Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 4-6

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 4-6

Gehalten am 9. September 1849.

Gesang vor der Predigt:
Psalm 2, Vers 3 und 4.

Der König spricht in majestät'schem Ton
Das Reichsgesetz, das alle Stolzen beuget:
„Jehova sprach zu mir von seinem Thron:
Du bist mein Sohn, heut
Hab ich dich gezeuget.
Du forderst es, drum sollen alle Heiden,
Dein Erb und Reich, dir unterworfen sein,
Ich räume dir, dem Schöpfer ew'ger Freuden,
Die ganze Welt mit ihren Völkern ein.

Du sollst, ich geb‘ dir unumschränkte Macht,
Vom Aufgang bis zum Niedergang regieren,
Und über den, der deines Reiches lacht,
Mit Majestät ein eisern Scepter führen.
Gefällt es dir, so kannst du die Rebellen,
Die dein Gesetz und deine Herrschaft schmähn,
Gleich irdenem Geschirre, ganz zerschellen,
Und dich in Macht vor aller Welt erhöhn.

Zwischen-Gesang:
Psalm 72, Vers 1.

Gib dein Gericht, Herr! deinem Knechte,
Dem König auf dem Thron;
Verleihe deine heil'ge Rechte
Forthin des Königs Sohn;
Daß er dein liebes Volk regiere
Nach Recht und Billigkeit,
Und deine Unterdrückten führe
Aus Noth, Gefahr und Streit.

Text: Ebräer Cap. 1, Vers 4-6 So viel besser geworden, denn die Engel, so gar viel einen höhern Namen er vor ihnen ererbet hat. Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe Ich dich gezeuget? Und abermal: Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein? Und abermal, da er einführet den Erstgebornen in die Welt, spricht er: Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.

Habe ich zur Stärkung des Glaubens alles dessen, was schwach und verzagt ist, die drei ersten Verse unseres Capitels ausgelegt, und Euch davon überzeugt, daß wir in Jesu einen vollkommenen Seligmacher haben, und also in ihm von Gotteswegen Alles finden, was uns zu unserer Seligkeit vonnöthen ist: so mögen Euch die verlesenen Worte um so mehr in Euerm allerheiligsten Glauben bekräftigen.. - Was der Regen ist auf ein dürres Erdreich, das sind diese Worte auf eine dürre Seele, welche matt und müde darnieder liegt; werden ihr die Augen geöffnet, so sieht sie in denselben einer offenen Brunnen, und gewinnt auch Freudigkeit, zu demselben hinzuzutreten; und der heiße Durst ist gestillt, jeder Schmerz gewichen.

Ich weiß wohl, daß diese Worte den Auslegern von jeher allerlei Noth gemacht haben, daß weder Rechtgläubige noch Ketzer folgerecht in der Auslegung derselben gewesen sind. Ich weiß wohl, daß Rechtgläubige sie würden verwerfen, ständen sie nicht in der Bibel, und daß Ketzer sich derselben bedient haben, um die Seelen zu verstricken in ihrer Ketzerei. Ich weiß wohl, daß sie schwer zu verstehen sind; - dennoch sage ich Euch gerne in aller Einfalt die Meinung des Geistes mit denselben, auf daß Ihr von allen Seiten wohl begründet seid in Eurer Hoffnung. Der Apostel sagt uns:

  1. Daß Christus viel besser geworden ist, denn die Engel.
  2. Er beweiset solches aus dein hohen Namen, den Christus vor den Engeln ererbet hat, welchen Namen kein Engel trägt.
  3. Er lehret uns, daß es der Wille des Vaters ist, daß, wo Christus kommt, alle Engel Gottes vor ihm in den Staub hinsinken und ihn anbeten müssen.

Indem wir diese drei Stücke auseinander setzen, wollen wir zu gleicher Zeit die Schwierigkeiten beseitigen, welche die Vernunft sich mit diesen apostolischen Worten in den Weg legt.

I.

Christus ist viel besser geworden, denn die Engel, sagt der Apostel. - Amen, sagt darauf jegliche Seele, welche es erfährt was der Prophet schrieb: „Kein Einwohner Jerusalems wird sagen: Ich bin schwach. Denn das Volk, so darinnen wohnet, wird Vergebung der Sünden haben.“ Wenn die Nachbarinnen und Bekannten des Weibes, welches von dem Herrn von ihrem Blutgang erlöset war, vor ihr viel Rühmens gemacht haben mögen von allerlei Aerzten, so hat sie, die alle ihre Habe an die Aerzte verwendet hatte, ohne Hülfe, zu finden, später gewiß bezeugt: Ich weiß einen Arzt, der ist viel besser. - So macht's auch unser Apostel. Er hatte es auch allerwärts versucht von Jugend an; auch er hatte, nach jüdischer Weise, wie in allen Werken des Gesetzes überhaupt, so auch in Demuth und Geistlichkeit der Engel seine Heiligung gesucht, die Reinigung von seinen Sünden; gesucht gerecht zu sein vor Gott: - wie er aber Ruhe der Seele gefunden, das sprach er am Ende so aus: „Mir ist Barmherzigkeit widerfahren, auf daß an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigete alle Geduld, zum Exempel denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben.“ Darum schreibt er an die Ebräer: Christus ist viel besser, denn die Engel. Nicht, daß er mit Christo an und für sich die Engel will vergleichen; denn ohne das Wort, ohne Christum, ist nichts gemacht, was da gemacht ist. Wem wird es also einfallen, von dieser Seite die Geschöpfe zu vergleichen mit ihrem Schöpfer?

In keiner Beziehung können die Engel je besser sein oder gewesen sein, denn der Sohn Gottes. - Aber der Apostel redet hier also, weil die Ebräer, weil auch wir in unserm Undank, starkem Unglauben und Herzenshärte allerlei Nebenmittler und Mittel, seien es nun Engel oder Heilige oder Werke der Selbstgerechtigkeit, dazu Alles, was wir mit den Augen sehen und mit den Händen tasten, oder mit unserer Phantasie meinen erreichen oder mit der Vernunft begreifen zu können, für viel besser halten, um darauf unsere Seligkeit ganz oder doch theilweise zu gründen, denn ihn, der allein der Urheber unserer Seligkeit ist. - Weil wir es also in der That beweisen, daß wir das, was nicht erretten kann, ja, was unter uns ist, für viel besser halten, um dadurch zum Heile und Seligkeit zu gelangen, denn unsern lieben Herrn Jesum, darum spricht hier der Geist: „Er ist viel besser denn die Engel.“ Und mit der Liebe, mit welcher Paulus dieses an die Ebräer schrieb, rufe ich es Euch zu: Zu Ihm, zu Ihm hin um Euer Heil und Seligkeit, lasset alles Andere fahren; Er ist viel besser! - Aber der Apostel schreibt: Er ist viel besser geworden, denn die Engel. Wie habe ich dieses geworden zu verstehen? Gab es denn eine Zeit, wo Christus nicht so gut war als die Engel? Wir haben die Antwort fertig: Sollen wir dieses Gutsein von einem (ja, wie soll ich es heißen?) - von einem moralischen Gutsein verstehen, so sagen wir: mit Nichten.

