Calvin, Jean - An Müslin in Bern (289)

Nr. 289 (C. R. – 1325)

Calvin, Jean - An Müslin in Bern (289)

Vgl. 281. Über die Nachschrift vgl. den folgenden Brief.

Nochmals vom Vorurteil der wöchentlichen Kolloquien.

Wenn Euer Rat Gründe hatte, den Pfarrern die üblichen Zusammenkünfte zur Schriftauslegung für die Zukunft zu verbieten, so glaube ich dies in gerechte Erwägung zu ziehen. Aber dass das ein gutes Mittel gewesen sei, das leugne ich. Ich habe nie gehört, dass Händel in Lausanne vorkamen, bis es diesem Tollkopf [Zebedee] in den Sinn kam, die Kirche in jeder Weise in Unordnung zu bringen. Dass die Einrichtung [der Kolloquien] zu billigen ist, sieht jedermann, und die Erfahrung hat bisher gelehrt, dass sie auch nicht ohne, wenigstens mittelmäßige, Frucht blieb. Durch sie werden die am ehesten erwischt, die sich um andere Dinge kümmern als um die heilige Wissenschaft. Sie werden wenigstens durch ihr Schamgefühl dazu angetrieben. Alle haben Vorteil davon. Es ist sicher unbillig, dass durch die Frechheit eines einzigen, zur Unzeit Freudenfeste feiernden, Gesellen die fruchtbringende Übung allen übrigen genommen wird. Auch geschieht den Brüdern Unrecht, wenn sie wegen des persönlichen Vergehens eines einzigen alle geschlagen werden. Haller hat einmal den Anblick einer händelsüchtigen Disputation gehabt. Aber welcher Funke hatte das Feuer entzündet? woher stammte das Holz? Es ist bekannt genug, dass, solange dem Zebedee erlaubt war, ungestraft zu toben, die Brüder von beständigem Streit geplagt waren. Warum wurde denn seinem verrückten Wesen nicht Einhalt getan? Es hätte rechtzeitig geschehen können. Woher kams, dass sein frecher Übermut nur wuchs? Wenn du es nicht weißt, wir wissen es gut genug, wo ihm dieser Geist eingeblasen wurde. Was nun, wenn dieselben Leute, die schon lange seine Maßlosigkeit missbrauchten, um unaufhörlich den Brüdern zu schaffen zu machen, jetzt zum Verbot der Zusammenkünfte den Anstoß gaben? Dass du so heftig gegen alle Pfarrer welscher Zunge herziehst, darin hast du, scheint es mir, deine milde und maßvolle Art ganz vergessen. Ebenso wie die schwer fehlen, die mit einer Kreide, wie man sagt, alle weiß färben, ob schuldig oder unschuldig, so ists auch, wenn mit einer Kohle alle angeschwärzt werden; wo bleibt da die Billigkeit? Ich weiß wohl, wie viel viele [von ihnen] zu wünschen übrig lassen. Wäre nur die nötige Strenge angewandt worden! Ich weiß, dass viele frech und giftig sind. Aber glaube es mir, gerade solchen ist jetzt die Freiheit geboten, jeden Zügel abzuwerfen. Indessen verzeih, wenn ich unwillig werde, dass alles, was welsch heißt, so grausam verurteilt wird. Freilich will ich hier nicht meines Volkes Sache führen, und ich bin nicht der Mann, meinen Landsleuten ihre Fehler nachzusehen, aber dass ich auch ihre Vorzüge besser kenne als du, ist wohl verständlich. Was nun die bisher gebräuchliche Schriftbehandlung [in Kolloquien] angeht, so lasst uns wenigstens das alte Sprichwort gelten: Erfahrung macht selbst Narren klug. Wir haben es seit langer Zeit zur Genüge erfahren, dass diese Art der Auslegung eine nützliche Übung für die Brüder ist. Je weniger gemeinsame Aussprache der Lehre nun da sein wird, umso größer wird die Gefahr verderblicher Lehrsätze. Die Faulen werden nun ruhig schlafen; viele werden, ich weiß nicht wie, verbauern und sonst entarten. Das regt mich am meisten auf, dass alle Guten über das neue Edikt seufzen, die Bösen aber frohlocken. Wenn Ihr nun seht, wie sehr die Pfarrklasse von Lausanne, um von den andern nicht zu reden, in Unruhe ist dieser Sache wegen, so ist es gewiss Eure Pflicht, ihrer frommen Sorge abzuhelfen, soviel Ihr könnt. Dass Ihr auch in anderen Dingen mit ihnen aufs engste verbunden sein sollt, liegt nicht mehr in ihrem als in Eurem Interesse, wenn Ihr der Kirche Gottes nützen wollt. Denn, um nichts zu verschweigen, die Zurückweisung Hotmans neulich hat mich etwas getroffen, weil ich den Verdacht hegen musste, dass er bei mir gewohnt, habe ihm so geschadet. Im Vertrauen auf unsere Freundschaft rede ich freimütig mit dir und unserm Haller. Denn ich habe die Überzeugung, einiges von dem, was mir auf dem Herzen brennt, wird auch Euch missfallen. Wie dem auch sei, ich baue darauf, dass Ihr billige und freundliche Übermittler dieser meiner Klagen [an den Rat] sein werdet. Lebwohl, bester, hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Der Herr behüte dich und deine Familie, er sei stets mit dir und leite dich.

Genf, 7. Dezember 1549.
Dein Johannes Calvin.

Meine Kollegen lassen Euch grüßen.

Ich glaubte, diesen Brief mit andern dem Boten gegeben zu haben und merke jetzt, da er schon weg ist, zu spät meinen Irrtum. Dass die Hochzeit des Herzogs von Mantua mit der Tochter [König] Ferdinands von Pavia gefeiert worden ist, ist dir wohl nicht neu. Bis jetzt ist noch nichts sicher über den Nachfolger [des Papstes] Paul. Man glaubt, es werde in Italien einen Krieg geben. Der Herr gebe, dass wir Frieden suchen mit ihm.

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