Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Offenbarung Gottes

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Offenbarung Gottes

Die göttliche „Offenbarung“ ist die erlösende Neuschöpfung der Menschheit durch Selbstmitteilung Gottes an sie, angebahnt in der vorchristlichen Zeit, realisiert in Christo und dereinst sich vollendend in der Vergeistigung der gesamten Kreatur. Das Licht schien in die Finsternis des gefallenen Menschengeschlechts hinein, aber anders in der Heidenwelt als in Israel, dem Samen Abrahams, den Gott erwählte, um da Sich in besonderer Weise zu offenbaren. - Die Offenbarung Gottes an Israel in Taten und Worten ist eine wunderbare, über den gewöhnlichen Lauf der Natur (den ja Gott auch verbirgt) hinausgehende, gewesen. Wunder und Offenbarung im eigentlichen Sinne gehören zusammen, und keines ist ohne das andere zu denken. Das Wunder ist nichts anderes als die Macht des souveränen göttlichen Willens über das Sein. Schon die Macht des menschlichen Willens ist eigentlich ein Wunder, indem sie die Gesetze der materiellen Welt scheinbar verändert und aufhebt, oder durch neu hinzutretende Faktoren übersinnlicher Kräfte in der Erscheinungswelt ein anderes Resultat hervorbringt. Töricht ist es, zu sagen, Wunder könnten nie geschehen sein, weil dadurch die Gesetze der Natur aufgehoben würden. Solches geschieht ja täglich, stündlich. Wenn ich den Arm durch meinen bloßen Willen erhebe, so ist dies ein Wunder, d. h. eine scheinbare Aufhebung des Gesetzes der Schwere, vermöge dessen der Arm sinken müsste. In Wirklichkeit tritt ein neuer Faktor hinzu, die Macht des Geistes, und schafft ein anderes Produkt. Die Wunder der göttlichen Offenbarung leugnen heißt Gott leugnen und das Weltall zu einem großartigen Mechanismus machen, den kein Wille beherrscht. -

Die außerordentlichen Erscheinungen der Offenbarung, die über den gewöhnlichen Verlauf der Natur hinausgehen, hängen mit dem Rätsel des eingedrungenen Bösen und Unnatürlichen zusammen. Das Unnatürliche, von Gott Verlassene in der Schöpfung macht es nötig, dass ihm durch übernatürliche Einwirkungen Gottes begegnet werde. Wunderleugnerei ist, wie R. Rothe sagt, eine Oberflächlichkeit. Der Naturforscher Arago bemerkt: „Wer außerhalb des Gebietes der reinen Mathematik das Wort „unmöglich“ anwendet, ist ein unvorsichtiger Mensch.“ Nach der Heiligen Schrift gibt es ein übernatürliches Lebenssystem, welches im Laufe der göttlichen Offenbarung in diese niedere korrumpierte Schöpfung einwirkt und mit seinen, uns noch unbekannten, Potenzen und Kräften das bewirkt, was wir nach unserer beschränkten Erkenntnis der Gesetze und Kräfte der Schöpfung ein Wunder nennen. Vor Gott und einer vollendeten Erkenntnis ist es kein Wunder, sondern Ordnung und Gesetz.

Mehr in den Schranken des Natürlichen bewegte sich die göttliche Einwirkung auf die Heidenwelt. In Vernunft und Gewissen, sowie in Akten vergeltender Vorsehung, hat sich dort das Walten des Höchsten geoffenbart. Sogar mitten im sittlichen und religiösen Verfall der heidnischen Völker machte sich das Dasein einer dagegen reagierenden, höheren Weisheit und Tugend geltend. Wie auch jetzt, so wies zu allen Zeiten ein merkwürdiger Widerspruch in der Welt auf eine geheime höhere. göttliche Einwirkung hin. Die Welt lacht über die Tugend, kann aber nicht umhin, jene zu achten, die sie üben; sie schmeichelt dem Laster, muss aber doch jene verachten, die sich damit besudeln, was Tertullian bewogen hat, zu sagen, die Seele sei von Natur eine Christin (Anima naturaliter christiana). -

Auch im religiösen Gebiet treffen wir bei allen nichtchristlichen Völkern Spuren der Wahrheit. Hierüber sagt Max Müller (in seinen Essays I.): „Ein Schauen des Göttlichen im Wirklichen, ein Gefühl menschlicher Schwäche und Abhängigkeit, Glaube an die göttliche Weltregierung, eine Erkenntnis des Guten und Bösen und eine Hoffnung auf ein höheres und besseres Leben - das waren einige der ursprünglichen Elemente aller Religionen. Das Gemeinsame zeigt, dass sich Gott allen Völkern geoffenbart; das Verschiedene zeigt das Hervorragende, Eigentümliche, Einzige des Christentums.“

Die ganze Idealwelt der Dichter, Weisen und Philosophen der Welt beruht auf einer Einstrahlung des Göttlichen in die Finsternis der Wirklichkeit. Darum sind die Dichter und Weisen gleichsam die Propheten der Heiden (vgl. Apg. 17,28). „Um den Geist emporzurichten von der Sinne rohem Schmaus, Und der Dinge Maß zu lehren, sandte Gott die Dichter aus“ (Platen.). Was in Israel Weisheit hieß, das fand sich ungefähr wieder in den vier Kardinaltugenden der alten Sittenlehre: Weisheit, Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und Tapferkeit.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/o/oehninger/wahrheiten/oehninger_-_wahrheiten_fuer_unsere_tage_-_12.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain