Beck, Johann Tobias - Das ächte Gottvertrauen.

Beck, Johann Tobias - Das ächte Gottvertrauen.

Am letzten Sonntag des Jahres.

Heb. 10, 35.

Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.

Der letzte Sonntag im Jahr, geliebte Freunde, hat eine eigene Wichtigkeit. Christfest ist kaum zurückgelegt, und wirft noch seinen Gnaden-Schein auf diesen Tag mit der lieblichen Botschaft: „sehet, welch eine Liebe hat der Vater im Himmel uns erzeiget, daß Er Seinen Sohn uns gesandt;“ aber auch Neujahr steht ganz nahe im Angesicht dieses Sonntags, und hält uns bereits den Spiegel unsrer Eitelkeit und Vergänglichkeit vor mit der ernsten Botschaft: „über ein Kleines, so sehet ihr das alte Jahr nicht mehr, findet es nicht mehr, wie ihr auch seufzet und suchet darnach; eure Tage fliehen schnell dahin, als flögen sie davon. Schicket euch in die Zeit, nützet sie wohl, denn - die Sache recht besehen - hier unten ist böse Zeit: Flüchtigkeit, Mühe und Arbeit in Sünde und Sorge, unter Dornen und Disteln.“ Christfest mit seinem Heilands-Segen, seiner Gottes-Klarheit, seinen auf- und niedersteigenden Engeln und ihrem Friedens-Gruß, es steht uns vor der Seele wie der leutselige Menschensohn selbst, der uns zuruft: „glaubet an Gott und glaubet an mich; es ist gut auf den HErrn vertrauen und sich nicht verlassen auf Menschen“ (Ps. 118, 8.); Neujahr mit seinem Wechsel von Tag und Nacht, von Leid und Freude, Leben und Tod - das gesellt sich neben den HErrn mit seinem Christfest wie ein ernster Prophet aus dem alten Bunde, predigt uns einerseits mit der Stimme eines Zuchtmeisters: „es ist der alte Bund, daß ihr Menschen sterben müßt; alles wird euch ausgezogen, alles müßt ihr wegwerfen mit der Zeit und dahinten lassen, nicht nur dieß alte Jahr, auch euern Leib, Habe und Gut;“ auf der andern Seite aber ruft auch Neujahr mit seiner Prophetenstimme voraus uns entgegen: „ob ihr auch dieß ganze alte Jahr müßt dahin geben und bald Leib und Leibesgenuß müßt wegwerfen - werft nur Eins nicht weg, daß ihr nicht gar als Gottverlassene an meine Thüre kommt; euer Vertrauen werft nicht weg auf Gott, euern Heiland, der Wunder thut von Alters her, treu und wahrhaftig ist in Seinem Vornehmen; der ein Schild ist Allen, die auf Ihn trauen, und seine wunderbare Güte beweiset an ihnen. Groß ist der Lohn, die Vergeltung bei denen, die Gott vertrauen“ (Jes. 25, 1.; Ps. 18, 31.; 17, 7.).

Mit diesem Wort der Ermahnung und Verheißung Gottes wollen wir heute uns bereiten zu einem gesegneten Aus- und Eingang für den nahen Jahreswechsel. Es ist so schnell und meist so gedankenlos gesagt: das Jahr ist dahin - und was sagen wir damit? 365 Tage haben wir weniger zu leben; über achtmal tausend Stunden müssen wir abziehen von unsrer Lebens-Rechnung, und dieser ihre Summe ist uns nicht einmal bekannt, ist immerhin klein gegen das, was wir damit zu verlieren haben oder zu gewinnen, aber unendlich folgenreich, wenn sie der in Sein heiliges Licht stellt, der da spricht: „kehre wieder Menschenkind, und thue Rechnung.“ Freilich, wir setzen neben das alte Jahr sogleich wieder Neujahr; aber das verflossene wird uns ja damit nicht ersetzt, vielmehr die Reihe des Vergehens kommt sogleich an das neue Jahr: rasch nimmt wieder eine Stunde desselben um die andere, ein Tag um den andern Abschied von uns, sie fallen ab von unserm Leben wie Blätter vom Baume, und ehe das Jahr um ist, sind gewiß Mehrere von uns selbst entblätterte, abgestorbene, gefällte Bäume. Ob da noch Leben in Jedem übrig bleibt zum neuen Ausschlagen und ewigen Wachsthum, oder ob dein ganzer Mensch verdorrt, und zu Nichts nütze ist als zum Feuer? das ist dann die große Frage.

Ist es denn aber auch gut bei einem solchen Gedanken länger zu verweilen? Verliert man da, mögen die Weltleute denken, nicht Selbstvertrauen und Lebensfreudigkeit, diese köstlichsten Güter, die man sich und Andern nicht nehmen soll durch finstere Todes-Gedanken? Schwächt man, mögen selbst gewisse Christen denken, schwächt man damit nicht die Glaubensfreudigkeit, die wir allewege zu Christus sollen haben, und erweckt einen alttestamentlichen Geist der Furcht? Die so denken, wissen noch nicht die Schrift und die Kraft Gottes, wie sie sie wissen sollen, kennen und haben noch nicht in sich das rechte Vertrauen, das große Belohnung hat. Ob ich mein Vertrauen und meine Freude auf Christum setze, oder auf mich selbst und auf die Welt: immerhin habe ich kein rechtes Vertrauen, wenn ich mich selbst belüge und dasjenige, was einmal gewisse Wahrheit ist, aus den Gedanken mir schlage, statt es im Herzen zu bewegen. Daß unser Leben vergänglich und nichtig ist wie ein Dampf; daß uns gesetzt ist, einmal zu sterben, darnach das Gericht - das sind Wahrheiten, die nicht nur aller Menschen Gewissen wie das Alte Testament predigt; auch die Apostel des HErrn halten sie sich selbst vor und allen Christen mit vielem Ernst, damit wir weder im eiteln Vertrauen auf uns selbst, noch in einem falschen Vertrauen auf Gottes Güte in Christo stolz und sicher werden, sondern so lange wir hier unter Versuchung der Sünde wallen, mit Furcht unsern Wandel führen, gedenkend, wie der Gott, der uns so gnadenreich berufen hat in Christo, ein heiliger Gott ist, und wie derselbe Gott, den wir als Vater dürfen anrufen um Seine guten Gaben, auch ohne Ansehen der Person richtet nach eines Jeglichen Werk und Gehorsam gegen die Wahrheit. Dieß führt uns namentlich Petrus zu Gemüthe (1 Petr. 1, 14-17.), derselbe Petrus, der früher auch von keiner Furcht im Christenthum wollte wissen, und sich selbst vermessen hatte, Tod und Satan zu verachten, und des HErrn eigenen ernsten Vermahnungen kein Ohr zu leihen. Diesen Petrus hatte der Schaden klug gemacht, einzusehen, daß man nicht dürfe eine solche Einbildung von christlicher Glaubensfreudigkeit sich machen, bei welcher man die hinfällige Schwäche der menschlichen Natur, den Ernst des Sterbens und der Gerichte Gottes für Nichts anschlage und unbeherzigt lasse. Wer ein Christ will sein und seines Heilandes nur dadurch froh kann bleiben, daß er solche ernste, herbe Wahrheiten nicht oft und nachdenksam im Herzen bewegt, der ist mit all' seinem vermeintlichen Glauben eben so schwach und im Selbstbetrug, wie das Weltkind, dem solche Wahrheiten auch unerträglich sind. „Ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß“ hält Petrus der Apostel selbst sich vor, um damit sich zu spornen zu desto größerem Fleiß in seinem Berufe (2 Petr. 1, 13 -15.). „Es ist Zeit, daß ansähe das Gericht an dem Hause Gottes“ ruft er seinen Christen zu, daß sie zeitig ihre Seelen befehlen dem getreuen Schöpfer (1 Petr. 4, 17 f.) „Das Alles, die Himmel, die Elemente, die Erde und die Werke darauf, soll vergehen“ erinnert er nachdrücklich, damit wir sollen geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen (2 Petr. 3, 11.).

