Harms, Claus - Erste Predigt. - Der christliche Sprachgebrauch.

Harms, Claus - Erste Predigt. - Der christliche Sprachgebrauch.

Ich wollte gern, meine Theuren, daß ihr in die Werkstatt eines Predigers sähet mit recht klarem Blick und es wahrnähmet, was darin vorgeht. Von der Predigt, dem Werke, das aus derselben kommt, werdet ihr doch nicht zu einem richtigen und umfassenden Urtheil geführt. Ob die Predigt gearbeitet sey mit Fleiß oder ohne Fleiß, ob der Prediger an sein Geschäft gegangen sey mit oder ohne frommen Sinn, mit der Absicht oder ohne die Absicht, etwas bey den Zuhörern auszurichten auch durch den Vortrag, das möget ihr freylich aus der Predigt, die er hält, abnehmen können; allein, welche Wege der Prediger gegangen sey, um zu bekommen, was er predige, und wie leicht, wie schwer, wie sehr schwer oft ihm die Wahl geworden sey, was er nehme aus dem Mehreren, das alles gepredigt werden will, Eins vor dem Andern, darüber belehret euch eure Schließung gar nicht. Gewiß, mancher Prediger, der gern das Beste gäbe und Stärkste, denkt bey seinen Zweifeln, welches es sey, mit Wehmuth an jenes den ersten Verkündigern gegebene Wort, Matth. 10, 19: Sorget nicht, was ihr reden sollt! es soll euch zur Stunde gegeben werden. Jedoch Vermessenheit würde es seyn, wenn Zeit gegeben ist, diese Zeit nicht anzuwenden zur Vorbereitung auf die Predigt. Brüder, ich bin eher unter euch, als ihr mich sehet, und der Anblick euer, ehe als ihr da seyd, legt mir die Frage ins Herz und Gewissen: Wovon theilst du ihnen in der Stunde mit? und, was auch die eigne Erfahrung gewiß einen jeden gelehret hat, es giebt Zeiten. Lagen und Stimmungen der Seele giebt es, da die Seele dürr und trocken und arm ist und daher stumm ist: Was ist dann zu thun? Gepredigt soll doch werden. Nun, es ist ja noch der Zugang zu dem Quell aller Gottesrede offen, der Zugang zu Gott selber mit dem Samuelswort: Rede, Herr, dein Knecht höret, - und zu dem Bibelbuch, in welchem, ich möchte sagen, auf Einem Blatt zehn Predigten stehen: lies, lerne, beweg es weiter in einem frommen Herzen und leg hinzu, was der Bibelgeist in dir aufregt, dann hast du eine Predigt.

Ja, eine Predigt. Aber darf ich so? ist eine neue Frage, die den Prediger wieder anhält. Darf ich also fortgehen in den neuen Geist und reden aus so tiefer Bewegung des Herzens? Wie einen Strom den reichen Inhalt hinströmen lassen und die Gottesfülle, unbekümmert, ob er wäßre und segne, oder überschwemme und Schaden thu? Entstände dann nicht, wovon Paulus umständlich spricht, 1 Cor. 14, jenes Reden mit Zungen, in welchem der Redende undeutlich, undeutsch wird und Sachen vorbringt, zu denen dir Laie, V. 16. nicht Amen sagen kann, weil er sie nicht verstanden? Von welchem Reden der Apostel sagt, daß zehn tausend solche Worte nicht so gut seyen als fünf Worte, die verstanden werden und bessern? Seht, Brüder, da erhebt sich eine neue Schwierigkeit, und je frömmer der Prediger ist, je größer mag sie seyn, diese: wie, mit welchen Worten er den gewählten Hauptgedanken, sein Thema, ausführe. Hätte er um sich lauter solche Personen, die gleiches Sinnes, Geistes und Glaubens wären mit ihm, die alle gleiche Bildung, gleiche Lesung, gleiche Beschäftigung hätten mit ihm, dann wär er sicherer, den rechten verständlichen Ausdruck zu treffen; nun aber, die Versammlung in der Kirche ist eine Versammlung der verschiedensten Personen nach Lebensart, nach Denkungs- und Sinnesart, die schon aus diesen Gründen auch eine verschiedene Religionssprache haben. Da soll der Prediger hineinreden und sehn, daß er von möglichst Vielen verstanden werde, nicht Anstoß geben dem einen oder andern, wenn der Anstoß vermieden werden kann, und Allen mittheilen aus seinem Schatz, was Alle auffassen, hochhalten und in ihr Leben mitnehmen. Die Sprache ist die andre Schwierigkeit, die ein Prediger zu überwinden hat in seiner Werkstatt, o mit wie großer Müh oft und Sorge!

