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Calvin, Jean - Psalm 92.

Calvin, Jean - Psalm 92.

Inhaltsangabe: Der Psalm enthält eine Mahnung zum Lobe Gottes. Als Stoff dafür werden uns seine Werke vor Augen gestellt, insbesondere wird seine Gerechtigkeit hervorgehoben, mit der er seine Gläubigen schützt, sowie sein Gericht, welches die Verworfenen vernichtet. Diese Belehrung birgt einen Antrieb für jedermann, eifrig nach einem rechtschaffenen Wesen zu streben. Damit wir aber nicht müde werden, wenn wir dabei unser Kreuz tragen müssen, eröffnet uns der Psalm die Aussicht, dass alle jene Übel zu einem glücklichen Ende kommen werden. Um uns andererseits von Sünden abzuschrecken, kündigt er an, dass alle Gottlosen in Kürze untergehen müssen, wenn sie auch eine Zeitlang üppig blühen.

1Ein Psalmlied auf den Sabbattag. 2Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken, und lobsingen deinem Namen, du Höchster, 3des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen, 4auf den zehn Saiten und Psalter, mit Spielen auf der Harfe. 5Denn, Herr, du lässest mich fröhlich singen von deinen Werken, und ich rühme die Geschäfte deiner Hände.

V. 2. Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken. Dass der Dichter diesen Psalm gerade für den Sabbattag bestimmt, lässt sich gut verstehen. Ist doch dieser Tag nicht darum heilig, damit die Menschen ihren Gott etwa durch Müßiggang verehren, sondern damit das Volk von allen Geschäften frei würde, um sich ganz der Betrachtung der Werke Gottes widmen zu können. Unser flüchtiger Sinn lässt sich nur zu leicht seinem Gott entfremden, wenn er hierhin und dorthin schweifen muss. Sollen wir in ernstlicher Anspannung Gottes Lob treiben, so müssen wir von anderen Sorgen entlastet sein. So erinnert uns der heilige Sänger, dass man den Sabbat in rechter Weise nicht durch Nichtstun feiert, was gar zu roh wäre, sondern dass er verordnet ward, damit man den Namen Gottes preise. Wir werden dazu ermahnt unter Hinweis auf die Frucht, die es bringt: denn nichts kann uns besser zu unsrer Pflicht treiben, als wenn wir sehen, dass wir uns nicht vergeblich mühen, sondern dass unser Tun dem Herrn angenehm ist. Der nächste Vers gibt uns nun den Stoff und Grund an die Hand, weshalb wir Gott loben sollen. Gott verlangt nicht, dass wir seinen Namen grundlos rühmen, oder etwa nur wegen seiner Größe und Macht, sondern wegen seiner Gnade und Wahrheit. Wenn wir diese erfahren und fühlen, entzündet sich solcher Eifer in unsrem Herzen von selbst. So prägen uns diese Worte ein, nicht bloß dass Gott des Lobes würdig ist, sondern dass es auch von uns böswillig und undankbar sein würde, wollten wir in diesem Stück lässig sein. Denn da Gottes Wahrheit und Güte ganz persönlich auf uns gerichtet sind, wäre es eine unentschuldbare Trägheit, wenn wir uns dadurch nicht locken und zum Lobpreis stimmen lassen wollten. Doch scheint es eine wunderliche Verteilung, dass man des Morgens Gottes Gnade und des Nachts seine Wahrheit verkündigen soll. Wenn er doch ununterbrochen und nicht bloß von Zeit zu Zeit seine Gnade walten lässt, warum soll dann nur ein kleiner Teil des Tages für das Lob dieser seiner herrlichen Eigenschaft bestimmt sein? Auch bezüglich des andern Stücks ist zu sagen, dass seine Wahrheit nicht bloß des Nachts sich sehen lässt. Aber der Prophet meint es anders: wenn wir des Morgens anheben, Gott zu loben, sollen wir dies Lob fortsetzen bis zur letzten Minute der Nacht; so verdienen es seine Gnade und Wahrheit. Und wenn man mit der Gnade den Anfang macht, muss die Wahrheit sofort sich anschließen. So bleibt für beide das Lob in fortwährendem Gang, und beides fügt sich gegenseitig zusammen.

Der vierte Vers redet insbesondere die Leviten an, die das Sängeramt verwalteten, dass sie auch Musikinstrumente verwenden sollen. Das wäre an sich nicht notwendig, es war aber für das Volk des alten Bundes ein nützliches Unterweisungsmittel. Gott will die Harfe nicht erklingen hören, weil ihm selbst etwa wie einem Menschen der Klang einen Genuss bereitete: aber weil die Zeit der Reife noch nicht gekommen war, hielt er die Juden noch in einem kindlichen Elementarunterricht. Der Zweck davon war, sie aus der Teilnahmslosigkeit aufzuwecken, damit sie sich rüsteten, Gott frisch und fröhlich zu loben. Dabei wollen wir festhalten, dass das Wesen der Gottesverehrung niemals in diesen äußeren Dingen bestand, sondern dass es dieser rohen und schwachen Hilfsmittel bedurfte, um zur Anbetung im Geist anzuleiten. Zugleich wollen wir aber den Unterschied zwischen dem Volk des alten und des neuen Bundes festhalten: nachdem Christus erschienen und die Gemeinde gereift ist, heißt es, das Licht des Evangeliums dämpfen, wenn man die Gemeinde noch in das alte Schattenwerk hüllt. Die Papisten mit ihren Musikinstrumenten sind darum nicht Nachahmer der Väter, sondern Affen, die sich törichterweise noch an dem schattenhaften Dienst des Gesetzes erfreuen, dem doch das Evangelium ein Ende gemacht hat.

V. 5. Herr, du lässest mich fröhlich singen usw. Hier hören wir, dass man nur dann in rechter Weise Gottes Lob verkündigt, wenn man seine väterliche Güte bedenkt und empfindet und nun gern und mit fröhlichem Gemüte diese Pflicht der Frömmigkeit auf sich nimmt. Dabei erinnert der Prophet, dass wir aus Gottes Werken, die wir nur recht betrachten müssen, seine Gnade und Wahrheit erschauen werden, von der er sprach. Daraus erst erwächst Freude, dass sich uns Gott als Vater darbietet und Zeugnis davon gibt, dass ihm unser Heil teuer und kostbar ist. Andererseits kommt ja unsre stumpfe Gleichgültigkeit eben daher, dass wir Geschmack und Verständnis für Gottes Werke verloren haben. Da nun auf und ab durchs ganze Weltgebäude der Ruf ertönt: Gott ist gnädig und wahrhaftig, so wollen wir lernen, diesem Zeugnis klüglich zu lauschen, damit eine heilige Freude in uns reife, seinem Namen zu lobsingen.

6Herr, wie sind deine Werke so groß! Deine Gedanken sind so sehr tief. 7Ein Törichter glaubt das nicht, und ein Narr achtet solches nicht. 8Wenn die Gottlosen grünen wie das Gras, und alle Übeltäter blühen, so ist´s, damit sie vertilget werden immer und ewiglich. 9Aber du, Herr, bist der Höchste und bleibest ewiglich.

V. 6. Herr, wie sind deine Werke so groß! Nachdem der Prophet im Allgemeinen von Gottes Wirken geredet, wendet er sich jetzt zu einer besonderen Erscheinungsform desselben, nämlich dass Gott ins seiner gerechten Weltregierung zwar die Strafe für Verbrechen eine Weile verschiebt, doch endlich zeigt, dass er nicht blind ist, wie lange er auch die Augen schließt; auch hat er nicht vergessen, seine Knechte zu retten, wenn er sie auch unter dem Kreuze übt. Darauf weist der Prophet meines Erachtens besonders hin, weil die hässliche Verwirrung, die im menschlichen Leben waltet, die Ordnung der göttlichen Vorsehung am meisten verdunkelt. Sehen wir doch gottlose Leute sich übermütig gebärden, als wäre kein Richter im Himmel, und sich selbst in ihrem Glück Beifall klatschen: Gottes Schonung schafft ihnen nur einen Vorwand für größere Zügellosigkeit, als wären sie seiner Hand entronnen. Zu dieser Anfechtung gesellt sich unsere gedankenlose Stumpfheit, in der wir uns einbilden, dass Gott sich um die Welt nicht mehr kümmere und müßig im Himmel sitze. Des Weiteren kennen wir ja die Verweichlichung unseres Fleisches, die nicht gern Beunruhigung auf sich nimmt. Darum greift der Prophet mit Absicht dieses Stück heraus, um daran zu zeigen, dass Gott zum Schutze des Menschengeschlechts auf der Wacht steht. Er hebt aber mit einem Ausruf an, weil uns eine verkehrte Aufregung derartig verwirrt, dass wir den Sinn des göttlichen Wirkens, wenn er auch noch so durchsichtig ist, nicht mehr fassen. Es gilt vor allem darauf zu achten, dass der Prophet hier nicht von dem Wunderwerk des Himmels und der Erde redet, noch auch von dem allgemeinen Vorsehungswalten Gottes im Weltregiment: seine Rede beschränkt sich auf die Gerichte, die Gott unter den Menschen ausübt. Der Prophet ruft aus, dass hier seine Werke großartig und seine Gedanken tief sind, weil sein Walten über dem Menschengeschlecht weit über unser Begreifen geht. Wenn es in unsrer Macht stände, würden wir nur zu gern Gottes Ordnung umstürzen. Weil wir das nicht vermögen, machen wir ihm törichte Vorwürfe, weshalb er nicht eiliger die Gläubigen befreie und sich an den Verworfenen räche. Scheint es doch ganz ungereimt, dass er still sitzt, während man gegen ihn wütet, mit ungezügelter Frechheit sich in jegliches Verbrechen stürzt, nach Laune gute und einfältige Leute quält. Wie kann Gott zugeben, dass seine Wahrheit sich in den Winkel ducken muss und sein heiliger Name schmählich mit Füßen getreten wird? Das ist die Großartigkeit der Werke Gottes und die Tiefe seiner Gedanken, die der Prophet bewundert. Er heißt uns in Ehrfurcht annehmen, was nicht nach unsrem Wunsch geht und vom gemeinen Urteil sich so weit entfernt. Gott führt seine verborgenen Gerichte über Höhen, die unser Begreifen nicht erreicht, um unsern Gehorsam zu erproben.

