Krummacher, Gottfried Daniel - Predigt am Sonntage nach dem Reformationsfeste. 1817.

Krummacher, Gottfried Daniel - Predigt am Sonntage nach dem Reformationsfeste. 1817.

Es wird gegenwärtig so viel von Vereinigung gesprochen, und ich werde euch auch gleich darüber ein Wort unsers Königs vorzulesen haben, dass es vermutlich Niemand Wunder nehmen wird, wenn Vereinigung das erste Wort ist, womit auch ich diesmal unter euch auftrete, und es wage, meine Ansicht der Sache unumwunden auszusprechen. Urteilt ihr, geschätzte Zuhörer, was ich sage. Wir sind nicht Herren über euern Glauben, sondern Gehilfen eurer Freude, und überhaupt hat Niemand unserm Gewissen zu befehlen, als Gott.

Eine Vereinigung beider protestantischen Kirchen in echt christlichem Sinne, im Geist und in der Wahrheit, gehört ja ohne den mindesten Zweifel zu den wünschenswürdigsten Dingen. Ihr irgend ein Hindernis, und wäre es nur eines Sandkorns groß, in den Weg legen, statt es wegzuräumen, etwas unterlassen, was sie befördern könnte halte ich, nach meiner Einsicht, für unverantwortlich, ja für gottlos.

Eben so sehr aber halte ich die fragliche Vereinigung für eine ernsthafte und heilige Sache, die also auch ernsthaft, bedachtsam und heilig behandelt sein muss, wenn man nicht den Riss ärger machen will.

Ich sehe mich genötigt, die Frage zu tun: Worin soll, womit will man sich vereinigen? Und so lange mir darüber keine deutliche Antwort wird, sehe ich mich gezwungen, in meiner Weise fortzufahren, und das beurteilen zu lassen, wie man es zu verantworten gedenkt, im Fall man sich die Mühe nehmen wollte, darüber zu urteilen.

Ich, meines unbedeutenden Orts, sehe mich genötigt, das Benehmen der märkischen Synode, die sich in Hagen versammelt hat, vor der Hand als zweckmäßig anzuerkennen. Sie hat drei Kommissionen niedergesetzt, eine zur Anfertigung eines neuen Katechismus, eine zur Sammlung eines neuen Gesangbuchs, die dritte zur Verfassung neuer Formulare. Bis man damit fertig ist, soll es bei jeder Gemeine beim Alten bleiben, wie ich vernehme. Ist man einmal damit fertig, dann sieht jede Gemeine, und jedes Glied derselben, so wie jeder Prediger den Grund, worauf das Gebäude errichtet werden soll, und kann dann urteilen. Wenigstens möchte ich das erwarten, und glaubte es nicht ohne Grund bedauern zu müssen, wenn man aufs Geratewohl hin sich vereinigt, so lange man nicht gute Gründe hat, die der Besorgnis keinen Raum lassen, ob man nicht statt der gehofften süßen Früchte, bittere ernten möchte. Alles hat seine Zeit; erst das Gras, dann die Ähre im Grase, danach der volle Weizen in der Ähre.

Der Eine kann sich über manches wegsehen, und tut vielleicht wohl; ein anderer macht sich Bedenklichkeiten, und tut vielleicht nicht übel. Dem Einen scheint etwas leicht ausführbar, und er stößt auf unerwartete Schwierigkeiten; ein Anderer hält etwas für schwierig, und es macht sich besser, als er versmutete. Vereinigung an sich kann etwas sehr Gutes, und etwas sehr Böses sein, so auch Trennung. Christus, der Friedefürst selber sagt: meint ihr, dass ich hergekommen bin, Friede auf Erden zu bringen? Ich sage nein, sondern Zwietracht, denn von nun an werden fünf in einem Hause uneinig sein; drei wider zwei, und zwei wider drei, Luk. 12,51. Doch, ich lese euch jetzt das Wort des Königs vor:

Das Verhalten Seiner Majestät ist, wie Sie selber zu sagen geruhen, die Frucht wohlgeprüfter Überzeugung, und Sie wollen, dass alle Vereinigung aus der nämlichen Quelle hervorgehen solle, nicht aber eine Wirkung der Gleichgültigkeit oder eine Frucht der Überredung sei. Indem Seine Majestät eine Nachfolge im Geist und in der Wahrheit wünschen, geben Sie unverhohlen zu erkennen, dass Sie die echte Vereinigung nicht als ein Menschen-, sondern als ein Werk des heiligen Geistes betrachten, wie sie es auch wirklich ist, indem Sie so gottselig hinzusehen: möchte die Zeit nahe sein, wo alles Ein Hirt und Eine Herde werde, Jawohl, es werde Ein Hirt und Eine Herde.