Ihr wisset zum Theil, lieben Freunde, daß diese letzte Schwierigkeit geringer gewesen ist in frühern Zeiten. Die bürgerliche Gesellschaft hatte sich nicht so weit getheilt in Kenntnißreiche und Kenntnißarme, in Gelehrte und Ungelehrte, wie jetzo; die menschliche Wissenschaft hatte sich nicht so weit in die Kirche gedrängt, in die Bücher über Religion, in die Vorträge der Christenthumslehre, und man verstand es früher besser, wenn ein Prediger das Wort Pauli nahm. 1 Cor. 2, 2: Ich halte mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch ohne allein Jesum Christum, den Gekreuzigten, - denn die Rede von dem, von dem zunächst wollte man eben hören damals. Was aber ganz besonders hier in Betracht kommt, das ist die eingetretene Unbekanntschaft mit der Bibelsprache. Diese war in früherer Zeit die allgemeine. Sie wurde ebenso überall gebraucht als überall verstanden; in sie als in ein Gefäß legte der Prediger seinen Geist, dann nahmen die Hörer an. In dieser Sprache begegneten sich Lehrer und Hörer, und wie groß die Versammlung war, so war doch die Gefahr des Mißverstandes klein bei dem Gebrauch einer gemeinschaftlichen Sprache, in Sachen der Religion. Auf ihre Erhaltung ist auch jederzeit die Kirche bedacht gewesen, zu der Apostelzeit. 1 Cor. 1, 10: daß ihr allzumal einerley Rede führt, - und zur Zeit der Reformation in der Vorrede zum Concordienbuch: Wir machen nichts Neues und wollen von der göttlichen Wahrheit weder in der Sache selbst noch in den Ausdrücken abweichen. Was leider geschehen ist! Und das ist unser gegenwärtiger zu beklagender Stand.

Lasset einmal von dem Sprachgebrauch des Christenthums die Rede seyn. Aller Mittheilungen Werth und Wirksamkeit lieget am Wort, am rechten Wort. So wie die Welt spricht, kann die Kirche nicht sprechen, darf so nicht, indessen muß sie doch von der Welt das Wort nehmen, um der Welt verständlich zu seyn, aus der sie die Jünger nehmen soll, um der Welt verständlich zu seyn, vor der sie die geistlichen Rechte der Jünger Christi vertreten und vertheidigen soll. Wie eine solche Betrachtung Licht geben kann über manches Vorgegangene, so wird sie ebenfalls Urtheil und Maaß lehren zu einer segensvollern Wirksamkeit der kirchlichen Vorträge. Und wenn nicht die heiligen Apostel, wenn nicht Christus selbst allezeit dasjenige vortragen, was im eigentlichen und engen Verstande Gotteslehre ist, sondern auch was mit derselben in Verbindung steht, was den Weg bahne zu derselben, wie auch, was abbringe von ihr: so sey dasselbe auch mir verstattet und ihr wollet mich darum auch heute nicht von eurer Aufmerksamkeit unbegleitet seyn lassen.

Das Evangelium am Sonntage Judica.

Joh. 8, 46 - 59. Sehet da, meine Lieben, im verlesenen Evangelio das Beyspiel eines Mißverständnisses. Gleichwie Christus selber ein Mißverständniß war seiner Zeit, und es noch Tausenden ist zu unsrer Zeit, (Ach, wer ihn ganz verstände!) ebenso alle seine Reden. Eine neue Religion, eine neue Sprache zu den alten Menschen, da könnt es nicht anders seyn. Allein deswegen konnte die neue Religion doch nicht unvorgetragen bleiben. Ist nicht gegenwärtig der Fall umgekehrt da: die alte Religion in der alten Sprache zu den neuen Menschen? Wir gehn an unsre Betrachtung.

Der christliche Sprachgebrauch.
I. worin er von dem gewöhnlichen abweicht;
II. warum er von ihm abweichen müsse;
III. wodurch dem Christen das Verständniß aufgehe;
IV. wie der Christ sich verhalte bey entstehendem Wortstreit

Wir gehen aus, meine Lieben, von dem in unserm Evangelio vorliegenden Fall. Mehrere Mißverständnisse erheben sich zu gleicher Zeit über den Herrn und seine Worte. Er behauptet, daß seine Zuhörer, die Juden, nicht von Gott seyen, aus dem Grunde, weil sie nicht Gottes Wort höreten; sie entgegnen ihm in ihren Herzen: Wir sind ja das von Gott ausgezeichnete Volk und haben in Moses und der Propheten Schriften, die wir fleißig lesen, das Wort Gottes, - daher der Vorwurf, daß er ein Samariter sey, in der Denkart jenes Volkes, das aus Juden und Heiden gemischet, 2 Kön. 17. (Leset dieß Capitel daheim) Mischen und heidnischen Glauben gemischet habe, nur ein solcher, der von der heidnischen Teufelslehre aufgenommen habe, der vom Teufel getrieben würde, könnte sagen, daß sie nicht Gottes Wort höreten und deswegen nicht von Gott seyen. Christus behauptet: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich;- sie nehmen das nach dem Wortverstande und erinnern ihn daran, daß doch Abraham und die Propheten gestorben seyen, und machen ihm den Vorwurf, daß er besser seyn wolle. Er behauptet zum Erweis seiner höhern Würde, daß Abraham ihn schon gesehen und sich gefreuet habe darüber; worauf sie ihm erwiedern, daß er noch nicht fünfzig Jahr alt sey, und ihn hier auf einen lästerlichen Unsinn ergriffen zu haben meinen, weshalb sie jetzt Steine wider ihn aufhüben. Solcherley Misverständnisse entstehen noch allezeit, lieben Freunde; Christi und der Apostel Worte, die uns den Sprachgebrauch des Christenthums geben, sind noch immerdar Vielen ein Anstoß und Aegerniß, mehreren Personen jetzt wie vormals, weil der jetzt übliche Sprachgebrauch jene Motte verloren hat, nachdem man den Sinn jener Worte und den Glauben an den Sinn jener Worte verloren hatte, welchen letztern Verlust wiederum der Verlust der Worte immer völliger macht. Der Sprachgebrauch des Christenthums weicht von dem des täglichen Lebens selbst wie auch von dem Sprachgebrauch des Alten Testaments, zuvörderst darin ab: er nimmt die Worte in einem andern Verstande. Laßt mich zu den Beyspielen des Evangeliums andre Beyspiele als Belege hinzuthun. Gott wird Vater auch im Alten Testament genannt. Erinnert den allerdings schönen Spruch Mal. 2, 10: Haben wir nicht alle Einen Vater? hat uns nicht alle Ein Gott erschaffen? Aber welch einen andern Verstand hat dieser Name im Neuen Testament, wenn der Apostel auffordert, Röm. 16, daß wir sollen einmüthig loben mit Einem Munde Gott und den Vater unsers Herrn Jesu Christi, - wenn derselbe uns beugen heißt, Eph. 3. unsre Kniee gegen den Vater unsers Herrn Jesu Christi, - wenn der Sohn Gottes spricht. Joh. 14: Wer mich siehst, der stehet den Vater, und Johannes, 1, 2: Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht, - so im zweyten Briefe: Wer nicht bleibet in der Lehre Christi, der hat keinen Gott, wer in der Lehre Christi bleibet, der hat beyde den Vater und den Sohn! welch einen andern Verstand hat das Wort, wenn der heilige Geist selber uns rufen lehrt, Röm. 6, 12: Abba, lieber Vater. Wir knüpften hieran neulich eine Andacht mit den Worten: Kannst du nur Ein Abba sprechen und das senden himmelwärts, spricht er wieder: Stille Kind, alle deine Thränen sind wohlgezählt heraufgekommen, deine Last wird abgenommen. - Nehmen wir ein anders Wort aus demselben Verhältnisse, ein Kind Gottes. Welch einen andern Verstand hat dieß Wort nach dem Sprachgebrauch des Christenthums! Da zeigt es nicht sowol ein Geschöpf sin, das aus Gottes Allmachtshand hervorgegangen ist, auch nicht ein Wesen, das von Gottes Güte und Huld mit vielen besondern Auszeichnungen vor am dem Geschöpfen begabt worden ist, nein, sondern, nach jenem Gleichniß vom verlornen Sohn, heißet Kind Gottes derjenige Christ, den Gott aus der Wüste der Sünde gerufen hat, den Gott aus der Tiefe des Lasters gezogen hat, an dem Gott das Mahlzeichen Jesu Christi, Gal. 6, gemacht hat, dessen Namen Gott in das Buch des Lebens, Off. 3, geschrieben hat, dem Gott durch seinen eignen Geist die Nachricht und das Zeugniß, daß er ein Kind Gottes sey, gegeben hat. Das ist wahrlich ein andrer Sprachgebrauch, der von dem gewöhnlichen Verstande des Wortes weit abgeht. Bleiben wir bey Worten dieses Verhältnisses. Christus heißt der Sohn Gottes. Ja, es war auch zu Christi Zeit diese Benennung nicht fremd, wie er selbst sich darauf bezieht, Joh. 10, 36, daß diejenigen Götter genennet werden, zu denen das Wort Gottes geschah; aber will ers nicht anders verstanden haben, wenn er spricht, im heiligen Evangelio: Ehe denn Abraham ward; bin ich? oder in jenem großen Augenblick, als sein Todesurtheil fiel auf das Geständniß: Du sagests, ich bin Gottes Sohn! das ist derjenige Gottessohn, von welchem der Apostel zeugt, Ebr. 1, daß er sey der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit, und das Ebenbild des Wesens Gottes, - welchen Johannes das Leben nennt, das ewig bey dem Vater war und uns erschienen ist, - vor welchem der Apostel Thomas ausrief: Mein Herr und mein. Gott! - von welchem Paulus sagt, daß in ihm die Fülle der Gottheit leibhaftig wohne. Col. 2: in welchem er selbst lebe, wenn er so glaubensfroh kundmacht. Gal. 2: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebet in mir, denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des eingebornen Sohnes Gottes. Urtheilt, Freunde, ob dieser christliche Sprachgebrauch nicht ein ganz andrer sey, als wie man jetzt das Wort Sohn Gottes versteht, zu welchem christlichen Sprachgebrauch hinan auch nimmer kommen diejenigen, so da sprechen von Christo, dem göttlichen Menschen, dem göttlichsten Menschen. Man stelle diesen göttlichen, in der innigsten Verbindung mit Gott stehenden Menschen noch so hoch, noch so einzig und unvergleichlich, auch noch so hoch über Socrates hinaus, über alle Sterblichen, bis an den Himmel, - mit ihm hinein und zur Rechten Gottes des Vaters kommen sie doch nicht, keinesweges, denn das will nicht gemessen sondern geglaubet seyn.

Gar manches Wort aber wird nach dem christlichen Sprachgebrauch nicht allein in einem andern Verstande sondern in einem ganz entgegengesetzten Verstande genommen als der Sprachgebrauch der Welt es nimmt. So kann entstehen, wenn in beydem geredet wird zu gleicher Zeit, ein Gespräch wie das, welches der Herr mit Nicodemus führte, Joh. 3. Die neue Geburt, welche der Herr für nothwendig erklärt zum Eintritt in das Reich Gottes, will Nicodemo, einem Meister in Israel, so wenig zu Sinnen, daß er erwiedert darauf: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? kann er auch wieder in seiner Mutter Leib eingehen und geboren werden? Aehnliche Mißverständnisse sind den Aposteln begegnet, begegnen noch alle Tage jedem Lehrer des Christenthums, der mit Bibelworten d. h. nachchristlichem Sprachgebrauch die Lehren vorträgt. Mit den Worten Leben und Tod z. B. hat es die Bewendtniß; sie werden nach christlichem Sprachgebrauch in einem ganz entgegengesetzten Verstande genommen. So jemand mein Wort wird halten, heißt es im Evangelio, der wird den Tod nicht schmecken ewiglich. Da tritt der gewöhnliche Sprachgebrauch entgegen: Abraham ist doch gestorben und die Propheten sind gestorben. Aber hier soll verstanden werden ein Leben, das nicht nach der Zeit, wann, sondern nach der Beschaffenheit, wie es geführet wird, ein anders ist, dasjenige Leben, dessen Empfängniß wundersam, heilig, göttlich ist, dessen Mutterleib die christliche Kirche ist, dasjenige Leben, welches seine Nahrung nimmt aus dem Worte Gottes und von dem Altartisch, da das Brod liegt, welches nur Schaubrodt ist für jeden Nichtchristen, 1 Sam. 21. dasjenige Leben, welches seine Freuden hat nicht in Sinnengenuß und leiblicher Ergötzung sondern, seine schönsten, in der Andacht, Ps. 139, 17. und im Bibellesen und am Gottesdienst;, dasjenige Leben, das seine Arbeit hat nicht in den Geschäften der Welt, sondern im Trachten nach der Heiligung, im Schaffen selig zu werden; das Leben, welches bey dem Vergange des Leiblichen nicht allein wohl bestehen kann sondern sogar gefördert wird, wie der Apostel sagt, 2 Cor. 4, 16: Ob unser äußrer Mensch verweset, so wird doch der innere von Tage zu Tage verneuet. Das ist das Leben nach christlichem Sprachgebrauch, Tod aber heißt nach demselben die, Sünde, daher man den Sünder anredet mit dem Wort Off. 3, 1: Du hast den Namen, daß du . lebest, und bist todt; Beßrung ist also Aufstehn aus dem Grabe und hintreten in das eben beschriebene Leben. Im zwiefachen Sprachgebrauch redet Christus selbst von Leben in jener Stelle, Matth. 16, 26: Wer sein Leben behalten will, der wirds verlieren; wer es aber verlieret um meinetwillen, der wirds finden. Gleiche Bewandtniß hat es mit den Worten Licht und Finsterniß, Wissenschaft, Weisheit, Klugheit, Vernunft und Einfalt, Reichthum und Armuth, Sattseyn und Hungern, Freyheit und Knechtschaft, wo jedes Wort immer das Gegentheil von dem sagen soll, was es nach dem andern Sprachgebrauch bedeutet, wie das allen fleißigen, und nachdenkenden Bibellesern wohl bekannt ist.

2.

Es hat aber, gewiß mancher Leser zuweilen gedacht und gefragt: Warum muß denn der christliche Sprachgebrauch eben ein abweichender seyn? warum kann derselbe den Worten ihre gewöhnliche Bedeutung nicht lassen? Hätten ja mit klarer allverständlicher Rede die Apostel sich nimmer solchen Verfolgungen ausgesetzt, so würde man wider den Herrn, wenn er sich deutlicher ausgedrückt hätte, keine Steine aufgehoben haben! Es lag ihm doch so sehr am Herzen, daß er die Menschen gewönne, wie er das so rührend in jenem Klagewort, Matth. 23 ausspricht: Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen Sie hätte. vielleicht gewollt, wenn er ihrer Art des Ausdruckes nicht so hart widersprochen, wenn er zu ihrer Gewohnheit und Fassung sich herabgelassen hätte. - Christ, tadle den Herrn nicht! Wie möchte sonst derjenige gerechtfertigt werden, der ihm als dem Muster folgt, wie wir alle sollen, der von seinem Munde das Wort nimmt, wie das alle Prediger sollen. Höre aber die Gründe an, weshalb der christliche Sprachgebrauch von dem gewöhnlichen abweiche. Der eine Grund ist, weil im Christenthum von andern Dingen, der andre Grund ist, weil im Christenthum zu andern Sinnen geredet wird.

