Zuletzt angesehen: Johannes, Kapitel 16

Johannes, Kapitel 16

Johannes, Kapitel 16

16:1 Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr euch nicht ärgert.

16:2 Sie werden euch in den Bann tun. Es kommt aber die Zeit, daß wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran.

16:3 Und solches werden sie euch darum tun, daß sie weder meinen Vater noch mich erkennen.

16:4 Aber solches habe ich zu euch geredet, auf das, wenn die Zeit kommen wird, ihr daran gedenket, daß ich's euch gesagt habe. Solches aber habe ich von Anfang nicht gesagt; denn ich war bei euch.1)

16:5 Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin?

16:6 Sondern weil ich solches geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden.

16:7 Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
Drei lang dauerte die wunderbare Zeit, wo Jesus in Fleisch und Blut den Jüngern sich gezeigt hatte. Sie hatten ihn lieb und lernten alles mögliche bei ihm, und doch konnte diese Art der Offenbarung nicht so weitergehen. Weder erlangten die Jünger unter dem mächtigen Einfluß seiner nahen Persönlichkeit die Selbständigkeit, die sie für ihren Weltberuf doch nötig hatten, noch auch ging ihnen das rechte Verständnis für das Geheimnis seiner Person auf. Und wenn er noch dreißig Jahre in Fleisch und Blut bei ihnen geweilt hätte, wären sie nicht viel weiter gekommen. Die Distanz fehlte. Erst in gewissem Abstand erkennt man die Größe eines Berges und genießt den Segen eines Lichts. Außerdem mußte die Offenbarung durch den Geist ihrem Geist mitteilen, Jesus mußte in ihnen Gestalt gewinnen, statt daß außer ihnen eine Gestalt stehen blieb, auf die sich ihre Gedanken hinwandten. Der Schauplatz der Offenbarung wurde aus Galiläa und Judäa in ihren eigenen Geist verlegt. - Im gewissen Sinn müssen wir auch dergleichen durchmachen; die Offenbarungen durch Eltern, Lehrer, Freunde, geistliche Führer, Bücher, müssen doch zuletzt alle weichen, wenn der Geist Christi die Führung in unserem Herzen selbst übernimmt.
Herr Jesus, du bist fortgegangen, um ewig bei den Deinen zu bleiben. Hebe uns auch auf eine solche Stufe, daß wir dich im Geiste recht verstehen und uns durch deinen Geist treiben und führen lassen. Offenbare dich, wie du willst; wenn wir dich nur mehr lieben und dich besser verstehen. Amen. (Samuel Keller)


Bisweilen liegt im Abstand die rechte Beurteilung und die rechte Kraft. In dem Fall, von dem unser Text handelt, ist es zu bekannt, als daß ich darüber ein Wort zu sagen brauche: durch Jesu Weggang ging er in den Tod und kam wieder als Lebensfürst, und als er seine Jünger zu Himmelfahrt verließ, kam er wieder durch die Innewohnung des Geistes. Da war es freilich gut für sie, daß er hinging. Es kann aber auch heute gut sein, wenn nach der ersten Glaubensstufe, wo das selige Gefühl leicht in Fleischesbegeisterung ausartet, ein Weggehen Jesu stattfindet. Durch den Abstand wächst das Verständnis für das, was man an ihm hat und wie es ohne ihn ist. Auf der zweiten Stufe ist der Glaube stärker und die Liebe treuer; nur haben Gefühle und Stimmungen weniger zu bedeuten. Der Gehorsam, seinen Willen tun, bekommt die Oberhand über gerührte Andacht. Gotteskinder lernen in dunklen Stunden, wo sie meinen, Jesus wäre fortgegangen, mehr von seiner Kraft und Liebe kennen, als wenn alles glatt und leicht geht. Jedesmal, wenn er in diesem Sinn weggeht, schafft uns der Schrecken besser voran als alle süßen Stunden. Wir lernen ihn behalten, auch wenn wir gar nichts fühlen von seiner Macht!
Wie du uns gerade erziehen willst, Herr Jesus Christus, das können wir dir nicht vorschreiben. Aber auf alle Fälle stärke uns den Glauben an deinen Liebeswillen. Mögen die Zwischenräume größer oder kleiner sein, wo wir dich nahe fühlen du bleibst doch bei uns und wir bei dir in Ewigkeit! Amen. (Samuel Keller)

16:8 Und wenn derselbe kommt, wird er die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht:
Es ist ein großer Beweis von der ewigen und höchsten Gottheit Jesu Christi, daß Er den Tröster, den Heiligen Geist sendet, wie Ihn der Vater sendet: wenn Er Ihn aber sendet, so kommt Er, und wenn Er kommt, so straft Er die Welt, oder überzeugt sie von einer Wahrheit, welche ihr vorher ganz unbekannt gewesen war, oder welche sie wenigstens nicht hatte glauben können. Die Apostel des HErrn wurden in eine wider Jesum und sie selbst feindselige Judenwelt, und in eine abgöttische Heidenwelt ausgesandt, um das Evangelium zu predigen, und eine christliche Kirche zu pflanzen. Welch’ eine Beredtsamkeit, welch’ eine künstliche Disputirkunst, welche Versprechungen für das Fleisch, welchen Beistand mächtiger Obrigkeit hätte Mancher gefordert, um hier etwas auszurichten. Allein der Heiland verhieß Seinen Aposteln anstatt aller dieser unkräftigen Mittel einen göttlichen Geist, der ihnen beistehen, und die Welt durch ihr Wort von der Sünde, von der Gerechtigkeit, von dem Gericht, folglich von der ganzen Wahrheit des Evangelii überzeugen werde. Die Geschichte der Apostel bezeugt auch, daß der HErr Jesus diese Verheißung erfüllt, und dadurch große Dinge ausgerichtet habe. Paulus deutete auch darauf, indem er 1 Kor. 2,4. schrieb: mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft. Und 2 Kor. 10,4.5.: die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich, (und schwach) sondern geistlich und mächtig vor Gott, zu zerstören die Befestigungen; damit wir zerstören die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebet wider das Erkenntniß Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi. Wenn nun auch heut zu Tag ein Lehrer oder Zuhörer über der Ausbreitung des Reichs in der Christen-Juden-mahomedanischen oder heidnischen Welt bekümmert ist, so bete er um die Zukunft des Trösters, und überlasse sich diesem, wenn er sich von Gott als ein Werkzeug brauchen lassen will. Dieser Tröster muß es thun, wenn etwas gethan werden soll, auf diesen Tröster muß man sich verlassen, und Ihm die Ehre geben. Aber die Menschen, die Ihn nicht kennen, suchen freilich viele Künste (Pred. Sal. 7,30.), und richten damit nichts aus, das Gott gefiele. Freilich muß dieser Tröster zuerst den Prediger in alle Wahrheit leiten, und Jesum in ihm verklären (Joh. 16,13.14.), hernach aber wird er durch das Wort des Predigers auch an der Welt seine Kraft beweisen. Ueberzeugen wird er die Welt, daß dasjenige, was in der Bibel von der Sünde, von der Gerechtigkeit, und von dem Gericht bezeugt wird, wahr sei. Er wird sie so überzeugen, daß sie Alles auf sich selber wird deuten, und theils mit einem tiefen Schmerz, theils aber mit Wonne einsehen können, daß sie selbst gemeint sei. Aus dieser kräftigen Ueberzeugung entstehen Buße, Glaube und neuer Gehorsam, und so wird dem HErrn ein Volk des Eigenthums bereitet, an dem Er Seine Lust sieht. Im Vertrauen, daß der Heilige Geist immer so durch’s Wort wirksam sei, kann man noch jetzt das Predigtamt in der Welt getrost verwalten, und in eben diesem Vertrauen die Bekehrung Vieler, die noch zur Welt gehören, hoffen. Der Heiland lasse auch in unsern Tagen diese Hoffnung an Vielen erfüllet werden. (Magnus Friedrich Roos)

16:9 um die Sünde, daß sie nicht glauben an mich;

16:10 um die Gerechtigkeit aber, daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht sehet;
Das ist ja eine wunderliche Gerechtigkeit, daß wir sollen gerecht heissen, oder Gerechtigkeit haben, welche doch kein Werk, kein Gedanken, und kurz, gar nicht in uns, sondern gar ausser uns in Christo ist, und doch wahrhaftig unser wird durch seine Gnade und Geschenk, und sogar unser eigen, als wäre sie durch uns selbst erlanget und erworben. Diese Sprache könnte freilich keine Vernunft verstehen, daß das soll Gerechtigkeit heissen, da ich nichts thue, noch leide, ja nichts gedenke, noch fühle, oder empfinde, und gar nichts in mir ist, um deßwillen ich Gott gefällig und selig werde, sondern, ausser mir und aller Menschen Gedanken, Werken und Vermögen, mich halte an den Christum, droben zur Rechten Gottes sitzend, den ich doch nicht sehe.
Aber der Glaube soll solches fassen, und sich darauf gründen und deß trösten in Anfechtung, da der Teufel und sein eigen Gewissen mit ihm also disputirt: Hörest du, was bist du für ein Christ? Wo ist deine Gerechtigkeit? Siehest und fühlest du nicht, daß du ein Sünder bist? Wie willst du denn vor Gott bestehen? – daß er hier wider sich auf diesen Spruch gründe und sage: Ich weiß sehr wohl, daß ich leider Sünde habe, und bei mir keine Gerechtigkeit (die vor Gott sollte gelten); ich soll und will sie auch bei mir nicht suchen noch wissen; denn damit würde ich nimmer vor Gott können kommen. Aber hier höre ich, daß Christus saget, daß meine Gerechtigkeit sei die, daß er einen Gang zum Vater gethan und gen Himmel gefahren. Daselbst ist sie hingesetzt, da sie mir der Teufel wohl muß bleiben lassen; denn er wird Christum nicht zu einem Sünder machen, noch seine Gerechtigkeit strafen oder tadeln. Bin ich ein Sünder, und mein Leben vor Gott nicht bestehet, und keine Gerechtigkeit in mir finde: so habe ich aber einen andern Schatz, welcher ist meine Gerechtigkeit, darauf ich rühme und trotze. Das ist dieser Gang Christi zum Vater, welchen er mir gegeben und geschenket hat. Was mangelt demselben, oder was kannst du daran tadeln? – Ja, siehest du doch und fühlest nichts davon! Antwort: Ja, eben also deutet und beschreibet er selbst die Gerechtigkeit, daß ich sie nicht fühlen, sondern mit dem Glauben fassen soll an dieß Wort Christi, da er spricht: daß ihr mich nicht sehet. Was dürfte ich sonst des Glaubens, wo ich solches gegenwärtig sehen, oder in mir selbst empfinden und fühlen könnte?
Darum lerne diesen Spruch wohl, daß du daraus könntest einen dürren Unterschied machen zwischen der Gerechtigkeit, die da heisset Christi, und aller andern, so man mag Gerechtigkeit nennen. Denn hier hörest du, daß die Gerechtigkeit, da Christus von sagt, nicht ist unser Werk noch Thun, sondern sein Gang oder Himmelfahrt. Nun ist es ja klar und greiflich, daß die zwei weit und ferne von einander sind. Unser Werk ist ja nicht Christus: so ist sein Gang nicht unser Thun noch Werk. Denn, was habe ich oder einig Mensch darzu gethan, daß er zum Vater gehet, das ist, daß er leidet und stirbt, und wieder auferstehet und sitzet zur Rechten Gottes? (Martin Luther)

16:11 um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.2)

16:12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Es waren die Jünger bereits eine ziemliche Zeit in der Schule Christi und hatten manche Wahrheiten gelernt und gefaßt; gleichwohl sagt ihnen Christus, daß sie noch vieles zu lernen hätten, welches sie aber noch nicht tragen könnten. Christus hätte es ihnen zwar wohl sagen können, daß sie es hätten auswendig lernen, oder nach dem menschlichen lngenio oder auch Judico hätten verstehen können. Aber es war bei ihnen die Zeit noch nicht, da sie starke Speisen vertragen konnten. Gleichwie nun für Anfänger Milch gehört, also muß man noch immer auch bei weiterm Fortgang unter den Dingen, die man lernen soll, einen Unterschied machen. Christus hat in der Information seiner Jünger bis zu der Ausgießung des heiligen Geistes die Methodum subjectivum gebraucht. Es ist aber die methodus subjectiva, da man sich in der Information nach der Capacitate subjectorum accommodirt. Es giebt aber eine zweifache Capacität, die durch die Cultur kommt, und eine Capacität, die mit den Jahren kommt; denn es ist auch natürlicher Weise nicht alle Fassungskraft zugleich da, wie man z. B, die Zähne nicht gleich mit auf die Welt bringt, sondern man bekommt sie erst eine Zeit lang hernach, und zwar nicht alle zugleich, sondern successive. Die besondern Seelenkräfte wollen ihre gewisse Zeiten haben. Ich wünschte deßwegen, daß in der Psychologia empirica in dem Unterschied des Alters die besondern Kräfte und Neigungen bemerkt und angezeigt werden möchten. Es können daher Lehrer und Lernende fehlen, wenn sie meinen, es müsse diese oder jene Sache präcis jetzt gelernt werden. Es wäre aber ein großer Vortheil, wenn man nach der Capacität untersuchte, welche Sache jetzt, und welche Sache jetzt noch nicht gelernt werden sollte, und wenn man Alles auf die rechte Zeit würde anstehen lassen. Nach dem gegenwärtigen Status fordert man zwar Manches, welches außer der rechten Zeit ist; weil aber der Status Keinem die Capacität mittheilt, so ist man bei manchem Subjekt genöthigt, von dem Status abzugehen, und eine gewöhnliche Sache jetzt zu unterlassen, und sie auf eine andere Zeit anstehen zu lassen. (Johann Friedrich Flattich)


Wenn Jesus uns ein Wort sagt, dann gibt's daran etwas zu tragen. An manchen geheimnisvollen Worten tragen wir lebenslang. Den Jüngern hat er wohl das, was er jetzt in weiser Schonung und Zurückhaltung noch nicht sagte, zwischen Ostern und Himmelfahrt mitgeteilt, und manches andere hat ihnen nach Pfingsten der Geist unter der Entwicklung der Gemeinde und unter dem Gang der Ereignisse klar gemacht. Man kann aber auch von unserem Leben mit Jesus sagen: es gab Stufen, auf deren tiefster wir nicht hätten tragen können, was die höchste uns selbstverständlich macht. Denke nur an die Stellung zum Leiden und zur Selbsthingabe! Was haben wir da im Lauf der Jahre für eine Wandlung durchgemacht. Nur sei ebenso zurückhaltend in der Art, wie du deinen Wahrheitsbesitz Kindern und unreifen Christen offenbarst. Sie können auch nicht alles tragen, was dir langsam wertvoll und groß geworden ist. - Aber es ist noch ein Gedanke in unserem Text: er hat auch uns alten Christen noch viel zu sagen, wofür wir jetzt nicht reif sind. Darauf freuen wir uns, daß die Ewigkeit dafür lang genug, und wir dann stark genug zum Tragen sein werden.
Wir danken dir, Herr Jesus, für alles, was du uns jetzt sagst und für alles, was du uns jetzt verschweigst. Wir können über dem, was wir haben, warten in Geduld auf das, was du uns später geben kannst und willst. Gelobt seist du, O Christus! Amen. (Samuel Keller)

16:13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkünden.
Der Religionsunterricht ist in den hohen und niederen Schulen unter den Christen so eingerichtet, daß man die Schüler ohne einen langen Aufenthalt durch alle Artikel des christlichen Glaubens durchführt, und von ihnen fordert, daß sie dieselben nach der angehörten Auslegung verstehen sollen. Die Mäßigung, die man hiebei beobachtet, besteht meistens nur darin, daß man auf diejenige Fähigkeit der Schüler sieht, welche von den Kräften der Natur und von ihrem Alter bestimmt wird, und sich im Unterricht darnach richtet. Die Lehrart des HErrn Jesu war gar anders. Er sagte Seinen Jüngern innerhalb zwei Jahren und etlichen Monaten nicht Alles vor, was sie wissen sollten, sondern richtete sich hierin nach ihrer geistlichen Fähigkeit, oder nach dem Maß ihrer von Gott empfangenen Erleuchtung, und sagte zuletzt: Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnet’s jetzt nicht tragen, oder fassen. Warum nicht? Fehlte es ihnen an der natürlichen Fähigkeit? Diese war aber nach etlichen Wochen ebenso beschaffen, wie sie damals war. Fehlte es ihnen an der Reife des Alters? Diese Reise hatte aber nach etlichen Wochen nicht merklich zugenommen. Oder hatten sie etwa die Anfangsgründe der christlichen Lehre, welche zur Erläuterung der übrigen Artikel nöthig sind, noch nicht gefaßt? Sie hatten sie gefaßt, und es wäre dem lieben Heiland nicht schwer gewesen, das Uebrige schlußmäßig daraus herzuleiten. Wo fehlte es denn den Aposteln, daß sie Vieles von der evangelischen Wahrheit noch nicht tragen konnten? Es fehlte ihnen an einem reicheren Maß der Gabe des Heiligen Geistes. Warum gab ihnen aber der Heiland dieses reichere Maß nicht vor Seinem Leiden? Weil es nicht ziemend gewesen wäre, und weil sie durch die zermalmende Traurigkeit und Angst, von welcher Er Joh. 16,20.21.22. redet, derselben vorher fähig werden mußten.
Lasset uns aber hieraus lernen, wie auch wir zur Erkenntniß der seligmachenden Wahrheit gelangen können. Es ist nicht genug, daß wir uns Worte vorsagen lassen, oder solche in Büchern lesen. Auch uns muß der Geist der Wahrheit in die Wahrheit einleiten, welcher deßwegen in Ansehung aller Glaubigen Eph. 1,17. ein Geist der Weisheit und der Offenbarung zur Erkenntniß Gottes heißt. Lasset uns also, wenn wir merken, daß uns Weisheit mangle, nicht nur zu Menschen laufen, welche freilich oft Gottes Werkzeuge zu unserer Belehrung sind, aber lasset uns nicht nur auf diese Werkzeuge sehen, sondern vor allen Dingen unsere Herzen und Hände zu Gott erheben, und Ihn um Licht, um Weisheit, ja um den Geist der Weisheit und Wahrheit bitten. Lasset uns auch nicht darauf stolz sein, daß wir die Bibel und andere gute Bücher haben, und lesen können; denn die Bibel nützt uns nichts ohne den Heiligen Geist, gleichwie uns auch der Heilige Geist nichts Anderes lehren wird, als was in der Bibel steht. Lasset uns auch nicht alsbald satt sein, wenn uns etwas von dem Evangelio klar und kräftig worden ist. Die Jünger Jesu durften auch bei dem Maß der Erkenntniß, welche sie vor dem Tod Jesu hatten, nicht stehen bleiben, sondern mußten weiter fortschreiten. Aber auch dieser Fortschritt geschieht durch den Heiligen Geist. In alle Wahrheit will Er uns leiten, damit wir vollkommen oder zu allem guten Werk tüchtige Christen werden. Es geschehe also zur Ehre Gottes.(Magnus Friedrich Roos)


Die Wahrheit ist gleich einer weiten Höhle, in die wir hineinzugehen wünschen, aber wir sind nicht im stande, sie allein zu durchwandern. Am Eingang ist sie klar und hell; aber wenn wir weiter gehen und ihre innersten Räume durchforschen wollen, müssen wir einen Führer haben, sonst verirren wir uns. Der Heilige Geist, der alle Wahrheit vollkommen kennt, ist der verordnete Führer aller wahren Gläubigen, und Er führt sie, je nach ihrer Fähigkeit dies zu ertragen, von einer Kammer in die andre, so daß sie die „tiefen Dinge Gottes“ (1. Kor. 2,10) sehen und sein Geheimnis ihnen klar gemacht wird.
Was für eine Verheißung ist dies für den demütig forschenden Geist! Wir wünschen die Wahrheit zu kennen und in sie einzudringen. Wir sind uns unsrer Geneigtheit zum Irregehen bewußt und fühlen die dringende Notwendigkeit eines Führers. Wir freuen uns, daß der Heilige Geist gekommen ist und unter uns bleibt. Er läßt sich herab, unser Führer zu sein, und wir nehmen froh seine Führerschaft an. „Alle Wahrheit“ wünschen wir zu lernen, um nicht einseitig und aus dem Gleichgewicht zu sein. Wir möchten nicht gern über irgend einen Teil der Offenbarung in Unwissenheit bleiben, aus Furcht, daß wir dadurch eines Segens verlustig gehen oder Sünde auf uns laden könnten. Der Geist Gottes ist gekommen, auf daß Er uns in alle Wahrheit leite: laßt uns mit gehorsamem Herzen auf seine Worte merken und seiner Führung folgen. (Charles Haddon Spurgeon)