Solche biblische Wahrheiten, Geliebte! haben wir wohl zu bedenken und zu benützen, daß wir Gott fürchten und heilig halten im Herzen, nicht in kindischer Vertraulichkeit mit ihm spielen, oder sein spotten in weltlichem Leichtsinn. Zwar vor Menschen, ihrem eiteln Pochen und Trotzen sollen wir uns nicht fürchten; aber, wie der HErr selbst sagt, vor dem Gott, der Leib und Seele verderben mag. Seine heilige Ordnung, wornach wir hinfällige, dem Tod und Gericht unterworfene Wesen sind, diese seine heilige Ordnung immerdar vor Augen haben und nützen zur Selbstbesserung in ernstlicher Zucht; nicht dafür halten, als sey Christus dazu für uns Alle dahin gegeben, damit wir Behaglichkeit im Fleische haben, Sterben und Gericht für eine Kleinigkeit ansehen, vielmehr dafür halten, daß wir unsern alten Fleisches-Menschen mit Ihm müssen kreuzigen und täglich mit Ihm sterben und uns selbst in's Gericht nehmen, damit uns Gott nicht müsse richten - das, Geliebte! ist wahres Christenthum; das gehört zu unserm Tagewerk, ohne das die Sonne nie über uns soll untergehen, vielweniger ein ganzes Jahr. Und wo wir darin nicht Fleiß üben, können wir auch mit Grund der Wahrheit kein Vertrauen, das wir nie müßten wegwerfen, zu dem Gott fassen, der allerdings die Gnade eines unbeweglichen, ewigen Reichs uns geschenket hat, aber damit wir Ihm dienen mit Zucht und Furcht (Ebr. 12,28 rc.) - denn, setzt die Schrift hinzu, auch unser Gott, der Christengott, ist ein verzehrend Feuer. Darum warnt auch der Apostel unmittelbar vor unsern Textesworten vor Sicherheit und leichtfertigem Wesen im Christenthum; erinnert an den, der da sagt: „die Rache ist mein, ich will vergelten,“ und abermal: „der HErr wird Sein Volk richten! schrecklich sey es in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ Also fürchte Gott, ob du dich nun zu der Welt zählest oder zu den Christen; vergiß nicht Seine heilige Ordnung; laß es dir Ernst sein, den Willen Gottes zu thun; nur darin bereitet dein Herz sich zu einem unbeweglichen Vertrauen auf Gott: denn bei denen, die Ihn fürchten, bei denen währet Seine Barmherzigkeit immer für und für (Luc. 1, 50.), und so wir sagen: „wir haben Gott nicht zu fürchten,“ ist's eben so als wenn wir sagen: „wir haben nicht gesündigt;“ wir machen Ihn zum Lügner und verführen uns selbst (1 Joh. 1, 8. 10.); so wir aber in heiliger Furcht vor Ihm, der im Licht ist und in's Licht stellt, unsre Sünden täglich bekennen, und uns selber richten: so ist Er treu und gerecht, daß Er uns nicht nur die Sünden vergibt, sondern uns auch reinigt von aller Untugend (Ebend. 9.).

Da haben wir Vertrauen zu Gott, das auf festem Grunde steht; es steht auf täglicher Erneuerung der Buße, in welcher wir als Sünder uns beugen unter den Ernst Gottes, den Er uns vorhält in der Flüchtigkeit unsrer Tage, in der Gewißheit unsres Todes und in dem Anschauen seiner Gerichte. Es steht das wahre Vertrauen aber auch auf täglicher Erneuerung unsres Glaubens, in welchem wir, als Versöhnte, uns aufrichten an der Güte Gottes, nach der Er mit Seiner Kraft in unsrer Schwäche will mächtig sein und mit Seinem Leben unsern Tod verschlingen, und mit Seiner Gnade aus dem Gericht uns helfen. Jedes andere Vertrauen, das nicht Buße und Glauben, Ernst und Güte Gottes in sich zusammenfaßt und immer neu im Herzen bewegt, solch Vertrauen bestehet nicht, ob es nun eine christliche Farbe an sich trage oder eine weltliche. Magst du den Ernst Gottes nicht anschauen, wie er im Leiden und Sterben Christi selbst und in deinem eigenen Leiden und Vergehen offenbar wird, so bist oder wirst du unbußfertig, und mußt zu Schanden werden mit deinem eiteln Vertrauen als ein Verächter der heiligen Ordnung Gottes; oder magst du die Güte Gottes, wie sie in der heilsamen Gnade Jesu Christi und in so vielen Wohlthaten Gottes dir erscheint, nicht anschauen: dann bauest du dein Vertrauen auf die Güte deines eigenen Herzens und Lebens, bist und wirst ungläubig, und mußt zu Schanden werden mit deinem losen Vertrauen, als Einer, der die göttliche Gnade versäumt und wegwirft. So zähe die unbußfertigen Christen und die ungläubigen Weltmenschen auch halten an ihrem selbstgemachten Vertrauen, wahrlich es kommt eine Stunde, wo sie verzweiflungsvoll es wegwerfen müssen.