Solche Himmelsblumen, wie die Sprache und die Religion sind, obwohl in verschiednem Verstande, wachsen nicht aus irdischem Boden und ihren Ursprung erklärt keine menschliche Weisheit. Sie erklärt bloß ihre eigenen Worte, dagegen was von Gott kommt, das können wir nur betrachten und loben. Aber das unterscheiden wir, die Sprache ist nicht allein eine Gabe an sich, sie ist ebenfalls zu einem Gefäß einer noch bessern Gabe bestimmt, das Wort der Menschenlippe sollte das Wort aus dem Munde Gottes, welches ein lebendiges wesentliches geistiges ist, ausnehmen und bewahren. Gleichwie dem Menschen selber, da er bereitet war aus Erde, sein Schöpfer den lebendigen Odem einbließ, ebenso wird von Gott in den Kelch der Sprache, die kaum mit Einer von ihren Wurzeln in der Erde haftet, die Religion gegeben. So entsteht eine Bibel. Ob die Sprache die Religion trage? fasse? das körperliche Gefäß, obschon von Luft gebildet, ein körperliches doch, ob das könne tragen, fassen, sich weiten und formen wiederum nach dem fortwährend einströmenden Geist der Religion? - Erinnern wir uns der Sprache bey den Propheten, wie sie versucht gleichsam und ringet mit sich, um zu beschreiben die neuen Gesichte, und in Ermangelung des eigentlichen Worts zu dem Bilde im Wort greift, ja selbst in ganz willkührlich scheinenden Handlungen ihre neuen Wahrheiten mitzutheilen versucht, damit diese Wahrheiten nicht allein tiefer eindrangen auf dem Wege solcher Handlungen, sondern auch richtiger verstanden würden, wovon Beyspiele besonders bey den Propheten Jeremias und Hoseas vorhanden sind. Das Christenthum war eine neue Erscheinung und ward ein neuer Anschluß. Ich bin nicht gekommen, spricht Christus, das Gesetz aufzulösen sondern zu erfüllen. Dieses Neue, was er hinzuthat, er nennt es himmlisch. Glaubet ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde? Allein diese zu verkündigen, war eben sein Beruf. Wenn er auch dieß und jenes verschob: Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnets jetzt nicht tragen; (Erwägen diejenigen dieß Wort, welche die apostolischen Schriften gegen die evangelischen herabsetzen und von einem paulinischen, von einem petrinischen Christenthum sprechen!) so mußten doch himmlische Dinge vorgetragen werden. Wie aber, frage ich, konnte Christus das anders als mit Worten der vorhandenen Sprache? Sollte ein zwiefaches Wunder geschehen, eins, allen Menschen eine neue Sprache geben, das andre, in dieser neuen Sprache seine Offenbarungen mittheilen? zwei, da eines hinreichend war? Ja, für hinreichend müssen wirs erklären, denn wurde Christus nicht wirklich verstanden von Vielen, wiewol er mit den gebräuchlichen Worten redete? folgten ihm nicht die Menschen bey Tausenden in die Wüste nach? lehrte er nicht vom Berge? aus dem Schiffe? hing nicht das Volk an seinem Munde mit großem Verlangen, drängte sich zu ihm, um das Wort Gottes zu hören? Er sprach vom Senfkorn, vom Unkraut, vom verborgenen Schatz, vom verlornen Schaaf, von der köstlichen Perle, vom Fischfang, und als er die Zuhörer fragte: Habt ihr das alles verstanden? sprachen sie: Ja, Herr. Matth. 13, 61. So, an diesem alltäglichen Won ging ihnen über das neue Himmel? reich das Licht auf. Und weiter redete er vom Licht: Ich bin das Licht der Welt, - vom Manna, dem Himmelsbrodt: Ich bin das Brodt des Lebens, - von seinem Blut, das zur Vergebung der Sünden vergossen würde, - von des Glaubens Kraft und weiterer Mittheilung: Wer an mich gläubet, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen, darauf das Volk sagte: dieser ist ein echter Prophet. Joh. 7, 40.