Die ganze Wahrheit verheißt mir Jesus und die Größe jener Verheißung bringt mich wieder zum Staunen. Denn ich weiß ja, was für eine Mischung ich in mir trage, Richtiges und Verkehrtes, Wahres und Einbildung. Ich erlebe es beständig, dass meine Gedanken durch den Fortgang der Ereignisse berichtigt werden und die Dinge später anders aussehen als dann, wenn ich handle. Aber mein Staunen hat wieder seinen Grund darin, dass ich mich selbst beschaue und in mir selbst meinen Stützpunkt suche. Jesus hat nicht seinen Jüngern gesagt, dass sie die ganze Wahrheit in sich tragen. Das sagt er vom Geist Gottes, der sie führt. Nun ist deutlich: hier gibt es nur Grund zum Danken und nur die entschlossene Willigkeit, der Leitung des geistes zu gehorchen. Gerade weil die Christenheit nur schrittweise voran kommt und in ihrem inneren Leben ein beständiges Sterben erfährt, da ihre Gedanken verwelken und ihr Verhalten sich wandeln muss, hat ihr Jesus gesagt: Ich lasse euch nicht allein, sondern gebe euch einen Führer, und dieser ist nicht halbblind und nur mit einem Stück der Wahrheit eins, sondern die ganze Wahrheit ist sein Eigentum. Wir haben dringend einen Maßstab nötig, an dem wir die Gaben des Geistes erkennen. Wahrheit, nichts als sie, lautere, ungemischte Wahrheit, sagt uns Jesus, ist das, wodurch der Geist euch regiert. Alles, was unecht und künstlich ist, stammt nicht aus dem Geist. Darum gibt es aber auch keine Lage, in der uns der Geist nicht leiten könnte, die etwas anderes von uns forderte, als dass wir seiner Führung gehorsam seien. Folge dem Geist; er führt dich nicht in Selbsttäuschung, sondern befreit dich von ihr, und leitet dich nicht auf schwankende, unsichere Wege, sondern macht deinen Gang gerade und sicher. Darum gib gern deine Meinungen und Gewohnheiten auf, wenn der Geist dir sagt: tu sie weg; du verlierst nichts; und öffne seine Seele mit herzlichem Begehren für das, was der Geist dir zeigt. Denn das, was er dir gibt, ist Wahrheit und nichts als sie.
Dich, der Du das Licht der Welt bist, will ich loben und meine dunkle Seele zu Dir bringen, damit Du Deinen Schatz in sie legst, Deine Wahrheit, die meine Eitelkeit vertreibt und meine falsche liebe reinigt, dass ich in der Leitung Deines Geistes Deinen Willen tue. Amen. (Adolf Schlatter)


In diesen letzten Reden des Heilandes an seine Jünger gab er ihnen einen reichen Aufschluß über etwas, das sie damals noch in keiner Weise aus Erfahrung kannten, das aber als Verheißung vor ihnen lag: über das Werk des Heiligen Geistes an ihnen und durch sie. In bestimmter Weise verheißt der Herr, daß dieser kommen werde: „Ich will ihn zu euch senden“ (V. 7). Köstliches „Ich will!“ In leicht verständlicher Weise beschreibt ihnen der Heiland, wie der Geist eine wundersame, unsichtbare aber wirkliche, lebendige Verbindung zwischen ihnen und dem unsichtbaren Throne der Dreieinigkeit herstellen werde: „was er hören wird, das wird er reden und … euch verkündigen“ (V. 13b). Der Geist ist also der heilige Mittler und Dolmetscher Gottes und Jesu an die Jünger Jesu. Und ebenso einfach beschreibt der Heiland, worin die Haupttätigkeit des Geistes bestehen solle, nämlich in einem doppelten: in dem verklärenden Zeugnis von Jesu in den Jüngern und in dem kraftvollen Zeugnis über Jesum an die Welt.
„Er wird zeugen von mit“, (V. 26). „Er wird euch in alle Wahrheit leiten“ (V. 13). „Er wird mich verklären“ (V. 14), „Von dem Meinigen wird er es nehmen und euch verkündigen“ (V. 14b). Das ist offenbar die Haupttätigkeit des Geistes, weil sie uns mit so reicher Fülle beschrieben wird. Schon in Kap. 14,26 hatte der Herr etwas ähnliches verheißen: „er wird euch alles lehren und euch erinnern alles deß, das ich euch gesagt habe.“ Es ist das Werk des Geistes vor allem andern, die Jünger mit dem Reichtum und der Herrlichkeit in Jesu bekannt zu machen, ihr inneres Auge dafür zu öffnen und ihr Herz damit zu füllen. Es ist eine Notwendigkeit, daß der Geist dieses Werk tut. Kein anderer als er kann es tun. Kein Mensch kann Jesum einem Herzen verklären; nur die Gotteskraft des Heiligen Geistes vermag es. Aber auch um der Jünger selber willen ist das Werk der Verklärung Jesu in den Herzen durch den Geist notwendig. Wenn das Herz nicht voll Jesu Licht ist, wie soll einer für ihn zeugen? Das Lampenlicht der menschlichen Vernunft und des irdischen Verstandes mag an Jesu manches Gute und Schöne sehen; zu einem lebendigen und dauernden Zeugnis von ihm reicht es nicht aus. Und vor allem reicht es nicht aus zum Festhalten an Jesu im Leiden. Nur wo der Geist ein Herz für Jesum entzündet hat, ist ausreichende Gotteskraft im Herzen, um Not und Tod um Jesu willen willig zu tragen. Wie gut ist es darum, daß das Werk des Heiligen Geistes eine absolut sichere Sache ist! Er wird es tun! Beachten wir die feste und gewisse Sprache in den Verheißungsworten Jesu! Die Geschichte bestätigt es, daß er es getan hat. Die Jünger nach Pfingsten sind ja nur erklärbar, wenn wir wissen, daß sie voll Heiligen Geistes waren. Aber auch die große Wolke von Zeugen, die seitdem für Jesum zeugte mit Worten und Leiden, die für ihn wirkte und seinetwillen das Leben hingab, ist nur verständlich auf Grund der Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Gottlob, daß dies auch für uns eine sichere Tatsache ist! Er will auch uns Jesum verklären und er hat es getan, wo immer unser Herz ihm offen war. Wenn wir aber wünschen, mehr von Jesu und an ihm zu haben, als wir haben, so ist uns hier der Weg zum Fortschritt der Erkenntnis Jesu klar gezeigt: der vom Herrn verheißene „Paraklet“ (Tröster) will es tun. Bitten wir darum den himmlischen Vater um ein stetig wachsendes Wirken des Geistes an uns, und wir werden freudig bemerken, daß unser Gott eine gewisse Arznei hat für unsere innere Armut. Es ist ja ein unsichtbarer, aber gewisser Mittler da zwischen Gott und uns, der uns vom Himmel her göttliches Licht ins Herz spricht, und das ist der Geist, dessen Wirken der Herr so deutlich beschreibt.
Laßt uns nun sehen, was der Herr vom Wirken des Geistes auf die Welt sagt. „Er wird die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht“ (V.8). Auch diese Worte sind wahrhaftig und gewiß: „Er wird es tun!“ Auch sie enthalten einen großen Trost für die Jünger Jesu. Wenn sie auch selber das Bild Jesu verklärt im Herzen tragen, so hätten sie doch noch keine Gewißheit, daß ihr Zeugnis an die Welt Erfolg bei ihr haben werde. Aber sie hören: derselbe Geist, der sie in alle Wahrheit leitet, wirkt auch mit überführender Macht und Kraft auf die Welt; er wirkt auf sie, daß ein Resonanzboden geschaffen wird für das Zeugnis aus dem Herzen der Jünger Jesu; er macht Herzen willig und empfänglich, so daß das Zeugnis von dem kündlich großen Geheimnis in der Welt Glauben findet. Welch ein Trost liegt für alle Zeugen Jesu in diesem Bewußtsein: es ist ein Helfer da, der eurem Zeugnis mit unsichtbarer Gotteskraft vorarbeitet und der es begleitet und ihm Nachdruck gibt! Gewiß, der Heilige Geist ist der mächtigste Bußprediger Gottes an die Welt. Er zeigt ihr genau, worauf es ankommt; durch ihn weiß sie, daß sie sündigt, indem sie nicht an Jesum glaubt, sie weiß, daß Jesus unsichtbar im Himmel ist, aber alle gerecht macht, die an ihn glauben; sie weiß, daß ihr - der Welt - Fürst gerichtet ist und sie mit ihm. Wie gewaltig und klar ist somit das Zeugnis des Geistes an die Welt! Wie dankbar können wir sein, daß er diese Arbeit tut! Unser Zeugnis ist eine geringe Sache im Vergleich zu der gewaltigen, herzen- und gewissenerschütternden Macht, die von ihm ausgeht. Wie sollten wir Gott bitten, daß dieses Zeugnis des Geistes an die Welt nicht aufhören möge, daß er vielmehr kraftvoll fortwirken möge. Er möge über der finsteren, dunklen Menschenwelt lagern, wie er einst am Morgen der Schöpfung über der Finstererde des Anfangs schwebte, dann wird Leben aus dem Tode hervorkommen.
Laßt uns ernstlich auf die Worte aufmerken, die der Herr über die Wirksamkeit des Geistes spricht! Die Welt unserer Tage ist so finster und verloren, daß es uns antreiben muß, eine kraftvolle Wirkung des Heiligen Geistes auf sie zu erflehen. Und die Herzen der Gläubigen - unsere Herzen - sind vielfach so wenig der Klarheit Jesu voll, sind vielfach so arm, daß es als ein gellender Notschrei herausklingen müßte: Herr Jesu, werde in uns verklärt! Die Verheißung aber des Herrn ist heute ebenso wahrhaftig und gewiß, Ja und Amen, wie in den Tagen der Apostel; möge sie auch „durch uns Gott zu Lobe“ als solche sich erweisen! (unbekannt)