Die Vortrefflichkeit der Engel ist gegen die Vortrefflichkeit Christi, wie die Vortrefflichkeit der Pflastersteine gegen die Vortrefflichkeit der Edelsteine; oder: gegen die Vortrefflichkeit des Sohnes Gottes war von jeher die Vortrefflichkeit der Engel keine; oder: die Vortrefflichkeit und Macht der Engel war von dem Sohne Gottes auf sie gelegt und bestand in der Majestät des Sohnes, welcher sie auch schuf. - Von der andern Seite genommen, gab es eine Zeit, in welcher Christus so gut nicht war, als die Engel, oder, (wenn man will) nicht so herrlich, so mächtig; das war die Zeit, wovon der Apostel schreibt: „Du hast ihn eine kleine Zeit der Engel mangeln lassen, oder weniger, geringer sein lassen.“ Das war die Zeit seiner freiwilligen Erniedrigung, das waren die Tage seines Fleisches. Denn den Engeln war nie etwas im Wege, den Willen Gottes zu thun, da aber ließ Gott ihm Alles im Wege sein. Die Engel waren stets heilig, da war er aber, obschon der Heilige Gottes, Sünde für uns; die Engel waren stets herrlich, da war er aber um unsertwillen arm und elend; die Engel in Lichtsgestalt, er in Knechtsgestalt, ein Wurm und kein Mann, ein Spott der Leute, von Allen als Nichts geachtet; die Engel, als der Blitz, um den Befehl Gottes zu thun, er immerdar im Gebet, am Flehen, am Schreien, in Thränen, in Staub des Todes gelegt, ringend mit dem Tode, so daß ihm vor Angst das Blut ausgepreßt wurde: - seht, da war er allerdings nicht so gut, wie die Engel, da konnte er nicht, was sie konnten, denn er trug die Person des Sünders, und wurde als solche vor dem weltlichen und geistlichen Richterstuhl behandelt. Und wer nun von Jesu nichts mehr weiß, als dies, daß er in Schwachheit des Fleisches einherging, für dessen jüdisch gesinntes Herz mögen die Engel wohl besser scheinen, um zu helfen. Noch heute wissen Viele nicht mehr von Jesu, als das, ja, noch nicht mal so viel. Wenn man aber nicht sehen kann, wozu und für wen dieses „Mindergemachtsein denn die Engel“, dieses Leiden und Sterben gedient hat, und was es bedeutet und kostet, die Sünden der Welt wegnehmen und Gottlose gerecht zu machen: dann freilich kann das Fleisch auch Heilige und Märtyrer auffinden, die vor dem Fleische mehr glänzen, als Jesus; auch Werke auffinden, welche dem Fleische mehr gelten müssen, als das Werk, welches Er vollbracht hat, als die Arbeit Seiner Seele. Und wenn man nicht Acht gibt auf die Worte des Herrn: „Trachtet nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, und alles Uebrige wird euch zugeworfen werden“, „wer nicht sich selbst verleugnet, und sein Kreuz täglich auf sich nimmt, der kann mein Jünger nicht sein“, so wird man sein Heil lieber in ein paar Thalern suchen, diese für besser halten, denn den Herrn Jesum und seine Worte, und auf solchen paar Thalern so wie auch auf einem Zoll eigner Ehre, eignen Willens und eigner Luft lieber todt bleiben, als Alles los lassen, um Alles bei solchem Herrn zu finden. Hat man dagegen die Eitelkeit alles Sichtbaren, wie auch der fleischlichen Heiligung geschmeckt, den Schrecken Gottes über die Sünde getragen in seinem Innern und es gefühlt, daß man eine Gerechtigkeit vor Gott haben muß, welche ewiglich gilt, und ist man mit dieser Gerechtigkeit bekleidet, so kennt man die hohe Bedeutung des Wortes: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen“; man ist froh über seines Herrn Erhöhung und jauchzt freudig auf: Mein Herr Jesus ist mir das einzige All geworden, meine Gerechtigkeit, meine Heiligkeit, meine Ehre, meine Lust, mein unvergängliches Gold und Silber; Er ist besser geworden denn die Engel.

II.

Ja, er ist besser geworden denn die Engel. Das wissen wir an dem hohen Namen, den er vor den Engeln ererbet hat, welchen Namen kein Engel trägt. Welche hohe Namen den Engeln auch mögen gegeben sein: so sind es doch alle nur Namen, welche die Eigenschaften Gottes zum Troste des Elenden und Hülflosen preisen. So heißt Gabriel: Gott ist ein Mann, der was kann; Michael: Wer ist, wie du, o Gott! Darum schreibt der Apostel: Zu welchem Engel hat er je gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget; und abermal: Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein! - Solche Worte sind recht geeignet, um dem Elenden Muth zu machen, daß er all sein Heil und Seligkeit lediglich von dem Sohne Gottes im Glauben erwarte; zu glauben, daß er Alles, was ihm zum zeitlichen Durchkommen durch diese Welt und zu seiner Seligkeit vonnöthen ist, gewiß in Ihm hat und gewiß bei Ihm finden wird.