Text: Joh. 10,16.
Es wird Eine Herde und Ein Hirte werden.

Die Worte sind klar. Jesus sagt, er sei der gute Hirte, von welchem nämlich Ezechiel weissagt, und er lasse sein Leben für seine Schafe; diese seine Schafe seien nicht alle aus dem nämlichen Stalle, nicht sämtlich aus den Juden; er habe noch andere, die er auch herbeiführen müsse, aus den Heiden nämlich; alsdann würde der vorherige Stall keinen Unterschied machen, sondern alles Ein Hirt und Eine Herde werden.

Wir sind nun gesonnen, jetzt etwas von Trennung und Vereinigung der Kirche zu reden.

Christus redet hier von Einer Herde. Wir nennen sie auch Kirche, eine Benennung griechischen Ursprungs, welche eine Behausung Gottes anzeigt. Zu derselben gehören keine andere, als in welchen Gott wohnt, so dass man mit Recht sagt: außer der Kirche ist kein Heil. Die sichtbare Kirche besteht aus allen denjenigen, die Christen heißen und getauft sind, sie mögen übrigens die Tat bei dem Namen haben, oder nicht, gut oder böse, gläubig oder ungläubig sein.

Christi Absicht ist es nicht gewesen, dass seine sichtbare Kirche bloß aus wahren Gläubigen bestehen sollte, deswegen vergleicht er sie einem Acker, auf welchem Weizen und Unkraut steht, und verbeut seinen Knechten, das Unkraut auszujäten, sie möchten anders auch dem Weizen schaden, denn auf seinem Acker ist aller Weizen Unkraut gewesen. Man kann also nie sagen, ob nicht aus dem Unkraut noch Weizen wird, so lange der Herr des Ackers es stehen lässt. Endlich aber geht die große Scheidung vor, wo alles Unkraut in Bündeln gebunden und verbrannt, der Weizen aber in die Scheuer gesammelt wird. Man sehe sich also vor, dass man nicht Unkraut bleibe; dem geht's auf die Dauer nicht gut.

