Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 6. Die Heimath ist lieb.
Eine andere Glaubens-Probe:
Und der Herr sprach zu Abram: Geh' aus deinem Lande, und aus deiner Verwandtschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das Ich dir zeigen will. Und Ich will dich zum großen Volke machen, und will dich segnen, und dir einen großen Namen machen, und sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 12,1-3.
So spricht der Herr zu Seinem Freunde: die größte, die höchste Verheißung, die je von oben herab einem Menschenkinde gegeben worden. Abraham hatte noch keine Kinder, keine Herrlichkeit noch Größe, keinen Namen in der Welt; diese Ansichten, diese Worte, waren dem Manne Gottes neu, und er mochte wohl mit jener Mutter Jesu gedenken in sich selbst: Welch' ein Gruß ist das, da ich doch Staub und Asche bin? Aber wer kindlich an den Herrn glaubet, und in Seiner Furcht lebet, ist auch stillen und demüthigen Herzens; und es stehet geschrieben: Gott widerstehet den Hoffärtigen; aber den Demüthigen gibt Er Gnade: 1. Pet. 5,5. Es konnte Abraham schwül und bange werden vor solcher Herrlichkeit; aber wie jene Gebenedeite und Holdselige unter seinen Töchtern sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie Du gesagt hast (Luc. 1,38.), so hieß es auch in seinem Herzen: Siehe, ich bin Dein Knecht, mir geschehe nach dem, was Dein Wille ist.
Es hieß aber: Geh' aus deinem Lande, und aus deiner Verwandtschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das Ich dir zeigen will.
Das Vaterland ist uns lieb; und wenn auch Abrahams Heimath, Ur oder Haran, das weite, reiche Weiden-Land, nicht so reich war an so vielen alten Denkmälern und trauten Wohnungen, wie sie unsere Augen sehen, noch mit so vielen Zeugnissen und Zierden des Wohlstandes, der Bildung und der Kunst, versehen, wie's deine Heimath vielleicht und die meinige sind; - es war doch das Land, wo er geboren ward, wo er hatte zum ersten Male die Himmel seines Gottes erblickt, und empfangen die väterliche Pflege, und Milch getrunken an der treuen Mutter Brust. - Hier hatte er auf dem trauten Erdboden die ersten Tritte gethan, die ersten Thränen geweinet, die ersten Freuden empfunden, die erste Liebe gefühlt; hier seine ersten und tiefsten Eindrücke, die theuersten Erinnerungen, die trauten, schönen wohlbekannten Aussichten, und die Altäre seines Gottes, so manche theure, manche heilige Stätte, Haus und Heerd, und der Ort Seiner Ruh. Hast wohl auch dein Vaterland lieb, das Land, wo dich deines Gottes reiche Güte von jeher umfangen, dich gesegnet und bewahrt? Es lieb haben, das Land der Väter, aus bequemer Angewöhnung, aus Vorurtheil, aus Stolz, das wäre nicht gut; es aber nicht lieb haben vor andern Ländern, das Land deiner Väter, die Wiege deiner Jugend, das wäre undankbar, und ein kahler, unedler Sinn; ich möchte der Liebe und Treue eines solchen Menschen nicht trauen: ein Herz trocken oder starr von Kindesbeinen an, wird wohl kalt bleiben sein lebenlang.
Nun galt's: Geh' aus deinem Lande, und von deiner Verwandtschaft, und aus deines Vaters Hause. . . - Gehe von deinen Bekannten, von deinen Brüdern, deinen Freunden, alt und jung, weg; verlaß Vater und Mutter in ihrem Alter; gehe aus deines Vaters Hause heraus, heraus aus allem Dem, was deine Augen bisher gekannt, was dein Herz geliebet, was bisher so freundlich deine Schritte begleitet, dein Leben trug und umgab, worin und womit es alle Tage groß gewachsen und umrankt war, wie die Reben um den Weinstock, oder wie das Kind an der Amme Schooß - was dir theure Gewohnheit, deine Sitte war, dein Bedürfniß, dein Leben.
Es gehen alle Tage Knaben und Jünglinge aus ihrem Vaterlande heraus, und ziehen von ihrer Freundschaft und aus ihres Vaters Hause in fremde Länder hinaus, und sie weinen vielleicht, und sind traurig eine Zeit; aber jugendliche Thränen werden vor den vielen neuen Dingen, den neuen Leuten, Städten und Stimmen bald versiegen; und wenn sie auch später dann und wann der lieben Heimath in der Fremde gedenken, und vielleicht bald nach des Vaters Hause herzlich verlangen, sie haben dann vor sich die Hoffnung der Rückkehr; ihrer wartet in der Heimath ein neues Leben; sie werden das Geliebte wieder suchen, Altes und Neues auch wartet dort ihrer; die alte traute Liebe wird sie wieder umfangen, sie werdend ihr Alles in ihren alten Tagen vergelten dürfen, - wohl Alles? - Abraham aber sollte nicht nach seinem Vaterlande, zu seiner Freundschaft und Verwandtschaft wieder zurückkehren; er sollte der alten schönen Heimath ein Mal für alle Mal den Rücken kehren, und in ein Land ziehen, das er nicht kannte: ein Land, weit von Ur und von Haran gelegen, in welchem keine gebahnten Wege noch bekannte Dörfer oder Städte waren; wo keine guten Herbergen oder Wohnungen sich ihm aufschließen würden, und keine Gastfreundschaft, bei Bekannten oder Unbekannten, sich seiner annehmen; ein Land, dessen schönste Gegenden schon im Besitze unfreundlicher Völkerschaften, der Canaaniter waren, eines götzendienerischen, unwirthlichen Geschlechts, in deren Mitte Abraham sich die Steppen für seine Leute und seine Heerden aufsuchen sollte, hie und da, hin und her wandernd und ziehend, wo jene Völkerschaften - die Meisten Ackerleute oder Kaufleute, - sie bisher noch unbenutzt und frei liegen lassen.
Und Abram zog zuerst von Ur mit seinem Vater Tharah, denn hier, in Ur, bekam er die göttliche Weisung, und Tharah wollte scheints Anfangs den lieben Sohn begleiten; er blieb aber im fruchtbaren, reichen Haran wohnen (Neh. 9, 7. Apostg. 7, 2. 3.); dann zog Abram ohne seinen Vater von Haran weiter aus; und nahm sein Weib Sarai, und Lot seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, die sie gewonnen hatten, und die Leute die sie erworben hatten in Haran, und zogen aus zu reisen in das Land Canaan: V. 4. - Er zog je mit seinem Gott aus, den Allmächtigen über ihn, mit ihm, und in seinem Herzen, wie sein großer Enkel, David, sprach: Herzlich lieb habe ich Dich, Herr, meine Stärke, Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils. Ps. 18,1.2.
Durch den Glauben ward gehorsam Abraham, da er berufen ward, auszugehen au den Ort, den er ererben sollte; und ging aus, und wußte nicht, wo er hin käme: Ebr. 11,8.