Die Beweise, welche Paulus anführt, sind aus dem zweiten Psalm und aus dem siebenten Capitel des zweiten Buches von Samuel genommen. Daß der zweite Psalm ein Psalm von Christo ist, liegt auf der Hand, und daß David die Verheißung, welche er nach 2. Samuelis 7 empfing, nicht von Salomo lediglich, sondern durch Salomo hindurch von Christo verstanden hat, gibt er selbst zu verstehen, indem er in seinem Gebete zu dem Herrn sagt: „Du hast dem Hause deines Knechtes noch von fernem Zukünftigen geredet. Das ist eine Weise eines Menschen, der Gott der Herr ist.“

Um allen verkehrten Folgerungen vorzubeugen, als wäre Christus der Sohn Gottes entweder durch seine wunderbare Geburt, oder durch seine Auferstehung und Erhöhung überhaupt; oder als wäre der Sohn Gottes erst nach seinem Leiden und Tod der Sohn Gottes geworden; oder als habe er diesen Namen „Sohn“ sich erst verdienen müssen, bemerken wir, daß allerwärts bei unserm Apostel der Sohn als Sohn genannt wird vor seiner Geburt, so wie auch vor seinem Leiden und Tod und Auferstehung. Denn so schreibt er an die Galater: Da die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe; so auch in diesen unsern Textworten: Da er einführet den Erstgebornen in die Welt; und an die Römer schreibt er: Der auch seines eingebornen Sohnes nicht verschonet, sondern ihn für uns Alle dahin gegeben hat; und wiederum: Wir sind Gott versöhnet durch den Tod seines Sohnes. - Und daß Christus der ewige Sohn des ewigen Vaters ist, hat dieser Apostel gewiß aus dem zweiten Psalm verstanden. Wie auch unser Herr selbst es in allen seinen Aeußerungen zu verstehen gibt, daß er den Namen Sohn nicht blos dadurch hat, daß er denselben ererbet. Spricht er doch zu Nikodemus: Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab; und wiederum spricht er: Der Dienstknecht bleibt nicht ewiglich im Hause, der Sohn aber bleibet ewiglich, wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. - Aber eben weil er der Sohn war, konnte er den Namen „Sohn“ ererben. Und weil David es von dem ewigen „Sohn-sein“ verstand, mußte er es auch nothwendig so verstehen, daß der Sohn diesen Namen „Sohn“ ererben würde, daß die Zeugung für gestern, für heute und für alle Ewigkeit gelten würde, und daß die Zeugung fortgesetzt werden würde durch seine Auferstehung und vollkommne Erhöhung hindurch, auch, daß es für Zeit und Ewigkeit offenbar werden würde, daß der Vater sein Vater, und er sein Sohn war, namentlich bei seiner Erhöhung.

