Zwingli, Huldrych - Aus den "Apologeticus Acheteles"

Zwingli, Huldrych - Aus den "Apologeticus Acheteles"

Die folgenden Gedanken habe ich beständig in meinem Herzen erwogen, bis schließlich der Heilige Geist in mir bestätigte, was er in mich gelegt hatte:

Wir sehen, so dachte ich, wie die Menschen ihr Leben lang nach dem künftigen Heil streben, geleitet vielleicht nicht so sehr von einem natürlichen Trieb als von dem Instinkt der Selbsterhaltung, uns eingepflanzt vom Schöpfer unseres Wesens bei unserer Erschaffung; darüber jedoch, wie man an dieses große Ziel gelangen soll, sind die Meinungen sehr geteilt. Gehen wir zu den Philosophen, so hören wir sie über das Thema in einer Art disputieren, daß wir uns mit Abscheu von ihnen wenden. Suchen wir die Lösung des Problems bei den Christen, so finden wir bei ihnen eine noch größere Vielzahl von Meinungen als bei den Heiden; denn manche versuchen, das Ziel auf dem Weg menschlicher Tradition und mit den Mitteln dieser Welt zu erreichen, das heißt nach ihrem eigenen, menschlichen Ermessen, wahrend andere allein auf die göttliche Gnade und Verheißung vertrauen; die einen wie die anderen dringen jedoch gleichermaßen darauf, daß alle, die bei ihnen Trost suchen, sich ihrer Meinung anschließen müssen. Daher wollen wir uns dorthin stellen, wo sich die Wege kreuzen, d. h. wo die Meinungen selbst der Christen auseinandergehen. Wohin, frage ich, soll ich mich nun wenden ? Ist die Antwort den Menschen überhaupt gegeben? Wenn ja, so frage ich, wem? Denen, die bei der Begründung des Christentums für Weise galten oder denen, die nicht lange vor meiner Zeit erheblich mehr Torheit als Weisheit an den Tag gelegt haben?- Man wird sagen, ich solle mich von den ersten Christen leiten lassen, denen der Vorzug gebührt sowohl wegen ihrer Ehrwürdigkeit als auch wegen ihres heiligen Lebenswandels. Aber weiter könnte man sagen, daß wir auch bei diesen vieles finden, was den Evangelisten und Aposteln fremd ist oder ihnen gar widerspricht. Mit wem soll ich es nun halten?… Während ich so über die Meinungsverschiedenheiten irdischer Geister grübelte und zu Gott betete, er möge den Menschen einen Ausweg aus der dadurch entstandenen Ungewißheit zeigen, sprach er, du Narr, besinnst du dich nicht: „das Wort des Herrn besteht ewiglich“? Daran halte dich.

Aus diesem Grunde lasse ich alles andere beiseite und erkläre, daß ich auf kein einziges Ding, auf kein einiges Wort, so fest vertrauen will, wie auf das Wort, das aus dem Mund Gottes kommt. Und als ich sah, wie bloße Sterbliche sich selbst und Gott so weit vergaßen, daß sie sich erkühnten, ihren eigenen Weg als den Gottes auszugeben, ja, als ich gar nicht wenige sah, die in vollem Ernst von den Einfältigen verlangten, sie sollten ihre Befehle über die Gottes stellen, auch wenn sie zu diesen offensichtlich in Widerspruch standen, begann ich hin und her zu überlegen, ob es nicht ein Mittel gäbe, um zu erkennen, was menschlich und was göttlich ist. Da fiel mir die Stelle ein: „Alles ist klar im Lichte“, nämlich in jenem Licht, das sagt „ich bin das Licht der Welt, das jedem Menschen leuchtet, der in die Welt kommt.“;; und außerdem: „glaube nicht jedem Geiste, sondern prüfe die Geister, ob sie auch Gottes seien.“ Und so begann ich, jede Lehre an diesem Maßstab zu messen. Sah ich, daß der Prüfstein dieselbe Farbe zurückgab oder vielmehr, daß die Lehre den Glanz des Steins ertrug, so nahm ich sie an; sonst aber verwarf ich sie.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/z/zwingli/zwingli-apologeticus_acheteles.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain