Calvin, Jean – 04. Das vierte Gebot.

Calvin, Jean – 04. Das vierte Gebot.

Abschnitt 135. – 2. Mose 20, 8 – 11. / 5. Mose 5, 12 – 15.

2. Mose 20.

V. 8. Gedenke des Sabbattags usw. Die Absicht dieses Gebotes ist, dass sich die Gläubigen in der Anbetung Gottes üben sollen. Ohne solche Stützen und Hilfsmittel würde der Gottesdienst bald unserer trägen Gleichgültigkeit erliegen. Zwar mussten wir schon bei den beiden ersten Geboten mancherlei äußere Übungen der Frömmigkeit verhandeln, und auch viele von den Zeremonien, mit denen wir uns beschäftigten, sind dem Sabbat verwandt. Sind nun auch alle diese Dinge enge mit der Einrichtung der Opfer und der Stiftshütte verbunden, so hat es doch einen guten Sinn, dass Gott dem Sabbat und den übrigen Festtagen noch ihre besondere Stätte anweist: das Volk sollte dadurch zur Pflege der Glaubenseinigkeit in den Versammlungen der Gemeinde erzogen werden. So wurde der Sabbat zu einem hervorragenden Unterscheidungszeichen zwischen den Juden und den unheiligen Heidenvölkern, und es ist nicht zufällig, dass der Satan, wenn er die reine und heilige Religion schmähen wollte, Lästerungen in Bewegung zu setzen pflegte, welche gerade den jüdischen Sabbat durchhechelten. Wollen wir aber die Eigentümlichkeit unseres Gebotes verstehen und seinen Unterschied auch vom ersten Gebot, so müssen wir zur eigentlichen Bedeutung der zunächst äußerlichen Vorschrift durchdringen: Gott wollte nicht bloß bestimmte Tage verordnen, an welchen heilige Versammlungen gehalten, Opfer und Gebete dargebracht werden sollten, sondern er wollte darin den Inbegriff aller Heiligkeit vor Augen stellen, dass ein jeglicher von seinen eigenen Werken lässt. Sicherlich hat Gott an Müßiggang und Nichtstun keine Freude; darum ist es an sich von geringer Bedeutung, dass Hände und Füße ruhen sollen. Es wäre doch ein sonderbarer Aberglaube, solch bloßes Nichtstun für Gottesdienst zu halten. Wollen wir also den Sinn dieser Vorschrift richtig fassen, so müssen wir vor allen Dingen im Auge behalten, worauf sie letzthin deutet. Wir müssen bedenken, dass Gott sagt: in sechs Tagen sollst du alle deine Dinge beschicken . Daraus folgt, dass unser Leben nur dann dem Herrn gefällt, wenn wir von unsern eigenen Werken feiern und alle fleischlichen Gedanken, Entwürfe und Stimmungen fahren lassen. Die Vorschrift für den Sabbat lautet ja nicht, dass man unterschiedslos überhaupt kein Werk tun soll, wie es denn erlaubt war, am siebenten Tage Kinder zu beschneiden, Opfertiere in den Vorhof zu treiben und Opfer darzubringen. Nur die eigenen Werke sollten ruhen, so dass der Mensch gleichsam sich und der Welt abstarb und sich ganz dem Herrn weihte. Wenn darum anderwärts Gott durch Mose (2. Mose 31, 13) und später durch Hesekiel (20, 12) verkündigte, dass der Sabbat ein Zeichen zwischen ihm und den Juden sei, durch welches sein Volk geheiligt werden sollte, so müssen wir zusehen, was denn der Inbegriff dieser Heiligung ist: es ist die Abtötung des Fleisches, in welcher die Menschen sich selbst verleugnen und treiben lassen. – Obgleich dadurch die Sache ohne weiteres klar geworden ist, wird es sich doch lohnen, zur Bestätigung noch einiges hinzuzufügen. Erstlich lehrt Paulus ganz deutlich, dass unser Gebot zeremoniellen Charakter trägt, indem er auch den Sabbat zu dem Schatten der wesentlichen Dinge rechnet, die in Christo erschienen sind (Kol. 2, 17). Ist also die äußere Ruhe eine Zeremonie, deren wesenhaften Wert man in Christo suchen muss, so bleibt uns jetzt noch zu fragen, wieso denn Christus uns wahrhaft das geschenkt hat, was dort nur bildlich dargestellt wurde. Das sagt uns aber derselbe Apostel, wenn er (Röm. 6, 4) lehrt, dass unser alter Mensch mit Christo gekreuzigt und wir mit ihm begraben seien, damit seine Auferstehung uns ein neues Leben bringe. Zudem lässt sich noch aus vielen andern Stellen erschließen, eine wie ernste Sache es um die Beobachtung des Sabbats ist: kein anderes Gebot prägt Gott häufiger und ernstlicher ein, und wenn er sich beklagen will, dass die Juden ihn verlassen haben und in die äußerste Gottlosigkeit versunken sind, sagt er einfach, dass man seinen Sabbat gebrochen habe, als stünde in der Beobachtung desselben die ganze Religion (Jer. 17, 24; Hes. 20, 21 f.; 23, 38). Hätte das Sabbatgebot nicht eine ganz hervorragende und einzigartige Bedeutung besessen, so wäre es auch eine unbillige Härte gewesen, einen Menschen mit dem Tode zu bestrafen, der am Sabbat nur Holz gefällt hatte (4. Mose 15, 32) So haben wir festzustellen, dass der wesentliche Kern des Sabbats, den wir nach der Lehre des Paulus in Christo finden, ein besonders hohes Gut ist. Dies Gut zu rühmen, reicht Menschenlob nicht aus: denn das geistliche Ruhen ist nichts anderes als das für den Menschen wünschenswerteste und wahrhaft selige Sterben, welches das Leben Gottes in sich birgt. So rühmt Paulus (Gal. 2, 20), dass er schon gleichsam gestorben sei, weil Christus in ihm lebe. Der apostolische Verfasser des Hebräerbriefs (4, 3) redet noch deutlicher, wenn er sagt, dass die wahre Sabbatruhe, welche die Ungläubigen freilich verschmähen, uns im Evangelium gebracht werde. Mischt nun auch dieser Verfasser allerlei Allegorisches ein, so hebt er doch den eigentlichen Sinn des Gebots richtig heraus, dass nämlich wir von unsern Werken ruhen sollen, wie Gott von den Seinen ausruhte. Wie tief übrigens der Mensch gefallen ist, sieht man daraus, dass er selbst durch gute Werke den Sabbat verletzen kann, solange er dieselben nämlich für seine eigenen achtet. Augustin*) sagt ganz richtig: „Wenn wir unsere guten Werke nicht als unsere, sondern als Gottes Werke betrachten, werden sie uns angerechnet, den ewigen Sabbat zu erlangen, indem wir nämlich dadurch feiernde Ruhe gewinnen, zu schauen, was Gott selbst ist. Schreiben wir sie aber uns selbst zu, so werden sie zu knechtischen Arbeiten; und es heißt doch vom Sabbat, dass wir an ihm keine Knechtsarbeit tun sollen.“ – Noch fragt sich, weshalb Gott nicht etwa den sechsten oder zehnten, sondern jeden siebenten Tag zum Sabbat bestimmt hat. Weil die Siebenzahl in der heiligen Schrift oft zur Bezeichnung der Vollkommenheit dient, meinen einige Ausleger, sie solle auch hier die Gläubigen daran erinnern, dass sie mit ganzer Anstrengung nach vollkommener Heiligkeit streben und sich dem Herrn nicht etwa bloß halb weihen sollten. In der Tat zweifle ich nicht, dass Gott in sechs Tagen die Welt erschaffen und am siebenten geruht hat, um ein Zeichen der höchsten Vollkommenheit seiner Werke zu stiften: und wenn er sich selbst den Menschen als das Vorbild vor Augen stellt, dem sie nachstreben sollen, so deutet er darauf hin, dass er die Seinen zum Ziel höchster Glückseligkeit beruft. Übrigens ist die in unserem Gebot enthaltene Verheißung des Segens, welchen Gott an die Heiligung des Sabbattages geknüpft hat, hier nicht die Hauptsache, sondern gleichsam ein Nebenton. Wie es in der Reihe der zehn Gebote nicht anders zu erwarten ist, liegt der Hauptnachdruck auf der Forderung; der Hinweis auf den Segen soll nur zum Gehorsam reizen. – Wenn ich nun sagte, dass die Anordnung der Feier und Arbeitseinstellung nur ein Hinweis auf ein größeres geistliches Geheimnis ist, also unser Gebot zeremoniellen Charakter trägt, so will dies nicht ausschließen, dass es auch noch mancherlei andere Zwecke hat. Sicherlich hat Gott, nachdem die Schöpfung der Welt vollendet war, den siebenten Tag für sich genommen und geheiligt, um seine Anbeter von allen andern Sorgen zu lösen und sie bei der Betrachtung der Schönheit und Herrlichkeit seiner Werke festzuhalten. Freilich sollen wir keinen Augenblick vorübergehen lassen, ohne unsre Aufmerksamkeit auf die Weisheit, Macht, Güte und Gerechtigkeit Gottes in der Schöpfung und Regierung der Welt zu lenken. Weil aber unser Sinn flatterhaft ist und sich nur zu leicht zerstreuen lässt, kommt Gottes Herablassung unserer Schwachheit zu Hilfe. Der Herr sondert einen Tag von den übrigen aus und will ihn von allen irdischen Geschäften und Sorgen freigehalten wissen, damit nichts jenen heiligen Eifer störe. Darum soll nicht etwa jedermann zu Hause ausruhen, sondern das Volk soll zum Heiligtum kommen, um daselbst zu beten und zu opfern und sich durch Auslegung des Gesetzes in der Glaubenslehre unterweisen zu lassen. In diesem Stück haben wir den Sabbat genauso nötig, wie das Volk des alten Bundes: wir müssen einen Tag frei haben, um Gottes Wort zu lernen und unsern Glauben zu bezeugen. Einen dritten Zweck des Sabbats rührt Mose nur nebenher an: er soll den Sklaven eine Erholung bringen. Weil aber dies vielmehr mit der Regel der Nächstenliebe zusammenhängt, hat es bei der ersten Tafel nicht seine eigentliche Stelle.

