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Calvin, Jean - Psalm 121.

Calvin, Jean - Psalm 121.

Inhaltsangabe:

Dieser Psalm will die Gläubigen ermuntern, auf die Hilfe Gottes zu vertrauen und zu ihm ihre Zuflucht zu nehmen. Darum verkündigt er zunächst, dass für uns, wohin wir uns auch wenden, sonst kein Heil zu finden ist, und preist dann mit herrlichen Worten die väterliche Fürsorge Gottes zur Bewahrung der Gläubigen.

Ein Stufenpsalm.

1 Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Von wo kommt meine Hilfe? 2 Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

V. 1. Ich hebe meine Augen auf usw. Zu Anfang scheint der heilige Sänger, wer es auch sein mag, die Rolle eines Ungläubigen zu spielen. Ist es doch des Glaubens Art, geradewegs und ohne Verzug die Augen auf Gott zu richten, gleichwie auch Gott mit seinen Segnungen den Gläubigen zuvorkommt und sich selbst ihnen darbietet. Der Sänger aber lässt seinen Blick nach allen Richtungen umherschweifen, als hätte er keinen Glauben, der ihn auf Gott hinwiese, bis sein Geist sich Zügel anlegt und sich in stiller Sammlung auf Gott richtet. So stellt er uns an seiner Person die Krankheit vor Augen, an der die ganze Menschheit leidet. Denn diese Torheit ist, wie wir wissen, uns allen angeboren, dass wir, wenn Furcht uns befällt, besonders wenn ernste Gefahren oder Versuchungen uns in Unruhe versetzen, hierhin und dorthin unsere Augen wenden, bis der Glaube uns von unseren Irr- und Umwegen zurückbringt und uns auf Gott allein weist. Denn nicht das unterscheidet uns von den Ungläubigen, dass wir nicht alle geneigt wären, dem Blendwerk zu glauben und uns betrügen zu lassen, sondern lediglich das, dass der Satan jene in seinem Zauberbann festhält, Gott aber unseren Naturfehler bessert und uns nicht lange umherfahren lässt.

Was der Prophet sagen will, ist ganz klar: wenn auch die mächtigsten Hilfsmittel der Welt sich uns darbieten, sollen wir doch kein Heil suchen außer Gott; ja, wenn die Menschen sich lange abgemüht haben, um da oder dort etwas zu erhaschen, was helfen soll, sie werden zuletzt doch erfahren, dass es keine sichere Hilfe gibt als bei Gott allein. Unter den Bergen nämlich versteht der Prophet alles, was hoch und herrlich ist in der Welt, wie wenn er sagte: mag die Welt mit ihrem Glanz uns anlächeln, so viel sie will, das alles soll uns nichts gelten. Aber die beiden Verse müssen zusammen gelesen werden: erst wenn ich meine Augen zu den Bergen erhoben habe, werde ich die Einsicht gewinnen, dass sie vergeblich nach einem Ruhepunkt suchen, bis sie ihn in Gott gefunden haben. Zugleich wollen wir beachten, dass Gott nicht ohne Grund als derjenige bezeichnet wird, der Himmel und Erde gemacht hat.Darin liegt nämlich ein versteckter Tadel über die Undankbarkeit der Menschen, wenn sie in dem Gedanken an seine Allmacht sich nicht beruhigen können. Würden sie ihn im Ernst als den Schöpfer anerkennen, so wären sie auch fest überzeugt, dass seine Kraft unbegrenzt ist, weil er die ganze Welt in seiner Hand hat und nach seinem Willen lenkt. Jetzt lassen sie sich von einem blinden Drang nach einer anderen Richtung treiben; so bringen sie ihn um sein Hoheitsrecht und um seine Herrschermacht. Das will in unserem Zusammenhang diese Benennung Gottes sagen.