V. 7. Ein Törichter glaubt das nicht. Dies wird ausdrücklich hinzugefügt, damit wir wissen, dass es an uns liegt, wenn wir den Gerichten Gottes nicht das schuldige Lob spenden. Denn wie tief dieselben auch sind, so verkündigt doch nunmehr der Prophet, dass wir es unsrer Gleichgültigkeit und Stumpfheit zuzuschreiben haben, wenn sie uns nicht durchsichtig werden. „Töricht“ müssen alle Ungläubigen heißen, - in einem zwischen den Zeilen zu lesenden Gegensatz zu den Gläubigen, welche Gott durch sein Wort und seinen Geist erleuchtet. Denn aller Menschen Herzen sind gleicher weise von dieser Unwissenheit und Blindheit erfüllt, bis uns durch göttliche Gnade die Augen geöffnet werden. Darum sollen wir Gott bitten, dass er unsre Augen wohl reinige, seine Werke zu betrachten.

V. 8. Wenn die Gottlosen grünen usw. In einem schönen und passenden Gleichnis lässt der Dichter seinen Spott über die Torheit ergehen, in der wir wähnen, dass die Gottlosen gleichsam über Gott selbst triumphieren, wenn sie nicht sofort gebändigt werden. Es liegt nun in diesen Worten ein Zugeständnis: man muss zugeben, dass sie grünen und blühen. Aber nun muss sich die sofort beigefügte Verbesserung einprägen: sie blühen nur für einen Augenblick wie das Gras. Denn ihr Glück verwelkt schnell. So hebt und beseitigt der Sänger klüglich den Anstoß, über den fast die ganze Welt strauchelt. Ist es doch ein gar törichter Glaube, dass Leute glücklich seien, welchen der nahe Untergang droht. An anderer Stelle (Ps. 129, 6) werden sie mit dem Gras auf den Dächern verglichen, welchem der fruchtbare Boden fehlt, aus welchem es Saft ziehen könnte, welches also von selbst zugrunde geht. Hier aber begnügt sich der Prophet mit einem einfacheren Gleichnis: das Glück der Gottlosen zieht schleuniges Verderben herbei, - wie das reife Gras die Sichel. Bemerkenswert ist der Gegensatz zwischen dem kurzen Bestande und der Vertilgung für immer und ewiglich. Sie werden also nicht abgeschnitten, damit im neuen Frühling ihre Wurzel wieder ausschlage, wie erstorbenes Gras neue Kraft gewinnt, sondern werden zu ewigem Verderben verurteilt. Dass (V. 9) im Gegensatz dazu der Höchste ewiglich bleibt, verstehen manche Ausleger als einen Hinweis auf sein Weltregiment, damit wir an keinen Zufall glauben, während doch ein gerechter Richter und Regent die Menschengeschicke leitet. Mir scheint aber der Prophet die Beständigkeit des Thrones Gottes dem stets wandelbaren Umtrieb der Welt gegenüberzustellen. Er will sagen: Ihr dürft Gott nicht nach der Welt beurteilen, in welcher nichts fest und beständig ist. Seine Weise ist eine ganz andere: schaut er doch von seiner Höhe unentwegt auf die irdischen Wandlungen herab. Damit soll nicht bloß Gott von den Kreaturen unterschieden werden, damit seine Majestät ihren Ehrenplatz behaupte. Auch wir sollen lernen, über uns und über die ganze Welt aufzusteigen, wenn wir über seine wunderbare und verborgene Vorsehung nachdenken: denn wer an der Erde haftet, dessen Blick muss sich im Schwindel verwirren. Damit unser Glaube nicht schwanke und wanke, stellt der Prophet uns den Herrn vor Augen, wie er auf seinem ewigen und unwandelbaren Throne sitzt, von welchem er zur passenden Zeit seine Gerichte übt. Dieser Lobpreis ergeht also nicht bloß, um Gottes Wesen zu ehren, sondern auch um unsern Glauben zu stützen. Er will uns einprägen: mögen die Gläubigen auf Erden ängstlich seufzen und zittern, so verharrt doch Gott, der Hüter ihres Lebens, in seiner Höhe und schützt sie mit ewiger Kraft.