5. Mose 5.

V. 12. Den Sabbattag sollst du halten . Dieser Ausdruck steht hier an Stelle des früheren (2. Mose 20, 8): „Gedenke des Sabbattags.“ Gott will in einer so wichtigen Sache die Juden durch die verschiedensten Wendungen zu eifrigem Gehorsam treiben: schon jede Gleichgültigkeit bedeutet eine Übertretung des Gebots. Wenn es weiter heißt: Sechs Tage sollst du arbeiten , so lässt sich dem ein versteckter Tadel der Undankbarkeit entnehmen, die es vielleicht als schwer und lästig empfindet, von sieben Tagen einen dem Gott zu weihen, der nach seiner Freundlichkeit sechs uns zu eigenem Gebrauche überlässt. Der Nachdruck liegt nämlich nicht darauf, dass wir sechs Tage lang arbeiten sollen, sondern dass Gott nur den siebenten Tag unserer Zeit für sich beansprucht. Indem er es uns so leicht macht, will er uns zum Gehorsam locken. Es ist, als riefe er uns zu: Da ihr nicht vermögt, mit stetiger Anspannung und Aufmerksamkeit an mich zu denken, so haltet wenigstens einen geringen Teil eurer Zeit für mich frei. Darum heißt es auch (5. Mose 5, 13): Du sollst in sechs Tagen alle deine Werke tun , was zu verstehen gibt, dass unsre Zeit auch ohne Zuhilfenahme des Sabbats völlig ausreicht, alle Geschäfte zu erledigen.

2. Mose 20.

V. 10. Da sollst du kein Werk tun , nämlich kein solches, das man hätte am Tage zuvor erledigen oder auf den nächsten verschieben können. Der Richter durfte also am Sabbat nicht zwei streitende Parteien verhören: hätte aber jemand seinen Nächsten gewaltsam angegriffen, so durfte man das Unrecht hindern und dem Unschuldigen Hilfe bringen; denn hier schloss die Notlage jeden Aufschub aus. Man durfte nicht Speisen für ein Gastmahl bereiten: war aber ein Ochse oder Esel in den Brunnen gefallen, so hatte man ihn herauszuziehen, weil die Hilfe am nächsten Tage zu spät gekommen wäre. Darum spricht Christus aus (Mk. 2, 27), dass der Sabbat um des Menschen willen, und nicht der Mensch um des Sabbats willen gemacht ward: Gott fordert nicht mehr, als gut und nötig war, um das Volk in frommem Streben zu erhalten. So wäre es Unrecht gewesen, ein Rind auf die Weide zu treiben: war aber etwa ein wütender Stier ausgebrochen, so musst man ihn wieder in den Stall bringen, damit er niemanden schädige oder töte.

Noch dein Knecht, noch deine Magd . Obgleich 5. Mose 5, 14 hinzugefügt wird: auf dass dein Knecht und deine Magd ruhe gleichwie du , auch die Kinder Israel durch die Erinnerung an die ägyptische Knechtschaft zur menschlichen Behandlung der Dienstleute willig gemacht werden, so bleibt doch, wie ich schon sagte, der Hauptgesichtspunkt die rechte Verehrung Gottes. Bekanntlich war das ganze Geschlecht Abrahams dem Herrn in der Weise geheiligt, dass die Sklaven, die darum auch gleicher weise beschnitten wurden, als eine Art Anhang galten. So wäre es durchaus unpassend gewesen, dass in einer Familie, deren oberster Herr Gott war, irgendein Mensch sich nicht um Gottes heilige Ordnung kümmerte. Freilich scheint dies für unbeschnittene Sklaven, die es doch auch gab, nicht zuzutreffen: aber die Verordnung war nicht um ihretwillen gegeben, sondern damit den Israeliten nichts vor Augen käme, was mit der Sabbatruhe stritt. Das wird durch den Hinweis auf die unvernünftigen Tiere, bei denen von eigener Verehrung Gottes ganz gewiss nicht die Rede sein kann, vollends deutlich. Dass auch diese Tiere ruhten, war ein Zeichen für die Kinder Israel, die auch dadurch an den Sabbat erinnert wurden, wohin sie immer ihre Augen schweifen ließen. Ähnlich wurde wohl bei Ansage einer öffentlichen Buße auch den Tieren ein Fasten verordnet (Jon. 3, 7), um die Menschen zu erinnern, wie schwer ihre Schuld lastete. Zudem hätte es nur Anlass zur Umgehung des Gebots gegeben, wenn dasselbe für die Sklaven nicht gegolten hätte: man hätte selbst gefeiert, aber seine Arbeit durch die Sklaven und das Vieh tun lassen.

V. 11. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht . Daraus ergibt sich, dass der Sabbat seine Heiligkeit schon vor der Gesetzgebung besaß. Auch das vorher schon berichtete Verbot, am siebenten Tage das Manna einzusammeln (2. Mose 16, 26), deutet darauf hin, dass es sich um eine alte Übung handelte. Und wenn Gott schon in den ältesten Zeiten seinen Heiligen den Ritus des Opfers gab, ist vollends unglaublich, dass der Sabbat ungekannt gewesen sein sollte. Da aber gemäß der Verkehrtheit des menschlichen Sinnes seine Beobachtung bei den Heiden völlig erloschen, in Abrahams Nachkommenschaft wenigstens unsicher geworden war, prägt Gott im Gesetz seine heilige und unverletzliche Ordnung von neuem ein, sodass fortan unreine Spötter den Sabbat unter die besonderen Schmachzeichen des jüdischen Volkes rechnen.