So redete er von andern Dingen in den gebräuchlichen Worten, natürlich mußte er da die Worte brauchen zu einem andern Verstande. Und welche waren es, die ihn nicht verstanden? diejenigen, von welchen er sagt: Mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht, - bey welchen eine solche Verkehrtheit des Herzens und Sinnes schon eingetreten war, daß auch keine weitere Erklärung bey ihnen Eingang fand, die denn schon zu einer verdienten Strafe ihrer Sünden sich außer dem Bereich der Gnade und des Evangeliums befanden, draußen standen, wie die Stelle Mar. 4, 42 sie bezeichnete. Vor andern waren dieß Viele aus dem Stande derer, welche sich durch höhere Geistesbildung im Weltsinne des Worts und durch Gelehrsamkeit unterschieden. Glaubet auch irgend ein Oberster oder Pharisäer an ihn, sagten diese, nur das Volk, das nichts vom Gesetz weiß. Joh 7, 48. Wider sie stand nun das von solchen Menschen verfluchte Volk und sprach: Es hat noch kein Mensch also geredet,- und sprach mit jenem Blindgebornen: das ist ein wunderlich Ding, daß ihr nicht wisset, von wannen er sey. Eines Menschen Verstand ist wie sein Stand. Erkennet hieraus, lieben Freunde, wie Christus doch verstanden wurde, obgleich er neue Dinge lehrte in einem neuen Sprachgebrauch, wie er ja mußte. Mein, er redete nicht bloß von andern Dingen, sondern auch zu andern Sinnen, daher ferner mußte er von dem gewöhnlichen Verstande der Worte abgehn. Schon das Wort Verstehen deutet es an, welche Geisteskraft das Sprachgebiet eigentlich inne habe, das Wort handhabe und über den richtigen und unrichtigen Gebrauch der Worte Urtheil spreche, es ist der Verstand. Klein sehr klein ist die Anzahl derjenigen Worte in dem unermeßlich reichen Sprachschatze, die dem Herzen allein gehören, und das Herz hat doch auch seine eigne große reiche Welt, zum Verkehr darin langt es nimmer mit seinen eigenthümlichen Worten aus. Das ist die Klage des armen Menschen jederzeit, der viel auf seinem Herzen hat: wie soll ich es aussprechen! Borgen muß er, entlehnen und in das entlehnte Wort sein Herz legen, um sich einem andern Herzen mitzutheilen, thut es. und ist oft unglücklich in der Wahl der Worte, daß nämlich der Verstand sie nimmt als gesprochen zu ihm. Der fasset sie nicht, so sey es verloren, und eben solches will man doch am allerwenigsten an die harte Wand, in die graue Luft gesprochen haben. Lieber noch dahin, als wenn der Verstand sie wirklich auffasset nach seiner Art. Wieso? Er, er kann nicht anders als solche Worte verkehrt auffassen und thut wie wenn Speise auf die Luftröhre kömmt, ihm wird Gewalt damit angethan, die sucht er von sich zu stoßen, nennt den Ausdruck des Herzens Empfindeley, Ueberspannung, Schwärmerei, Unsinn, für Unsinn erklärt er, die Sprache des tieferen Sinnes. Wohin zunächst gehört die Rede von der Religion?

Soll nicht das Herz gesucht, das Herz ergriffen, das Herz erfüllt und gehoben, dem Herzen gegeben werden, was dem Redenden selber das Herz erfüllt und gehoben hat? Brüder, das ist ja die Absicht bey unsrer jedesmaligen Zusammenkunft hier, und gleichwie hier ein anderes Leben sich gestaltet oder gestalten soll, ein Leben, das verschieden ist von dem alltäglichen, wie es geführet wird in körperlicher oder Geistesarbeit, so muß auch die Sprache, in der wir an diesem Ort reden, eine verschiedene seyn. Wir nehmen das gewöhnliche Wort, denn mit reinen Empfindungen läßt sich nicht reden, wir müssen ihnen einen Körper geben, daß sie dastehen wie in Gestalt vor den Augen, einen Laut, daß sie vernommen werden von den Ohren, treten ein in die gewöhnliche Welt der Mittheilung, bleiben jedoch nicht in derselben, sie ist ein Durchgang nur, der uns führen soll in das Heiligthum frommer Gedanken und Empfindungen hinein. Ach die Leute am Wege! die Leute am Wege, das sind die Begriffe des Verstandes im Kleide und Rüstzeug der Worte des Verstandes, die gaffen, die spotten, die drangen, wollen Gewalt thun, die heben Steine auf, und Jesus muß sich verbergen. Nehmt als Beyspiel das siebenzehnte Capitel im Evangelium Johannis, an demselben ist Probe zu machen, ob man lese mit dem Verstande oder mit dem Herzen. Ich nenne dieß Capitel eben, vor welchem noch Manschen, die sonst nur mit dem Verstande hören und lesen, aus unbegreiflichen Gründen einige Achtung bezeigen, es mag wol die Gewalt einer solchen Herzenssprache sie überwältigen einmal, sie haben doch auch ein Herz, haben doch nicht ganz diesen Sinn für himmlische Dinge verloren. Jeder einzelne Vers ist ein Beleg zu meinen Sähen vom christlichen Sprachgebrauch. Nehmen wir den siebenzehnten Vers heraus: Heiliger Vater, heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Ein Pilatus mag fragen: Was ist Wahrheit? aber das gerührte ergriffene Herz fraget nicht, bittet nicht der Verstand um Auslegung des neuen von Christo in die Worte gelegten Sinnes, er will es unaufgefordert thun, Das Herz spricht: Verschone mich mit genauerer Erklärung! ein Beter hat es gesprochen, im Gebete nur kann es verstanden und ausgelegt werden! O ich enthalte mich nicht, es zur Stelle dir nachzubeten, o Jesu, wie du über die Jünger, so ich über diese Christen, die deine Jünger auch sind, die durch das Wort jener gläubig geworden sind: Heiliger Vater, heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit!

III.