16:14 Derselbe wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen.
Als es an dem war, daß der HErr Jesus die Welt verlassen und zum Vater gehen wollte, so bat Er Seinen Vater, Joh. 17,5.: verkläre Du Mich, Vater, bei Dir selbst, mit der Klarheit, die Ich bei Dir hatte, ehe die Welt war. Vorher aber weissagte Er von dem Geist der Wahrheit, daß Er kommen und Ihn verklären werde. Joh. 16,13.14. Jene Verklärung bei dem Vater hatte ihren Bezug allein auf Seine menschliche Natur, und war dem Stand Seiner Erniedrigung entgegengesetzt: diejenige Verklärung aber, von welcher Christus Joh. 16,14. geredet hat, und welche ein Werk des Heiligen Geistes ist, geschieht in den Herzen der Menschen, die der Heilige Geist erleuchtet und tüchtig macht, Jesum zu erkennen und anzubeten. Sie ist also der Unwissenheit und dem Unglauben der Menschen entgegengesetzt, und bezieht sich auf Christum, insofern Er Gott und Mensch ist. Er selbst sagte Joh. 17,4. zu Seinem Vater: Ich habe Dich verkläret auf Erden, und erläuterte diese Worte V. 6. so, daß Er sagte: Ich habe Deinen Namen offenbaret den Menschen, die Du Mir von der Welt gegeben hast. Auf eben diese Weise verkläret Ihn der Heilige Geist nach Seinem Hingang zum Vater. So lange Er auf Erden war, sagte Er nie geradezu: Ich bin Gott, weil ein solcher Ausspruch Seinem damaligen Stand nicht gemäß war: auch redete Er nur kurz, sparsam, und zuweilen mit verblümten Worten von dem Nutzen Seines Leidens und Todes. Doch handelte und redete Er als Gott. Er übte über die Geschöpfe die höchste Gewalt aus, Er versprach, was nur Gott versprechen kann, Er gebot, was nur Gott gebieten kann, Er redete von Sich als dem eingebornen Sohn Gottes, Er gab auch immer zu verstehen, daß man allein durch Ihn als den Mittler selig werden könne. Bei diesem Allem blieb noch viel Dunkelheit in den Herzen der Menschen übrig, wie man’s auch an den Apostel wahrnehmen kann, welche doch die verständigsten unter Seinen Zuhörern waren. Der HErr Jesus sagte auch selber Joh. 16,12. zu ihnen: Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnet’s jetzt nicht tragen, setzte aber hinzu: wenn aber Jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten – derselbige wird Mich verklären, das ist: derselbige wird euch die völlige Erkenntniß Meiner schenken, deren ein Mensch auf Erden fähig sein kann. Wir können auch wahrnehmen, daß diese Verheißung an den Aposteln erfüllt worden sei, und daß deßwegen in ihren Schriften von der Person und dem Mittleramt Jesu viel deutlicher geredet sei, als der HErr Jesus selbst wegen der Schwachheit seiner Zuhörer hat reden können.
Doch sollen wir nicht meinen, daß die Verklärung Jesu durch den Geist der Wahrheit nur den Aposteln verheißen worden sei. Bei ihrem Vorzug, den wir gern eingestehen, haben sie selber gezeugt, daß wer selig werden wolle, Jesum Christum erkennen und an Ihn glauben solle. Sie haben aber auch gelehrt, daß dieser Glaube nicht durch vernünftige Worte einer menschlichen Weisheit, sondern durch den Geist der Wahrheit vermittelst des Evangelii hervorgebracht werde. Wir wollen also den himmlischen Vater bitten, daß Er Seinen Sohn durch Seinen Geist noch mehr in uns offenbare und verkläre; wir wollen auch den Sohn Gottes, Jesum Christum, bitten, daß Er den Vater noch mehr in uns offenbare und verkläre, wozu Er Sich selbst Joh. 17,1. anheischig gemacht hat.(Magnus Friedrich Roos)


Der Heilige Geist selber kann den Herrn Jesus nicht besser verklären, als indem Er uns das zeigt, was Christus ist. Jesus ist sich selbst die beste Empfehlung. Er kann nicht anders geschmückt werden, als mit seinem eignen Golde.
Der Tröster zeigt uns das, was Er von unsrem Herrn Jesus empfangen hat. Wir sehen niemals etwas richtig, bis Er es offenbart. Er hat eine Weise, unser Verständnis zu öffnen und die Schrift zu öffnen, und durch dieses beides stellt Er uns unsren Herrn dar. Es liegt viel Kunst in der Darstellung einer Sache, und diese Kunst ist im höchsten Grade dem Geist der Wahrheit eigen. Er zeigt uns die Dinge selbst. Dies ist ein großes Vorrecht, wie diejenigen wissen, welche sich der heiligen Vision erfreut haben.
Laßt uns die Erleuchtung des Geistes suchen; nicht um unsre Neugierde zu befriedigen, nicht einmal um uns persönlich Trost zu bringen, sondern um den Herrn Jesus zu verklären. Niedrige Vorstellungen verunehren unsren teuren Herrn. O, daß wir so lebhafte Eindrücke von seiner Person, seinem Werk und seiner Herrlichkeit empfingen, daß wir mit Herz und Seele jauchzten zu seinem Preise! Wo ein durch des Heiligen Geistes Lehren bereichertes Herz ist, da wird ein über alle Worte hinaus verklärter Heiland sein. Komm, Heiliger Geist, himmlisches Licht, und zeige uns Jesus, unsren Herrn. (Charles Haddon Spurgeon)


Ob die Taufe mit Heiligem Geiste etwas sei, dessen man sich ganz bewusst und darin man gewiss sein könne, fragen manche. Ja, gewiss ist dem so! Sie ist ein so kräftiges Werk Gottes, dass alle Zweifel ausgeschlossen sind, wo sie stattgefunden hat. Der geisterfüllte Jünger ist ein so ganz anderer, dass die selige Veränderung nicht verborgen bleiben kann. Er selbst ist sich dessen klar bewusst, was geschehen ist, und andere erkennen es aus seinem Wesen und aus seinem Wandel, dass etwas herrlich Großes mit ihm vorgegangen ist. So etwas göttlich Neues mit so durchgreifenden Wirkungen und Folgen, wie es die Taufe mit Heiligem Geist ist, kann keinen Zweifeln mehr Raum lassen. Viele, die fromm sein wollen, stehen der Bekehrung anderer hindernd im Wege, weil ihr Leben gar nicht mit ihrem Bekenntnis übereinstimmt. Das ist bei Geistgesalbten nicht der Fall. Sie haben ein demütiges Herz, sie wandeln vor Gott und mit Gott, ihre ganze Erscheinung lässt etwas von der Kraft, Freundlichkeit, Heiligkeit und Gerechtigkeit Christi ahnen und erkennen. Weil der Herr in ihnen ist, weil sie Sein Wesen in sich tragen, darum wird Er durch sie verherrlicht. Die ungeheiligten Frommen bringen Schmach auf den Namen des Herrn, aber die wahren Heiligen machen auf die Welt einen tiefen Eindruck. Christus ist ihr Leben, ihre Freude, ihre Kraft, ihr Reichtum. Das tritt den Unbekehrten ins Bewusstsein, und es erwacht in manchem ein Sehnen nach einem solchen Frieden. Die Taufe mit Heiligem Geiste ist ein Gnadenwerk. Der innerste Grund der Seele wird gestillt und gesättigt. (Markus Hauser)


Als der HErr Jesus erhöhet wurde, wurde Er bei dem Vater verkläret, und zwar mit der Klarheit, die Er bei Ihm hatte, ehe die Welt war: der Heilige Geist aber, den Er sandte, verklärte Ihn in den Herzen der Glaubigen, gleichwie Er selbst schon vorher den Vater auf Erden dadurch verkläret hatte, Joh. 17,4., daß Er den Namen desselben den Menschen offenbarte, die Ihm der Vater von der Welt gegeben hatte, V. 6. Auch war Er selbst schon in den Aposteln verkläret, da Er für sie betete, V. 10., weil sie die Worte, die Ihm der Vater gegeben hatte, und die Er ihnen gab, angenommen, und wahrhaftig erkannt hatten, daß Er vom Vater ausgegangen sei, und glaubten, daß der Vater Ihn gesandt habe, V. 8. Wenn also die Herrlichkeit Jesu den Menschen offenbar oder von ihnen erkannt wird, so wird Er ihnen verkläret. Seine Herrlichkeit besteht aber darin, daß Er der eingeborne Sohn Gottes und der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Dazu rechne man aber alle herrlichen Namen, welche Ihm die heilige Schrift beilegt, da sie Ihn Jesus oder Heiland, Christus oder den Gesalbten, Immanuel oder Gott mit uns, und Licht, Leben, Weg, Wahrheit, König, Priester, Wort und Weisheit nennt. Wenn nun ein Mensch Jesum nach diesen Seinen Namen, und nach allen evangelischen Zeugnissen, welche Erklärungen derselben sind, erkennt, so ist Jesus in ihm verklärt. Diese Verklärung aber hat ihre Stufen, wie man an den Aposteln wahrnehmen kann, in denen Jesus vor Seinem Tod verklärt war, denen aber doch eine weitere Verklärung desselben verheißen wurde, deren sie nach Seiner Himmelfahrt sollten gewürdigt werden. Niemand denke aber, daß diese Verklärung nur in einer Wissenschaft bestehe, die der Mensch bekomme, ohne daß sein Herz geändert werde. Ach nein: sondern wenn Jesus in den Menschen verklärt wird, so spiegelt sich in ihm des HErrn Klarheit, und er selbst wird in dasselbe Bild verklärt von einer Klarheit zu der andern. Er ist das beständige Licht der Seele, die vorher finster gewesen war. Er gewinnt in der Seele eine Gestalt. Seine Erkenntniß wird in ihr überschwänglich, das ist, sie bekommt ein Uebergewicht gegen alle anderen Vorstellungen und Neigungen. Sie betet an, sie liebt, sie lobt Denjenigen, der in ihr verklärt ist, sie hanget Ihm an, sie unterwirft sich Ihm ganz, sie erlangt durch diese Verklärung Gnade und Frieden, Gerechtigkeit und Stärke. Die Wichtigkeit derselben zeigt schon an, daß sie kein Werk der menschlichen Vernunft und Kraft, sondern ein Geschäfts des Geistes der Wahrheit sei, den Jesus gesandt hat, und noch sendet. Derselbige, sagt Christus, wird Mich verklären. Man predige also einem Menschen den ganzen christlichen Glauben, man erkläre und beweise ihm einen jeden Artikel auf das Deutlichste und Gründlichste: ohne die Wirkung des Heiligen Geistes wird doch der Mensch blind und finster bleiben, und Jesus wird in ihm nicht verklärt werden. Wenn aber der Heilige Geist das gehörte oder gelesene Wort, das von Jesu handelt, dem Menschen klar und kräftig macht, so geschieht diese Verklärung in ihm, und diese währt fort und nimmt zu, bis endlich der von allem Uebel erlöste Mensch Jesum in jener Welt so erkennt, wie er von Ihm erkannt ist, und von Seiner Herrlichkeit ganz durchdrungen und erfüllt ist. Himmlischer Vater, verkläre Deinen Sohn in uns durch Deinen Geist. (Magnus Friedrich Roos)

