Calvin, Jean - An die englische Gemeinde in Frankfurt.

Nr. 434 (C. R. – 2091)

Calvin, Jean - An die englische Gemeinde in Frankfurt.

In Frankfurt a. M. sammelte sich eine englische Refugiantengemeinde, die die Kirche der französischen Gemeinde mitbenutzte. Sie spaltete sich aber in eine anglikanische und eine calvinistische Partei. Die Führer der Calvinisten, Whittingham und John Knox, wandten sich an Calvin um ein Gutachten über die anglikanische Liturgie, die sie ihm einsandten.

Von den Spaltungen der englischen Gemeinde in Frankfurt.

Es quält mich sehr und ist ganz absurd, dass unter Brüdern, die um desselben Glaubens willen aus ihrem Vaterland verbannt und flüchtig sind, Uneinigkeit entsteht, und zwar um deswillen, was Euch allein schon in Eurer Zerstreuung als ein heiliges Band fest miteinander verknüpfen sollte. Denn was solltet ihr in dieser traurigen, elenden Lage eher tun, als, von Eurer Heimat Herz losgerissen, Euch der Kirche anzupassen, die Euch als an Gesinnung und Sprache Verwandte in ihrem mütterlichen Schoß aufnahm und hegte. Dass nun von einigen über die Formeln des Gebets und andere Zeremonien ein Streit begonnen wird, als ob Ihr in Ruhe und Wohlsein säßet, und dass dadurch Eure Sammlung zu einer Kirchgemeinde verhindert wird, das ist meines Erachtens recht unzeitgemäß. Ich tadle nicht die Standhaftigkeit derer, die, obwohl sie für die rechte Sache kämpfen, wider ihren Willen in den Streit gezogen worden sind; aber den Trotz, der das fromme Bemühen, eine Gemeinde zu bilden, hemmt und hindert, den verurteile ich mit Recht. Wie sehr ich persönlich mich auch in unwichtigen Dingen, wie Kultusäußerlichkeiten, weitherzig und nachgiebig zeige, so halte ichs doch nicht immer für gut, dem törichten Eigensinn der Leute, die nicht von den Gewohnheiten lassen wollen, nachzugeben. In der anglikanischen Liturgie, wie Ihr sie beschreibt, sehe ich manche erträgliche Torheiten. Mit diesen beiden Worten will ich sagen, sie hat nicht die Reinheit, die wünschenswert wäre; allerlei Gebrechen aber, die sich nicht an einem Tag bessern ließen, waren doch zeitweilig erträglich, da nichts handgreiflich Unfrommes dabei war. Also durfte man wohl mit solchen Unvollkommenheiten beginnen, doch in der Meinung, dass die gelehrten, aufrichtigen und ernsten Diener Christi weiterkommen und etwas besser Ausgearbeitetes, Reineres suchen sollten. Stünde der reine Glaube in England noch in Kraft, so müsste einiges gebessert, manches überhaupt weggetan werden. Jetzt, da dort das Angefangene umgestürzt ist und Ihr Euch wieder eine Kirche gründen müsst und die Freiheit habt, die Form, die Euch zum Brauch und zur Erbauung der Gemeinde am tauglichsten scheint, von neuem zu bilden, da verstehe ich nicht, was die wollen, die ihre Freude an dem Bodensatz des Papismus haben. Sie lieben ihn, weil sie es so gewohnt sind. Das ist erstlich kleinlich und kindisch, und zweitens ist ja eben ein großer Unterschied zwischen Eurer Neugründung und einer bloßen Änderung. Ich möchte aber nicht, dass Ihr übermäßig streng vorgeht, wenn nicht etwa die Schwachheit einzelner den höchsten Grad erreicht; ebenso möchte ich aber auch die andern ermahnt wissen, dass sie sich nicht allzu sehr in ihrer Torheit gefallen und nicht durch ihren Trotz den Verlauf der frommen Gründung aufhalten. Drittens, dass sie sich nicht von törichter Eifersucht hinreißen lassen. Denn was ist der Grund ihres Zankens, als dass sie sich schämen, dem Bessern nachzugeben? Doch umsonst richte ich meine Rede an sie, die mir vielleicht nicht einmal soviel zutrauen, dass sie einen Rat anzunehmen geruhen, der von einem Mann wie mir kommt. Wenn sie das böse Gerede in England scheuen, sie seien vom dem Glauben abgefallen, um deswillen sie vertrieben wurden, so täuschen sie sich darin sehr. Vielmehr zwingt ein solches edleres, ehrliches Bekennen eher die Gläubigen, die zurückgeblieben sind, zu der Erwägung, in welchen tiefen Abgrund sie gesunken sind. Ihr Sturz wird ihnen umso schmerzlicher fühlbar werden, wenn sie sehen, wie Ihr über den halben Weg hinaus, von dem man sie zurückgezogen hat, weiter schreitet. Lebtwohl, Ihr tapfern Brüder und treuen Diener Christi. Der Herr fahre fort, Euch auch weiterhin zu behüten und zu leiten.

Genf, 18. Januar 1555.



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