Arnd, Johann - Predigt über das Evangelium vom 1. heiligen Christtag: Luk. 2, 1-15

Arnd, Johann - Predigt über das Evangelium vom 1. heiligen Christtag: Luk. 2, 1-15

(gehalten im Jahre 1620).

Wenn wir den trost- und gnadenreichen, heiligen und gesegneten Geburtstag des ewigen Sohnes, unsers heiligen, lieben, gebenedeiten Christkindleins und Herzens-Jesuleins recht wollen Feiern und begehen, können wir nichts Besseres thun, als daß wir die Liebe und Gnade Gottes gegen uns arme sündige Menschen recht bedenken. Denn sind je Zeugnisse der Liebe Gottes gegen die Menschen in der ganzen heiligen Schrift, so ist es eben dies Gnadenwerk der Menschwerdung Christi Jesu, des Sohnes Gottes. Wohl ist es eine große Gnade und Liebe, daß Gott in der Sündflut den Noah erhalten, daß er den Lot aus dem Feuer zu Sodom geführet, die drei Männer im feurigen Ofen bewahret, Daniel von den Löwen errettet hat; wohl ist es eine große Liebe, daß Gott mit Mose von Angesicht zu Angesicht geredet, als einer mit seinem Freunde redet; eine große Liebe, daß der Sohn Gottes den heiligen Vätern so oft in Menschengestalt erschienen und zum öfteren seine Engel gesandt hat; aber dies Gnaden- und Liebeswerk, daß Gott Mensch geboren, übertrifft alle Gnadenwerke Gottes im alten Testament. Darum können wir nicht besser thun, als daß wir uns der Liebe Gottes ergötzen und erfreuen und wollen demnach diesmal anhören:

1. Wie sich die Liebe Gottes in der Menschwerdung und Geburt unsers lieben Christkindleins offenbart habe gegen uns arme Menschen; 2. wie lieb wir dasselbige Kindlein Jesus haben sollen.

Das erste Stück.

Durch die Liebe, damit uns Gott liebet, wird unsre Liebe gegen Gott entzündet. Damit nun dasselbe geschehen möge, lasset uns Gottes Liebe gegen uns bedenken.

Weil das liebe Jesulein zur Zeit des Kaisers Augustus geboren ist zu Bethlehem, so hat er damit alle Weissagungen der Propheten erfüllet, so dem menschlichen Geschlechte zu Trost von Gott gegeben sind, und hat also Wahrheit und Liebe an uns bewiesen. Denn es hat der getreue Gott und Vater seine Liebe gegen das menschliche Geschlecht bezeugt durch viele und mancherlei Verheißung und Zusage, in welchen er uns sein liebreiches Herz offenbaret hat, und zwar bald im Anfang, da er unsern ersten Eltern die Zusage gethan von dem Weibessamen, so der Schlange sollte den Kopf zertreten. Diese Verheißung hat der liebe Gott hernach oft wiederholet den Vätern und dazu die Propheten erweckt, die durch den heiligen Geist vom Messias geweissagt haben. Das ist das Wort der Gnaden, der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, an welchem die Väter durch den Glauben gehangen und selig geworden sind. Es hat sich auch unser liebes Jesuskindlein den heiligen Vätern und Propheten vor seiner leiblichen Zukunft wunderbarlich, holdselig, lieblich und köstlich offenbart, auf daß sie in ihrer Liebe und Glauben gestärket würden. Bald hat er sich nennen lassen den Samen Abrahams, in welchem alle Völker sollten gesegnet werden; bald einen Held und Siloh, der sein Kleid in Wein wasche und seinen Mantel in Traubenblut; bald, der da kommen soll, wenn das Scepter von Suda genommen wäre und die Juden aus ihrem eignen Geschlecht keinen König mehr hätten. Bald hat er sich nennen lassen Immanuel; bald: Wunderbar, Rat, Kraft, Held, ewiger Vater, Friedefürst. Es sind eitel Namen der Liebe. Bald hat er sich nennen lassen einen Zweig aus der Wurzel Jesse, auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn; bald ein gerechtes Gewächs Davids, der Herr, der unsre Gerechtigkeit ist; bald den Allerheiligsten, so da sollte gesalbet werden, der die Sünde sollte zusiegeln und eine ewige Erlösung bringen; bald einen Herzog zu Bethlehem, dessen Ausgang von Anfang und Ewigkeit her gewesen ist. Bald hat er sich nennen lassen aller Heiden Trost, der Heiden Licht und das Heil Gottes bis an der Welt Ende. Sind das nicht alle Namen einer großen Liebe? Diese Verheißungen hat nun unser liebes Christkindlein in seiner Ankunft alle erfüllet. Da lernet nun erkennen die Liebe Christi; sie erfüllet die Zusage und ist getreu, gerecht, fromm und wahrhaftig. Sehet, das ist die Liebe Gottes gegen uns!