Die ihr aber durch Christum euern inwendigen Menschen immerdar erneuert in Buße und Glauben, auf daß ihr beständigen Zugang habet zu Gott im Geiste des rechten Vertrauens: ihr, meine Brüder, haltet fest bis an's Ende den Ruhm der christlichen Hoffnung und werfet euer Vertrauen nicht weg, ob auch Tage und Jahre, eure eigenen Leiber und alle Dinge um euch her schwinden, altern und verwesen. Gott, der HErr, der das Vertrauen eurer Herzen trägt, der trägt auch euch selbst und alle Dinge mit der Kraft seines Wortes, und ist ein Fels ewiglich. Kann auch bei uns es über Nacht noch anders werden als es am Tage war, und mit einem neuen Jahre Manches dahingehen, was wir jetzt noch haben: Er bleibet, und bleibet Derselbe, der Er immer war, reich über Alle, die Ihn anrufen, und ein gewisser Bergelter über Alle, die Ihn verachten; Seine Jahre haben kein Aufhören, während alle Herrlichkeit des Fleisches veraltet und verschießt wie ein Kleid. Dieser ewige Gott erbarmt sich über die, die Ihn fürchten, wie ein Vater über seine Kinder, und denen, die Ihn lieben, halt er seinen Gnadenbund treuer, als ein Mutterherz gebunden ist an das Kind seiner Liebe: Er ist der Schirmherr und eine Stärke der Armen in ihrer Trübsal; Er führet wunderbar seine Heiligen, und führet die Sterne am Himmel ohne Zahl heraus, und nennet sie alle mit Namen; Donner und Sturm, Sonnenschein und Regen, alle Kräfte des Himmels und der Erde richten nur Seine Befehle aus, und die himmlischen Heerschaaren beten an vor Ihm, und die Teufel zittern vor Ihm; jedes unserer Kinder hat seinen Engel stehn vor Seinem Angesicht, und unser Keinem fällt ein Haar vom Haupte ohne Seinen Willen; und den Bösen wie den Guten lässet Er sich nicht unbezeugt. Er ist der gerechte Vater, den die Welt nicht kennt, und doch der Gott der Herrlichkeit, in dem wir Alle leben, weben und sind; der gemacht hat, daß von Einem Blut aller Menschen Geschlechte auf dem Erdboden wohnen, und hat die Zeiten und Grenzen ihres Wohnens bestimmt, daß sie den HErrn sollen suchen, ob sie doch Ihn fühlen und finden möchten; und da wir von selbst Ihn nicht suchen und finden, besucht Er uns in Seinem Sohne voll Gnade und Wahrheit, daß wir sollen werden vor Ihm heilig und unsträflich, Erben Seines ewigen Lebens, und ruft in die Irre unsres Lebens mit Seiner Erbarmungsstimme hinein: „kehret wieder, ihr abtrünnigen Kinder! denn Ich bin barmherzig, und will mich verloben mit euch in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit“ (Jer. 2. Hos. 2, 19.).