16:15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich euch gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.3)
Es gibt Zeiten, wo alle Verheißungen und Lehren der Bibel für uns tot sind, bis die Hand der Gnade sie uns zu eigen macht. Wir sind voll Durst, aber zu matt, um bis zur Wasserquelle zu kriechen. Wenn ein Krieger in der Schlacht verwundet wird, so nützt es ihm wenig, wenn er weiß, dass im Lazarett liebende Hände sind, welche die Wunde verbinden, und lindernde Mittel, welche die Schmerzen stillen, die er jetzt leidet; was er bedarf, ist, dass man ihn dorthin bringe, damit ihm solche Sorgfalt und Linderung zuteil werden könne. So verhält es sich mit unsren Seelen; und dies unser Bedürfnis zu stillen, ist Einer vorhanden, der Geist der Wahrheit, der Jesu Gnade nimmt und sie uns als heilenden Balsam auflegt. Meinet nicht, Christus habe seine Freuden auf himmelhohen Bergen aufgepflanzt, damit wir uns abmühen, sie dort oben zu holen, sondern Er kommt damit zu uns und gießt seinen Frieden aus in unsre Herzen. O lieber Christ, wenn du heute abend unter schwerer Traurigkeit erseufzest, so fasse zu Herzen, dass dein Vater dir keine Verheißungen gibt und dir dann überlässt, sie aus seinem Worte zu schöpfen, wie du das Wasser im Eimer aus dem Brunnen schöpfest; sondern die Verheißungen, die Er in seinem Buch aufgezeichnet hat, schreibt Er auch auf dein Herz. Er offenbart seine Liebe zu dir und zerstreut durch seinen Heiligen Geist alle deine Sorgen und Ängste. Wisse, du Trauernder, dass es Gottes seligstes Vorrecht ist, jede Träne von den Augen der Seinen abzuwischen. Der barmherzige Samariter sprach nicht: „Hier hast du Wein und Öl;“ er goß dem Verwundeten den Wein und das Öl selber ein. So schenkt dir der Herr Jesus nicht nur den süßen Wein seiner Verheißung, sondern hält dir den goldenen Becher an die Lippen und flößt die Lebensstärkung deinem Munde ein. Der arme, kranke, müde Pilger wird nicht nur zum Wandel gestärkt, sondern auf Adlers Flügeln getragen. Herrliches Evangelium! welches den Hilfsbedürftigen alles schenkt, welches zu uns kommt, wenn wir nicht zu ihm zu kommen vermögen, und uns Gnade bringt, ehe wir nur um Gnade bitten! Es ist so viel Herrlichkeit im Darreichen wie in der Gabe selber. Seliges Volk des Herrn! (Charles Haddon Spurgeon)

16:16 Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater.

16:17 Da sprachen etliche unter seinen Jüngern untereinander: Was ist das, was er sagt zu uns: Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen, und: Ich gehe zum Vater?

16:18 Da sprachen sie: Was ist das, was er sagt: Über ein kleines? Wir wissen nicht, was er redet.

16:19 Da merkte Jesus, daß sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Davon fragt ihr untereinander, daß ich gesagt habe: Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen.

16:20 Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden.
Ihre besondere Traurigkeit war die über den Tod und die Abwesenheit ihres Herrn, und sie ward in Freude verkehret, als Er von den Toten auferstand, und sich in ihrer Mitte zeigte. Alle Schmerzen der Heiligen sollen so verwandelt werden; selbst die schlimmsten derselben, die aussehen, als müßten sie auf immer Quellen der Bitterkeit bleiben.
Also je mehr Schmerz, desto mehr Freude. Wenn wir Lasten des Schmerzes haben, wird des Herrn Macht sie in Tonnen der Freude verwandeln. Je bitterer das Leid, desto süßer der Vergnügen: wenn das Pendel weit zur Linken schwingt, wird es nachher um so weiter zur Rechten gehen. Die Erinnerung an den Kummer wird das Gefühl der Wonne noch erhöhen: wir werden die eine im Gegensatz zu dem andren stellen, und der Glanz des Diamanten wird durch die schwarze Folie hinter ihm noch klarer ins Auge fallen.
Komm, mein Herz, sei getrost! In einer kleinen Weile werde ich so fröhlich sein, wie ich jetzt trübe bin. Jesus sagt mir, daß durch eine himmlische Alchemie meine Traurigkeit in Freude verwandelt werden soll. Ich sehe nicht, wie es geschehen kann, aber ich glaube es, und ich beginne im Vorgefühl davon zu singen. Diese Niedergeschlagenheit des Geistes ist nicht auf lange, ich werde bald unter den Seligen sein, welche den Herrn Tag und Nacht loben, und da werde ich von der Gnade singen, die mich aus großer Trübsal befreit hat. (Charles Haddon Spurgeon)

16:21 Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist.

16:22 Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Gewiß, Er wird zum zweitenmal kommen, und dann, wenn Er uns sieht und wir Ihn sehen, so wird in Wahrheit Freude da sein. O, daß diese frohe Wiederkehr da wäre!
Aber diese Verheißung wird täglich in einem andren Sinne erfüllt. Unser gnadenvoller Herr hat viele „wieder“ in seinem Handeln mit uns. Er gab uns Vergebung, und Er sieht uns wieder und wiederholt das freisprechende Wort, wenn neue Sünden uns Schmerz verursachen. Er hat uns geoffenbart, daß wir vor Gott angenommen sind, und wenn unser Glaube an diese Segnung ein wenig trübe wird, so kommt Er wieder und wieder zu uns und spricht: „Friede sei mit euch!“ und unsre Herzen sind froh.
Geliebte, alle unsre früheren Gnadenerweisungen sind Zeichen von zukünftigen. Wenn Jesus bei uns gewesen ist, will Er uns wieder sehen. Blickt auf seine frühere Gunst nicht als etwas Totes und Begrabenes, über das zu trauern ist; sondern betrachtet sie als einen gesäeten Samen, der wachsen wird und sein Haupt aus dem Staub emporheben und rufen: „Ich will euch wieder sehen“. Sind die Zeiten dunkel, weil Jesus nicht mit uns ist, wie Er es zu sein pflegte? Laßt uns Mut fassen; denn Er wird nicht lange fort sein. Seine Füße sind gleich denen eines Rehes oder jungen Hirsches, und sie werden Ihn bald wieder zu uns bringen. Deshalb lasst uns beginnen, fröhlich zu sein, da Er zu uns eben jetzt spricht: „Ich will euch wiedersehen.“ (Charles Haddon Spurgeon)
Diese Worte wurden erfüllt, als der HErr Jesus Seinen Jüngern nach der Auferstehung erschien, denn damals wurden sie froh, daß sie den HErrn sahen, Joh. 20,20. Man darf auch nicht zweifeln, daß bei einer jeden Erscheinung Jesu, die auf jene folgte, die Freude bei den Jüngern erneuert worden sei. Die größte Freude entstand bei ihnen, als Jesus sie segnete, und von ihnen schied, und gen Himmel auffuhr. Sie beteten Ihn alsdann an, und kehreten wieder gen Jerusalem mit großer Freude; und waren hernach allewege im Tempel, preiseten und lobeten Gott, Luk. 24,52.53. Bei allen diesen Gelegenheiten sahen sie Jesum, und Er sahe sie. Sein Ansehen war’s eigentlich, was ihr Herz erfreute, weil sie durch Seinen ernsthaft-freundlichen Anblick Seiner Gnade auf’s Neue versichert wurden. Ihr Herz freute sich, weil der Geist der Gnade, der von Jesu ausging, in ihr Innerstes drang, und darin eine gründliche Freude anrichtete. Sirach hat bemerkt, daß nicht eine jede Freude eine Herzensfreude sei, weßwegen er Kap. 30,16. schrieb: es ist keine Freude der Herzensfreude gleich. Als der reiche Mann herrlich und in Freuden lebte, so war’s keine Herzensfreude: wenn aber der HErr durch Seine Gnade oder durch Sein Wort erfreut, so entsteht eine Herzensfreude, s. Ps. 4,8. 19,9. Pred. Sal. 5,19. Der Heiland verhieß Seinen Jüngern eine solche Herzensfreude, welche auf ihre damalige Traurigkeit folgen sollte, und setzte hinzu: eure Freude soll Niemand von euch nehmen, oder: Niemand nimmt diese eure Freude von euch, Niemand hindert oder unterschlägt sie, Niemand steht derselben im Weg. Gleichwie der HErr Jesus den Aposteln Seinen Frieden gab, Joh. 14,27., also gab Er ihnen auch Seine Freude, Joh. 15,11., sie wurde aber ihre Freude, weil sie in ihren Herzen entstand und von ihnen empfunden wurde. Wenn nun diese Freude vom Lob der Menschen oder von gefundenen irdischen Schätzen oder von niedlichen Speisen und Getränken hätte entstehen sollen, so wäre sie den Aposteln von der Welt unterschlagen gewesen, denn Niemand liebte und lobte sie nach dem Tod Jesu, Niemand schenkte ihnen Etwas; sie mußten sich verbergen, und die Thüren verschließen, aus Furcht vor den Juden: aber dem HErrn Jesu konnte Niemand den Zugang zu ihnen verwehren, Niemand konnte Ihn hindern, sie zu sehen; folglich konnte auch Niemand der Herzensfreude der Apostel im Weg stehen.
Geistliche Gaben sind also gewisser als leibliche, gleichwie sie auch unvergleichlich kostbarer sind als diese. Christen haben zuweilen Traurigkeit, ihre Traurigkeit wird aber auch zuweilen vom HErrn selbst, ohne daß ihnen ein irdisches Glück widerfahre, in eine Herzensfreude verwandelt. Alsdann geht auch ein neues Licht in ihnen auf, daß sie nichts zu fragen nöthig haben, Joh. 16,23. Nie wird diese Verwandlung merklicher und völliger sein, als bei der Aufnahme der vor ihrer Auflösung gepreßten Seele in das himmlische Reich Gottes, und hernach am Tag Jesu Christi, da sich der ganze Mensch bei dem Anblick des herrlichen Heilandes überschwenglich freuen wird. Diese Freude lasse der HErr auch uns widerfahren. (Magnus Friedrich Roos)

16:23 Und an dem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er's euch geben.4); 5)

16:24 Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei.

