworfen. Was bleibt einem solchen Menschen noch übrig? Weiter nichts als die ewige Verdammniß. Das ist die ernste Warnung des heiligen Apostels. Nun fährt er fort: Wenn Jemand das Gesetz Mosis bricht, der muß sterben ohne Barmherzigkeit, durch zwei oder drei Zeugen. Auf alle Gebote, die Gott der HErr durch Mose auf Sinai gegeben hat, steht für den Uebertreter der Tod. Es hatte z. B. ein Mann am Sabbath Holz gesammelt und wurde dabei ertappt. Da fragte Moses den HErrn, was er mit diesem Menschen thun sollte, und der HErr antwortete: Der Mann soll des Todes sterben, die ganze Gemeine soll ihn steinigen. Wenn Leute die greuliche Sünde des Ehebruchs getrieben hatten, und dies konnte durch zwei Zeugen beglaubigt werden, so wurden sie verbrannt. Wenn Jemand geflucht hatte, und es konnte bewiesen werden, so wurde er gesteinigt. So geht es einem Jeden, der das Gesetz Mosis übertritt. Wenn das nun der Fall ist, wie viel ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und den Geist der Gnade schmähet. Wenn ein Christ, der mit dem Blute Christi rein gewaschen ist, dies Blut verachtet, so ist der viel schlechter als der alttestamentliche Jude, der das Gesetz Mosis übertrat. Wer den heiligen Geist lästert, der ist doch viel schlechter als der Sabbathschänder und Ehebrecher. Die Christen, die den Sohn Gottes und den heiligen Geist verachten, sind scheußliche Menschen. Mit Wissen und Willen sündigen, das heißt Christum mit Füßen treten und den Geist der Gnade schmähen. Kannst du nun noch die Sünde lieb haben und ihr muthwillig dienen, nachdem du die Scheußlichkeit der Sünde eingesehen hast? Das ist doch wohl nicht möglich! Sehet, der wahre Christ will lieber sterben als sündigen, und wenn er dennoch sündigt, so geschieht das aus Schwachheit, also daß er sagen kann: Ich habe nicht sündigen wollen, das weißt Du, treuer Gott. Wer das Blut Christi verachtet und den Geist der Gnade schmähet, der soll sich aber auch nicht am jüngsten Tage beklagen, wenn er verdammt wird. Denn derselbe Jesus, den er hier verachtet hat, dessen Gnade er geschmähet, der sich für ihn todtgeblutet hat und der ihn so gern selig machen wollte, der wird dann sein Richter sein. Darum sagt der Apostel zum Schluß: Denn wir wissen den, der da sagt: Die Rache ist Mein, Ich will vergelten, spricht der HErr. Und abermal: Der HErr wird Sein Volk richten. Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Keine Liebe wird strenger gerächt werden, als die verachtete Jesus-Liebe. Darum merket euch: Ihr seid bis in den Himmel erhoben durch die Liebe des HErrn Jesu; sehet zu, daß ihr diese Liebe nicht verachtet, sonst werdet ihr hinuntergestoßen bis in die unterste Hölle, und es geht euch dann wie dem gottlosen Capernaum. Amen.

Vers 32-39.

Gedenket aber an die vorigen Tage, in welchen ihr, erleuchtet, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens, zum Theil selbst durch Schmach und Trübsal ein Schauspiel geworden; zum Theil Gemeinschaft gehabt mit denen, denen es also gehet. Denn ihr habt mit meinen Banden Mitleiden gehabt, und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, als die ihr wisset, daß ihr bei euch selbst eine bessere und bleibende Habe im Himmel habt. Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist euch noch, auf daß ihr den Willen Gottes thut, und die Verheißung empfanget. Denn noch über eine kleine Weile so wird kommen, der da kommen soll, und nicht verziehen. Der Gerechte aber wird des Glaubens leben. Wer aber weichen wird, an dem wird Meine Seele keinen Gefallen haben. Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammet werden; sondern von denen, die da glauben, und die Seele erretten.

Wir hoben das letzte Mal die ernste Warnung des Apostels vor der muthwilligen Sünde mit einander betrachtet, und haben uns um so mehr davor warnen lassen, weil uns ausdrücklich gesagt wurde, daß es für diese Sünde kein Opfer der Versöhnung gebe, sondern nur ein Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren werde. Und das ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Nachdem der heilige Apostel das gezeigt hat, sagt er den Hebräern, daß er sich von ihnen eines andern versehe, nämlich daß sie dem HErrn treu bleiben würden bis in den Tod, sie hätten ja auch schon Proben ihrer Treue abgelegt. Er sagt: Gedenket aber an die vorigen Tage, in welchen ihr erleuchtet, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens; zum Theil selbst durch Schmach und Trübsal ein Schauspiel geworden; zum Theil Gemeinschaft gehabt mit denen, denen es also gehet. Von euch will Paulus sagen, fürchte ich solchen Abfall nicht, daß ihr das Blut Christi unrein achtet und den Geist der Gnade schmähet. Wer damals sich zum Christenthum bekehrte, der mußte einen großen Kampf mit der Welt bestehen, denn er lud dadurch die Wuth der Heiden und Juden auf sich. Das ging nicht anders, das war aber auch der Segen der damaligen Zeit. Es läßt sich leicht denken, daß da Keiner um irdischen Gewinns willen ein Christ wurde, wie es heut zu Tage so oft der Fall ist. Daraus folgt, daß die Gemeine verhältnißmäßig eine ziemlich reine sein mußte, aber ganz rein war sie nicht; denn es ist falsche Methodistische Lehre, daß es auf Erden ganz reine Gemeinen geben könne; hier ist und bleibt immer noch Unkraut unter dem Weizen. Diese Probe, sagt der Apostel, habt ihr bestanden, ihr seid selbst zum Theil ein Schauspiel der Leute geworden. Die gottlose Welt hat euch ins Gefängniß gesteckt, sie hat euch gegeißelt und gepeinigt, sie hat euch den wilden Thieren vorgeworfen; so seid ihr der Welt ein Schauspiel geworden, aber ihr habt das alles mit Freuden getragen. Und wer das etwa nicht hat erdulden brauchen, der hat sich doch denen angeschlossen, die um des HErrn willen leiden mußten. Solch ein treuer Sinn der Liebe und Gemeinschaft war unter den ersten Christen, sie besuchten die Gefangenen, lagerten sich vor ihre Kerker und erquickten dadurch die betrübten Brüder und Schwestern. Auch ließen sie es an leiblicher Erquickung nicht fehlen. Wenn die Märtyrer mit dem Leben davon kamen und von ihren Martern zurückkehrten, dann küßten ihnen die Brüder und Schwestern ihre Wunden. Das habt ihr alles mit Freuden gethan, aber noch mehr: Ihr habt mit meinen Banden Mitleiden gehabt, und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, als die ihr wisset, daß ihr bei euch selbst eine bessere und bleibende Habe im Himmel habt. Der heilige Apostel Paulus war eine Zeit lang gefangen in Rom gewesen, und früher schon in Jerusalem. Diese Hebräer, die nun zerstreuet waren in ganz Kleinasien, hatten früher theilweise in Rom, theilweise in Jerusalem gewohnt. Da hatten sie den Apostel erquickt in seinen Leiden und zugleich damit gezeigt, daß sie auch Christen seien. Ihr habt den Raub eurer Güter erduldet. Die Christen wurden von Juden und Heiden gehaßt und verfolgt. Wenn Jemand die Versammlungen der Christen besuchte, so wurden dem Geldstrafen auferlegt, und wer dieselben nicht gleich bezahlen konnte, wurde von Haus und Hof gejagt. Doch das ließen sich die Christen gern gefallen, denn sie hatten eine bessere und bleibende Habe im Himmel. Weil die Hebräer solche Proben schon bestanden haben, ist der Apostel nicht bange um sie, daß sie den HErrn verleugnen würden; aber er ermahnt sie, dem HErrn treu zu bleiben: Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist euch noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut und die Verheißung empfanget. Welches Vertrauen sollten sie nicht wegwerfen? Daß ihr Gott allezeit bei ihnen sei, daß Er sie als Seinen Augapfel behüten werde, - auch dann, wenn sie in den Märtyrertod müßten, denn mit dem Märtyrertode empfingen sie die Märtyrerkrone. Müsset ihr Lieben auch sterben um des HErrn willen, so habt ihr ja den lebendigen Gott, und den kann euch auch der Tod nicht rauben. Geduld aber ist euch noth, denn durch viel Trübsal müßt ihr hindurch, bis ihr in den Himmel eingeben könnt. Harret auf den HErrn, denn Er wird euch nicht mehr auflegen als ihr tragen könnt; er legt wohl eine Last auf, aber Er hilft auch. Geduld ist euch noth, daß ihr den Willen Gottes thut. Welches ist dieser Wille Gottes? Antwort: Daß ihr Solches leiden sollt. Der HErr Jesus hat gesagt: Siehe, Ich sende euch wie die Schafe mitten unter die Wölfe; und abermal: Der Knecht ist nicht größer als fein HErr; haben sie Mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen. Aber wenn wir uns selbst verleugnen, dem HErrn das Kreuz gern und willig nachtragen, dann sollen wir das verheißene himmlische Erbe haben. Auf Erden hat uns der HErr keine gute Tage versprochen, sondern im Gegentheil, viel Leiden, Kreuz und Trübsal; aber im Himmel sollen wir die ewige Seligkeit und Herrlichkeit haben, wenn wir treu bleiben und Glauben halten bis ans Ende. Der wahre Christ verlangt auch nicht Freuden und Bequemlichkeiten dieses Lebens, sondern er ist herzlich gern zufrieden, wenn er seinen Heiland hat und sich der ewigen Ruhe der Kinder Gottes getrösten kann. Denn noch über eine kleine Weile so wird kommen, der da kommen soll, und nicht verziehen. Wer ist das? Unser lieber HErr Jesus Christus. Denn es ist verheißen worden, daß Er wieder kommen wird am jüngsten Tage, und daß Er bei Seiner Wiederkunft alle Gläubigen mit sich nehmen wird auf die neue Erde. Bald wird Er kommen; und ist Er erst da, dann könnt ihr sagen: Nun ist die Zeit vorbei, da wir leiden mußten, jetzt kommt die Zeit, da wir mit Ihm triumphieren können. Darum ist das tägliche Gebet der wahren Christen: Komm bald, HErr Jesu! Darum geht ihre ganze Sehnsucht und Verlangen auf den lieben letzten Tag. Aber wer wird denn diese Seligkeit erlangen, die der HErr Jesus am jüngsten Tage austheilt? Der Apostel antwortet: Der Gerechte aber wird des Glaubens leben. Wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele keinen Gefallen haben. Da sehet ihr also, der Gerechte erlangt diese Seligkeit durch den Glauben. Es gibt aber keine andere Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, als die Gerechtigkeit, die der HErr Jesus erworben hat, nur dadurch wird der Gläubige selig. Wer aber von dieser Gerechtigkeit weicht, wer untreu darin wird, dem hilft es nichts, daß er einmal geglaubt hat. Nur wer im Glauben beharrt bis ans Ende, der wird selig. Begnüget euch nicht damit, daß ihr euch einmal bekehrt habt, daß ihr einst glaubtet, sondern bekehrt euch täglich, sucht täglich euren Glauben zu stärken aus Gottes Wort und Sakrament, kämpfet den guten Kampf des Glaubens. Wenn ihr aber weichet von dem HErrn, dann kann Gott keinen Gefallen an euch haben. Welches soll denn nun unsere Antwort sein auf solche treue Ermahnung des Apostels? Der Apostel gibt sie uns in den letzten Versen dieses Kapitels: Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten. Ja die Antwort geben alle treuen Christen auf solche herzliche Ermahnung des Apostels: Wir wollen unserm lieben Heiland den Kummer nicht machen, daß wir von ihm abfallen, sondern wir wollen Ihm treu bleiben in guten und bösen Tagen, im Leben und im Sterben, auf daß wir unsere Seelen erretten und selig werden. Amen.

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