Wie hängt das nun zusammen? David sah in dem verheißenen Christo seinen Herrn und seinen Gott, den Sohn des lebendigen Gottes, Gott aus Gott, Gott von Gott gekommen. Gekommen, - wozu? Um hier als Gott einherzugehen? Nein; Gott wollte offenbar werden im Fleische und gerechtfertiget werden im Geiste. - Das wußte David als Prophet. Er sah den Sohn kommen; aber wie? Im Fleische. Er sah den Sohn kommen, aber so, daß obgleich er Sohn war, er Gehorsam sollte lernen an dem, was er leiden würde. Er sah ihn kommen als den ewigen Sohn, von dem ewigen Vater gesandt, aber so, wie Paulus schreibt an die Philipper: „Ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub Gott gleich sein; sondern äußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Geberden als ein Mensch erfunden.“ So sah David Christum als den ewigen Sohn, ewig vom Vater gezeuget; sah , ihn aber zugleich als den Menschen an unserer Statt, als den andern Adam, der die ewige Gerechtigkeit darstellen, Gott seine Ehre und die Genugthuung bringen und also den Menschen versöhnen würde durch sich selbst. Da hatte Christus die Freude, daß er der Sohn war, abgelegt, er ging einher in der Person des Sünders, war Sünde und Fluch für uns. Als Solcher hatte er das, daß er der ewige Sohn war, nur in der Verheißung, im Glauben, in der Hoffnung, nicht aber im Schauen, nicht indem Genüsse. Vielmehr würde er das Gegentheil gewahren; Alles, was nur Macht hatte, würde sich gegen ihn auflehnen, aber er würde auf der Verheißung bestehen, in dem Befehl, Wort und Willen des Vaters bleiben; nun würde er wohl durch den Tod hindurch gehen, aber so würde er, der ewige Sohn, als Mensch an unserer Statt, durch seinen Gehorsam sich den Namen „Sohn“ ererben und erwerben, daß es offenbar würde, nur ihm komme dieser Name zu, wenn er auch, an unserer Statt, einherginge und behandelt und gerichtet würde, als sei er das Kind des Zornes, der Sünde, des Fluches, des Todes und des Teufels; - aber seine Auferweckung, seine Erhöhung würde wahrlich die Fortsetzung der ewigen Zeugung sein, denn daß er von Todten auferwecket wurde, war die fortgesetzte Zeugung, womit er als Sohn von dem Vater gezeuget wurde; da bekam er aber dieses Gezeugtsein, die Erbschaft des Namens Sohn, durch seine Werke, seinen Gehorsam.1) Das ist es, was David gesehen und geweissagt hat, und so hat ihn der Apostel verstanden.

Des ewigen Vaters ewiger Sohn ist als Gewordener aus Davids Samen nach Fleisch, also als Davids und Abrahams Sohn, als der zweite Adam, als Wegträger unserer Sünden, als Ueberwinder des Todes und der Hölle durch seinen Gehorsam, nachdem er sich selbst um unsertwillen zu nichts gemacht hatte, so zu Nichte gemacht hatte, daß die Engel mehr konnten als er, und zu dem Dienste Gottes geschickter waren als er, - in Macht, nach dem Geist der Heiligung, aus Todtenauferstehung für den Sohn Gottes bestimmt und erklärt (decretirt) worden.