Wir wiederholen den Hauptgedanken: Wiewohl wir uns von Natur ungebührlich viel Sorge machen, um für unser Übel Linderung oder Abhilfe zu suchen, besonders bei handgreiflicher Gefahr, so ist doch unser unruhiges Hin- und Herfahren vom Übel; wir müssen unsere Sinne zusammenfassen, dass sie an nichts anderes sich halten als an Gott allein.

3 Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen; und der dich behütet, schläft nicht. 4 Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht. 5 Der Herr behütet dich, der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand.

V. 3. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen.Um die Gläubigen zur Besinnung zu bringen und all den Lockmitteln, die den frommen Sinn ablenken, ihren bestrickenden Reiz zu nehmen, hebt der Prophet nachdrücklich hervor, wie uns alles das, was irdisch gesinnte Menschen bei der Welt zu suchen oder von der Welt zu erwarten gewohnt sind, in Hülle und Fülle zu Gebote steht, wenn wir nur Gott haben. Und da redet er nicht bloß von der Macht Gottes, sondern sagt, er sei so gegen uns gesinnt, dass wir in jeder Hinsicht gesichert sein sollen. Hebt man nämlich die Macht Gott hervor, so liegt vielen der Einwand auf der Zunge: ja, er kann wohl, wenn er will, aber über sein Wollen wissen wir nichts. Darum wird Gott den Gläubigen als Hüter oder Wächter vorgestellt, damit sie sich vertrauensvoll seiner Fürsorge überlassen. Wie nämlich der epikureische1) Wahn, dass Gott sich gar nicht um die Welt kümmere, alle Frömmigkeit erstickt, so gibt auch die unklare Vorstellung von einer göttlichen Weltregierung im Allgemeinen ohne den Glauben an eine besondere Fürsorge Gottes für jedes einzelne seiner Kinder den Gemütern keinen Halt und bringt zu keiner Ruhe. Jedenfalls werden wir nicht ernsthaft beten können, so lange der Glaube an die göttliche Bewahrung nicht fest und tief in unsern Herzen haftet. – Es heißt nun, Gott behüte uns, damit unser Fuß nicht gleite. Wohl kommen die Gläubigen manchmal ins Schwanken und Wanken; aber weil Gott mit seiner Kraft sie hält, kann doch von ihnen gesagt werden, dass sie aufrecht stehen. Und weil es bei den vielen Gefahren, denen wir von Augenblick zu Augenblick ausgesetzt sind, schwer hält, uns von Sorge und Furcht frei zu machen, so versichert uns der Prophet gleichzeitig, dass Gott ohne Unterlass Wache halte.

V. 4. Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.Um die Einzelnen auf den gemeinschaftlichen Bundesboden zu stellen, spricht der Dichter von der über die ganze Gemeinde sich erstreckenden Vorsehung Gottes. Denn wer für seine Person ein festes Vertrauen auf die Gnade Gottes gewinnen möchte, tut wohl daran, von der allgemeinen Verheißung auszugehen. Weil Gott nie schläft noch auch nur im Geringsten schlummert, so ist ganz und gar nicht zu befürchten, dass uns etwas zustoßen könnte, während er schliefe. Wir verstehen die Absicht des Propheten: um jeden Einzelnen davon zu überzeugen, dass Gott um ihn besonders sich kümmert, stellt er die dem ganzen Volke Gottes gegebene Verheißung vor uns hin und bezeugt es, dass Gott der Hüter seiner Gemeinde ist. Aus diesem Quell soll jeder ein Bächlein zu sich hinleiten. Und in eben dieser Absicht sagt er es noch einmal, indem er jeden für sich anredet: Der Herr behütet dich, - damit nur keiner Bedenken trage, das, was für ganz Israel gilt, sich persönlich zu nutz zu machen. Von Gott heißt es weiter: er ist dein Schatten,d. h. Bedeckung oder Schutz, über deiner rechten Hand.Wir haben ihn also nicht in weiter Ferne von uns zu suchen, sondern er ist bei uns und steht uns schützend zur Seite.

6 Des Tages wird dich die Sonne nicht stechen, noch der Mond des Nachts. 7 Der Herr behütet dich vor allem Übel, er behütet deine Seele. 8 Der Herr behütet deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.

V. 6. Des Tages wird dich die Sonne nicht stechen.Diese Worte machen uns darauf aufmerksam, was wir an der Gegenwart Gottes haben. Und zwar steht hier der Teil für das Ganze, d. h. in einer einzelnen Beziehung wird der göttliche Schutz erwähnt, um zu zeigen, dass die Gläubigen vor allem Unglück sicher sind. Immerhin hat die Rede einen bildlichen Zug: denn die Kälte der Nacht und die Hitze des Tages bezeichnen jedwede Art von Ungemach. Der Sinn ist also dieser: Wiewohl die Gläubigen ohne Unterschied den Nöten des menschlichen Lebens unterworfen sind, ist doch Gottes Schatten ihnen immer zur Seite, also dass sie keinen Schaden davon verspüren sollen. Es wird den Kindern Gottes freilich nicht verheißen, dass sie lauter Wonne und gar keine Beschwerde haben sollen, aber wohl wird ihnen zum Trost in ihrem Leid gesagt, dass sie, weil sie einen gnädigen Gott haben, vor jedem tödlichen Schaden sicher sein sollen. Die folgenden Verse führen das noch deutlicher aus: Gott werde die Seinen in der Weise vor allem Übel behüten,dass sie ihr Leben unversehrt davon bringen. Soweit die allgemeine Verheißung; der letzte Vers geht dann noch ein wenig ins Einzelne.

V. 8. Der Herr behütet deinen Ausgang und Eingang.Das heißt: was du auch beginnen magst in deinem ganzen Leben, wird wohl und glücklich von statten gehen. Obwohl Gott die Unternehmungen seiner Knechte allezeit mit seinem Geist leitet, handelt es sich hier vielleicht um einen frohen Zuruf in einem bestimmten Falle. Doch kann man auch bei dem allgemeineren Verständnis bleiben. Jedenfalls ist es unter allen Umständen eine gewisse Wahrheit, dass Gott seinen Knechten ein steter Führer sein und sie mit ausgereckter Hand durchs Leben geleiten will, wie sie` s begehren, vom Anfang bis zum Ende.

Es wird uns aufgefallen sein, dass der Prophet das, was er mit einem Worte schon deutlich genug gesagt hat, so oft wiederholt. Wir finden es überflüssig, das so einzuschärfen. Bedenken wir aber, wie schwer es hält, uns von unserem Misstrauen gegen Gott zu heilen, so müssen wir sagen: der Prophet hat wohl Grund, uns die göttliche Fürsorge so wichtig zu machen. Wie viele sind es denn, die Gott tatsächlich ehren als den Wächter und Hüter, die ihr Herz damit stillen und in Gefahren ihn anrufen? Es braucht ja nur ein Blatt zu rascheln, so fangen wir zu zittern an, als hätte Gott uns vergessen, auch wenn man meinen sollte, wir hätten eben noch die herrlichsten Erfahrungen von göttlicher Bewahrung gemacht! Weil wir denn so in Zweifel verstrickt und zum Misstrauen geneigt sind, so sollte dieser Psalm, wenn wir an seinen kurzen Sätzen noch nicht genug haben, uns veranlassen, alles, was hin und her in der Schrift über die Vorsehung Gottes sich findet, zusammenzustellen, bis dieses Hauptstück der biblischen Lehre tief und fest in unseren Herzen haftet, nämlich dass Gott allezeit Wache hält uns zu gut. Dann werden wir an seinem Schutz uns genügen lassen und allen Trugbildern der Welt den Abschied geben.

1)
Der griechische Philosoph Epikur (um 300 v. Chr.) lehrte, dass die Götter sich in ihrer seligen Ruhe durch Fürsorge für die Menschen nicht stören ließen.
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autoren/c/calvin/calvin-psalmen/psalm_121.txt · Zuletzt geändert: von aj
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