Doch aus diesem Capitel selbst möchte jemand die Klage nehmen, daß es schwer sey, in den rechten Sinn der Worte einzudringen und herauszunehmen die tiefe Bedeutung, die Jesus den Worten gegeben hat. Meine Lieben, in gewissem Betracht hat ein jegliches Wort, sobald es den biblischen Sinnen entnommen ist, einen unendlichen Inhalt, der eine nimmt dies, der andre das, beyde nehmen nicht unrichtig, aber beyde vielleicht auch nicht richtig, weil sie nicht das grade nehmen, was der Sprechende selbst in das Wort hineingelegt und mit demselben hatte sagen wollen. Daher die so häufigen Mißverständnisse und Wortstreitigkeiten, - ganz besonders, wenn es ein Wort betrifft, das Religion enthält. Wie die Religion an sich die freyeste, erhabenste Geistesregung ist oder das innigste, tiefste Herzensgefühl, so bindet ein Wort dieser Art noch weniger die Sache und bringt noch weniger zum richtigem Verständnisse mit, als ein Wort in andern Dingen thut. Wie kommen wir denn zum richtigen Verständniß? Antwort: durch fleißiges Hören und Lesen, durch frommes Forschen und Neben. Dawider hat doch keiner etwas, daß nicht derjenige sollte weiter kommen in der Kenntniß des christlichen Sprachgebrauchs, der oft das Gotteshaus besucht? Wer eine fremde Sprache möglichst vollkommen erlernen will, der muß in der fremden Nation, die sie spricht, längere Zeit leben; ebenso ist es mit der christlichen Sprache, wer sie erlernen will, der muß mit Christenleben, fleißig unter ihnen seyn, wo sie, als Christen, beysammen sind, nämlich im Gotteshause. Weiter, das Wort heiliget die Stätte, so heiliget die Stätte wiederum das Wort und wie mit einem andern helleren Klang fällt es hier in die Ohren. Es mag dasselbe seyn, was du schon anderwärts gehört, was du vielleicht selber bey mancher Gelegenheit gesprochen hast, hier spricht es ein Andrer, hier geht dir ein Licht darüber auf. Du gehst mit demselben in dein Haus, in deine Bibel, und aufgethan findest du jetzt manchen Spruch, der früherhin dir verschlossen war. Du gehst von einem Spruch zum andern. Der eine ist noch dir verschlossen, du gehst zum zweyten, über dem will es Licht werden, ein dritter ist dir ganz hell und von dessen Helle bekommen nun. auch die andern Licht. Das ist fromme Forschung. Doch sie allein führte dich nicht weit, wenn nicht mit ihr verbunden wäre und sich immer genauer mit ihr verbände das fromme Neben. Jesus selbst giebt dieses als ein Mittel des Verständnisses an. Joh. 7, 17: So jemand will deß Willen, thun, der mich gesandt hat, der wird inne werden. Ich habe mehrmals gesagt und höre nicht auf zu wiederholen: das Christenthum will mehr geübet als gelernet, mehr erprobt als studiret seyn, man denkt und grübelt sich nicht hinein, man betet und lebet sich hinein. Nehmet ein Beyspiel von Joh. 17, 3: Das ist das ewige Leben, daß meine Jünger dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Wer erkennt Jesum Christum durch sich selbst? Der Apostel sagt: Niemand kann Jesum einen HErrn heißen ohne durch den heiligen Geist. Zu wem aber kann der heilige Geist kommen und sein Licht anzünden und brennend erhalten außer zu dem, der den bösen Geist ausgetrieben hat aus sich und vom Sündenleben sich losgerissen? Von der Liebe Gottes in Christo ist das ganze Neue Testament voll; wer versteht diese Liebe, außer wer es erfahren, daß er durch Christum erlöset ist von den Fesseln der Sünde, aus der Finsterniß der Sünde, und versetzet sey in das Licht und die Freyheit der Gotteskinder? Nur wer solches erfahren hat, der wird in seliger Erfahrung ausrufen mit jener frommen Seele: Wenn sie seine Liebe wüßten, alle Menschen würden Christen. Noch ein Beyspiel, aus unserm Evangelio: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Wer versteht das Leben, das höhere ewige Leben in dem Worthalten? wem wird der Tod nicht scheinen wie Tod sondern wie seliger Uebergang zu den Freuden Gottes und wie das Lösen des letzten Bandes, das noch bindet an diese leiden- und sündenvolle Welt? Der das Wort hält im Glauben und in der Tugend und in der Liebe. Das ist die Schule, in welcher man den christlichen Sprachgebrauch inne bekommt. Ihr Jünger der Wissenschaft, ihr zunächst, Theure, die ihr lernet jetzt, um einst zu lehren, versäumt diese hohe Schule des trocknen Forschens und Uebens nicht! das giebt diejenige Theologie, von welcher Johannes den Namen hat, und führet euch in diejenige hinein, welche der fromme Luther so sehr gerühmt hat, welche die Deutsche betitelt ist.

Wenn es indeß nicht geleugnet werden kann, daß der christliche Sprachgebrauch an sich schwer zu lernen ist und, wie die Menschen einmal sind, mancher Nichtverstand, Mißverstand und Wortstreit veranlaßt, warum lassen wir denn nicht davon und wählen einen andern, der verständlicher ist? Die Antwort auf diese Frage weist unser Verhalten bey entstandenem Wortstreit, nämlich: ein standhaftes Behaupten des christlichen Sprachgebrauchs und, wenn Gewalt geschieht, weichen, doch ohne Widerruf. Denn was hilft hier das Ablassen von dem alten und das Eingehen in den neuen, wie man vorbilden möchte, verständlichern Sprachgebrauch? Ja förderte er wirklich das Verständniß der heiligen Glaubenswahrheit! Der neue wird die Menschen nicht weiter bringen. Als z. B. Jesus sagt im Evangelio: Wir gehen hinauf gen Jerusalem und des Menschen Sohn wird überantwortet werden, daß er gekreuziget werde; - kann etwas deutlicher seyn? Gleichwohl heißt es: Sie aber vernahmen der keines. Eben das würde bey dem neuen, vermeintlich deutlicheren Sprachgebrauche der Fall seyn, die Menschen würden es doch nicht vernehmen. Leider hat die Sprache der Welt in das Gottesreich hineingedrängt und mit Verstandesworten Glaubens- und Herzenssachen auszudrücken angefangen. Nein, unausgedrückt bleibt das Beste und das Wahrste, Liebste läßt man dahinten, und manches Heilige wird und heilig, weltlich, bürgerlich, gemein durch solche Worte gemacht. Nenne man denn Gott das höchste Wesen, den Himmel, die Vorsehung; wird auch, wer aus Feuers- oder Wassersnoth gerettet ist, sagen können: Ich danke dir, gütige Vorsehung? Nein, wir bleiben bey dem Namen: lieber Gott, gütiger Vater. Nenne man Christum den erhabenen Lehrer, den größten Weisen, den Tugendhaftesten, den göttlichen Menschen; nein, wir sprechen: du Gottessohn, unser Herr und Heiland, unser Versöhner und Erlöser. Rede man von den hohen Geiste des Christenthums, was ist das? Das Christenthum flößt keinen Geist ein, sondern der Geist stößt das Christenthum ein. Wir kennen und nennen Gott den heiligen Geist, der da wirket alles in allen. Christi Tod, der seine Lehre besiegelt haben soll, ist uns ein Siegel auf die vollbrachte Versöhnung. Besserung heißt uns Busse, gut seyn und immer besser werden heißt uns in der Heiligung wachsen, angeborne moralische Schwäche heißt uns Erbsünde; die Vatergüte Gottes, die den Menschen ihre Schwach? heilen so gerne vergiebt, heißt uns die Gnade Gottes, die Jesus durch seinen Tod uns Sündern erworben hat. Bleiben wir bei diesem Sprachgebrauch! kümmern uns auch nicht darum, wenn Schälke mit unsern alten Worten ihren neuen Glauben unter die Menschen bringen, es sey dieß eben noch ein Grund mehr. Bleiben wir dabey: der Sprachgebrauch gehört der Christenheit zu und wird verstanden von jedem, der eine Bibel hat und darin liest. Verlassen wir ihn, so kommt eine babylonische Verwirrung, wie sie leider schon anhebt. - Ließ Jesus von ihm? Sie huben Steine auf, daß sie nach ihm würfen. Er nahm seine Worte nicht zurück, wol aber verbarg er sich und ging zum Tempel hinaus. Das sey uns eine Regel für unser Benehmen. Eher schweigen als anders reden! eher aus dem Tempel hinausgehen als im Tempel bleiben und den Menschen zu Dienst und Gefallen reden! So that der HErr nicht! so der Apostel Paulus auch nicht! Gal. 1. So darf ein Prediger auch nicht! Er soll die Lehre bewahren. Neue Worte, neue Begriffe und neuen Glauben; wir bleiben dem alten treu. Neu genug wird der alte Glaube, wenn er durch ein Menschenherz geht und von andern Lippen kommt und in eine andersgestaltete Welt geprediget wird. Also auch den Reiz der Neuheit wird der alte Glaube nimmer verlieren, so lang er wahrer Glaube bleibt. Abraham sah den HErrn in so entfernter Zeit, so sehen wir unsre späten Nachkommen in der Bibel lesen und hören sie beten, wie ihre Lehrer ihnen predigen in unserm christlichem Sprachgebrauch. Nicht weichen, eh Gewalt geschieht! fand Er einen Weg, daß er mitten durch die Feindseligen hindurchging, es wird auch seinen Dienern, die seine Sprache reden und keine fremde, im Fall der Verfolgung ein Durch- und Weggang offen seyn. Ob noch werden Prediger dieser Zeit einen suchen müssen? Es scheint gefährlich zu werden. Die Steine fliegen schon. Ihr verstehet mich und seht es selber mit an. Laßt sie fliegen, sie treffen nicht! Treffe einer, er tödtet nicht! Tödte er auch, warum eben mich? Ja, eben dich! mag die Welt sprechen. Wohlan, werde ich denn gehalten an der Stätte, so will ich halten am Wort, an dem Wort: Fürchtet euch nicht vor denen, die nur den Leib tödten, aber die Seele nicht mögen tödten!

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