O welch ein köstlich Ding ist es, meine Lieben! wenn das Herz fest wird im Vertrauen zu diesem Gott in Jesu Christo, der da ist gestern und heute und Derselbe auch in Ewigkeit; und was ist der Mensch, der lieber in seinen eigenen Träumen sich wiegt und verliert, statt an diesen festen und sichern Seelen-Anker sein ganzes Leben anzuknüpfen. Jeder hat das Jahr hindurch in seinem Geschäft und Haushalt und in seinem inwendigen Leben so manche Stöße und Anfechtungen auszuhalten, und wie geht es ihm, so er nicht rechtschaffen ist im Glauben, daß er Vertrauen haben könne zu Gott seinem Heiland. Da wird seine Seele umgetrieben im Strudel der Dinge wie eine Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewehet wird; Wankelmuth ist in seinem Herzen, Unbeständigkeit in seinen Wegen, und nachdem er Alles gethan hat, was er in seinem Geschäfte und Dienste schuldig war, darf er nicht einmal denken, er werde von dem HErrn noch etwas empfahen (Jak. 1, 6 -8.) - du bist bezahlt für deine glaubenslose Mühe und Arbeit mit deinem Taglohn und Erwerb, und der Hausvater spricht: nimm, was dein ist, und gehe fort! Es treten Zeiten ein in unserm Lebenslauf, wo es so wirre durcheinander geht, daß ein Herz, das nicht fest ist in der Treue seines Gottes, auch irre muß werden in seinem Glauben; namentlich das ungeschlachte Geschlecht dieser Welt pocht und trotzt neben den Frommen, als ob jeder von ihnen sich selber lebte und stürbe, als ob sie mit ihrem hochfahrenden Reden und Schreiben, Denken und Handeln auch die Welt könnten regieren und machen nach ihrem Kopfe. Da fallen Manche allmählig wieder ab, die im ersten Augenblick mit Freuden das Wort annahmen von Gott, ihrem Heiland, aber nicht sich befestigen darin, daß sie sich selber, und was in der Welt vorgeht, könnten geistlich richten, und in der Kraft eines wahren Gottvertrauens sprechen: nein! ihr Stolzen unter dem Sündergeschlecht, ihr sollt mir nicht meine Krone rauben; die Welt stand, ehe von euch, von eurem Verstand, eurer Gewalt auch nur ein Pünktlein vorhanden war, und wird stehen, wenn ihr schon im Grabe verfault, ohne daß ihr ein Vermächtniß könntet hinterlassen, wie sie dürfe und solle stehen; nicht ihr, nicht irgend ein Mensch, mein Gott regiert die Welt und mich und euch, so wahr Er Gott ist und ihr Seine Geschöpfe. Wer böse sein und Böses verüben will, kann es immerhin thun; wie weit er aber es treiben darf, wann sein Maß voll ist, und was dann der Lohn sein soll für seine Werke, das mißt kein Mensch sich selber zu, kein Bruder dem andern, sondern Er, der ein starker, eifriger Gott ist. „Bis hieher und nun keinen Schritt mehr weiter“ heißt es von oben herab, wenn der Mensch seine Zeit und sein Maß erfüllt hat; und nicht in's Grab nur legt Gott Jeden, auch in's Gericht, in Sein Gericht stellt Er Alle, wie Er Alle in diese Welt stellt. Da beten sie dann an, die im Vertrauen auf Gott diese Welt überwunden haben, und bekennen: „groß und wundersam sind Deine Werke, HErr, allmächtiger Gott; gerecht und wahrhaftig sind Deine Wege, du König der Heiligen; denn Deine Urtheile sind offenbar worden“ (Offenb. 15, 3,).