Erläuterungen zum vierten Gebot.

Abschnitt 136. – 3. Mose 19, 30. / 3. Mose 26, 2. / 2. Mose 23, 12. / 3. Mose 23, 3. / 2. Mose 31, 12 – 17. / 2. Mose 34, 21. / 2. Mose 35, 1 – 3. / 3. Mose 19, 3.

3. Mose 19.

V. 30 und 26, V. 2. Meine Feiertage haltet und fürchtet euch vor meinem Heiligtum.Diese Zusammenstellung zeigt, dass Sabbat und Stiftshütte aufs engste miteinander verbunden waren: die Feier von der Arbeit wäre eitel und zwecklos gewesen, hätte sie nicht eben ihre Beziehung auf den heiligen Dienst gehabt. Dass man dem Heiligtum Gottes die gebührende Ehre erweist, ist die Hauptsache: das Gebot der Ruhe soll daneben dem Volke einprägen, dass nun jedes Hindernis beseitigt ist, welches vom Gottesdienst hätte abziehen können. Die Redeweise: „Fürchtet euch vor dem Heiligtum“ hat etwas Uneigentliches; sie will besagen, dass man durch die Verehrung des Heiligtums zeigen soll, wie ernst und wahrhaftig man den Gott fürchtet, der dort gegenwärtig ist und sich finden lässt, wenn man ihn anruft.

2. Mose 23.

V. 12. Sechs Tage usw. Hier wird er Nutzen zweiten Ranges noch einmal erwähnt, um dessen willen der Sabbat zwar nicht eingesetzt ist, der aber doch nahe mit ihm zusammenhängt, nämlich dass auch die Dienerschaft und das Vieh die nötige Erholung fand. Auch dieser Umstand, der eigentlich in näherer Beziehung zur zweiten Gesetzestafel steht, soll zur Empfehlung des Sabbats dienen: denn das rohe Volk musste auf allerlei Weise gelockt werden, dem Herrn den schuldigen Dienst mit Eifer zu leisten. Alles in allem: wer das Sabbatgebot hält, bezeugt nicht bloß seine Frömmigkeit gegen Gott, sondern auch seine Freundlichkeit gegen die Dienstboten. Ein Israelit, welcher an die Knechtschaft seines Volkes in Ägypten gedachte, konnte nicht in rauer und maßloser Weise befehlen, denn er wusste aus eigener Erfahrung, wie abscheulich und unerträglich grausame Unterdrückung ist.

2. Mose 31.

V. 13. Sage den Kindern Israel usw. In diesen Wiederholungen sind nur einige Ausdrücke neu, wie z. B. V. 14, dass der Sabbat „heilig “, buchstäblich „ein Heiligtum“ sein soll. Dies will besagen, dass Israel diese Feier heilig und unverletzlich mit großem Eifer halten soll, weil bei ihrer Vernachlässigung die Religion selbst zusammenbrechen müsste. Darum wird auch auf Arbeit an diesem Tage die Todesstrafe gesetzt. So müssen wir sicherlich auf eine besondere Heiligkeit des Geheimnisses schließen, auf welches der Sabbat deutet, wenn Gott ein an sich gewiss leichtes Vergehen als todeswürdig einschätzt. Eine Verachtung des Gebots wäre umso unentschuldbarer gewesen, weil man damit geflissentlich (V. 17) das Zeichen unwirksam gemacht hätte, durch welches Gott sein Volk von den unreinen Heiden unterscheiden wollte. – Die stete Wiederholung in den übrigen Stellen will die Wichtigkeit des Gebots noch besonders herausheben. Da ein neuer Inhalt nicht vorhanden ist, können wir uns auf wenige Bemerkungen beschränken:

2. Mose 35.

V. 3. Ihr sollt kein Feuer anzünden usw. Diese Bestimmung will allerlei Ausflüchte ausschließen, wie z. B. dass man am Tage zuvor schon die Töpfe auf den Herd gesetzt und am Sabbat nur das Feuer angezündet hätte. Gott aber will auch die erträglichste und nächstliegende Arbeit am Sabbat nicht getan wissen: man soll nicht einmal Speise bereiten, geschweige denn ein noch weniger nötiges irdisches Geschäft tun.

2. Mose 31.

V. 16. Dass sie ihn halten zum ewigen Bund . Daraus leiten die Juden einen Vorwurf gegen die Christen ab: wir hätten durch Abschaffung des Sabbats den Bund Gottes gebrochen. Aber das hebräische Wort, welches wir mit „ewig“ zu übersetzen pflegen, deutet oft nur auf eine lange Zeitdauer. Insbesondere zielt vieles, was unter dem Gesetze als „ewig“ bezeichnet wird, auf den Anbruch der Fülle der Zeiten in Christo, da die Wahrheit der alttestamentlichen Schattenbilder erscheint, und der Bund Gottes neue Formen annimmt. So fällt die äußere zeremonielle Beobachtung auch des Sabbats hin; aber das, worauf dies Gebot eigentlich zielt, bleibt ebenso wie die Beschneidung in ewiger Geltung. Gerade durch die Abschaffung der äußeren Form tritt der ewige Gehalt in das hellste Licht: würde Gott heute von den Christen das gleiche fordern, was die Juden halten mussten, so würde dies nur zur Verhüllung des Todes und der Auferstehung seines Sohnes dienen. Und je mehr die Juden auf den Äußerlichkeiten bestehen, desto gewisser bringen sie den Sabbat um seine wahre Heiligkeit. Im Übrigen kann ich auf meine Ausführungen zu 1. Mose 17, 13 verweisen.

2. Mose 34.

V. 21. Du sollst feiern mit Pflügen und Ernten . Damit ist nicht gesagt, dass die zu anderen Jahreszeiten erforderlichen Landarbeiten etwa erlaubt sein sollen. Vielmehr will Gott aufs nachdrücklichste einprägen, dass auch keine scheinbare Notwendigkeit die Heilighaltung des Sabbats hindern soll. Wie nahe hätte sonst der Vorwand gelegen, dass der Landmann nicht mehr an das Gesetz gebunden sei, wenn er wegen anhaltenden Regens oder sonst widriger Witterung das Pflügen so lange hatte unterlassen müssen, dass ein weiterer Aufschub dem Verzicht auf jeden Ertrag gleichgekommen wäre. Ähnlich konnte es in der Erntezeit vorkommen, dass man etwa glaubte, die Frucht nicht auf dem Acker verderben lassen zu dürfen. Gott lässt aber keine Ausnahmen zu: auch mit Gefahr eines größeren Verlustes soll doch der Sabbat gehalten werden.

Anhänge zum vierten Gebot.

Abschnitt 137. – 2. Mose 23, 10 – 11. / 3. Mose 25, 1 – 7; 20 – 22.