Das sollen wir zu unserm Troste wissen und nicht darüber grübeln. Drei Dinge sollen wir wissen. Das Erste ist: daß der Sohn selbst dermaleinst dem unterthan sein wird, der ihm Alles untergethan hat, auf daß Gott sei Alles in Allem, und alsdann wird die Gemeine den Sohn darstellen - und die Dreiheit kehrt nach ihrer Wirkung wieder zurück in die Einheit. Das Zweite ist: daß die ganze Offenbarung von Vater, Sohn und Geist uns nicht, gegeben ist, um darüber zu spekuliren (denn da gibt's nichts als rechtgläubige Vermessenheit oder ketzerische Vermessenheit und Undank), nicht gegeben ist, um Geheimnissen nachzuforschen, welche Geheimnisse der Gottseligkeit sind. Das Dritte ist dieses: daß die Offenbarung von Vater und Sohn und Geist geschehen ist in Verbindung mit unserm Abfall von Gott und mit unserer Wiedergeburt. Adam hieß Gottes Sohn2), und wir in ihm Söhne Gottes; aber er wurde des Teufels und des Zornes Sohn, und wir wurden es in ihm. Das Volk Israel hieß auch Gottes Sohn, als Sohn Abrahams; aber das Volk Israel verließ den Bund Gottes und benahm sich von Neuem als des Teufels und des Zornes Sohn; - und so geht's voran, so ist die Geschichte der Menschheit, so unsere Geschichte: - allerwärts Söhne des Ungehorsams. Und so ging es in dem Himmel auch her, da hießen die Engel auch Söhne Gottes, aber etliche von ihnen wurden auch Söhne des Ungehorsams und verließen ihr Fürstenthum. Woher nun Errettung von Sünden, vom Zorne, von der ewigen Verdammung? Wer wird hier Gotte Genugthuung, wer Versöhnung bringen? Da hatte Gott noch einen ganz andern Sohn, der war sein Eingeborner, Gott aus Gott, ewig von ihm gezeugt, nur diesem war zu trauen, diesen sandte er aus ewiger Liebe; aber wie? als Menschen an unserer Statt, machte ihn weniger denn die Engel, that ihn unter's Gesetz, machte ihn zur Sünde für uns, da ging er einher in der Schwachheit des Fleisches, in der Person des Sünders, - wer will ihn da den Sohn sein lassen? Wo er in solcher Gestalt einhergeht, hält nicht alles Fleisch es da mit Cajaphas für eine Gotteslästerung, daß er es bekennt: „Ich bin der Sohn“? Wenn er nun dennoch im Glauben, im ewigen Geiste durchhält und gehorsam bleibt bis zum Tode am Kreuze hin, so soll es in Gottes Freimacht stehen, diesen Menschen Christum Jesum aus Todten hervorzurufen und zu ihm von Neuem zu sagen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget, ererbe diesen Namen; wie er es auch zu ihm gesagt in dem ewigen Friedensrathe, es zu ihm gesagt in einem Nu, da er den Rath seines Willens aus sich laut werden ließ.3) Und da heiße es zu allen Engeln und zu uns: Ihr seid meine Kinder nicht, - betet den an, den ich als meinen Sohn bestimmt und erklärt habe, weil er den Rath meines Willens vollbracht hat. Ihr Engel, beuget euch vor ihm; ihr Götzen, fallet vor ihm hin; ihr Könige, küsset ihn; ihr, die ihr eure Seele nicht beim Leben erhalten könnet, seid ihm gehorsam; Wohl Allen, die auf ihn trauen! Ich werde es beweisen, daß ich sein Vater bin, und daß er mein einziges heiliges Kind ist!

Wollet Ihr nicht immerdar zu ihm Eure Zuflucht nehmen, meine Geliebten! der den besten Namen hat, der einen solchen Namen hat, der am meisten vermag? Oder heißt ein Engel „Sohn“, oder wird Gott sich mehr bekennen zu den Werken unserer Hände? Dazu haben wir das Evangelium von dem Sohne Gottes, auf daß wir wissen, daß Gott sich seine Gemeine hat gekauft mit seinem eignen Blut. Nachdem er solchen Lösepreis gegeben, und in diesem Lösepreis auch alles Heil und Durchkommen durch diese Welt sowohl, wie unsere ewige Seligkeit und die Vernichtung alles Widerstrebenden hat dargestellt, so wisset es ja und verstehet es, daß kein anderer Lösepreis vor ihm etwas gilt.

Ich weiß keinen größern Trost, als diesen, daß Gott sich erweisen wird als den Vater seines Sohnes, und daß er mit ihm als mit seinem Sohn handeln wird. Denn weil der ewige Sohn den Namen „Sohn“ dazu ererbet hat, daß er, als das Haupt der Menschheit, als der zweite Adam, als Vertreter seiner Gemeine, Alles von dem Vater bekomme, was uns zu unserm Heile und Seligkeit vonnöthen ist: so wird's uns an nichts Gutem fehlen, so wird uns an unserer Seelen Seligkeit nichts abgehen, wo wir lediglich glauben an diesen Namen, zu diesem Namen unsere Zuflucht nehmen zu aller Zeit, besonders zur Zeit der Noth und in unserm letzten Stündlein.

Wollt Ihr aber wissen, wo Ihr den Sohn Gottes finden könnet? Im Himmel, ja, zur Rechten des Vaters; - aber was er für Euch ist und sein will, das könnt Ihr lernen aus dem Worte Gottes, darin habt Ihr den Sohn in Allem und für Alles ausgeprägt, darin höret Ihr ihn, darin zeugt der Vater von ihm. Darum schreibt der Apostel: „Und wiederum, wenn er den Eingebornen einführet in die Welt“. So wurde denn der eingeborne Sohn Gottes in die Welt eingeführt zur Zeit Davids; nämlich so: da David, getrieben vom heiligen Geiste seine Harfe ergriff und den sieben und neunzigsten Psalm dichtete, da führte Gott auf und in den Worten dieses Psalms seinen Erstgebornen ein in die Welt, - da kam er in diesen Worten in die Gemeine, und so weit dieser Psalm in die Welt hineinklang, so weit erklang der Name des Erstgebornen Gottes. Und was zeugt der Vater von ihm in diesem Psalm? „Alle Götter und Götzen, die die Menschenkinder für Heilande halten; alle Engel, alle Heilige und alle Werke der Heiligkeit, so weit Menschenkinder sie für Nebenmittler halten, ja, wenn sie auch Gottes sind, und nach seiner Anordnung und Gesetz dastehen: sie müssen sich Alle vor ihm beugen, ihn Alle anbeten, Alle ihm allein die Ehre lassen, daß er allein helfen kann, daß in ihm allein und lediglich durch ihn alles Heil und alle Seligkeit ist; denn er soll vor Allen den Vorrang haben4). Es ist nur ein Mittler Gottes und der Menschen, der Mensch Christus Jesus, Ihn hat Gott zum Christ und Heiland erhöhet, auf Ihn, als auf den Sohn, alle Herrlichkeit und allen Schatz des Hauses gelegt. Er allein hat Macht, aufzuschließen, und Niemand schließt zu; zuzuschließen, und Niemand schließt auf. Bemerket seine Worte und seine Verheißung: Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel Gottes, und soll nicht mehr hinausgehen, und will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalems, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel kommt, von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.5)

Soll hier die völlige Liebe nicht alle Furcht austreiben? Ist dieser neue Name „Knecht“, daß man Gott dienen sollte mit knechtischer Furcht, und suchen nebenbei sein Heil und Seligkeit bei Geschöpfen? Ist dieser neue Name nicht „Sohn“? Und wenn Sohn, ist es denn nicht auch: Erbe Gottes durch Christum? Soll man sich dann noch ein Gewissen machen lassen von Geschöpfen, die Einem nicht helfen können, oder sich das Gewissen schwächen lassen, daß man den eiteln und vergänglichen Dingen die Ehre geben sollte, welche Gott allein als einem Gotte vollkommener Seligkeit durch Christum soll dargebracht werden? Es besteht nichts, das vor dem Sohne Gottes nicht herunter gemacht und zu Boden wird geworfen werden. Er allein wird erhöht bleiben, als der Sohn, als ein vollkommener Heiland. Alles Irdische muß vor ihm sich beugen, alles Fleisch vor ihm schweigen. Alles, was hoch steht, sei es auch in göttlicher Macht, vor ihm die Krone niederwerfen. Und sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden6). Amen.

Schluß-Gesang: Psalm 3, Vers 2.

Herr! du bist gut und mild,
Du deckest mich, mein Schild,
Du wirst mir Ehre geben.
Ich fürchte keinen Feind,
Denn, Herr! du bist mein Freund,
Du wirst mein Haupt erheben.
Erhob ich meine Stimm‘
Um Hülfe je zu ihm,
So wollt er Heil gewähren.
Der Hörer des Gebets
Wird, ruf ich zu ihm, stets
Vom heil'gen Berge hören.

1)
Es verhält sich hiermit gerade so, wie damit, daß Abraham durch die Werke gerechtfertiget war durch den Glauben, also ohne Werk.
2)
Luc. 3, 38. Und da ward Gottes Sohn gehalten für einen Sohn Josephs. Jes. 52,14. Cap. 53,2.
3)
Sprüche 8, 22-31. Cap. 30,4.
4)
Col. 1, 16-18. Cap. 1,15.
5)
Offenb. 3,12.
6)
Gal. 4,7. Röm. 8,17.
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