16:25 Solches habe ich zu euch durch Sprichwörter geredet. Es kommt aber die Zeit, daß ich nicht mehr durch Sprichwörter mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.6)

16:26 An dem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten will;

16:27 denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, darum daß ihr mich liebet und glaubet, daß ich von Gott ausgegangen bin.
Er selbst, der Vater, hat euch lieb. O süßes Wort! das heißt ja so viel, als sagte er: „Kinder, was ist denn für Noth? Ihr stehet zu Gott in dem allerseligsten Verhältniß. Er ist euer Vater, die Liebe, womit er mich liebet, wendet er euch zu. Ihr dürfet vor sein Angesicht kommen und ihm alle eure Anliegen vortragen. Er hört euer Flehen, er nimmt euer Gebet an; er zählt eure Thränen und weiß sie zu trocknen. Euer Leben mit allen seinen Vorfällen und Unfällen, mit seinen heitern und trüben Stunden, steht in seiner Hand; und wenn es zu Ende geht, so ist Sterben nicht euer Schade, sondern Gewinn, ihr gehet aus der Fremde in die Heimat, aus der Herberge ins Vaterhaus, und weil ihr Kinder seid, so seid ihr auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.“ - Wenn aber die bekümmerten Seelen denken mochten: „Warum hat uns denn der Vater lieb; sind wir doch arme, schwache, sündige Geschöpfe, die kein Verdienst und keine Würdigkeit vor ihm aufweisen können?“ so giebt der Heiland ihnen den Grund dieser göttlichen Vaterliebe an, indem er sagt: „Darum hat euch der Vater lieb, daß ihr mich liebet und glaubet, daß ich von Gott ausgegangen bin.“ Also die Liebe zum Heilande, die aus dem Glauben an ihn kommt, das ist es, was Menschen zu Heiligen und Geliebten Gottes macht. Zwar hasset Gott nichts, was er geschaffen hat, und erbarmet sich aller seiner Werke. Zwar hat er also die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, und will, daß allen Menschen geholfen werde. Aber er fordert auch, um seine allgemeine Menschenliebe dir zu beweisen, Glauben an den höchsten Beweis seiner Liebe in Christo, oder Liebe zum Heilande aus Glauben an ihn. Wenn du das Glaubwürdigste nicht glauben und das Liebenswürdigste nicht lieben magst, so offenbarst du ja einen solchen ungöttlichen und feindseligen Sinn, ein solches verstocktes und unbußfertiges Herz, daß du dich selbst zu einem Gegenstande des göttlichen Mißfallens machst, dir selbst den Zorn häufest auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, und durch dein Verhalten gegen Jesum zeigst, daß deine Verdammniß recht ist. - Lieber Mensch, gehörst du deinem Sinne nach zu den Jüngern, zu welchen der Herr sprach: „Er selbst, der Vater, hat euch lieb, darum, daß ihr mich liebet und glaubet, daß ich von Gott ausgegangen bin?“ Oder gehörst du deinem Sinne nach zu jenen Juden, zu welchen der Herr sprach (Joh. 8, 42.): „Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin ausgegangen und komme von Gott!“? (Carl Johann Philipp Spitta)


Als der HErr Jesus in der Stadt Davids, nämlich zu Bethlehem, geboren war, sagte der Engel zu den Hirten: euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der HErr; und vorher sprach der Engel Gabriel zu der Maria: das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden. Dieses Alles faßten Maria und Joseph, die Hirten und alle Jünger Jesu bald und bekannten es auch, ungeachtet andere Laute von Jesu mancherlei irrige Gedanken hatten. Doch war die Erkenntniß der Person Jesu bei den Jüngern noch unvollständig, bis Er am Ende Seines letzten ausführlichen Gesprächs, das Er vor Seinem Leiden mit ihnen hielt, zu ihnen sagte: Er selbst der Vater hat euch lieb, darum daß ihr Mich liebet, und glaubet, daß Ich von Gott ausgegangen bin. Indem Er dieses zu ihnen sagte, theilte Er ihnen Sein Licht mit, daß sie diese Worte verstehen und glauben konnten. Er setzte aber, um ihre Erkenntniß heller und fester zu machen, hinzu: Ich bin vom Vater ausgegangen, und kommen in die Welt; wiederum verlasse Ich die Welt, und gehe zum Vater; die Jünger aber wiederholten den ersten Theil Seiner worte, und sagten V. 30.: wir glauben, daß Du von Gott ausgegangen bist; und der Heiland drückte das Siegel Seines Wohlgefallens darauf, indem Er V. 31. sprach: jetzt glaubet ihr. Es war also dem Heiland sehr daran gelegen, Seine Jünger noch vor Seinem Leiden dahin zu bringen, daß sie glaubten, Er sei vom Vater oder von Gott ausgegangen. Sie hatten solches vorher nie geleugnet, aber, wie es scheint, nie daran gedacht. Nun war es ihnen klar, daß der Heiland nicht erst durch Seine Empfängniß und Geburt von der Maria entstanden, sondern vorher schon gewesen, und von Gott ausgegangen sei, da Er in die Welt kam. Er hatte schon bei dem Vater eine unermeßliche Herrlichkeit, ehe die Welt war, Joh. 17,5. Er ist das Leben, das bei dem Vater war, ehe es erschien, 1 Joh. 1,2. Er war als das Wort im Anfang bei Gott, Joh. 1,1., und wurde hernach Fleisch. Er kam als das Licht, welches vorher in der Finsterniß geschienen hatte, aber von der Finsterniß nicht begriffen worden war, durch Seine Menschwerdung in die Welt, Joh. 1,5.9. Da Er ein Mensch wurde, wurde Gott im Fleisch geoffenbart, 1 Tim. 3,16., und das Leben, das bei dem Vater gewesen war, erschien, 1 Joh. 1,1.2. Diese Aussprüche der heiligen Schrift zeigen deutlich an, daß Christus neben dem Fleisch, nach welchem Er von den Vätern herkam und von einem Weibe geboren wurde, auch noch eine göttliche Natur habe, nach welcher Er zwar mit dem Vater immer Eins blieb, aber doch auch vom Vater ausging, um in die Welt zu kommen, und Sich der Welt als Gottmensch zu offenbaren, und insonderheit mit den Menschen durch Annahme der menschlichen Natur in eine neue Verbindung zu treten, bei welcher Er der Mittler zwischen Gott und ihnen sein könnte. Wer nun dieses Alles glaubt, und Jesum als seinen Erlöser, in dem alle Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet, und aus dessen Fülle man Gnade um Gnade nehmen kann, lieb hat, den liebt der Vater; denn weil der Vater den Sohn mit einer unermeßlichen Liebe liebt, so liebt Er auch alle diejenigen, die Seinen Sohn lieb haben. Lasset uns also Jesum lieben, damit die Liebe, womit der Vater Seinen Sohn liebt, nach Joh. 17,26. auch in uns sei, und Er in uns. (Magnus Friedrich Roos)

16:28 Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.
Der HErr Jesus redete diese Worte, da es nicht mehr 24 Stunden bis zu Seinem Tod anstund. Ich verlasse die Welt, sagte Er. Was die Welt sei, wußte Er nach Seiner hellen Erkenntniß und nach Seinem zarten Gefühl besser als ich und alle Sünder. Er hatte beinahe 33 Jahre in der Welt unter vielen Leiden zugebracht. Er hatte schwere Arbeiten verrichtet, und mühsame Reisen gethan. Er hatte den Menschen wohl gethan, ja gedienet, und von Vielen Undank zur Vergeltung bekommen. Er hatte einen lautern Samen des göttlichen Wortes mit aller Weisheit und Treue ausgestreuet, und war inne worden, daß er bei Vielen keine Frucht gebracht habe. Seine Jünger waren die besten und Ihm die liebsten unter allen Männern auf dem Erdboden, und doch machten sie so viele Ihm beschwerliche Fehler, daß Er Luk. 9,41. zu ihnen sagte: o du unglaubige und verkehrte Art, wie lange soll Ich bei euch sein und euch dulden? Seine Seele war überdieß frei von Augenlust, Fleischeslust und hoffärtigem Wesen. Woran Andere in der sichtbaren Welt klebten, daran klebte Er nicht. Zwar sind die Werke des HErrn auch in dieser sichtbaren Welt groß, und wer ihrer achtet, hat eitel Lust daran. Diese reine Lust genoß der HErr Jesus auch bei dem Anblick der sichtbaren Geschöpfe; weil Er aber wußte, daß die vortrefflichsten Werke und die edelsten Geschöpfe in der unsichtbaren Welt seien, ja, weil Er immer in des Vaters Schooß war, und Seine zärtlichste Liebe genoß, so konnte Ihn keine Schönheit der sichtbaren Welt fesseln. Er verließ diese Welt gern, da Er noch in der Mitte des gewöhnlichen Maßes des menschlichen Alters stand, und ging alsdann zum Vater, zu dem Er auch Joh. 17,11. sprach: Ich komme zu Dir. Das Ziel war gut und herrlich im allerhöchsten Verstand; der Gang selber aber, oder das Kommen, faßte noch das schwerste und bitterste unter allen Seinen Leiden in sich. Er ging durch’s Leiden des Todes zum Vater, Er ging zu Ihm als der Hohepriester, der Sein eigenes Blut Ihm darbrachte. Er ging aber auch als der Edle, oder als der hochgeborne Sohn zum Vater, um ein Reich einzunehmen, Luk. 19,12. Er ging zum Vater, der größer war als Er, Joh. 14,28., das ist, der nicht erniedrigt war wie Er. Denn eben deßwegen sollten sich Seine Jünger aus Liebe zu Ihm über diesen Hingang freuen, weil er Ihn auch nach Seiner menschlichen Natur zu der Größe, das ist zur Herrlichkeit des Vaters führte, sintemal Er alsdann bei dem Vater verklärt wurde mit de Herrlichkeit, die Er bei Ihm gehabt hatte, ehe die Welt war, Joh. 17,5. Er ging zum Vater, um den Tröster, den Heiligen Geist zu senden, Joh. 16,7. Er ging hin in den Himmel, um wieder zu kommen, und diejenigen Knechte, denen Er Gaben anvertraut hatte, zur Rechenschaft zu ziehen, und Seine aufrührerischen Unterthanen zu strafen, Luk. 19,12. u. ff. Daß der HErr Jesus in der Welt gewesen, ist für mich und Alle, die darin sein müssen, tröstlich, denn Er hat uns ein Vorbild und einen überschwänglichen Segen hinterlassen. Daß Er die Welt verlassen hat, und zum Vater gegangen ist, erinnert mich, daß ich ein Pilgrim in der Welt sei, und mein Vaterland im Himmel habe, wo Christus ist.(Magnus Friedrich Roos)

16:29 Sprechen zu ihm seine Jünger: Siehe, nun redest du frei heraus und sagst kein Sprichwort.