2. Mose 23.

V. 10. Sechs Jahre sollst du dein Land besäen usw. Jetzt folgt eine neue Sabbat- oder Ruheordnung: wie an jedem siebenten Tage Menschen und Vieh ausruhten, so hat Gott in jedem siebenten Jahre eine Ruhezeit für das Ackerland verordnet. Bei uns muss jeder Acker je nach der Fruchtbarkeit der Gegend im dritten oder vierten Jahre ausruhen, wenn er nicht seine Kraft erschöpfen und völlig unfruchtbar werden soll. Einen Boden, der eine ständige Produktion vertrüge, findet man kaum je, so dass immer eine gewisse Erholungszeit gegeben werden muss. Doch gilt dies nur für Getreide, Gemüse und was man sonst sät, während Wiesen jährlich geschnitten werden können, ohne an Ertragfähigkeit einzubüßen, und Weinberge gar verwildern, wenn man sie nicht ständig pflegt. Dass das Land Kanaan sechs Jahre hintereinander Saat und Ernte tragen konnte, ohne erschöpft zu werden, war ein Zeichen ausgezeichneter und ungewöhnlicher Fruchtbarkeit: diese Gabe hatte Gott dem Lande zum Besten seines Volkes verliehen. Doch wurde das Ausruhen im siebenten Jahre nicht etwa um er landwirtschaftlichen Notwendigkeit willen angeordnet, da ja Gott im sechsten Jahre die Kraft seines Segens besonders zu mehren versprach (3. Mose 25, 21). Vielmehr sollte man überall die Heiligkeit des Sabbats schauen, und die brachliegenden Äcker sollten die Kinder Israel umso mehr zu seiner Beobachtung anleiten. Zudem sollte man in diesem heiligen Jahre ja nicht nur die Bestellung der Äcker, sondern auch die Beschneidung der Weinreben unterlassen. Wuchs aber etwas aus den nebenher gefallenen Ähren der letzten Ernte, so gehörte es den Fremden so gut wie den Einheimischen: die Armen durften von allen Früchten und Beeren essen, die von selbst wuchsen; das war gleichsam eine allgemeine Spende zu ihrer Unterstützung. So hängt sich an die Übung der Frömmigkeit Menschenliebe und Guttätigkeit. Die Unterstützung der Armen war zwar nicht der Hauptzweck des Gebots, aber es wird uns nicht befremden, dass aus dem rechten Gottesdienst auch die Übung der Liebe erwuchs. Sagt man, dass der empfindungslose Erdboden mit solch geistlichem Geheimnis nicht wohl etwas zu schaffen haben kann, so haben wir die Antwort darauf schon gegeben: gewiss ist der Sabbat nur für die Gläubigen ein Unterpfand eines unschätzbaren Gutes, - aber ein Zeichen davon sollte doch auch beim unvernünftigen Vieh und selbst beim toten Erdboden erscheinen, um das Gedächtnis des Sabbats im Volke lebendig zu erhalten. So können auch tote Kreaturen unserm Glauben dienen, wie denn die Lehre des Heils durch Papier und andere äußere Mittel uns zugeleitet wird. In genau derselben Weise wollte Gott seine Sabbatordnung gleichsam in alle Kreaturen prägen, um die Juden überall bei derselben festzuhalten.

V. 11. Was überbleibt, lass das Wild auf dem Felde essen . Gemeint sind nicht wilde Tiere, die man natürlich von seinem Acker wegjagen durfte, sondern Gott will einfach, dass in diesem Jahre der Ertrag des Ackers unterschiedslos Menschen und Vieh zur Verfügung stehen soll. Unser Satz begegnet einer nahe liegenden Frage: auch wenn man das Gras nicht schneidet, wird es nicht nutzlos zugrunde gehen; statt dass das Vieh sonst Heu frisst, wird es sich jetzt auf den Äckern und Wiesen selbst sättigen können. Doch es erhebt sich noch eine andere Frage. Wie kann Gott den Besitzern von Land samt ihren Familien verbieten, im Sabbatjahre zu ernten, wenn doch jedermann sich von dem nähren darf, was ohne menschliche Arbeit wuchs? Aber es wird nur eine wirkliche Ernte verboten sein, die für andere nichts übrig lässt: im Übrigen durfte der Besitzer sich von dem, was auf seinem Acker wuchs und was in diesem Jahre allgemeiner Besitz war, ebenso gut nähren, wie der Arme und Fremdling. Dass es so gemeint ist, ergibt sich auch aus der alsbald (3. Mose 25, 12) folgenden Bestimmung für das Halljahr: selbst in diesem doppelt heiligen Sabbatjahr war es erlaubt zu essen, was das Feld trug. Allerdings lautet 2. Mose 23, 11 der Ausdruck abweisender: aber das soll wohl nur eine besonders eindrückliche Mahnung zur Freigebigkeit sein.

3. Mose 25.

V. 20. Und ob du würdest sagen usw. Nur wenn die Menschen allen Zweifel und Unglauben fahren lassen, werden sie imstande sein, dem Gebot Gottes zu folgen. Und sie sind nur zu geschickt, mit allerlei Ausflüchten den Gehorsam zu umgehen. Es war ja auch ein sehr scheinbarer Vorwand, dass sich dies Gebot gar nicht halten ließe: musste man nicht im siebenten und noch bis zur Ernte am Schluss des achten Jahres hungern, wenn man im siebenten Jahre weder säen noch ernten durfte? Und woher sollte man Saatgut nehmen, wenn das Land ein ganzes Jahr gefeiert hatte? Diesen Zweifel nimmt nun Gott den Juden, indem für das sechste Jahr einen so fruchtbaren Ertrag verheißt, dass man noch für die beiden nächsten Jahre genug haben soll. Sehr bemerkenswert ist die Ausdrucksweise (V. 21), dass Gott in einzigartiger und unerhörter Weise seinem Segen gebieten will, so dass das Land um das doppelte oder dreifache ertragreicher würde. Daraus entnehmen wir einen starken Grund zur vertrauensvollen Bitte um das tägliche Brot. Allerdings war es eine ganz besondere Verheißung, dass den Juden wegen dieser Sabbatruhe die Nahrung nicht fehlen solle. Gott hatte davon zuvor schon in der Wüste ein Zeichen gegeben, als man am Tage vor dem Sabbat das Manna einsammelte und eine doppelte Portion erhielt. Heute begegnet die fleißige Umsicht der Landleute allen Übelständen durch eine bei den Juden offenbar noch nicht übliche Einteilung der Ackerstücke, bei welcher niemals das ganze Land brach liegt, sondern nur ein in jedem Jahre wechselnder Teil. Gott will also hier der Furcht vorbeugen, dass man bis zur Ernte des achten Jahres werde Hunger leiden müssen. Zugleich wird er aber die Juden an eine sparsame Wirtschaft gewöhnen wollen: sie sollen nicht durch Unmäßigkeit und Luxus vergeuden, was er reichlicher für zwei Jahre gab. An diese Vorschrift spielt Gott an, wenn er durch die Propheten verkündigt, das Land werde seine Sabbatruhe genießen, nachdem es seine Bewohner ausgespieen (2. Chron. 36, 21). Weil nämlich die Kinder Israel das Land durch Verletzung des Sabbatgebots befleckt hatten, so dass es unter schwerer Last seufzte, sagt Gott, dass es nun während langer Jahre ununterbrochen ruhen werde, damit ein Ausgleich gegen die Ausnützung vieler Jahre geschaffen würde.

Abschnitt 138. – 3. Mose 25, 8 – 13.

V. 8. Und du sollst zählen solcher Sabbatjahre sieben usw. Jetzt folgt eine dritte Stufe der Sabbatruhe, die man im siebenmal siebenten oder 49. Jahre halten sollte. Dieses Sabbatjahr hatte seine besondere Würde: in ihm wurde bezüglich der Menschen, Häuser und Äcker der ursprüngliche Zustand des Volkes vollständig wiederhergestellt. Obgleich Gott auf diese Weise für den öffentlichen Wohlstand sorgen, die Armen gegen Unterdrückung schützen und die von ihm geschaffene Ordnung aufrechterhalten wollte, so liegt darin ohne Zweifel auch ein Anreiz, es mit der Sabbatordnung überhaupt genau zu nehmen. Was war es doch für ein großartiges Denkmal heiliger Sabbatruhe, wenn man sah, wie Sklaven plötzlich frei wurden, wie das Eigentum an Häusern und Äckern an die ursprünglichen Besitzer zurückfiel, die es hatten verkaufen müssen, kurz, wie alle Zustände sich neu gestalteten! Seinen Namen empfing (V. 12) das Halljahr von dem Hall des Widderhorns, welcher die Freiheit der Sklaven und die Wiedererstattung der Äcker öffentlich ankündigte. Aber, wie gesagt, die Hauptsache blieb die feierliche Ordnung an sich, welche dem heiligen Eigentumsvolke Gottes seine Unterschiedenheit von allen andern Völkern einprägte. Ja, die allgemeine Erneuerung zielte dahin, dass die durch jenen großen Sabbat Erlösten sich Gott als ihrem Erlöser ganz und gar weihen sollten.