Die Kirche ist eine Herde. Überall hat Christus es auf Vereinigung angelegt. Ein Ziel ist gesteckt, nämlich die himmlische Herrlichkeit. Ein Weg ist für Alle festgesetzt, und dieser Weg ist Christus. Auch die Wörter Buße, Glaube, Heiligung und Liebe bezeichnen diesen Weg. Ich will ihnen einerlei Herz und Wesen geben, verheißt Gott seinem Volke, Jer. 32,39. Die Erfahrungen, welche im Christentum gemacht werden, sind zwar sehr verschieden, doch einander so ähnlich, dass Alle, die sie gemacht haben, einander verstehen, sie mögen übrigens einer Zeit, einem Lande, ja einer Konfession angehört haben, welcher sie wollen, wobei sich aber freilich von selbst versteht, dass höhere Erfahrungen im Gnadenleben von Andern nicht eher begriffen werden können, bis sie sie selber auch gemacht, und tiefere Einsichten nicht eher gefasst werden, bis man sie auch erlangt. So lange man in der Gnade ein Kind ist, redet man wie ein Kind, und hat kindische Anschläge, wenn man aber ein Mann ist, tut man ab, was kindisch ist. Es gibt auch im Geistlichen Kinder, Jünglinge und Männer in Christo, und das Evangelium enthält sowohl Milch als starke Speise. Es gibt begnadigte, die man fleischliche, und andere, die man geistliche und vollkommene nennen kann. Das natürliche Alter, ja auch die längere oder kürzere Zeit, dass jemand erweckt ist, macht's hierbei nicht aus. Der Zeit nach hätten die hebräischen Christen schon Meister sein sollen, und waren's doch nicht, und die Beröenser waren von Anfang an edler als die Thessalonicher. Zum Laufen hilft's aber auch hier nicht schnell sein: denn es kann der eine Christ viel natürlichen Verstand und Fähigkeiten haben, und doch das Christentum weniger verstehen, als ein anderer Christ von geringeren Naturgaben; denn die helfen hier nicht, und hindern oft. Einheit ist der Fürbitte Christi gemäß: auf dass sie alle eins seien; Ich in ihnen, und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Eins. Joh. 17. Sie ist verheißen: Es wird Eine Herde werden. Zu derselben Zeit wird der Herr König sein über alle Lande. Der Herr wird nur Einer sein, und sein Name nur Einer. Denn die Erde wird voll werden von Erkenntnis der Ehre des Herrn, wie Wasser den Boden des Meeres bedeckt. Sie haben alle einerlei Namen, Sünder und Heilige, Gottlose und Gerechte, Arme und Elende, Geliebte, Herrliche, Auserwählte. Alle haben einerlei Weise, indem sie als Arme lediglich von der Gnade ihres himmlischen Bruders und Herrn leben müssen. In Ein Buch sind alle ihre Namen angeschrieben. Sie haben Alle einerlei Rock, nämlich den der Gerechtigkeit Christi, dieselben Kleider der Heils und den nämlichen priesterlichen Schmuck. Einerlei Blut reinigt sie, das teure Blut Jesu Christi nämlich. Ein Geist regiert sie. Es umschlingt sie alle Ein Band der Liebe. Eine Stadt sollen sie bewohnen, und sie haben einerlei Bürgerrechte. Sie singen alle Ein Lied: das Lamm hat uns erkauft, und hat uns zu seinen Schafen gemacht, und nicht wir selbst. Der Leib Christi soll durch Apostel und Propheten, Hirten und Lehrer erbaut werden, bis wir Alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden nach dem Maß des vollkommenen Alters Christi nach Epheser 4.

Die erste christliche Gemeine zu Jerusalem stellt ein ungemein liebliches Bild der Einheit dar. Der Grund derselben war der Apostel Lehre; dazu gesellte sich das Brotbrechen und das Gebet. Und Alle, die gläubig wurden, waren täglich und stets bei einander einmütig im Tempel, und brachen das Brot hin und her in ihren Häusern, und lobten Gott mit Freuden und einfältigem Herzen. Apst. Gesch. 2. Denn wenn man ein einfältiges Herz hat, und dieses, durchs Evangelium freigemachte Herz mit Freuden Gott loben kann, so fühlt man sich auch gegenseitig durch das Band des Friedens umschlungen. Geteiltheit, Widerwärtigkeit ist nur Beweis, dass man noch nicht in den weiten Raum des Evangeliums versetzt sei. Man kann in Meinungen, welche das Wesen der Sache nicht betreffen, verschieden sein; einer kann vor dem andern einen höheren Staffel der Einsicht und Erfahrung des Lichts und der Liebe haben, ohne dass deswegen Geteiltheit zu sein braucht. Wir lesen von Jesu selbst, dass er den Johannes, und von Paulo, dass er den Timotheus vorzüglich lieb hatte. Das ist also auch noch immer nicht unrecht, wenn hier ein Häuflein und dort ein Häuflein Christen besonders zusammen hält, je nach dem sie sich einander am ähnlichsten sind, und sich am besten verstehen, vorausgesetzt, dass sie bleiben in der Apostellehre, und auf ihrem und der Apostel Grund erbaut sind. Denn Verschiedenheit neben der Einheit ist der Absicht des heiligen Geistes gemäß; die Glieder am menschlichen Körper sind verschieden, und doch einig. Es ist nicht alles Auge, und nicht alles Ohr. Einige Christen reden am liebsten von der Verleugnung, andere vom Glauben, diese von den Vollkommenheiten der Erlösung, und jene von dem rechtschaffenen Wesen, das in Jesu Christo ist; dieser am liebsten von der Rechtfertigung, und jener von der Liebe, und wenn sie alle gehörig gedemütigt sind, wird dies den schönsten Einklang erzeugen, man wird nicht den einen Lehrpunkt leugnen, indem man den andern behauptet, und nicht mit Worten kriegen, woraus nur Gezänke entsteht.

Indessen! der alte Mensch hat sich von jeher mit drein mischen wollen, und durch ihn der Teufel. Unter den zwölf Jüngern schon gab es eine Eifersucht, wer unter ihnen wohl der Ansehnlichste im Reiche Gottes sein würde; aber Jesus entschied diese Frage dahin: wer Aller Knecht sei, der sei der Größte, und stellte ihnen ein kleines Kind zur Nachfolge vor, das nichts von Vornehmsein weiß. In Jerusalem entstand Zank wegen der Armenpflege, und die Griechen meinten sich darüber beschweren zu dürfen, dass die Juden einen Vorzug von ihnen genössen, und da die Apostel selbst sich bis dahin noch mit der Armenpflege beschäftigt hatten, so traf sie der Vorwurf mit. Deswegen wurden sieben Männer zu diesem Geschäft bestellt, die sich mit Predigen nicht abgaben. Nachher entstand Streit darüber, dass Petrus einem Heiden Cornelius nicht nur das Evangelium gepredigt, sondern auch mit ihm gegessen und getrunken hatte, und er musste sich darüber rechtfertigen, welches er auch zur Zufriedenheit Aller tat. Das Benehmen war schön, indem sie dadurch bewiesen, dass sie nur göttliches, nicht menschliches Ansehen gelten lassen wollten, so dass selbst ein Apostel sich rechtfertigen musste, wenn seine Lehre dem Worte nicht gemäß zu sein schien. Wäre das doch stets der Sinn der christlichen Kirche geblieben. Nicht lange, so entstand ein neuer Streit über dem Gesetz. Die jüdischen Christen wollten, die aus den Heiden sollten auch das Gesetz Mosis halten; besonders bestanden diejenigen darauf, welche ehemals Pharisäer gewesen waren, und vielleicht auch nach ihrer Begnadigung ein heimliches Wohlgefallen an ihrer strengen Gesetzlichkeit hatten. Es wurde ein ordentliches Konzilium gehalten von den Aposteln und Ältesten, um über diesen Punkt zu entscheiden. Petrus und Jakobus redeten besonders gegen das Gesetz, welches Petrus ein Joch nannte, das weder ihre Väter noch sie selbst hätten tragen können. Und es wurde einmütig beschlossen, die Gläubigen aus den Heiden nicht damit zu beschweren, und diesen Schluss der Gemeine schriftlich mitzuteilen unter der Formel: also gefällt es dem heiligen Geist und uns. In Korinth entstanden auch Parteien und Sekten. Einige rühmten sich des Pauli, Andere des Apollo, Andere des Kephas, und noch Andere, die es noch besser treffen wollten, Christi. Paulus missbilligte Alles mit einander, selbst die Benennung christisch, weil auch sie ins sektiererische fiel, und sich also eine Art von Stolz drein mengte, nach welchem sie Andere, selbst die Apostel, gering achteten, die sie doch insgesamt, als Diener Christi hätten ehren sollen, demütig sein sollen und lernbegierig.

