Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (398)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (398)

Nr. 398 (C. R. – 1947)

Weggelassen eine kurze Notiz über zwei englische Refugianten. Die Zürcher Pfarrer hatten einem Schotten, wahrscheinlich John Knox, ein Gutachten auf allerlei kirchliche und politische Fragen ausgestellt, und Bullinger hatte es Calvin zur Einsicht geschickt; Königin von Schottland war die damals 12jährige Maria Stuart unter der Regentschaft ihrer Mutter Maria von Lothringen.

Vom Eindruck der Schrift über Ketzerverfolgung. Über Frauenregierung.

Bei meinem Büchlein [gegen Servet] habe ich stets gefürchtet, die Kürze könne eine gewisse Dunkelheit mit sich bringen. Vermeiden konnte ich es aber nicht; ja es veranlasste mich sogar ein bestimmter Vorsatz, es aus andern Gründen nicht zu vermeiden. Denn nicht nur war es mein erster, sondern mein fast einziger Vorsatz, die abscheuliche Gottlosigkeit Servets allen Leuten deutlich zu machen. Eine erschöpfende Behandlung der Fragen, über die ich rede, hätte man für absichtlich gesucht gehalten, als wollte ich durch glänzende Darstellung Sätze, die an sich gar nicht so schlimm gewesen seien, verdunkeln. In der Schreibart habe ich jene, wie du es nennst, Würde nicht gewahrt; ich habe mir vielmehr gerade die größte Mühe gegeben, soweit es anging, die stachligen Spitzfindigkeiten Servets auch einem ungebildeten Leser nicht ohne große Mühe darzustellen und zu erklären. Doch ist mir nicht entgangen, dass ich, der ich sonst schon in allen meinen Schriften knapp bin, mich hier noch kürzer als gewöhnlich gefasst habe. Doch wenn nur das deutlich wird, dass ich in ehrlichem Glauben und rechtem Eifer die reine Lehre verteidige, so ist mir das allein schon soviel wert, dass es mich nicht reut, die Arbeit unternommen zu haben. Doch du beurteilst mich freundlich in deiner Liebe zu mir, in deiner Herzenslauterkeit und Billigkeit. Andere schelten mich hart, ich sei ein Lehrer wilder Grausamkeit, ich suche mit meiner Feder einen Toten, der durch meine Hand umgekommen sei, zu zerfleischen. Auch gibt es einzelne, die mir sonst nicht übel wollen, die wünschen, ich hätte die Frage nach der Bestrafung der Ketzer nicht berühren sollen. Denn, sagen sie, auch alle andern hätten sich darüber, um gehässiger Nachrede zu entgehen, absichtlich ausgeschwiegen. Da ists gut, dass ich wenigstens dich als Genossen meiner Schuld habe, wenn anders es eine Schuld ist, weil du mich dazu bewogen und ermahnt hast. Sieh also zu, dich zum Kampfe zu rüsten.

Dass ich dein Buch über die gerecht machende Gnade schon früher erhalten, hat dir mein letzter Brief berichtet. Dein Werk, das hoffentlich der ganzen Kirche Nutzen bringt, konnte natürlich auch mir nur willkommen sein. Entspräche deinem Fleiße nur aller Leser Verständnis! Deine Vorrede mahnt mich, das zu tun, wovon ich dir letztes Mal schrieb. Denn wenn sich auch nichts Faderes denken lässt als das Büchlein des guten Westphal, so müssen wir doch sehen, dass Fürstenherzen durch solche Verleumdungen abwendig gemacht werden können und haben dafür vor kurzem ein trauriges Beispiel am König von Dänemark erlebt; so scheint es unsere Pflicht, ihm in jeder erlaubten Weise entgegen zu treten. Vielleicht hätte eine von einem von uns privatim verfasste Widerlegung zu wenig Ansehen, aber andrerseits sehe ich wohl, wie schwer es sein wird, eine gemeinsame Antwort der Kirchen zustande zu bringen. Untersuche du es nach deiner Klugheit, ob sich uns eine Art zu antworten darbietet, die einen nicht reuen muss.

Die Antwort, die Ihr dem Schotten gegeben, habe ich mit Vergnügen gesehen. Er hat auch mit mir von diesen Fragen gesprochen, ehe er zu Euch kam. Ich habe ihm in vertraulichem Gespräch offen meine Meinung auseinandergesetzt; er drang dann nicht weiter in mich und hat auch nach seiner Rückkehr nicht begehrt, dass ich ihm etwas aufschreibe. Die Hauptsache meiner mündlichen Antwort stimmt nun mit Eurer schriftlichen ganz überein. Denn über die Erbfolge der Könige habe ich fast genau so wie Ihr gesprochen. Auch in der andern Frage, ob man das Evangelium mit bewaffneter Hand verteidigen dürfe, sind wir ganz gleicher Meinung. Von einer Weiberregierung habe ich gesagt, da sie von der Ordnung der Naturgesetze abweiche, so sei sie unter die Strafen Gottes zu zählen. Und doch lasse Gott auch darin zuweilen seine außerordentliche Gnade leuchten, indem er zum Tadel für die Trägheit der Männer Frauen nicht nur mit männlichem Sinn, sondern sogar mit Heldengeist ausrüste und aufrufe, wofür Deborah ein leuchtendes Beispiel sei. Aber selbst wenn darin nichts als reine Unordnung zu Tage trete, so sei nach meiner Meinung dem Privatmann nichts anderes erlaubt, als es zu beklagen. Denn ein unordentliches Weiberregiment gleiche der Tyrannei, die man auch tragen müsse, bis Gott sie tilge. Wenn irgendwo Unruhen entstünden um der Religion willen, so sei meines Erachtens nichts besser und sicherer, als ruhig zu bleiben, bis einem ein besonderer Ruf Gottes klar werde. Deshalb müsse man Gott eher um den Geist der Mäßigung und Vorsicht bitten, dass er einem in dieser Frage zu Hilfe komme, als müßige Untersuchungen anzustellen. Ich behandelte gerade das ausführlicher, weil ich wohl weiß, dass in unruhigen Verhältnissen selbst die besten Leute sich soviel Freiheit gestatten, dass sie dann, vom Sturm hingerissen, am hellen Tag nichts mehr sehen. Gepriesen sei der Herr, der unsere Zunge nicht anders lenkte, als wenn wir die Sache nach Verabredung behandelt hätten.

Unsere kirchliche Lage schwebt noch im Ungewissen. Doch ich muss den Brief abbrechen. Denn seitdem ich diese Boten, denen ich zu trauen wage, gefunden, bin ich von andern Geschäften aufgehalten worden und kann nun nicht so lang schreiben, wie ich möchte. Also lebwohl, hoch geachteter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Grüße Herrn Gwalther, Pellikan und die übrigen Kollegen angelegentlich von mir. Meinen Kollegen lassen dich ihrerseits grüßen, ebenso der Herr Marchese di Vico und viele andere Freunde. Der Herr behüte dich und dein Haus und segne Euch allezeit.

Genf, 28. Mai 1554.
Dein
Johannes Calvin.

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