Abschnitt 139. – 3. Mose 23, 1- 44.

V. 4. Dies sind aber die Feste des Herrn usw. Dem Sabbat verwandt sind auch die anderen Festtage, welche Mose hier aufzählt. An erster Stelle steht das Passah, dessen geheimnisvolle Bedeutung wir aber schon zum ersten Gebot verhandelt haben: wir erläuterten damals diese Einrichtung unter dem Gesichtspunkte, dass sie das Volk vom Abfall zu fremden Göttern zurückhielt. Band doch die heilige Feier die Kinder Israel an den Gehorsam gegen Gott: sie sollten allen heidnischen Aberglauben fahren lassen und auf der reinen Lehre des Gesetzes ausruhen. So war das Passah an sich ein Anhang des ersten Gebots, die jährliche Wiederkehr des Tages stellt es aber zugleich in die Reihe der übrigen Feste, die im Zusammenhang mit dem vierten Gebot den Zweck hatten, das Volk in der Verehrung Gottes zu üben. Weil die Schlachtung des Lammes eine Darstellung der Gnade war, in welcher Gott sein Volk zum Eigentum genommen hatte, war sie im Zusammenhange mit dem ersten Gebot zu besprechen. Hier dagegen genügt es, den anderen Gesichtspunkt nur eben anzurühren, dass die jährliche Wiederkehr der Feier ein Mittel zu bleibender Erinnerung war, so dass die Kinder Israel ihre Erlösung nie vergessen konnten.

V. 10. Wenn ihr ins Land kommt usw. Dies zweite Fest war der Darbringung der Erstlingsgaben bestimmt. Dieselben wurden feierlich in die Hand des Priesters gelegt, und damit der Beginn der Ernte anschaulich dargestellt: vor Darbringung dieser Erstlingsgabe durfte man nicht einmal von den gerösteten Körnern essen. Der Priester hob die Garbe vor dem Altar empor, bewegte sie aber zugleich hin und her. Denn eben dies war bei den Juden der Unterschied zwischen dem „Hebopfer“, welches einfach emporgehoben wurde, und dem „Webopfer“, welches hier gemeint ist, dass das Letztere auch noch nach den vier Himmelsrichtungen bewegt wurde: dann erst folgte (V. 13) das Speisopfer und Trankopfer . Wir wissen, dass die unreinen Heiden sich solche Massen von Göttern und Göttinnen der Feldfrüchte erdacht haben, dass nur noch die Erde allumfassend blieb und als die große Mutter der Götter und Menschen betrachtet wurde. In diesen Irrtum wären alsbald auch die Juden gefallen, oder hätten sich, ihres Gottes vergessend, hineingestürzt, wenn nicht diese heilige Zeremonie sie stetig erinnert und belehrt hätte, dass im Himmel ein Vater ist, der uns nährt, und dem die Erde dienen muss, indem sie ihre Früchte bringt. Denn da in der einen Garbe die ganze Ernte geweiht wurde, war dies eine Erinnerung, dass alles, was die Erde hervorgebracht hatte, eigentlich dem Herrn gehörte. Aber darin leuchtete Gottes wunderbare Güte, dass er sich zugleich sein Recht sicherte und doch dem Volke seine Nahrung nicht schmälerte: denn wenn nach dieser Erstlingsgabe jede Familie von ihrem häuslichen Vorrat sich nährte, so empfing sie ihre Speise gleichsam wie aus Gottes Hand und Heiligtum. Bekannt ist ja der Spruch, mit welchem Paulus an diese alttestamentliche Zeremonie anspielt (Röm. 11, 16): „Ist der Anbruch heilig, so ist auch der Teig heilig.“

V. 11. Dass es von euch angenehm sei , wörtlich: dass es zum Wohlgefallen an euch diene. Im hebräischen Texte steht nämlich dasselbe Wort wie Ps. 106, 4: Gedenke mein nach deiner Gnade. Gemeint ist das gnädige Wohlgefallen, mit welchem Gott in freiem Erbarmen sein Volk umfasst. Und Mose will sagen, dass man auf gar keine andere Weise ruhigen Gewissens die Früchte der Erde genießen könne, weil man nicht sicher sein würde, dass Gott uns gnädig ist und uns mit väterlicher Liebe hegt. Ist heute auch die äußere Zeremonie gefallen, so bleibt doch auch für uns in Geltung, was sie bedeutet: nur durch eine aus dem Glauben erwachsende Anerkennung der Freundlichkeit Gottes und durch Dank wird geheiligt, was wir aus Gottes Händen empfangen.

V. 15. An den Tag der Erstlinge schließt sich (V. 16) fünfzig Tage später das so genannte „Wochenfest“, welches demselben Zweck dient: nachdem man nämlich von der noch unberührten Saat die Erstlinge dargebracht, folgte jetzt in der Darbringung der Brote und eines größeren Opfers die eigentliche Dankbezeugung. Die Griechen nannten dieses Fest geradezu „Pentekoste“88 Woraus unser „Pfingsten“ geworden ist.99, d. h. der fünfzigste Tag. Übrigens sollten (V. 17) die aus zwei Zehnteln Semmelmehl hergestellten Webebrote von jeder Familie, dagegen (V. 18) sieben jährige Lämmer, ein junger Farre und zwei Widder als Opfer des ganzen Volkes dargebracht werden. Erst durch dieses Opfer erkannte man Gottes Freigebigkeit in rechtmäßiger Weise an: das Weben der Erstlingsgarbe war nur eine flüchtige und bald abgemachte Vorbereitung, mit der Gott sich zunächst zufrieden gegeben hatte, die aber jetzt, da man gelegene Zeit und Muße hatte, durch das eigentliche Opfer ergänzt werden musste. Jetzt bestand die heilige Gabe nicht mehr aus Körnern, sondern aus von heurigem Weizen gebackenem Brot.

V. 24. Am ersten Tage des siebenten Monats wurde der heilige Sabbat des Blasens , oder das Trompetenfest gefeiert. Über seine Bedeutung machen die späteren Juden ganz wunderliche Angaben. Wahrscheinlich wird man aber diesen nicht durch besondere Bestimmungen ausgezeichneten Tag einfach als ein Vorspiel des kurz nachfolgenden Versöhnungstages zu nehmen haben. Dabei mag man nur noch dies sagen, dass die Kinder Israel einmal im Jahre durch den Klang der Posaunen erinnert werden sollten, dass nur Gottes Stimme ihre heiligen Versammlungen ansagen konnte, und dass sie dieser Stimme steten Gehorsam schuldeten. Dass dieser Tag gerade an den Anfang des siebenten Monats fiel, war eine Erinnerung an den früheren altehrwürdigen Jahresanfang. Denn ist allgemein zugestanden, dass bis zum Auszug des Volkes aus Ägypten dieser Monat der erste war. Es lässt sich daneben auch hören, was Andere sagen, dass in diesem Monat die Welt geschaffen wurde. Noch jetzt halten sich die Juden in täglichen und irdischen Geschäften an die altherkömmliche frühere Ordnung: nur ihr gottesdienstliches Jahr beginnen sie im März. Darum wird Gott auch eben diesen Tag des siebenten Monats bestimmt haben, um durch Verkündigung des Sabbat- und des Jubeljahres (25, 9) das Gedächtnis seiner Herrschaft feierlich zu erneuern. Übrigens beschränkte sich das Fest auf einen Tag und unterschied sich außer durch den Posaunenschall wenig von einem gewöhnlichen Sabbat. Das für ihn bestimmte besondere Opfer, bestehend in einem jungen Farren, einem Widder, sieben Lämmern und einem Ziegenbock zum Sündopfer mit den üblichen Beigaben, beschreibt 4. Mose 29, 1 ff. genauer. Dazu kam selbstverständlich auch das an jedem Neumond fällige Brandopfer.