Bis ins neunte Jahrhundert blieb die christliche Kirche in Lehren und Gebräuchen sich ziemlich einig, so dass man von keiner Trennung besonders was wusste, wenn man sich gleich nicht selten heftig stritt, besonders über die Bilder. In gedachtem Jahrhundert aber spaltete sich die Kirche in zwei Hauptabteilungen, in die morgenländische und abendländische, oder in die griechische und römische, welche Spaltung noch fortdauert. Ihre wahre Quelle war Herrschsucht und Ehrgeiz, da die Bischöfe zu Konstantinopel und Rom sich einander den Rang ablaufen, und jeder der Erste im Reiche Gottes sein wollte. Deswegen nannte sich der römische Bischof einen Knecht der Knechte Gottes, weil Christus gesagt hat: wer unter euch der Größte sein will, der sei aller Knecht, und so blieb dem zu Konstantinopel nichts anderes übrig, als sich Se. Wenigkeit zu nennen, und dies als einen ausschließlichen Titel anzunehmen. Arglistiges, armseliges Herz! Es hängt den Schild der Demut aus, während es voll Hochmut steckt. Dazu gesellten sich noch einige andere mehr oder weniger wichtige Punkte, welche die Spaltung vollendeten; z. B. die morgenländische oder griechische Kirche verwirft den Papst, glaubt kein Fegfeuer, wie die römische tut, erlaubt zwar gemalte, aber keine geschnittenen oder ausgehauenen Bilder, und glaubt so dem zweiten Gebot hinlänglich zu genügen, braucht beim heiligen Abendmahl gesäuertes Brot, was sie bricht, und es mit dem Wein allen Kommunikanten reicht; dahingegen die römische nur ungesäuertes Brot erlaubt, und denen, die nicht Priester sind, den Kelch versagt; die griechische Kirche erlaubt auch das Lesen der heiligen Schrift, und sucht dasselbe besonders gegenwärtig sehr zu befördern, die römische aber erschwert's angelegentlich, einiger anderen Punkte nicht zu bedenken. Beide Kirchen haben sich schon oft zu vereinigen gesucht, es ist aber bisher immer misslungen, obschon die griechische Kirche unter dem Druck der Türken der römischen Hilfe oft wohl sehr benötigt gewesen wäre. Die römische ist auch viel zu herrschsüchtig dazu, und kann von keinem auch noch so unbedeutenden Punkte abweichen, ohne der Unfehlbarkeit des Papstes und der Kirche zu nahe zu treten, und damit das ganze Gebäude über den Haufen zu werfen, das auf diesem Fundament ruht. Zur morgenländischen Kirche gehört besonders Griechenland, weswegen sie auch die griechische genannt wird, und ihr vornehmster Bischof wohnt in Konstantinopel, wo noch 300.000 Christen leben sollen. Ihren Hauptsitz hat sie in Russland, welches von Griechenland seit dem 10ten Jahrhundert Buchstaben und Christentum bekommen hat. Sich selbst nennt jene Kirche die rechtgläubige, so wie die römische sich den Namen der allgemeinen anmaßt.

Vor 300 Jahren spaltete sich die abendländische oder römische Kirche wieder in zwei Teile, die sogenannte katholische nämlich und protestantische Kirche. Die Benennung der protestantischen bekam die diesseitige Kirchenpartei seit dem Jahr 1529, wo sechs Fürsten und vierzehn Reichsstädte gegen einen Beschluss auf dem Reichstage zu Speier protestierten, d. i. denselben anzunehmen verweigerten, worin beschlossen wurde, die Messe überall einzuführen, vor der Hand nichts mehr in der Religion zu ändern, bis Bischöfe sich versammeln und über das Religionswesen entscheiden würden, dem man sich dann unterwerfen sollte. Dagegen legten jene eine Protestation ein, und erklärten, nur das Wort Gottes als Schiedsrichterin annehmen zu können. Auch die protestantische Kirche teilte sich in die lutherische und reformirte, und obschon man die Trennung gleich bei ihrer Entstehung zu verhüten suchte, obschon die beiden Hauptreformatoren persönlich sich mit einander beredeten, gab doch Gott seinen Segen nicht dazu, dass die Gründe des Einen den Andern überzeugt hätten, sondern man blieb beiderseits bei seiner Meinung. Am betrübtesten war es, dass gerade das Mahl der Liebe das Signal zur Trennung geben musste. Beide behaupteten zwar, Christus werde im heiligen Abendmahl genossen, nur zwar nicht mit dem leiblichen, sondern mit dem Munde der Seelen, das ist dem Glauben, so dass sie zugleich ein Siegel der Gnade empfingen, da sie sonst freilich auch außer dem heiligen Abendmahle Christum zu jeder Zeit genössen. Beide Lehrarten haben ihre Verteidiger und Anhänger gefunden, und sind das Schibboleth der Trennung geworden. Sonst sind beide Kirchen in den meisten Hauptlehrpunkten, wenigstens ihren Bekenntnisbüchern nach, völlig einverstanden. Beide verwerfen alles menschliche Ansehen in Glaubenssachen, und erkennen bloß die Aussprüche der heiligen Schrift als entscheidend an. Kann nur gezeigt werden, die heilige Schrift lehre etwas, so will die protestantische Kirche keine andere Beweise mehr. Sie verwirft nicht nur das Ansehen des Papstes, und aller bloßen Menschen, die Apostel ausgenommen, die geredet haben, getrieben durch den heiligen Geist; sondern auch die Meinungen, die jemand aus sich selbst hervorspinnt, und die er nicht mit der Schrift beweisen kann. Sie hält die Vernunft für das, was sie wirklich ist, für das Auge der Seele, womit sie nicht selbst Gegenstände schafft, sondern diejenigen, die wirklich da sind, betrachtet, und weist sie an, in Religionssachen nicht zu lehren, sondern zu lernen. Unsere reformirte Kirche hat sich daher stets geweigert, sich nach Zwingli oder Calvin benennen zu lassen, weil es ihr einerlei ist, was diese Männer gelehrt haben, und sie fragt: ist's schriftmäßig? Dann glaubt sie's, und hätte es der Papst gesagt. Die lutherische Kirche nennt sich zwar lieber die evangelische, aber sie hat sich des Namens Luthers nie geweigert, und dazu auch gar keine Ursache gehabt, jedoch ohne seinen Lehrmeinungen irgend ein Ansehen einzuräumen, als in sofern sie sie wirklich für schriftmäßig hält. Die Schrift ist das Fundament der protestantischen Kirche, und indem sie angewiesen wird, in derselben zu forschen, weil sie nütz ist zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt, so macht sie zugleich vorzüglich darauf aufmerksam, dass der heilige Geist es sei, der uns in alle Wahrheit leiten, und uns Christum verklären müsse; darauf aufmerksam, dass die Furcht des Herrn, und das Gebet, Haupterfordernisse sind zum rechten Bibellesen, und gibt dabei als Regel, die Schrift richtig zu verstehen, diese an: Schrift mit Schrift richtig zu vergleichen.

Einig ist, die protestantische nicht nur, sondern die ganze christliche Kirche, auch in sofern sie sich römisch oder griechisch nennt in dem biblischen Glauben, der Mensch sei ein, in Sünde und Strafe verfallenes Geschöpf, und zwar so und dermaßen verfallen, dass er sich selbst durch die Kräfte seines eigenen freien Willens unmöglich daraus retten könne. Sie lehrt: es sei hier durchaus kein Unterschied, sie seien allzumal Sünder. Und wer darin anders denkt, der hört überhaupt auf, irgend zur Christenheit zu gehören; denn die Lehre derselben hat zwei Hauptstützpunkte, um welche sie sich herumdreht, worauf sie ruht, und diese sind: das Paradies und Golgatha; Adams Fall und Christi Tod; der Baum der Erkenntnis und das Kreuz Christi, denn wie durch Adam viele Sünder worden sind, so werden durch Christum viele gerecht.

Einig ist die protestantische Kirche in der biblischen Lehre der Unzulänglichkeit aller Werke des Gesetzes, zur Erlangung der Seligkeit. Nicht von guten Werken ist hier die Rede. Wir glauben aber mit Paulus, dass Niemand durch des Gesetzes Werke gerecht werde, sondern durch den Glauben an den Herrn Jesum.

Einig ist sie in Anerkennung der Alleingültigkeit des einigen Opfers Christi, welches der Grund ist, worauf die ganze christliche Kirche steht. Und hier müssen wir zum Ruhm Gottes bekennen, dass der heilige Geist Luthern gerade über diesen wichtigen Punkt ein ausnehmendes Licht verliehen hat. Er besonders ist als derjenige anzuerkennen, der zuerst die, so ungemein lange Zeit, und endlich fast ganz und gar verdunkelte Lehre von der Seligkeit aus lauter Gnaden, allein um des vollkommenen Opfers Christi willen, wieder in ihrer apostolischen Reinheit und Lauterkeit dargestellt hat. Er sagt: „Diesen Artikel von der Rechtfertigung wollen die Feinde der Wahrheit schlechtweg nicht leiden, und wir können ihn schlechtweg nicht entbehren, denn wo der Artikel weg ist, so ist die Kirche weg, und mag keinem Irrtume widerstanden werden, weil außer demselben der heilige Geist nicht bei uns sein kann, denn er soll uns Christum verklären. Über diesem Artikel ist Abel erwürgt und alle Heiligen, und müssen auch alle Christen darauf sterben.

Dennoch ist er blieben und muss bleiben, und die Welt immer darüber zu Grunde gehen. Also soll sie jetzt auch herhalten, und über dem Artikel gestürzt werden, und sollte sie darüber toll und töricht werden, so soll sie diesen Artikel stehen lassen.“ Amen setzt er hinzu.

Einig ist die protestantische Kirche, ja die ganze Christenheit, in dem Glauben an die Erlösung durch Christum, und zwar nicht vermittelst seiner Lehre, nicht vermittelst seines Beispiels, sondern durch sein Blut. Die ganze Christenheit glaubt die göttliche und menschliche Natur Christi, und hat sie von jeher geglaubt, und wer sie nicht glaubt, gehört weder zu der protestantischen, noch zu der römischen Kirche, sondern zu den heidnischen Philosophen.

Einig ist die protestantische Kirche in dem Glauben, dass kein Mensch aus eigener Vernunft und Kraft an Jesum glauben könne, wie sich Luther in seinem Katechismus ganz schriftmäßig ausdrückt: dass Niemand zu Christo kommen könne, es sei ihm denn vom Vater gegeben. Sie glaubt an den heiligen Geist, dass er's sei, der den geistlich toten Sünder lebendig mache, erleuchte, bekehre, tröste, bewahre usw. und dass ohne denselben niemand etwas Gutes zu wollen, geschweige zu tun vermöge. Auch in Absicht der heiligen Sakramente sind beide Kirchen, wenigstens was ihre Zahl anbelangt, vollkommen einig.

Doch sind sie bisher in einigen Punkten verschieden gewesen. Zum Teil ist es ein ganz gleichgültiger Unterschied, über welchem nie einiger Streit zwischen beiden, Kirchen statt gefunden. Z. B. in manchen lutherischen Kirchen hat man Bilder, Lichter, das Bild und Zeichen des Kreuzes bisher in allen die Hostien beim Abendmahl, nebst der römischen Einteilung der zehn Gebote, und in den meisten das Predigen über die sonn- und festtäglichen Evangelien und Episteln beibehalten, welches in allen reformirten Kirchen anders ist, die bischöfliche in England ausgenommen, die in ihren Lehrsätzen zwar reformirt, aber in einigen Zeremonien und im Kirchenregimente davon verschieden ist, welches freilich ungeheure Streitigkeiten veranlasst hat, da sie dieses der presbyterianischen Kirche aufdrängen wollte. - Von mehrerer Bedeutung ist der Unterschied in einigen Lehrpunkten beider Kirchen noch außer dem heiligen Abendmahle, das wir schon berührt haben.

Sie verbinden die Taufe und die wirkliche Wiedergeburt mit einander, wir aber sagen, wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Sie lehren was aber Luther selbst nie gelehrt hat ein Kind Gottes könne wieder ein Kind des Teufels werden, wir aber sind desselben in guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, werde es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi, und aus Gottes Macht werdet ihr bewahrt durch den Glauben zur Seligkeit. Sie sagen: die heilsame Gnade Gottes ist erschienen allen Menschen, und wer sie nicht annimmt, geht durch eigene Schuld verloren. Aus eigener Vernunft und Kraft aber kann kein Mensch zu Christo kommen oder an ihn glauben. Das ist auch Lehre unserer Kirche. Sie lehren und wir auch es sei nicht im voraus Gutes im Menschen, woran die Gnade sich anknüpfen könne, sondern sie schaffe etwas ganz neues in ihm. Sie wirke Wollen und Vollbringen nach des Herrn Wohlgefallen. Sie lehren, alle Menschen, die durch Christum gerecht, heilig und selig werden wollten, könnten es auch durch ihn werden, und sehen hinzu: sie werden es unfehlbar. Denn die Gnade, sagt Luther, stückelt und teilt sich nicht. Jesus aber spricht: viele werden, das sage ich euch, danach trachten, wie sie hinein kommen, und werden es nicht tun können. Sie sagen: niemand wird selig, als der zu den Auserwählten gehört, denn die er vorher versehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollen dem Ebenbilde seines Sohnes, die er verordnet hat, die hat er auch berufen, die Berufenen hat er auch gerecht und herrlich gemacht; das sagt auch unsere Kirche. Sie sagen: Gott hat von Ewigkeit diejenigen erwählt, in welchen er den Glauben, der seine Gabe, und nicht aus den Menschen selber ist, vorhergesehen, und unsere Kirche lehrt: Gott hat alle diejenigen von Ewigkeit erwählt, in welchen er den Glauben, samt allem, was dazu gehört, aus freier Gnade in der Zeit zu wirken beschlossen hat. Sie waren sein, er hat sie aber dem Sohne gegeben, und alle Gegebenen kommen zu ihm, Sie sagen: auch diejenigen, welche verloren gehen, hätten durch Christum selig werden können, wenn sie's nur auf die rechte Weise gewollt. Wir räumen das von Herzen ein, fragen aber: warum hat Gott das Wollen nicht in ihnen gewirkt; warum tat Gott nur der Lydia das Herz auf? Sie bleiben die Antwort schuldig - wir aber begnügen uns, zu sagen: weil es seiner Weisheit nicht gefallen, und er sich erbarmt, welchen er will, und verstockt, welchen er will. Unsere Kirche ist's mit Luther einig, wenn er in seiner vortrefflichen Vorrede vor dem Brief an die Römer also schreibt. „Im 9ten, 10ten und 11ten Kapitel lehrt er von der ewigen Versehung Gottes, woraus es ursprünglich fließt, wer glauben und von Sünden los werden soll, damit es gar aus unsern Händen genommen und allein in Gottes Hand gestellt sei, dass wir fromm werden. Und das ist auch aufs allerhöchste not. Denn wir sind so schwach und ungewiss, dass, wenn es bei uns stünde, würde freilich nicht Ein Mensch selig. Der Teufel würde sie gewiss alle überwältigen. Aber nun Gott gewiss ist, und ihm nicht fehlt, haben wir noch Hoffnung wider die Sünde. Du aber folge dieser Epistel in ihrer Ordnung. Bekümmere dich mit Christo und dem Evangelio, dass du deine Sünde und seine Gnade erkennst. Danach, wenn du in das 8te Kap. kommen bist, unter das Kreuz und Leiden, das wird dich recht lehren, wie tröstlich die Versehung sei. Adam muss wohl tot sein, ehe er diese Dinge leide ohne heimlichen Zorn wider Gott, und diesen starken Wein trinkt. Leiden, Kreuz und Todesnöten werden es dich lehren.“

Schon oft versuchte man, sich auch über diese Punkte zu vereinigen, und es wollte bisher nicht gelingen, weil des Meisters Stunde noch nicht gekommen war. Viele Lutheraner waren immer in einigen oder allen Punkten unserer, und viele Reformirte in einigen Punkten lutherischer Meinung, und da beiderseits kein Zwang stattgefunden hat, so konnte jeder ungestört seiner Meinung sein. Und bisher hat es Gott nicht gefallen, selbst seinen wahren Kindern einerlei Licht zu schenken. Doch sind sie sich im Grunde alle darin einig, durchaus und in keinem Stück sich selbst, sondern nur allein den Herrn zu rühmen. Kein einziger wahrer Christ hat je behauptet, dass er selbst das gute Werk mit weder begonnen, oder fortgesetzt und erhalten habe; keiner hat seiner Treue auf die Dauer etwas zugeschrieben, sondern allein der Treue dessen, der ihn berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Wenigstens ist dem neuen Menschen ein anderes Bekenntnis unmöglich, obschon der alte dagegen murrt.

Wird endlich eine Vereinigung zu Stande kommen? Unfehlbar. Aber sie wird nicht bloß in der Vereinigung der beiden protestantischen Kirchen bestehen, sondern Gott wird sich seines alten Judenvolks so gewiss wieder erbarmen, so zuverlässig seine Verheißungen sind, dass er sie wieder sammeln wolle, und wenn er sie bis ans Ende der Erde verstoßen hätte. Gott kann sie wohl wieder einpropfen. Blindheit ist Israel eines Teils widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden eingegangen ist. Es wird aber aus Zion einer kommen, der da erlöse und abwende das gottlose Wesen von Jakob. Dies ist Gottes Testament mit ihnen. Sie werden auch Barmherzigkeit überkommen. Nach dem Evangelio halten wir sie also wohl bis jetzt für Feinde, nach der Wahl aber haben wir sie lieb, denn Gottes Gaben und Berufungen mögen ihn nicht gereuen. Sehe nur jeder zu, dass er mit Christo, dem Haupte, vereinigt sei. Amen.

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