10Denn siehe, deine Feinde, Herr, siehe, deine Feinde werden umkommen; und alle Übeltäter müssen zerstreuet werden. 11Aber mein Horn wird erhöhet werden wie eines Einhorns, und werde gesalbet mit frischem Öle. 12Und mein Auge wird seine Lust sehen an meinen Feinden; und mein Ohr wird seine Lust hören an den Boshaftigen, die sich wider mich setzen.

V. 10. Denn siehe, deine Feinde usw. Aus dem vorhergehenden Satz muss ergeben, dass der Herr seine Feinde endlich zu Boden schlagen wird. So wird noch deutlicher, was ich schon sagte, dass der Prophet lediglich beabsichtigt, unsern Glauben gegen alle Kämpfe zu wappnen. Insbesondere will er jenen Anstoß heben, weil viele vom rechten Wege sich abschrecken lassen, wenn sich ihnen das Glück der Gottlosen wie ein Nebel vor Gottes Richterwalten legt. Da es hier eines harten und schweren Ringens bedarf, bekräftigt der Prophet die Wahrheit seiner Lehre mit besonderem Nachdruck. Sehr gewichtig ist sowohl das hinweisende „Siehe“, als auch die Wiederholung der Worte. Zuerst verkündet er den Untergang der Feinde Gottes mit einer Sicherheit, die ihn gleichsam bereits mit Augen sieht. An zweiter Stelle bekräftigt er dies noch einmal. Wir sehen daraus, wie viel es ihm half, mit dem Blick des Glaubens über die Welt empor zu dringen und sein Auge auf Gottes himmlischen Thron zu richten. Zugleich erläutert der Prophet, welche Leute Gottes Feinde sind. Denn Gott hasst niemand ohne Grund: vielmehr umfasst er die Menschen, insoweit sie seine Geschöpfe sind, mit väterlicher Liebe. Da aber seiner Natur nichts mehr widerstrebt als Ungerechtigkeit, kündigt er unversöhnlichen Krieg wider alle Übeltäter an. Daraus dürfen die Gläubigen einen gewaltigen Trost schöpfen, wenn ihnen dies als Grund für den Untergang der Verworfenen angegeben wird, dass dieselben Gott verhasst sein müssen, der sich selbst ja nicht verleugnen kann. Kurz darauf erklärt auch der Prophet (V. 12), dass es seine Absicht war, mit eben dieser Hoffnung alle Übel, Schmerzen, Sorgen, Ängste und Beschwerden zu lindern. Dass Gott uns mit frischem Öle salben will, deutet auf die Segnungen, die er uns genießen lässt: dies Öl ist frisch, nicht ranzig noch durch Alter verdorben. Bemerkenswert ist auch, dass der Prophet die Gnade Gottes, die doch allen Frommen gemein ist, für seinen persönlichen Gebrauch in Anspruch nimmt: mein Horn wird erhöhet werden. Er gibt damit zu verstehen, dass die allgemeine Lehre so lange kalt bleibt, bis ein jeder von uns in der festen Überzeugung, dass er eines von Gottes Kindern ist, sich persönlich dieselbe aneignet. Endlich verspricht sich der Dichter Gottes Hilfe wider alle Belästigungen der Feinde, die ihn bald aus dem Hinterhalt, bald mit Gewalt angreifen: so hält er unermüdet aus im Kriegsdienst dieses Lebens.

13Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf Libanon. 14Die gepflanzt sind in dem Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unsers Gottes grünen. 15Und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, 16dass sie verkündigen, dass der Herr gerecht ist, mein Hort, und ist kein Unrecht an ihm.

V. 13. Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum. Jetzt lenkt die Rede zur allgemeinen, lehrhaften Aussprache zurück: obwohl der Herr die Seinen eine Zeitlang in vielen Widrigkeiten übt, mit Beschwerden belastet und mit Sorgen niederdrückt, so beweist er doch durch den letzten Ausgang, dass er sie nicht vergessen hat. Wir dürfen uns nicht wundern, dass der Prophet in diesem Stück so scharf über der Lehre hält: denn nichts ist schwieriger für die Heiligen, als die gute Hoffnung auf Wiederherstellung festzuhalten, während sie doch wie tot daliegen und ihr Leben verborgen ist. Der Vergleich mit Palmbäumen und Zedern will einfach besagen: wenn auch die Gerechten verdorrt und abgeschlagen sind, werden sie doch neue Lebenskraft gewinnen und wiedererstehen, so dass sie in der Gemeinde Gottes in nicht geringerer Herrlichkeit und Würde prangen, als die schönsten Bäume im Libanongebirge. Woher sie aber die Kraft zum Wachstum empfangen, wird ebenfalls gesagt (V. 14): sie sind gepflanzt in dem Hause des Herrn. Das heißt nicht nur, dass sie dort ihren Platz haben, was ihnen ja mit den Heuchlern gemein ist, sondern dass sie lebendige Wurzeln treiben, sich dort ganz und gar heimisch machen und an Gott sich klammern. Dass sie sich in den Vorhöfen befinden, ist eine Anspielung auf die Teilung des Tempels: nur die Priester durften das Heilige betreten, während das Volk im Vorhofe anbetete. Die Meinung ist also, dass Leute, die im Hause des Herrn gepflanzt sind, mit besonders tiefer Empfindung des Herzens dem Herrn sich verbunden haben: so kann ihr Glück nicht zerfließen, weil es nicht auf die Welt gegründet ist. Ohne Zweifel müssen sie in einem geistlichen und ewigen Leben grünen, weil sie ihre Wurzel in Gottes Vorhöfe senken. In diesem Sinne heißt es auch, dass sie fruchtbar und frisch bleiben, wenn sie gleich alt werden. Das Alter pflegt den Saft und die natürliche Kraft vertrocknen zu lassen. Aber es scheint, als erhöbe der Herr die Seinen über das Los der andern und stellte ihr Leben außerhalb des allgemeinen Naturgesetzes. So hören wir auch bei Jesaja (65, 20), dass in dem glücklichen Zustande der erneuerten Gottesgemeinde ein Greis von hundert Jahren noch als ein Knabe gelten solle. Wenn nach natürlichem Lauf das Leben sich zu Ende neigt, hebt es hier erst an. Das erfüllt sich, weil wir nach dem Tode noch ein himmlisches Leben haben.

V. 16. Dass sie verkündigen usw. Dieser Schlusssatz lässt vollends deutlich ersehen, dass der Prophet ganz darauf gerichtet ist, die Gläubigen zur Gemütsruhe auch in der größten Verwirrung anzuleiten. Sehen sie auch, wie sie selbst hart und rau behandelt werden, während die Verworfenen Reichtum und Herrschaft gewinnen, blühen und in Freuden und Ehren schwelgen, - so sollen sie geduldig warten, bis Gott zu seiner Zeit die Finsternis zerstreut und helle und klare Ordnung schafft. Dann dürfen sie den Herrn als gerecht erkennen. Denn solange er die Welt nicht nach unsern Wünschen lenkt, halten wir ihn nicht bloß für nachlässig, sondern für ungerecht, als verließe er seine Verehrer, während das Verbrechen frei walten darf. Wenn aber Gott seine Gerechtigkeit kundtut, indem er die Verworfenen straft, wird es zur Gewissheit, dass ihr Glück nur das Vorspiel schlimmsten Verderbens war. Indem der Prophet den Herrn anredet: „mein Hort“, schließt er sich wiederum in die Zahl derer ein, denen Gott seine Gerechtigkeit offenbart, indem er ihnen hilft.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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