V. 27. Des zehnten Tages in diesem siebenten Monat ist der Versöhnetag , wörtlich der Tag der Versöhnungen. Der Gebrauch der Mehrzahl in diesem Ausdruck deutet darauf hin, dass der Mensch in vielfache Schuld verstrickt ist und zur Erlangung der göttlichen Gnade unter Aussöhnung mit Gott einer mehrfachen Sühne bedarf. Das Wort „versöhnen“ birgt übrigens einen doppelten Sinn: Gott aussöhnen, und durch Sühne die Schuld und den Schuldverhaft zu tilgen. Indem Sühneakte im letzteren Sinne vorgenommen werden, kommt die Aussöhnung Gottes mit uns zustande. Dergleichen geschah zwar öffentlich und privatim zu jeder Zeit des Jahres: alle Opfer, die man schlachtete, hatten irgendwie genugtuenden Wert, und man wollte durch sie Vergebung und Gottes Aussöhnung erlangen. Zu diesen täglichen Übungen wurde aber der jährliche Festtag als ein besonderes Denkmal und ein kräftiger Antrieb zur Buße gefügt. Das feierliche Fasten und die Opfer sollten einen frommen Schmerz über alle die Sünden erwecken, mit denen man Gottes Zorn während des ganzen Jahres gereizt hatte. An diesem feierlichen Tage wurden die Kinder Israel vor Gottes Richterstuhl gerufen: dort hatten sie sich zu stellen, sich als seinem Gericht verfallen zu bekennen, dort durften sie aber auch um Abwendung der Strafe bitten, wofür das Fasten als Zeichen diente. Dabei prägten ihnen die Opfer ein, dass Gott sie wieder in seine Gnade aufnähme: denn ein bloßes Bekenntnis hätte ihnen nur Ursache zur Verzweiflung werden müssen. Es forderte also der Herr von ihnen Trauer und andere Bezeugungen der Buße: er seinerseits bezeugte ihnen, dass ihnen durch die rechtmäßige Sühne seine Gnade sich wieder zuwende. – Den Leib kasteien ist hier soviel wie fasten, was als äußeres Bekenntnis der Buße gefordert wurde. Allerdings wäre das Fasten an sich bedeutungslos gewesen, wie Gott auch bei Jesaja (58, 3) deutlich ausspricht, dass er die Heuchler, die ihr Fasten vertrauensselig als eine Sühne betrachteten, für nichts hält. Wenn man sich aber alle Üppigkeit und jeden besondern Genuss in der Nahrung versagte, empfing man eine Erinnerung an sein böses Wesen: man demütigte und beugte sich in Trauer und schickte sich an, mit brennenderem Eifer um Heilung zu bitten. Denn nur dem ist Vergebung der Sünden zugesagt, der in aufrichtigem Schmerz sein Elend du seine Verderbnis empfindet und anerkennt und zugibt, dass er Strafe verdient. So wird denn eine Tür aufgetan, Gottes Erbarmen zu erflehen. Trotzdem dürfen Leute, die auf diese Weise ihr Missfallen an sich selbst bezeugen, sich nicht einbilden, dass sie etwa durch solche Selbstbereitung Gnade verdienen. Die Sache liegt einfach so: es würde wider Gottes Wesen streiten, wollte er seine Gunst Menschen zuwenden, die in ihren Lastern gefangen und in Sünden verhärtet bleiben. Es wäre durch und durch unwürdig, dass seine Gnade dem Menschen Anlass böte, frech und ungestraft weiter zu sündigen, nachdem er sich mit Gott ausgesöhnt. Will sich also jemand mit Gott aussöhnen, so muss er zuvor Buße tun. Derselbe Gott, der dem Sünder verzeiht, hasst doch die Sünde: er spricht niemanden frei, der nicht sich selbst verdammt hätte; er wendet niemandem seine Gnade zu, der nicht der Sünde den Abschied gibt. Freilich vermag niemand sich restlos von seiner Sünde loszusagen: aber um seiner Gnade willen ist dem Herrn unsere Buße angenehm, obgleich er sie ob ihrer vielfachen Unvollkommenheit mit Recht verwerfen könnte. Dadurch findet eine neue Bestätigung, was ich eben schon sagte, dass wir nicht etwa mit unserer Buße die Sündenvergebung verdienen. Wie könnten wir Schuld und Strafe mit Tränen, Schmerz und Bekenntnis ablösen, da doch auch die Buße der Besten unvollkommen und schwach ist! Darum ist allein die freie Gnade Gottes der Grund der Vergebung, und ihr gebührt aller Ruhm. Nur in diesem Sinne konnte ich sagen, dass die Juden durch das Fasten ihre Sünde und Schuld bekannten, und dass durch das Opfer die Sühne vollzogen ward: denn es gab keinen andern Weg der Genugtuung.

V. 29. Wer seinen Leib nicht kasteiet, soll ausgerottet werden . Dass auf die Verachtung dieser Zeremonie eine so harte Strafe gesetzt wird, zeigt, dass Gott an dem Opfer eines zerschlagenen und gedemütigten Herzens großes Wohlgefallen hat. Und sicherlich wäre es ein Zeichen mehr als roher Gleichgültigkeit gewesen, wenn man sicher und ruhig sein behagliches Leben fortgesetzt hätte, während doch Gott mit dem Schrecken seines Zornes uns zu Tränen stimmen wollte. Darum verkündigt der Herr bei Jesaja (22, 13) mit feierlichem Eide, dass er niemals den Juden, die sich gegen alle Buße gleichgültig zeigten, wieder gnädig werden wolle: hatte Gott sie durch seine Propheten getadelt und sie aufgerufen, zu weinen und zu flehen, sich kahl zu scheren und einen Sack anzutun, so blieben sie fröhlich bei ihren Gelagen und sprachen: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Das ist doch in der Tat der höchste Gipfel der Gottlosigkeit, dass jemand in stumpfer Frechheit sein Gewissen ertötet und den Herrn nicht als Richter anerkennt. Denn so lange ein Sünder noch ein Gefühl und Gewissensqualen von seinen Sünden hat, die ihn nach Rettung seufzen lassen, darf man noch auf Heilung hoffen: erst wenn er alle Furcht und Scham abschüttelt, ist er unrettbar verloren. Wenn es nun einen guten Grund hatte, dass Gott sein alttestamentliches Volk unter dem Gesetze mit äußeren und elementaren Übungen erzog, so war es eine gottlose und unerträgliche Sorglosigkeit, wenn jemand unterließ, was in dieser Hinsicht notwendig war. Dass vollends über die absichtliche Verachtung, die nur aus einem ganz verhärteten Herzen kommen konnte, eine strenge Strafe verhängt wurde, darf uns nicht wundernehmen. – Für die Opfer des Versöhnungstages kann auf 4. Mose 29, 7 ff. (Abschnitt 105 f.) verwiesen werden.