Unser heiliges Christkindlein kommt zu uns in unsre Unruhe aus seiner seligen Ruhe, aus dem Schoß seines himmlischen Vaters. - Denn Kaiser Augustus, ob er wohl Frieden gemacht hatte, so hat er doch die ganze Welt bewegt mit seiner Schätzung und hat unwissend des Propheten Haggai Weissagung erfüllen müssen: Ich will Himmel und Erde, Meer und Trocken bewegen; ja, alle Heiden will ich bewegen; denn kommen soll aller Heiden Trost. Ein herrlicher Spiegel der Liebe, die wider die Unruhe dieser Welt einen Trost bringet, einen himmlischen Trost, einen ewigen Trost: Du bist ja der Trost Israels und ihr Nothelfer (Jerem. 14,8). Es ist der Liebe Eigenschaft und Art, daß sie ihrem Geliebten Ruhe und Trost bringe. Und weil das heilige Christkindlein zur Zeit der großen Unruhe der Welt geboren ist, so hat dies die feine Bedeutung, daß er uns in unsrer höchsten Leibes- und Seelenunruhe Ruhe und Trost geben wolle und uns erquicken. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen (Jes. 12, 3); das ist die Erquickung. Als die ägyptische Dienstbarkeit am härtesten war, kam Moses. So wird der Herr auch wiederkommen, wann die Angst und Bangigkeit der Menschen am höchsten ist.

Es ist auch der Liebe Art und Eigenschaft, daß sie des Geliebten Last und Bürde hilft tragen und um des Geliebten willen viel leidet. Das sehen wir an unserm heiligen Christkindlein. Dieweil er aus Liebe war Mensch geworden, so mußte er auch menschliche Beschwerungen mittragen. Er mußte von Nazareth gen Bethlehem reisen, mußte sich dem kaiserlichen Gebot gehorsamst unterwerfen, mußte auch dem Kaiser die Schätzung geben, noch im Mutterleibe verschlossen; denn unser Evangelium sagt, daß Joseph sich mit seiner Vertrauten hat müssen schätzen lassen. - Da die große Schätzung der Welt war, da kam der höchste Schatz vom Himmel! große Liebe! - As der Prophet Jeremias (51, 18) die Nichtigkeit und Ohnmächtigkeit der heidnischen Götter erzählet hat, fährt er fort: So ist der nicht, der Jakobs Schatz ist. Jakobs Schatz ist unser Christkindlein. Das sollen wir nicht geben für des Kaisers Augusti Schatz. Das liebe Christkindlein kam zu der Zeit, da alle Welt geschätzet ward, auf daß es aller Welt den ewigen Schatz brächte. Von Kaisers Augusti Schatz ist nichts mehr übrig. So ist aber der nicht, der der Gläubigen Schatz ist; der ist ewig. Liebe über alle Liebe! Die vollkommene Liebe gibt alles, ja sich selbst! Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß er uns seinen Sohn geschenkt hat! Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken! Wenn ein reicher Herr nur einen Sohn hat und gibt einer Braut denselben, gibt er ihr dann nicht sein ganzes Erbe? Wer kann diese Liebe ergründen! Das ist ein Schatz über alle Schätze!