16:30 Nun wissen wir, daß du alle Dinge weißt und bedarfst nicht, daß dich jemand frage; darum glauben wir, daß du von Gott ausgegangen bist.7)

16:31 Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubet ihr?

16:32 Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, daß ihr zerstreut werdet, ein jeglicher in das Seine, und mich allein lasset. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.
Nur wenige Jünger waren Zeugen des Leidens in Gethsemane. Die Mehrzahl derselben war noch nicht gefördert genug in der Gnadenerkenntnis, um teilhaben zu dürfen an dem Anblick der Geheimnisse, die sich offenbarten an der Stätte, da Er „mit dem Tode rang;“ ein jeder von ihnen war mit der Passahfeier im eigenen Hause beschäftigt, und so vergegenwärtigen sie uns die vielen, die nach dem Buchstaben leben, aber noch unmündig sind in Beziehung auf den Geist des Evangeliums. Nur Zwölfen, nein, nur Elfen war gestattet worden, mit in den Garten Gethsemane zu gehen und zu „besehen dies große Gesicht.“
Von den Elfen mussten acht in einiger Entfernung zurückbleiben; sie waren wohl Genossen der Gemeinschaft, aber nicht in so vertraulichem Grade, wie es innig geliebten Menschen sonst zuteil wird. Nur drei Bevorzugte durften dem Vorhang des geheimnisvollen Leidens unsers Herrn nahen; und auch sie mussten davor stehen bleiben bei einem Steinwurf weit. Er musste die Kelter allein treten, und niemand durfte bei Ihm sein. Petrus und die beiden Söhne Zebedäi vertreten die vorzüglichen, bewährten Heiligen, die den Namen „Väter“ verdienen; sie kennen die Wut großer Wellen und können vielleicht die ungeheuren Sturmfluten des Heilandsleidens ermessen. Wenigen auserwählten Geistern wird zum Besten andrer und zur Stärkung für künftige Zeiten ein besonderer furchtbarer Kampf verordnet, um ins innere Heiligtum eintreten und das Flehen des leidenden Hohenpriesters vernehmen zu können: sie dürfen erkennen die Gemeinschaft seiner Leiden, dass sie seinem Tode ähnlich werden. Aber auch diese können nicht hindurchdringen in das Allerheiligste seiner Schmerzen. „Deine unerkannten Leiden,“ lautet eine merkwürdige Stelle der griechischen Liturgie: es gab noch einen innersten Raum in der Trübsalswohnung unsers Meisters, der jedem menschlichen Blick und Zutritt verschlossen blieb. Dort wird Jesus „einsam gelassen.“ Hier war Jesus mehr als je eine „unaussprechliche Gabe!“ Es heißt so schön in einem unsrer Lieder:
„Herr, stärke mich,
Dein Leiden zu bedenken,
Mich in das Meer der Liebe zu versenken,
Das Dich bewog,
von aller Schuld des Bösen
Uns zu erlösen.“
(Charles Haddon Spurgeon)

16:33 Solches habe ich mit euch geredet, daß ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.8)
Meines Herrn Worte über die Trübsal sind wahr. Ich habe meinen Anteil daran ohne allen Zweifel. Der Dreschflegel ist nicht aufgehangen, und ich kann nicht hoffen, daß er beiseite gelegt wird, so lange ich auf der Dreschtenne liege. Wie kann ich erwarten, in des Feindes Lande daheim zu sein, fröhlich in der Verbannung oder behaglich in der Wüste? Hier ist nicht meine Ruhe. Hier ist der Ort des Schmelzofens, der Schmiede und des Hammers. Meine Erfahrung stimmt mit den Worten meines Herrn überein.
Ich beachte, wie Er mich „getrost sein“ heißt. Ach, ich bin viel zu geneigt, niedergeschlagen zu sein. Mein Mut sinkt bald, wenn ich schwer geprüft werde. Aber ich muß diesem Gefühl nicht nachgeben. Wenn mein Herr mich getrost sein heißt, so darf ich nicht wagen, niedergedrückt zu sein.
Was ist der Grund, den Er zu meiner Ermutigung gebraucht? Nun, es ist sein eigner Sieg. Er sagt: „ich habe die Welt überwunden.“ Sein Kampf war viel schwerer als der meine. Ich habe noch nicht bis aufs Blut widerstanden. Warum verzweifle ich daran, zu überwinden? Sieh, meine Seele, der Feind ist schon einmal überwunden worden! Ich streite mit einem geschlagenen Feind. O Welt, Jesus hat dich schon besiegt, und in mir wird Er dich durch Seine Gnade wiederum überwinden. Deshalb bin ich getrost und singe meinem siegreichen Herrn ein Lied. (Charles Haddon Spurgeon)


Fragst du nach dem Grund dieser göttlichen Anordnung, lieber Leser? Schau über dich hinauf zu deinem himmlischen Vater und siehe, wie rein und heilig Er ist. Weißt du, dass du eines Tages Ihm gleich sein wirst? Wirst du ohne Mühe seinem Ebenbilde gleich werden können? Wirst du nicht müssen durchläutert werden im Ofen der Trübsal, damit du gereiniget werdest? Wird es dir etwas Leichtes sein, aus deinem Verderben los zu kommen und vollkommen gemacht zu werden, gleichwie dein Vater im Himmel vollkommen ist? Und dann, lieber Christ, wende deinen Blick unter dich. Weißt du, was für Feinde dir auflauern? Du warst einst ein Knecht und Untertan Satans; und kein König lässt gern seine Untertanen fahren. Meinst du, der Satan werde dich unangefochten lassen? Nein, er wird sich jederzeit an dich machen, denn er „gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge.“ Darum mache dich auf Trübsal gefasst, lieber Christ, wenn du unter dich blickst. Und weiter schau um dich. Wo bist du? Du stehst in Feindesland als ein Fremdling und Flüchtling. Die Welt ist nicht dein Freund. Wenn sie es wäre, denn wärest du Gottes Freund nicht; denn wer der Welt Freund ist, ist Gottes Feind. Zähle darauf, dass du überall Feinden begegnest. Wenn du schläfst, so wisse, dass du auf dem Schlachtfelde ruhst; wenn du umhergehst, so nimm dich bei jedem Gebüsch vor einem Hinterhalt in Acht. Gleichwie die Moskitos, wie man sagt, die Fremden heftiger belästigen als die Einheimischen, so werden auch die Trübsale dieser Welt dir am härtesten zusetzen. Endlich schaue in dich, in dein eigenes Herz, und siehe zu, was du da findest. Sünde und Selbstsucht wohnen noch immer darin. Ach! wenn du keinen Satan hättest, der dich versucht, keine Feinde, die dich anlaufen, und keine Welt, die dich lockt, so fändest du in dir selber Böses genug, was dir Kummer und Kreuz bereitet, denn „das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding, wer kann es ergründen?“ So mache dich denn auf Trübsal gefasst, aber verzweifle nicht darüber, denn Gott ist mit dir, um dir zu helfen und dich zu stärken. Er hat gesagt: „Ich bin bei dir in der Not, ich will dich herausreißen und zu Ehren machen.“ (Charles Haddon Spurgeon)


Die Welt, sagt Jesus seinen Jüngern, ist gegen euch; sie unterstützt euch nicht, sondern drängt euch in die Ecke und leistet euch entschlossen Widerstand. Daran haben die Jünger damals, als Jesus es ihnen vor seinem Abschied sagte, nicht gezweifelt. Sie erlebten damals, dass sich alle gegen Jesus verbündeten, die Priester und die Lehrer, die Frommen und das Volk, die Juden und die Römer; mit einem Wort, „die Welt“ war gegen ihn. Damals war dies buchstäblich wahr. Wie steht es aber heute? Gibt es nicht christliche Völker? Sind sie auch der kleinere Teil der Menschheit, so sind sie doch der regsamere und mächtigere Teil derselben. Ist es nun nicht mehr richtig, dass die Welt denen widerstehe, die sich zu Jesus halten? Gilt dies heute nur von einem Teil der Welt, etwa von der heidnischen Welt? Die Erfahrung der Christenheit lehrt aber, dass Jesus nicht nur damals recht hatte, sondern recht hat und recht behalten wird bis zum jüngsten Tag. Auch in unseren christlichen Völkern besteht ein schroffer Gegensatz zwischen dem, was Jesus ist und dem, was wir Menschen sind, zwischen dem, was Jesus über Gott sagt, und dem, was wir über Gott sagen, zwischen dem, was Jesus gebietet, und dem, was wir für uns wünschen und für richtig halten. Zwischen diesen beiden Wegen gibt es keinen Ausgleich und darum bleib das Wort Jesu immer wahr: Keiner sieht euch gern, ihr seid alle unbequem; darum bemüht sich jedermann, dass ihr nichts erreicht. Was wollen wir tun? Wollen wir Frieden schließen und die Waffen niederlegen und zu den anderen sagen: ihr habt recht, Auferstehung gibt es nicht; der Mensch stirbt, und Geist Gottes gibt es nicht; denn das seelische Leben verläuft einzig nach seiner natürlichen Gesetzmäßigkeit, und von der Liebe reden nur die Toren; wer vorankommen will, muss seine Fäuste gebrauchen? Jesus sagt uns aber: habt keine Angst. Haben wir denn die Macht, die Welt zu überwinden? Das wäre wahnsinnige Selbstverblendung. Aber Jesus sagt: Ich habe die Welt überwunden und habe alle ihre Einreden zunichte gemacht und alle ihre Angriffe abgeschlagen. Auch wenn es nicht nur menschliche Waffen waren, mit denen sie focht, sondern die satanische Macht sie in Bewegung brachte, blieb ich unerschüttert, Gott treu bis zum Kreuz, Gott gewiss in der Gottverlassenheit, Gott zum Dienst ergeben, auch als er seinen Sohn nicht schonte. Ich bin Sieger und das genügt für euch. Nun steht fest und bleibt in Mir.
Herr, mach uns Deines Sieges froh. Du bist der Unüberwindliche. Du warfst es in deiner irdischen Gestalt und bist es jetzt in deiner himmlischen Herrlichkeit und wirst es in deiner neuen Offenbarung sein. Lass es uns schauen, dass die Welt nichts gegen uns vermag, weil Du Dich zu uns hältst und das Lichtlein unseres Glaubens mit Deinen schützenden Händen deckst. Amen. (Adolf Schlatter)