V. 34. Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Fest der Laubhütten . Dadurch wurden die Kinder Israel erinnert, dass sie in der Wüste unter Zelten wohnten, da sie noch keine festen Sitze hatten und ihre Irrwege machen mussten. Hatte ihnen das Passah eingeprägt, wie wunderbar Gottes Hand sie aus dem Rachen des Todes gerissen hatte, so stellte ihnen dies andere Fest Gottes ununterbrochene und bleibende Gnadenleitung vor Augen: es genügte nicht, die Macht Gottes zu erkennen, die er beim Auszug selbst bewiesen hatte, und für die einmalige Erlösung Dank zu sagen, - man sollte sich auch aller weiteren Fortschritte während der vierzig Jahre erinnern, durch welche die Erlösung sich erst vollendete. Wenn darum der Prophet Sacharja (14, 16) von der bevorstehenden zweiten Befreiung redet, verordnet er, dass alle Völker, die zur Verehrung Gottes sich wenden werden, jährlich nach Jerusalem kommen sollen, diesen Tag zu feiern. Warum aber gerade dieses Fest vor allen andern? Weil die Rückkehr aus Babel auf einem langen, schwierigen und von gewaltsamen feindlichen Angriffen bedrohten Wege ähnlich denkwürdig sein sollte, wie die Wanderung des Volkes aus Ägypten in das gelobte Land. Wir schließen daraus, dass heute zwar nicht mehr die zeremonielle Vorschrift, wohl aber ihr Geist und ihre wahre Bedeutung noch in Geltung steht: es soll uns beständig Gottes unvergleichliche Kraft und Gnade vor Augen stehen, in der er uns aus der Finsternis und dem tiefen Schlund des Todes gerissen und in ein himmlisches Leben versetzt hat. Das alttestamentliche Volk wurde nach seinem rohen Begriffsvermögen in allen seinen Gliedern, Jung und Alt, gewissermaßen in die alte große Zeit zurückversetzt, wenn es seine Häuser verließ: diese anschauliche Darstellung wirkte kräftiger, als jede Lehre oder Predigt. Zugleich deutete die Feier aber auf die Zukunft: auch nachdem man ins Land Kanaan eingezogen, würde die Pilgerschaft ihren Fortgang nehmen, gleichwie heute alle Frommen und Kinder Gottes Fremdlinge auf Erden sein müssen, wollen sie anders Himmelserben werden. Vor allem aber sollte das Laubhüttenfest die Kinder Israel zum Dank gegen Gott stimmen: wenn sie daran gedachten, wie Gottes Hand sie durch die Wüste und den äußersten Mangel hindurchgeführt hatte, mussten sie es noch höher schätzen, dass sie nun im verheißenen Lande unter ihren Dächern geborgen waren.

V. 36. Sieben Tage sollt ihr dem Herrn opfern . Während eben dieser sieben Tage wohnte man auch in Hütten. Eigentliche Sabbatruhe war aber nur für den ersten und achten Tag verordnet. Nachdem übrigens Mose die betreffenden Vorschriften gegeben, fügt er hinzu (V. 38), dass auch in den Laubhüttentagen den regelmäßigen kultischen Darbringungen kein Abbruch geschehen soll. Ohne diesen Wink hätte man vielleicht Opfer, die man ohnedies schuldig war, betrüglicher weise auf diesen Festtag geschoben und also, wie das Volk sagt, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wiederum wird auch der Anfang des 39. Verses: So sollt ihr nun usw. einen gegensätzlichen Klang haben: bei den vom Gesetz für jeden Tag und Sabbat verordneten Gaben sollte man doch auch diese besonderen Vorschriften für das Laubhüttenfest nicht vergessen; wer wirklich seine religiöse Pflicht erfüllen wollte, musste sich an die allgemeinen und besonderen Vorschriften gleicher weise halten. Auch die Erinnerung an die Zeit, in welche das Fest fiel, sollte zu einer unverdrossenen Feier anleiten und jede Entschuldigung ausschließen: wenn ihr die Früchte des Landes eingebracht habt . Auch dies war ein Zeichen dafür, wie freundlich Gott für sein Volk sorgte, dass diese Festfeier nach vollendeter Ernte keinen Verlust an nötiger Zeit brachte.

V. 40. Und sollt Früchte nehmen von schönen Bäumen usw. Dies war eine Erinnerung, dass man diesen Tag mit Freude und Jauchzen feiern müsse. Wies es doch nicht bloß darauf zurück, dass Gottes Gnade die Väter, die in der Wüste aller Unbill des Himmels ausgesetzt waren, gleichsam mit Adlerflügeln deckte: es war auch ein Ausdruck des Dankes dafür, dass der Herr seinem Volk im verheißenen Lande eine weit bequemere Herberge bereitete. Indem man die fröhlichen Zweige trug, zeigte man seine Freude und brachte dem Herrn dankbare Huldigung. Es hätte sich doch nicht geschickt, traurig und gedrückten Herzens in die Laubhütten zu ziehen, welche dem Volk die frühere und gegenwärtige Gnade Gottes vor Augen stellten und zugleich denen, die auf Erden Fremdlinge waren, einen Vorgeschmack der himmlischen Herrlichkeit gaben.

Abschnitt 140. – 2. Mose 23, 14 – 17. / 2. Mose 34, 22 – 24. / 5. Mose 16, 1. 2, 5 – 17. / 2. Mose 34, 20.

2. Mose 23.

V. 14. Dreimal sollt ihr mir Feste halten . Es fällt auf, dass Mose hier nur ein dreimaliges Erscheinen vor Gottes Angesicht fordert, während er doch sonst noch andere Festtage aufzählt. Wo bleiben der Trompetentag und das Versöhnungsfest? Denn dass man alle diese Feste zu Jerusalem feiern sollte, kann nicht bezweifelt werden. Erstlich haben wir nun zu bedenken, dass hier nur die hervorragendsten Feste genannt werden, die man mit besonderer heiliger Scheu feierte. Sodann wurden im siebenten Monat drei Feste in fast ununterbrochener Reihe begangen: hätte Gott in seinen Forderungen da nicht etwas nachgegeben, so hätte der Israelit einen ganzen Monat lang sein Hauswesen verlassen müssen; denn zu Beginn des Monats blies man die Posaunen, am zehnten Tage war das feierliche Versöhnungsfasten, mit dem fünfzehnten Tage bezog man die Laubhütten. Hätte jedermann während dieser ganzen Zeit in Jerusalem bleiben müssen, so wäre dies ein sehr beschwerlicher Zeitverlust für ihn gewesen. Wollte aber jemand diese Feste von Anfang bis zu Ende durchfeiern, so hätte er damit doch nur eine einzige Reise gemacht, die hier nach dem Haupttage benannt wird. In jedem Falle wollte Gott sein Volk schonen, wenn er nur ein dreimaliges Erscheinen für erforderlich erklärt: allzu großer Aufwand wäre den Familienvätern, die doch auch für ihre Kinder zu sorgen hatten, lästig gefallen. Gott will aber nur eine Anbetung, die aus fröhlichem Herzen kommt.

5. Mose 16.

V. 1. Halt den Monat Abib . Zu welchem Zweck Gott das Passah einsetzte, wurde schon in der Auslegung des ersten Gebots erörtert. Danach gehörte die Schlachtung des Lammes selbst zu den Anhängen des ersten Gebots: denn sie war ein Zeichen der Erlösung, und in dieser Zeremonie übte sich das Volk in der Anbetung des einen Gottes, den es damit als seinen einigen Vater anerkannte und allen Götzen gegenüberstellte. So bleibt an unserer Stelle nur an das zu erinnern, was mit der Sabbatordnung zusammenhängt. Der erste Passahtag war ein feierlicher Ruhetag, für welchen man nach Gottes Ordnung alle Geschäfte liegen lassen und nach Jerusalem hinaufsteigen sollte. Übrigens wird hier nicht bloß des Passahlammes gedacht, sondern (V. 2) man soll dem Herrn an der Stätte, die er erwählen wird, auch außerdem Schafe und Rinder schlachten. Das alles deutet auf eine heilige Festversammlung, die auch alsbald ausdrücklich angeordnet wird (V. 5). Man soll nicht in jeder beliebigen Stadt Passah schlachten, sondern zum Heiligtum kommen. Warum Gott für sein Volk nur diesen einzigen Opferaltar verordnete, haben wir öfter erklärt: er wollte die Kinder Israel zur Pflege der Gemeinschaft und Glaubenseinigkeit gleichsam unter eine einzige Fahne sammeln. Wenn endlich (V. 8) für den siebenten Tag wiederum die Versammlung des Herrn und Arbeitsruhe anbefohlen wird; so hängt dies recht eigentlich mit dem Sabbatgebot zusammen.