Es ist auch der Liebe Art, daß sie sich mit dem Geliebten vereinige und eins mit ihm wird. Weil Gott die Menschen lieb hat (wie Moses spricht, 5. Mose 33,3: Siehe, wie hat Gott die Menschen so lieb!), so ist auch Gott Mensch geworden und von einer Jungfrau geboren. Über dies große Geheimnis verwundern sich Engel und Menschen. Die Alten haben gesagt, Liebe heiße so viel, als liebe Einigkeit 1). Darum ist diese wunderbare Vereinigung göttlicher und menschlicher Natur in diesem Kindlein geschehen, auf daß dies Kindlein, von der Jungfrau geboren, wahrhaftig des Menschen Sohn wäre, und dieses Jungfrauen-Menschenkindlein auch wahrhaftig Gottes Sohn wäre. Die Liebe ist so stark, daß sie Gott vom Himmel herabgezogen und bewogen hat, unser Fleisch und Blut anzunehmen. Die Liebe ist so stark, daß sie den Sohn Gottes bewogen hat, ein Kindlein zu werden, auf daß er auch die kindliche Einfalt und Schwachheit an sich nehme und das ganze Leben der Menschen heilige. Die Liebe ist so stark, daß die Majestät sich neiget zu dem Allerschwächsten auf Erden. Die Liebe Gottes ist so freundlich, daß sie eine allgemeine Freundschaft mit dem menschlichen Geschlechte gemacht hat, eine hohe Verwandtschaft und Blutsfreundschaft, daß wir Gottes Geschlechts worden sind, daß Gott Mensch worden ist. Diese höchste Freundschaft ist der Menschen höchste Ehre, höchste Gnade, höchster Adel, höchste Würdigkeit, höchster Ruhm, höchster Trost, höchste Freude. Der Mann Gottes, Moses, verwundert sich und spricht: Wie hat Gott die Menschen so lieb!

Und Gott war doch zu Mosis Zeiten noch nicht Mensch geworden! Was würde er gesagt haben, wenn er's erlebt hätte! Hat uns nun Gott, der Vater, geliebet, ehe sein Sohn ist Mensch worden, wie sollte er dann jetzt nicht lieben, weil sein allerliebster Sohn selbst ist Mensch worden! Dies ist das große Wunder im Himmel und auf Erden. Darum hat es Gott, der Herr, dem Erzvater Jakob in einem heiligen Traum durch die Himmelsleiter sehen lassen, die auf Erden stand und mit der Spitze an den Himmel reichet. Und er sah die Engel Gottes herabsteigen, und der Herr stand oben darauf, der da sprach: In deinem Samen sollen alle Völker gesegnet werden. Jakob sprach auch, als er erwachte: Fürwahr, der Herr ist an diesem Orte, und heilig ist diese Stätte; hier ist Gottes Haus und die Pforte des Himmels. Freilich ist dies Kindlein Gottes Haus und die Pforte des Himmels. Dies ist das große Wunder im Himmel und auf Erden. - Da Gott, der Herr, dem Mosi erschien in einem feurigen Busch, der grün war und doch nicht verbrannte, sprach Mose: Ich muß hin und sehen dies große Gesichte. Und der Herr rief Mose aus dem Feuer und sprach: Ich habe das Elend meines Volkes angesehen. Hier haben wir das heilige, zarte, leuchtende Feuer der Liebe Gottes, welches in diesem zarten Kindlein, als in einem grünen Zweiglein, leuchtet. In demselben siehet nun Gott unser Elend an.

Die Liebe nimmt auch des Geliebten Armut an. Darum sagt auch unser Evangelium: Die Jungfrau Maria gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. O große Liebe, die den Allerherrlichsten in solche geringe Windelein eingewickelt, die den Allerhöchsten herunterzwang in solche Niedrigkeit, die den Allerreichsten in solche Armut hüllte! Die Liebe nimmt an, was unser ist, und gibt uns, was Gottes ist. Sie gibt uns Gottes Ehre und nimmt an unsre Unehre; sie gibt uns Gottes Reichtum und nimmt an unsre Armut; sie gibt uns Gottes Friede und Freude und nimmt an unsern Unfrieden und Krankheit. Sie verläßt den Thron der Herrlichkeit und wird im Stall geboren; sie verläßt den Schoß des himmlischen Vaters und läßt sich in eine Krippe legen. Der Sohn Gottes verbirgt seine Klarheit, die unter den Engeln leuchtet, und läßt sich in Windeln einwickeln. Summa, es sind eitel Liebeswerke, die wir allhier an diesem Kindlein hören und sehen. Was können wir doch diesem Kindlein wieder zu Liebe thun? Nichts Besseres, als daß wir's wieder von Herzen lieb haben! Davon sollen wir nun im andern Stück hören.

Das andre Stück.