Was bereitet in der „Welt“ Angst denen, welche Nachfolger Christi sind? Den Herrn verlassen bringt Angst. Das Gewissen macht Vorwürfe, die „Welt“ spottet und lästert, der Feind wird übermütig und rüstet weitere Netze und Schlingen zu. Gehen dir die Augen auf über deine Sünde, so halte dich an die Treue des Herrn. Seine Sünde sehen bringt auch Angst. Hast du noch in dir einen Feind, der dir zu stark ist? Verwachsen sein mit einer Sünde ist schlimm. In Jesu Sieg aber winkt dir der Sieg. Licht haben über das, was uns noch mangelt und fehlt, bringt ebenfalls Angst. Du hörest reden vom Heiligen Geist, vernimmst das Zeugnis lebendiger Christen und verspürst ihre innige Gemeinschaft mit Gott. „Das habe ich nicht“, sprichst du, und weil du schon lange in der Erkenntnis des Heils stehst und dabei immer so mager geblieben bist, so befällt dich nun große Angst. Diese kann sehr heilsam sein, du erkennst, dass du nicht voll Geistes bist. O, so glaube es, dass Jesus mit Heiligem Geiste tauft. Die Frage: Werde ich auch ausharren bis ans Ende? löst Angst aus. In der Trübsalshitze heißt es nicht selten: Ich kann nicht weiter! Oftmals sehen Jesu Nachfolger keinen Ausweg mehr; da steigt denn die Angst aufs höchste. Wie, wenn ich doch daniederliegen müsste? „Ich habe die Welt überwunden!“ ruft der Feldherr Christus dir zu. Wenn Angst dich einzuhüllen droht, so bete um so anhaltender; hange innig an deinem himmlischen Führer, Sein Herz ist mit dir. Wohl uns, wir sind in guten Händen, alles muss uns zum besten dienen; denn der Herr will uns auf den Thron erheben. (Markus Hauser)


Dies sagt der Herr Seinen Jüngern. Reichlich haben sie das erfahren, und auch uns ist diese Angst nicht erspart; behalten wir das im Sinn, damit die Angst uns nicht befremde und nicht mutlos mache. Die Erziehung für das Haus Gottes bringt es mit sich, denn wir sind tief unten heraufgekommen, und unser Weg führt hoch hinauf. Als Verlorene fand uns der treue Erretter, als Heilige führt Er uns ein ins himmlische Vaterland. Eine solche Umwandlung kann nicht ohne Schmerzen vollzogen werden. Aber auch der Satan und die mit ihm verbündete Welt ist eine beständige Quelle von mancherlei Not und Angst. Wer frei sein will, der wird bedrängt. Es ist nun überaus köstlich und tröstlich, dass unser Meister, unser weiser Erzieher, das alles überblickt, es schon mit in Rechnung genommen hat und es zum voraus wusste, welche Erfahrungen Er mit uns machen würde. Er hat uns nicht für besser gehalten, als wir sind, und Er kann deshalb große Geduld haben mit jedem Seiner Jünger. Jesu Liebe bleibt ungeschwächt bei allem, was Er mit uns erleben muss. Er wirft keinen weg. Er verzagt nicht. Er durchschaute die Schwierigkeiten bis ins kleinste, ehe Er an uns zu arbeiten begann. Ist das in der Angst nicht ein kräftiger Trost? Ja, auch bei selbstverschuldeter Not ruft Jesus in die Selbstanklage hinein: Ich habe die Welt überwunden! Verzage nicht! Lass dich in aller Angst .von Ihm trösten, und dann lass es im Jammertale deine Freude sein, andere in ihren Anfechtungen, Trübsalen und Ängsten zu erquicken. Noch bist du ein schwacher Anfänger; aber dein Heiland hat Geduld mit dir; einst wirst du ein geübter Streiter Christi sein. (Markus Hauser)


Der Friede mit Gott erwächst dem Gläubigen aus dem, was der Heiland durch Sein stellvertretendes Leiden und Sterben für die Sünderwelt getan hat. Durch das einmal vergossene Blut Christi sind wir versöhnt mit Gott, durch dies Blut sind die Sünden getilgt, und durch den Gekreuzigten ist das Allerheiligste für uns geöffnet. Durch das Kreuz Christi haben wir über uns den offenen Himmel; der Vater liebt uns im Sohne und blickt mit Wohlgefallen auf uns hernieder. Der Friede Gottes bleibt in uns durch das Bleiben in Christus, durch das beständige Vertrauen auf Sein Verdienst und Seine Liebe. In Ihm sind wir in allen Kämpfen des Sieges, in aller Not der Hilfe, in allen Anfechtungen der Bewahrung gewiss. Mögen die Wasser uns auch bis an die Seele gehen, wir können nicht versinken, weil wir in die Hände des Allmächtigen gezeichnet sind. Der über den Wasserfluten thront, hält Sein schwaches Kind in Seiner starken Hand. Es darf sich geborgen wissen, obschon furchtbare Wogen sein Schifflein umbranden. Wenn das Licht des Lebens die Seele erfüllt, wenn die verklärte Heimat, das neue Jerusalem ihre Bilder in unserem Geiste widerspiegeln, so können der Erde Nöte, der Widersacher Tücke und Ränke und der Hölle finstere Mächte uns nicht mehr umwerfen. Selbst im Tal der Todesschatten fürchten wir kein Unglück, denn der Herr ist bei uns als unser Licht und unser Teil; Er, der uns gesagt, dass wir in der Welt Angst haben werden, hat auch hinzugefügt: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Wir haben deshalb Frieden mitten in der Angst. (Markus Hauser)


Je älter einer in seinem Christenleben wird, desto mehr weiß er von dem Frieden in Jesu zu sagen. Dieser im Glauben alle Tage beanspruchte Friede wird ein Kennzeichen für die Ausreifung des Verhältnisses zu Gott. Nur aus solchem Frieden heraus' kann man freudig und gelassen leben, wenn auch genug Tage im äußerlichen Leben kommen, von denen wir sagen müssen, sie gefallen uns nicht. Wie es im Herbst bisweilen nach Regen tagen einen klaren Sonnentag gibt, wo die Luft besonders rein und die Fernsicht besonders deutlich ist - so wirkt der Friede Jesu auf die von Kampf und Tränen müde gewordene Seele. Aber das ist nicht nur Stimmung, das ist bleibender, selten nur gestörter Besitz. - Wer davon hört und nichts davon erlebt hat, der fragt vielleicht: Was soll ich tun, daß ich das auch bekomme? „Solches habe ich mit euch geredet“, sagte Jesus zu seinen Jüngern, „daß ihr in mir Frieden habet.“ Das soll die naturgemäße Wirkung seiner Worte sein, wenn man sie richtig auffaßt und im Glauben sich aneignet. Übergib all das schmerzende, stechende Sorgen Jesus; trau seinem Wort wirklich die Wunderwirkung zu und blick nicht mehr auf dich, sondern auf ihn, und du wirst von Tag zu Tag mehr erfahren von der Wirklichkeit des Friedens, den er uns zugesagt hat.
Lieber Herr Jesus, hülle mich in diesen Frieden ein, wie durch Panzer und Schild. Laß ihn in mir quellen und wachsen, daß ich gar nicht mehr aus seiner dauernden Gegenwart herausgeworfen werde. Du bist mein Friede. Amen. (Samuel Keller)


„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Joh. 16, 33. Wie erhebend ist der Anblick unseres Herrn und Heilandes im Kampfe mit der feindseligen Welt! Er, der sich nicht schämte, menschlich zu fühlen, zu klagen, zu weinen, Er, der auch die Freude nicht verbirgt, wenn ihm sein Heilandswerk an einer Seele gelingt, erscheint immer ruhig und besonnen, immer gerüstet mit Muth, unerschrocken und freudig sein Tagewerk treibend, auch bei Gefahren und Anfechtungen, auch bei Verfolgungen und in der Todesnoth. Dieser freudige Muth wurde auch Denen zu Theil, die sich ihm mit Leib und Seele ergaben und das Reich Gottes nach dem Hingange ihres Herrn ausbreiteten auf Erden. Wir haben - das ist ihr eigenes Bekenntniß - wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber sind nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir gehen durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte; als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe! wir leben; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch Viele reich machen; als die nichts inne haben und doch Alles haben. 2. Cor. 4, 8-10; 6, 8-10.)
Welche Glaubenskraft, welche Liebesgluth zu ihrem Herrn und Meister! Kann sich die Unabhängigkeit der Gläubigen von dem Wechsel des äußeren Gebens herrlicher offenbaren? O, daß ich zu ähnlicher Erhabenheit der Seele über der Welt Haß und Zwiespalt gelangen, an solchen Beispielen meinen Muth stärken und alle meine Wege Gott befehlen möchte! Erhalte mich, o Herr, mäßig im Glück und getrost im Unglück; mach' mich stark im Glauben, fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, unüberwindlich im Vertrauen. So heute und immerdar, und bis zu meinem, gieb Herr! seligen Ende. Amen.(Christian Wilhelm Spieker)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
bibel/nt/04_joh/joh_kapitel_16.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain