Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Falscher Eifer

Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Falscher Eifer

Leute, die kein inneres Leben und keine Energie besitzen, können sich wohl selbst verderben, aber es ist keine große Gefahr vorhanden, dass sie andren Schaden tun. Personen, welche von Eifer beseelt sind und dabei von Irrtümern befangen, sind dahingegen sehr angelegt, allerlei Unheil zu stiften. Was vollbrachten zu Christi Zeiten die Pharisäer und Schriftgelehrten? Sie brannten so sehr von Eifer, dass sie den Herrn der Herrlichkeit sogar ans Kreuz brachten, und was tat Saulus zu seiner Zeit? Er schleppte Männer und Weiber mit Eifer ins Gefängnis, zwang sie zur Verleugnung, und stimmte mit ein, wenn sie zum Tode verurteilt wurden. Ich zweifle gar nicht daran, dass viele, welche halfen die Märtyrer zu verbrennen, ebenso aufrichtig in dem waren, was sie glaubten, als diejenigen, welche von ihnen verbrannt wurden. Ja, es muss wirklich ein hoher Grad von Aufrichtigkeit gewesen sein, der die Menschen in der Annahme befestigte, dass sie mit den Grausamkeiten, welche sie vollbrachten, Gott einen Dienst täten. Wir können hieran nicht zweifeln, und unser Herr sagt ja selbst voraus, dass Zeiten kommen würden, von denen es heißt: „Sie werden meinen, Gott einen Dienst zu tun, wenn sie euch töten,“ und Schriftstücke, von Menschen nieder geschrieben, an deren Händen das Blut von Protestanten klebt, beweisen dennoch, dass ihr Herz zu Gott richtig stand; allein in ihrem falschen, missverstandenen Eifer für Gott, für Wahrheit und kirchliche Einheit wähnten sie, einen tödlichen Irrtum auszureißen, und dachten, die Personen, die sie in das Gefängnis und in den Tod brachten, seien Verbrecher, die ausgerottet werden müssten, weil sie die Seelen der Menschen verderbten.

O, hütet euch, dass keiner von euch im Eifer für das Evangelium dem Geiste der Verfolgung Raum lasse. Eine treue Hausfrau kann in ihrem Eifer vielleicht so weit gehen, dass sie spricht: „Ich kann keine Magd in meinem Hause haben, die einen andren Gottesdienst als den meinigen besucht.“ Ich habe Gutsbesitzer gekannt, die außerordentlich weit in ihrem Glaubenseifer gingen, und die deshalb auch jeden Dissenter aus ihren Arbeitshäusern warfen, und die all ihren Pächtern untersagten, mit einem freikirchlich gesinnten Menschen umzugehen. Ich wundere mich gar nicht darüber, denn, wenn die Menschen eifrig sind und dabei blind, so müssen sie natürlich dahin gelangen, die Kinder Gottes auszurotten. Sie fühlen sich so feurig angetrieben, dass sie meinen, sie müssten jeden Irrtum und jede Irrlehre aus der Welt verbannen. Einen Unkirchlichen können sie nicht in ihrer Nähe dulden, und so gehen sie ans Werk und schlagen um sich nach rechts und links. Zuerst werden bittere Reden gehalten, dann geht man über zu grausamen Nachstellungen und allerlei unbarmherzigen Verfolgungen, und bildet sich doch immer ein, man tue ein Gott wohlgefälliges Ding, gar nicht bedenkend, dass man in Gottes Rechte eingreift, der als Herr und Meister doch allein die Gewissen der Menschen zu richten hat. Wenn sie Gottes Willen kennten, so würden. sie sich demselben nicht widersehen wollen, aber tat sächlich widersehen sie sich demselben.

Mit Wissen und Wollen würden sie auch nicht die Herzen derjenigen betrüben wollen, die Gott liebt, und doch geschieht dies, wenn sie den armen Einwohner um. seines Glaubens willen aus dem Hause werfen. Sie sehen auf das Volk herab, das ein wenig von ihrer Überzeugung abweicht, betrachten dasselbe als völlig verirrt, während sie es für ihre Pflicht halten, mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen, solchen Ver irrten entgegen zu treten, und all ihren Einfluss anzuwenden, sie unter ihre Herrschaft zu bringen. In ihrem Eifer, der an und für sich ein noch so gutes Ding sein mag, versündigen sie sich gegen Gott und begehen Ungerechtigkeiten, die Gott nie billigen kann. Als der Apostel die Steinwürfe fühlte, mit denen die Juden ihn verwundeten, da betete er, dass sie doch noch möchten gerettet werden, denn er wusste, dass, wenn sie nicht gerettet würden, so musste ihr irriger Eifer für Gott sie noch zu Mördern machen. Nachdem wir aber diese eine Seite betrachtet haben, kommt noch ein andrer Grund in Betracht, der uns sehr wünschen lässt, dass solche Verfolger bekehrt werden, und zwar liegt dieser eine Grund in der Tatsache, dass sie so besonders nützlich werden könnten. Sobald es möglich wird, den Mann, der für eine irrige Sache mit vollem Eifer eintritt, von dem Irrtum seines Weges zu überzeugen, und ihn statt dessen für die rechte Sache zu gewinnen, sobald wird man in ihm eine Persönlichkeit gewonnen haben, der auch mit vollem Ernst für die Wahrheit steht. Ach! welch herrliche Christen würden aus manchen Menschen werden, die heute noch vom Aberglauben befangen sind, und ich darf es frei aussprechen, dass ich wirklich mit Hochachtung zu manchem hochkirchlichen Mann empor blicke. Früh am Morgen, wie am späten Abend, ist er stets bereit, alle Arten der Selbstverleugnung zu vollbringen; er würde willig seinen Leib brennen lassen, seine Habe den Armen geben; er ist bereit, zahllose Gebete zu verrichten, sich allen kirchlichen Formen gelassen zu fügen. Was könnte die äußere Religion da noch mehr von dem moralischen Menschen verlangen? O wenn ihr diese Seelen dahin bringen könntet, zu Jesu Füßen zu sitzen, und ihre breit geränderten Kirchengewänder abzulegen, um Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten! Wenn sie ihr Vertrauen nicht mehr auf Fleisch setzen wollten, welch treffliche Menschen könnten sie werden! Was war denn ein Paulus, als er sich noch auf all die Dinge verließ, die er nachher alle für Schaden und Dreck erachtete! Er gab sie alle auf und begann einzig und allein von der freien Gnade zu predigen. Wenn er dann durch die Länder eilte wie ein leuchtender Blitz, wenn er das Evangelium predigte, als ob seine Stimme eine Donnerstimme wäre, so liebte und lebte und starb er dabei für jenen Nazarener, den er einst in seinem irrigen Eifer für einen Ketzer hielt. Jawohl, man sollte mit aller Kraft für eifrige, irregeleitete Personen bitten, welche für Gott eintreten, ohne die rechte Erkenntnis zu haben. Wir haben noch ferneren Grund, für diese Leute im Gebet einzustehen, und dieser liegt in der Tatsache, dass sie so besonders schwer zu bekehren sind. Nur Gottes Macht kann ein Menschenherz wirklich umgestalten; aber es scheint doch ein doppelter Beweis für diese Macht zu sein, wenn ein bigotter Mensch zur Umwandlung gebracht wird, dessen Religionseifer mit Unwissenheit und grobem Irrtum vermischt war. „Ei!“ spricht er, „ich tue ja alles, was recht ist, ich erfülle jede religiöse Vorschrift, und meine Gerechtigkeit wird schon bestehen.“ Von dieser Meinung ist er nicht abzubringen, und es ist viel leichter, einen Sünder aus seiner Sünde zu reißen, als einen Selbstgerechten von seiner Selbstgefälligkeit zu heilen. Selbstbetrug in Bezug auf unsre Gerechtigkeit ist so eng mit uns verbunden, wie die Haut mit dem Fleisch, und ein Leopard mag viel eher seine Flecken verlieren, als ein stolzer Mann seine Selbstgerechtigkeit. Wehe über unsre eigne Gerechtigkeit, die wir so sehr lieben!…. Unser Stolz pflegt sie, und wir denken so gern, dass wir gut sind, dass wir aufrichtig wahr und von Natur gerecht vor Gottes Augen sind, und wie oft wir auch aus dieser unhaltbaren Festung heraus getrieben sind, unsre Neigung will uns doch immer von neuem hineinziehen. Selbstgerechtigkeit sitzt in den Herzen des Erwachsenen ebenso fest, wie die Torheit in demjenigen des Kindes, und ob man einen Narren im Mörser mit dem Weizen zerstößt, so wird seine selbstgerechte Torheit doch noch an ihm kleben bleiben. Er bleibt darauf bestehen, dass er ein guter Mann ist, der es verdient, gerettet zu werden. Da ist es sicher notwendig, mit Gebet einzustehen, wo der Schaden so tief sitzt und so schwer zu beseitigen ist. Vorurteil gegen jede Einrede ist am allerschwersten zu überwinden. Da ist die Tür verschlossen, und wenn du noch so Laut klopfst, sie wird dir nicht aufgetan. Der arme Mann kann nicht öffnen, denn sie ist zugeschlossen, und er hat den Schlüssel hinweg geworfen. Bei alledem ist er so vollständig in seinen Irrtum eingehüllt, und fühlt sich in seinem Selbstbetrug so behaglich, dass er bei allem, was man ihm noch so deutlich auseinander seid, doch immer wieder dabei bleibt, er habe das Richtige erfasst, und so wird er zuletzt nur zornig, wenn man es noch versucht, seine Ruhe zu stören. O Herr und Heiland! nur Du vermagst es, den Menschen aus dem Sumpf der Selbstgerechtigkeit heraus zu ziehen! Darum flehen wir Dich auch an, Du in Deiner großen Gnade wollest es tun. Noch viele andre Gründe, außer den angegebenen, sind vorhanden, um uns anzutreiben, für die in falschem Eifer für Gott Streitenden heiß und aufrichtig im Gebet einzustehen.

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autoren/s/spurgeon/w/spurgeon-worte_der_weisheit-22.txt · Zuletzt geändert: von aj
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