Es ist nichts Besseres, köstlicheres und Höheres im Himmel und auf Erden, als von Gott geliebet werden, nicht mit schlechter Lieb, sondern mit der allergrößesten, vollkommensten Liebe, wie dieselbe der Evangelist Johannes (1. Joh. 4,9) mit Verwunderung beschreibet: Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen. Gleichermaßen ist auch nichts Köstlicheres, Höheres und Besseres, denn Gott von Herzen lieb haben. Denn es ist nichts Höheres und Besseres, als Gott, und denselben lieb haben geht über alles. Nun ist aber Gott liebhaben nicht ein Menschenwerk, sondern es ist eine hohe Gabe Gottes und eine Wirkung und Frucht des heiligen Geistes. Darum müssen wir das liebe Jesuskindlein bitten, weil er die Liebe des Vaters ist, daß er in unsern Herzen diese heilige Liebe Gottes wolle entzünden. Denn darum ist Gottes Sohn Mensch geworden, daß er die große Liebe Gottes gegen uns Menschen bezeuge und hinwieder unsre Liebe gegen Gott erwecke. Gott hat den Anfang gemacht, wie der Evangelist sagt: Darin stehet die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünde. Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns erst geliebet (1. Joh. 4, 19). O, selig ist der Mensch, der in seinem Herzen Gottes Liebe empfindet, denn er empfindet Gott in sich. Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm (1. Joh. 4,16). Unser Glaube und unsre Liebe sind die geistlichen Windelein, darein mir das Kindlein Jesus einwickeln sollen; denn in unsrer Liebe ruhet es sanft, gleichwie wir in seiner Liebe ruhen.

Die Liebe des heiligen Christkindleins entzünde unsre Liebe und ziehe unser Herz nach sich, gleichwie ein Magnet das Eisen. Zeuch uns nach dir, so laufen wir! Daraus ist das „Zeuch mich hin nach dir“ genommen:

„Sohn Gottes in der Höh', nach dir ist mir so weh!
Tröst mir mein Gemüte, o Kindlein, zart und rein,
durch alle deine Güte; o liebstes Jesulein,
zeuch mich hin nach dir, zeuch mich hin nach dir!“

Darum spricht Christus: Wenn ich erhöhet sein werde von der Erde, will ich euch alle nach mir ziehen; und Jerem. 51: Ich habe dich je und je geliebet; darum habe ich dich nach mir gezogen aus lauter Güte. Wenn man ein Kindlein bei der Hand nimmt und zeucht's nach sich, so läuft es.

Ach, wer nur das liebe Jesuskindlein würdiglich lieben konnte! Das wäre besser denn Himmel und Erde. St. Paulus wünscht uns (Ephes. 3,8), daß wir die Liebe Christi recht verstehen mögen, erstlich die Höhe, die ist unerforschlich; darnach die Tiefe, die ist unergründlich; darnach die Länge, die ist unermeßlich; und endlich die Breite, die ist unbegreiflich. Also beschreibet auch der 103. Psalm (V. 11.12) die Gnade Gottes: So hoch der Himmel über der Erden ist, läßt Gott seine Gnade walten über die, so ihn fürchten; so fern der Morgen ist vom Abend, läßt er unsre Übertretung von uns sein. Das ist: Gott will uns unsre Sünde nicht zurechnen, sondern dieselbe weit von uns sein lassen, dieweil dies liebe Kindlein ein wahrer Mensch ist und uns alle zu Gottes Kindern gemacht hat. Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! Dies Kindlein behalte nun in deinem Herzen, so hast du Gottes Lieb' und Gnad' und alles, was du thust, wird dem Vater wohlgefallen.

Das Feuer kann Stahl und Eisen schmelzen; wenn doch das Feuer der Liebe Gottes unsre Herzen zerschmelzen wollte! Diesem Kindlein ist doch in seinem Leiden sein Herz worden wie zerschmolzen Wachs. - Man kann mit einem Diamant in Glas und Stahl schreiben. Ach, daß doch Gott die Liebe des heiligen Christkindleins mit dem himmlischen Diamant seiner Liebe in unsre Herzen schriebe!

Wie lieb ward Joseph, da seine Brüder zu ihm kamen; wie weinte er vor Freude und Liebe! Ach Gott, wann wird unsre Liebe so feurig sein, daß sie zu Thränen wird über der Ankunft dieses unsers liebsten Brüderleins, des heiligen Christkindleins! Wir lesen Tobias 9,1. 2, daß der junge Tobias zu dem Engel Raphael, den er für einen Menschen hielt, sagt: Mein Bruder Asarja, wenn ich mich dir ganz zu eigen gebe, zu einem leibeigenen Knechte, so wäre es doch nichts gegen deine Wohlthaten! Das mögen wir wohl alle sagen: Was können wir dem Kindlein Jesu für seine Liebe geben? Uns selbst ganz und gar sollen wir ihm geben; denn er hat sich selbst uns ganz gegeben mit aller seiner Liebe und Treue. Dafür sei Gott gelobet, gepreiset, geliebet, geehret, gebenedeiet und hoch erhaben in alle Ewigkeit! Amen!