V. 9. Sieben Wochen sollst du zählen usw. Wir müssen hier beachten, dass der Passahtag in die Zeit der heranreifenden Ernte fiel, in welcher die schon zum ersten Gebot verhandelten Erstlingsgaben dargebracht wurden. Nach sieben Wochen, also am fünfzigsten Tage, feierte man dann ein zweites Fest, welches, wie gesagt, die Griechen „Pentekoste“ nannten. Ebenso viele Tage waren auch zwischen dem Auszug des Volkes und dem Erlass des Gesetzes verflossen. An diesem Feste trug übrigens die Darbringung der Erstlinge einen anderen Charakter: aus den schon eingesammelten Früchten weihte ein jeglicher nach Vermögen und gemäß dem Ertrag des Jahres dem Herrn eine Gabe. Um aber das Volk desto williger und fröhlicher zum Geben zu stimmen, erinnert Mose (V. 10), wie viel man dem Herrn zu danken hat: nach dem dich der Herr, dein Gott, gesegnet hat . War es doch alles göttliche Gnadengabe, was die Erde brachte.

V. 11. Und sollst fröhlich sein usw. Das ist noch ein anderer Grund, der die Kinder Israel zu willigem Gehorsam reizen soll: der Dienst Gottes gebiert Freude. Nichts leitet uns ja besser zur Folgsamkeit an, als die Erkenntnis, dass Gott uns vielmehr etwas geben, als von uns etwas haben will. Freilich sind auch gottlose Menschen fröhlich, ja voll ausgelassener Lust: aber weil jene Freude flüchtig ist und solches Lachen sich in Heulen und Zähneklappern wandelt, hat Mose recht, wenn er die Freude vor dem Herrn als ein einzigartiges Gut anpreist; es ist, als lüde ein Vater seine Kinder ein, zusammen mit ihm fröhlich zu sein. So wurden die Gläubigen durch diese äußere Übung erinnert, dass die Freude nur dann fest steht und wirklich erwünscht ist, wenn man sie auf Gott stimmt. Mögen darum die Gottlosen in ihren Vergnügungen hoch herfahren und sich in Lust über Lust stürzen: sie haben doch keinen Genuss von der Freude, die sie einschlürfen möchten, denn es fehlt ihnen die Ruhe des Gewissens, die allein fröhlich macht. Endlich rückt Mose (V. 12) das Gut, welches die Kinder Israel durch rechte Verehrung Gottes empfingen, durch einen Vergleich in ein noch helleres Licht: gedenke, dass du Knecht in Ägypten gewesen bist . Wie durften sie doch ihrer gegenwärtigen Lage sich freuen, wenn sie an das Elend der Gefangenschaft zurückdachten! Darin lag dann auch eine Mahnung, dem Herrn als ihrem Erlöser sich dankbar zu beweisen.

V. 13. Das Fest der Laubhütten usw. Den ersten Tag dieses Festes nannte man den Einsammlungstag, weil man jetzt den Ertrag des ganzen Jahres in Scheuern und Vorratskammern geborgen hatte. Die Landarbeit war also getan, und die Zeit zur Festfeier war vorhanden. So musste man umso williger nach Jerusalem hinaufziehen: denn Gott hatte dafür gesorgt, dass man es ohne Vernachlässigung seines Hauswesens tun konnte. Wenn Mose hinzufügt (V. 15): denn der Herr, dein Gott, wird dich segnen , so will er einprägen, dass Israel, dem der Herr seinen Segen nie entziehen will, immer Grund zur Freude haben werde, wenn es nur sich eifrig dahin schickt, seinem Gott treulich zu dienen. Demgemäß ist der Schlusssatz nicht bloß als Gebot, sondern auch als Verheißung gemeint: darum sollst du fröhlich sein . Das will besagen, dass, wenn man nur nicht undankbar ist, man getrost darauf hoffen darf, dass Gott immer neuen Grund zur Freude geben wird. So lassen sich die beiden Glieder des Verses zusammen lesen: der Herr wird dich segnen; darum sollst du fröhlich sein.

V. 16. Dreimal des Jahres soll alles, was männlich ist, erscheinen . Dass es aus freundlicher Schonung geschah, wenn Gott nicht ein fünfmaliges, sondern nur ein dreimaliges Erscheinen in Jerusalem verlangt, haben wir schon gesagt. Denselben Grund hat es auch, dass nur die Männer um der heiligen Zusammenkünfte willen ihre Häuser verlassen müssen. Für die Weiber wäre dies zu unbequem gewesen, zumal die von Gott verheißene Fruchtbarkeit dahin führte, dass sie fast immer schwanger waren oder Kinder zu säugen hatten. Sicherlich waren auch die Kinder und jungen Leute unter 21 Jahren nicht zum Erscheinen gezwungen: das Gesetz betraf offensichtlich nur diejenigen, die der Kopfsteuer unterlagen. Wollte jemand sagen, dass vor Gott Männer und Weiber gleich sind, so diene zur Antwort, dass hier die Familienväter Weib und Kind mit vertraten und in deren Namen das Bekenntnis zu Gott mit ablegten. Wollten die Juden aber einwerfen, dass man vielleicht die Feinde zu einem plötzlichen Einfall reizen könnte, wenn man durch die Zusammenziehung der Männer an einen Ort das Land von seinen Beschützern entblößte, so beugt Gott auch diesem Bedenken vor, indem er verheißt (2. Mose 34, 24): Wenn ich die Heiden vor dir ausstoßen und deine Grenze weitern werde, wird niemand deines Landes begehren . Darin liegt die Zusage, dass Gott die Feinde zähmen wolle, damit sie sich nicht auf die verlassenen Häuser stürzen. Wir schließen daraus aber auch, dass der Gottesdienst erst in jeder Hinsicht gesichert da stehen konnte, nachdem alle angrenzenden Völker unterworfen waren, und der Herr sein Heiligtum auf dem Berge Zion aufgerichtet hatte. Gewiss durfte auch vorher das Volk die Festtage nicht einfach übersehen: aber die Erfahrung selbst sollte lehren, dass Gott ihnen zürnte, wenn er sie einer so einzigartigen Wohltat beraubte; denn dass sie vor den Feinden noch zittern und sich fürchten mussten, war ihre eigne Schuld. So empfangen hier die Gläubigen eine nützliche Lehre: solange sie ihrem Gott folgen, werden sie unter seinem Schutze geborgen sein; denn in seiner Hand liegt es, jeden feindlichen Angriff und allen Schaden abzuwehren.

Sie sollen aber nicht leer vor dem Herrn erscheinen , d. h. es soll jeder zum Zeichen der Dankbarkeit eine Gabe darbringen. Wir wissen aus der Geschichte, dass es bei den Persern Sitte war, dass niemand ohne Geschenk den König ansprechen durfte; ähnlich war es auch bei andern Völkern. So war auch vor Gott die Gabe, die man zu bringen hatte, ein Zeugnis und Unterpfand der Unterwerfung. Ist nun auch diese gesetzliche Ordnung hingefallen, so gilt doch noch ihr Sinn: nur der ist ein rechter Anbeter Gottes, der sich nicht mit leerem Schein zu ihm bekennt, sondern durch die Tat beweist, dass er Gott zum König hat.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, 2. Band

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