Jetzt, meine Freunde! sind sie noch nicht offenbar; Alles ist noch im Werden und Wachsen, darum auch Weizen und Unkraut noch neben einander. Böse und Gute wohnen und wirken unter einander von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, damit beider Theile Herzens - Gedanken offenbar und ihre Werke reif werden, und dann ein gerechtes Gericht könne gerichtet werden: da erst deckt sich der ganze ewige Weltregierungs-Plan Gottes in aller seiner Weisheit und Herrlichkeit auf. Jetzt, wo unser Wissen nur Stückwerk ist, hat oft auch noch der gläubige Knecht Gottes bei dem, was sein HErr thut, zu fragen: „HErr, warum denn so? warum denn Dieses?“ und die Antwort ist: „Folge du mir - was geht dich Jenes an, das der Vater Seiner Macht hat vorbehalten?“ Und damit sey's genug jedem kindlichen Herzen. Auch unsern Kindern müssen wir oft lange die Antwort vorenthalten auf ihre Fragen: „warum machst du es denn so, Vater, und nicht anders?“ Der Vater weiß recht wohl, warum und wozu? aber dem Kinde läßt nicht Alles sich deutlich und dienlich machen - wie viel weniger uns Alles, was der unfehlbare Vater im Himmel thut! Genug, überschwenglich genug für uns abtrünnig gewordene Kinder, daß Er uns läßt wissen: „sey getrost, mein Sohn, und zweifle nicht, ich mache Alles so, wie es dient zu deinem Besten; thue du das Deine nur, ich werde gewiß das Meine thun; sey du nur fromm und gehorsam meinem Worte, an meiner Treue wird's nimmer fehlen; trachte am Ersten nach meinem Reich, das dir offen steht, und nach seiner Gerechtigkeit; arbeite, was du sollst in der Welt, mit stillem Wesen; thu' Recht und scheue Niemand. Ich bin's, der für dich sorgt, und dich bewahret vor dem Uebel der Welt; und ob ich dich auch züchtige, so richte ich hier dich mit leichter und zeitlicher Trübsal, damit ich am Tage des Zorns dich nicht verdammen muß, und du erndtest die Friedensfrucht der Gerechtigkeit und Seligkeit; siehe, in meine Hand habe Ich dich gezeichnet; Ich führe dich und bin bei dir!“

Sehet, Geliebte! so väterlich redet der Gott mit uns, der Himmel und Erde in seiner Hand hält, und für alle Welt eine Versöhnung aufgerichtet hat in Jesu Christo. So wir solche Worte annehmen und behalten in unserm Herzen mit Furcht und Zucht, da bauet das wahre Vertrauen zu Gott sich fest und immer fester in uns, und hilft uns zurecht in allem unserm Wandel. Wir treten jetzt an die Pforte eines neuen Jahres; ein Vorhang aber bedecket es noch, und du weißt nicht, was für dich wird dahinter sein; du hoffst wohl das Beste, und was nach deiner Meynung das Beste möchte sein, könnte leicht für dich das Gefährlichste werden, daß du auf's Eitle vertrauest, und deinen Gott verlässest - vertraue und befiehl Ihm täglich deine Seele und deine Wege, daß Er dich bewahre vor aller Versuchung. Es kann manches Harte auf dich warten, Tod oder Krankenlager, Mangel oder Beschämung, Gewissensbiß oder Verläumdung, Büßung für neue oder alte Sünden, Verlust von Mann, Weib, Kind oder Freund - was willst du thun? kommen lassen, was da kommt? Leicht gesagt, hart gebüßt! Nimm Rath an von deinem HErrn, der da sagt: „wachet und betet!“ Wachet - setzet täglich eure Herzen mit dem Lichte des göttlichen Wortes in eine wackere und nüchterne Fassung, das Gute zu thun und das Böse zu meiden oder zu überwinden mit Gutem, und euer Kreuz dem HErrn nachzutragen; wandelt vorsichtig als die Weisen, die da prüfen Alles nach dem, was Wille des HErrn sey, und sich nicht lassen umtreiben von der Menschen Täuscherei; dazu lasset euer tägliches Anliegen vor Gott kund werden im Gebet, danksaget für alles Gute, das Er täglich an euch thut, und bittet vor Allem um immer neue Fülle aus dem Gnadenreichthum Christi, daß Er euch gebe den Geist der Weisheit und der Liebe und der Herrlichkeit, so werdet ihr im Leben und Sterben mit Frieden fahren.

Das alte Jahr wendet sich nun von uns, Geliebte, und - wie Manchem von uns hat es ein theures Gut mit sich fortgenommen, daß ihm jetzt noch das Herz blutet. Mein lieber Christ und Leidensgenosse, was für ein Opfer du auch dem dahinscheidenden Jahre mußtest mitgeben, nur dein Gottvertrauen laß es nicht mit sich forttragen, das mir wirf nicht weg als etwas, das trüge oder hilflos lasse, sondern sprich in deinem Herzen: „wenn mir ja auch nichts bliebe, so bleibt mein Gott mir mit seiner ewigen Liebe in Christo, und der ist doch reich genug für eine ganze Welt, wie vielmehr auch für mich. - Ist mein Herz auch wie ein zerstoßenes Rohr: Gott mein Heiland wird es gewiß nicht zerbrechen; Ihm ergebe ich mich! glimmt mir kaum noch ein Strahl der Hoffnung: die Sonne muß mir doch wieder aufgehen, wenn ich nur folge dem Lichte des HErrn; nur üben sollen mich alle meine Leiden, üben in der Gottseligkeit, läutern und reinigen, daß ich einmal den HErrn kann schauen und daheim sein bei Ihm - darum harre aus, mein Herz, harre auf Gott, meine Seele, gewiß du wirst Ihm noch danken, daß Er dich gedemüthigt hat! Bald sey' ich, daß Sein Vaterrath mich treu und wohl geführet hat - das ist mein fester Glaube!“ - Diese Glaubenszuversicht läßt nicht kleinmüthig werden, meine Lieben, laßt aber auch nicht übermüthig werden, und dazu kann Mancher sich versucht fühlen, der nun gerade freudige Erinnerungen, heitere Aussichten und Ruhe rund um aus dem alten Jahre herausnimmt. Glücklicher, danke deinem Gott, daß du nicht seufzen und sorgen und weinen mußt, wie Mancher deiner Brüder; - nicht du hast dich gesegnet mit dem Guten, deß du dich erfreuest: Gabe deines Vaters im Himmel ist es, damit du um so williger Ihn liebest und deine Brüder liebest, und dienest ihnen mit Trost, Rath und That. Danke deinem Gott und wirf ja das Vertrauen zu Ihm nicht weg, als bedürfest du dessen gerade nun nicht, weil du Genüge habest an deinem gegenwärtigen Wohlbefinden: wahrlich, eben wenn du in guten Tagen des unruhigen Uebels in dir selbst vergissest, der Sünde, die dir immer anklebet, und die der ernsten Zucht bedarf in der Furcht Gottes, der Heilung in der züchtigenden Gnade Gottes, damit sie nicht bald wieder eine äußere Züchtigung dir zuziehe - gerade wenn du, von deinem Glücke bethört, solches versäumst, so wirst du einen Samen ausstreuen in guten Tagen, welcher dir früher oder später wieder bittere Zeit einbringt, verbittert noch durch Gewissensbisse oder durch Gottverlassenheit. „Was ist des Menschen Herz?“ ruft der Prophet; „ein trotzig und verzagt Ding,“ antwortet mit ihm alle Erfahrung: darum hüte dich vor deinem eigenen Herzen, o Mensch, traue ihm nicht, wenn es jetzt leicht und fröhlich in dir schlägt - es kann ihm bald wieder eben so enge und bange werden; traue Ihm, der größer ist als dein Herz; aus seiner heilsamen Gnade und aus seiner heiligenden Wahrheit sammle immer neue Schätze in dein wandelbares Herz. Traue dem Glück nicht, das dein Herz eine Zeit lang kann aufschwellen - du bist nicht König über das Glück, daß es deiner Winke wartet; du bindest und behütest es nicht dein Leben lang; Uebermuth und Hochmuth verscheuchen es am gewissesten; Leichtsinn und Ausgelassenheit zehrt das kleine Freuden-Kapital eines Menschenlebens bald auf, und dir bleibt ein leeres, ausgesogenes Herz, verzärtelt im Sonnenschein der vorigen Tage, untüchtig für das Himmelreich.

Darum schreibe es wohl dir in die Seele, mein theurer Zuhörer! „Der HErr nimmt, der HErr gibt, damit du Ihn suchest und findest und fest haltest, und seinen Namen heiligest ohne Kleinmuth, ohne Uebermuth, in der Demuth des wahrhaftigen Gottvertrauens. Gibt Er dir viel Gutes: Er sucht und fordert auch viel bei dir; nimmt Er dir Alles: Er will ein Neues schaffen, das dich reiner und besser und seliger soll machen, als du zuvor warst.“

Gott lenkt den Weltlauf, Er lenkt auch den Lebenslauf eines Jeden von uns; er kehrt ein bei Diesem, geht vorüber bei Jenem, säumet hie, eilet dort, schonet jetzt, trifft ein andermal, verwundet heute, heilet morgen, alles ans guten, weisen Gründen; aber jeder wird noch finden, was ihm gehört an Züchtigung und Erquickung, an Lohn und Strafe. Darum, Geliebte, lasset uns nicht richten vor der Zeit, am wenigsten um Glückes oder Unglückes willen wegwerfen das Vertrauen zu Ihm, der da gesagt hat: „Ich will mein Volk richten; ich sitze und schmelze und läutere.“ Und wiederum: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen, so lange du hienieden wallest als mein Gast und Pilgrim!“ also daß wir dürfen sagen: „gedenke unser im Besten, der du unser Vater bist und unser Erlöser von Alters her; unsere Zeit steht in deinen Händen: laß leuchten dein Antlitz über deine Knechte, und hilf uns durch deine Güte!“

Ja, „der HErr ist mein Helfer!“ darf der sich rühmen, der im Bunde des Glaubens steht; „was kann ein Mensch, was ein neues Jahr mir thun, als was Er ihm gebietet zu thun!“ O mein Freund! hast du solch Vertrauen zu Gott noch nicht in dir und deinem Haus als deine kostbarste Perle: suche es doch heute noch, da du deines Vaters Stimme hörst; gehe in dich, forsche und durchsuche dein Wesen, und bekehre dich zum HErrn und zu Seinem theuern Wort, daß Er dich leite Seinen ewigen Weg; hebe dein Herz samt den Händen auf zu Gott im Himmel, bekennend deinen Ungehorsam (Klagl. 3, 40. rc.), und Ihn, der da gibt einfältig und rücket's ^Niemand auf, flehe täglich an durch Jesum Christum: HErr hilf meinem Unglauben, stärke mir den Glauben und schenke mir das Vertrauen, das große Belohnung hat! Die ihr aber diese Gottesgabe schon in euch habt, und von ihrer Belohnung schon gekostet, theure Seelen, bleibet bei Ihm! bei Ihm, der euch liebet und segnet in Leid und Freude, der euch stärken, kräftigen, vollbereiten kann und will mit Seiner ewigen Gnade; bewahret die köstliche Beilage, die euch vertrauet ist, und erwecket euer Vertrauen immer neu, indem ihr täglich euch erbauet auf den allerheiligsten Glauben, welchen das göttliche Wort darreicht Allen, die aufrichtigen Sinnes sind; haltet euch in euerm Wandel an das Vorbild dieses Wortes, und gedenket an den HErrn bei allem euerm Vornehmen, so wird Er euch recht führen. O daß wir Alle wahrhaft als eine Gemeinde des HErrn, die Er mit Seinem eigenen Blute erkauft hat, daß wir Alle für alle zukünftige Tage es zu unserem heiligen Bundeswort erwähleten: „das sey ferne von uns, daß wir unsern Gott verlassen; ich und mein

Haus wollen dem HErrn dienen!“ und zu unserem Gebetswort: „der HErr, unser Gott, sey mit uns, wie Er gewesen ist mit unsern Vätern; Er verlasse uns nicht, und ziehe Seine Hand nicht ab von uns, zu neigen unser Herz zu Ihm, daß wir wandeln in allen Seinen Wegen, und halten Seine Gebote, Sitten und Rechte“ (1 Kön. 8, 57.).

Jetzt ist die angenehme Zeit des Heils; darum bemächtiget und erfreuet euch, Christen, des Erbtheils, das kein Tag- und Jahres - Wechsel kann von uns nehmen:

Das ist nur dein bestes Theil,
Was der Tod dir nicht entreißt -
Gottes Huld und Christi Heil,
Fried' und Freud' im heil'gen Geist!
Irdisch Gut zerfällt und bricht:
Himmlisch Gut verschwindet nicht.

Amen.

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