Ehre sei Gott in der Höhe! Das ist: Wegen der großen Gnadenwerke, so Gott in der Menschwerdung Christi bewiesen hat, sei Gott gelobet und gepriesen! Ehre sei Gott in der Höhe wegen seiner großen Liebe gegen das menschliche Geschlecht, daß er nicht allein seinen Sohn hat lassen Mensch werden, sondern denselben den Menschen geschenket. Ehre sei Gott in der Höhe wegen seiner großen Barmherzigkeit und Gnade, denn in Christo hat sich aufgethan der Schatz und Brunnen der Barmherzigkeit Gottes und überschwengliche Reichtum seiner Gnaden. Alle seine Gnade hat uns Gott in Christo geschenkt. Ehre sei Gott in der Höhe wegen seiner Gerechtigkeit: Weil ein Mensch gesündigt hatte, so mußte die Sünde durch einen Menschen getilgt und weggenommen und ewige Gerechtigkeit wiedergebracht werden. Ehre sei Gott in der Höhe wegen seiner ewigen Weisheit, denn in Christo ist dieser allerweiseste Rat gefunden, daß in ihm beide der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit Gottes genug geschehe: der Gerechtigkeit Gottes, daß, weil der Mensch den Tod verdienet, denselben auch ein Mensch büßet; der Barmherzigkeit Gottes, daß der Mensch nicht ewig verloren würde. Ehre sei Gott in der Höhe wegen seiner ewigen Wahrheit, daß er seine Verheißungen gehalten. Ehre sei Gott wegen seiner Allmacht, daß weder menschliche, noch höllische Macht dies Werk hat hindern können. Ehre sei Gott wegen seines ewigen Segens, denn Christus ist unser ewiger Segen. Wer nun Gott, den Herrn, in Christo ehret von Grund seines Herzens; wer Gottes Gnade, Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Weisheit und Wahrheit preiset in Christo, in dem ist Christus geistlich geboren, denn Christus ist Gottes Ehre (Phil. 2, 11): Daß Christus der Herr sei zur Ehre Gottes. Wer den Sohn ehret, der ehret auch den Vater, auf daß der Vater geehret werde durch den Sohn (Joh. 5,23; 14,13).

Friede auf Erden! Trost, Ruhe, Friede im Herzen und Gewissen der Menschen! Dieser Friede besteht 1. in der Vergebung der Sünden. In Christo finden alle Menschen diesen ihren Frieden und Ruhe. „In der Welt Angst, in mir Friede.“ Ach, lieber Gott, wie ist das eine große Gnade: Auf Erden, auf dem ungestümen Meer, unter so vielen Wellen der Anfechtung, der Sünde, des Teufels, des Todes und der Hölle Frieden im Herzen haben! - Dieser Friede besteht 2. in der in Christo gegebenen rechten Sicherheit wider Sünde und Tod. Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Nest, da sie Junge hecken, nämlich deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott. - Der Friede Christi ist 3. höher denn alle Vernunft, das ist, denn alle Weisheit und Kunst. Die Versöhnung mit Gott und Vergebung der Sünden, - das ist der Friede unsers Herrn Jesu Christi, der unser Herz vor Verzweiflung bewahret. Dieser Friede ist eine Frucht der Geburt Jesu Christi. Wer diesen Frieden fühlt, der fühlt das Reich des Friedenskönigs in seinem Herzen. Ein König, wenn er Friede und Gnade erzeigt, legt sein Scepter dem Supplikanten auf sein Haupt, wie Salomo, und wie Ahasverus seiner Esther. Als sich die Königin Esther fürchtete vor dem herrlichen Ansehen des Königs Ahasverus, daß sie in einer Ohnmacht vor ihm niedersank, stand der König auf und umfing sie und sprach: Fürchte dich nicht, ich bin dein Bruder! Also thut Christus unsrer blöden und erschrockenen Seelen auch. Er ist von seinem Thron aufgestanden, zu uns gekommen und Mensch geworden. Also rühret unser Friedenskönig unser Herz an mit dem Scepter seines Reichs, dem heiligen Geist, und seinem Trost und mit dem trostreichen, lebendigmachenden Worte der Wahrheit. Diesen Frieden hat der Herr in seiner gnadenreichen, huldreichen Geburt mit sich gebracht. Göttliche und menschliche Natur sind vereinigt und als Bräutigam und Braut vermählet, wie große Herren ihre Kinder miteinander verheiraten zur Bestätigung des Friedens. Also ist Gottes Sohn Mensch geworden zum Zeichen und zur Bestätigung der ewigen Freundschaft zwischen Gott und Menschen, daß wir in Christo ewigen Frieden und Versöhnung, Huld und Gnade Gottes haben sollen. Wo Christus im Herzen lebt, da ist dieser Friede geboren. – Salomos Friede ging über alle seine Unterthanen, Christi Friede über die ganze Welt. Wo nun dieser Friede und sanfte Ruhe der Seele vermählet ist, da ist Christus in uns geistlich geboren und mit unsrer Seele vereiniget als unser freundlicher, holdseliger Friedens-Bräutigam.

Den Menschen ein Wohlgefallen! Gott hat nun an den Menschen wieder ein Wohlgefallen, weil sein lieber Sohn Mensch worden ist: An den Heiligen, so auf Erden sind, habe ich ein Wohlgefallen (Ps. 16, 3). Und der Mensch soll nun an Gott und Christo wieder sein Wohlgefallen haben! Wer wollte an diesem Gnadenwerke Gottes nicht ein herzliches Wohlgefallen haben! Wer wollte sich an dieser Gnade nicht begnügen lassen! Das Herz, so Christum hat, hat alles an ihm. Ist das nicht ein großes Geschenk: Gottes Sohn, ewiger Friede, ewiges Leben! Wer daran nicht sein Genügen und sein Wohlgefallen hat, der wäre besser eine Sau geworden, denn ein Mensch. Der Welt gefällt ein Gulden besser denn Gottes Sohn mit aller seiner Gnade, Huld, Demut, Menschwerdung und Armut. Das ist der Tod und die Hölle, daß einen Menschen eine ohnmächtige Creatur soll mehr erfreuen, als Gott und alle seine Gnade. Das sind unselige Leute! Wehe ihnen; sie haben ihren Trost dahin! Wer seines Herzens Gefallen in der Pracht dieser Welt hat, dem wird dies himmlische Gnadenwerk nicht gefallen. Eine Sau hat ihre Freude und Lust im Kot; aber die Engel wünschen uns, daß wir an diesem edlen Jesulein unser Wohlgefallen haben sollen und an diesem Schatz mit ganzem Herzen hangen und unsre Freude an ihm haben hier und dort in Ewigkeit. Wer an diesem Kinde sein Wohlgefallen hat, an dem hat Gott wieder sein Wohlgefallen. Wer wollte doch an dem nicht Wohlgefallen haben, an dem Gott all sein Wohlgefallen hat! Wohl dem Menschen, der an Christo all seines Herzens Wohlgefallen und Freude hat; in dem ist Christus geistlich geboren, denn Christus ist Gottes Herz und Gottes Wohlgefallen (Joh. 42,1; Matth. 3,17). Ach, an diesem Kindlein der Liebe, an diesem freundlichen Kindlein, an diesem tröstlichen Kindlein, an diesem Friedenskindlein, an diesem Gnadenkindlein, an diesem Ehrenkindlein, an diesem Kindlein des Wohlgefallens, dadurch sich Gott mit uns vereinigt und sich selbst mit allem, was er hat, uns mitteilet, ach, wer wollte an diesem Kindlein nicht sein ganzes Wohlgefallen haben! - Jetzt haben und empfinden wir dies alles im Glauben. Dort im Schauen werden wir Leben, Fröhlichkeit, Trost, Friede, Gnade, Holdseligkeit, Ehre und Wohlgefallen an diesem Kindlein haben.

Wir wollen schließen mit dem Psalm 72: Gott, gib dein Gericht dem Könige und deine Gerechtigkeit des Königs Sohn! (V. 1-20.) Gelobet sei Gott, der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder thut; und gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande müssen seiner Ehre voll werden! Amen! Amen!

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caritas = cara unitas
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