Körner, Emil - Der Herr ist König!

Körner, Emil - Der Herr ist König!

Missionsfestpredigt am Himmelfahrtsfeste über Psalm 96 von E. Körner, Domprediger in Meißen.

Gnade sei mit euch und Friede von Jesu Christo, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborener von den Toten und ein Fürst der Könige auf Erden, der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blute und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater: demselbigen sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Und da er solches gesagt hatte, ward er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Immer höher, immer höher, ihn, niemand anders, als der vom Himmel herniedergekommen ist, des Menschen Sohn; immer näher, immer näher der himmlischen Stadt. Der Bau der Mauern ist von Jaspis, die Stadt von lauterem Golde gleich dem reinem Glase, die Gründe der Mauern und der Stadt sind geschmückt mit allerlei Edelgestein, die Tore von Perlen. Hier warten seiner schon Engel und Erzengel, die Erzväter und Propheten; heller Jubelgesang ertönt: „Er kommt, er kommt“; weit auf tun sich die Tore. Alle Gassen und Straßen glänzen in reiner Klarheit, alle Wege sind mit Palmen bestreut, alle Paläste sind vom Rauchwerk des Dankgebetes der Heiligen erfüllt, alle Orte und Enden sind unaussprechlicher Freuden voll. Unter Jubelgesang und Posaunenschall und Zimbelgetön geht der Zug mit dem heimkehrenden Sohne des Vaters zu dessen herrlichem Throne. Ihn schildern wollen? Welch ein Unterfangen! Ist schon all unser Reden von des Himmels Pracht ein schwaches Lallen, so reicht unser Sinnen und Denken, die glühendste Vorstellung gar nicht hinan, die Majestät und Glorie des Höchsten zu veranschaulichen. Da St. Johannes ihn sah, fiel er hin als ein Toter. Der einige Sohn Gottes naht dem Vater und sinkt an des Vaters Brust - da schweigt wohl in wonnigem Mitgefühl der Seligen Lobpreis. Umso freudiger, mächtiger, jubelnder erklingt nun das vieltausendstimmige Halleluja; denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen, als sich unser Jesus, der erhöhte Gottmensch, zur Rechten des Vaters niederlässt.

Und als sie ihm nachsahen gen Himmel fahrend, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Kleidern, welche auch sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr und seht gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Den lieben Jüngern, wie uns, meine Freunde, ist's nicht gestattet, müßig nachzusehen und in die Geheimnisse der oberen Welt einzudringen, nicht zugelassen, falscher Trauer über den Verlust der sichtbaren Gegenwart des Herrn uns hinzugeben und kleinmütig deshalb zu verzagen. Wollen wir einst unsere Stimmen vereinen dürfen mit Engeln und Erzengeln, Vollendeten und Gerechten, so müssen wir hienieden Fleiß tun, seinen Ruhm auszubreiten. Dass und wie es eine Missionsgemeine willens sein soll, lasst uns mit Gottes des Heiligen Geistes Beistand lernen aus

Psalm 96.

In Christo Geliebte, von der Kirche ist dieser Psalm nicht als Himmelfahrtspsalm betrachtet worden. Dafür gilt der siebenundvierzigste, in welchem es heißt: Gott fährt auf mit Jauchzen, und der Herr mit heller Posaune. Lobsingt, lobsingt Gott, lobsingt, lobsingt unserm Könige; auch der hundertzehnte, welcher anhebt: Der Herr sprach zu meinem Herrn: setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. In unserer deutschen Lutherbibel ist dem sechsundneunzigsten Psalm die Überschrift gegeben: Von dem neuen Liede des heiligen Evangelii. Es ist aller Gläubigen Lust zu singen; unsere teure Kirche ist geradezu die singende Kirche genannt worden. Missionsarbeit soll uns nicht eine bittere Zumutung sein, sondern durchdrungen vom Jubel der Himmelfahrtsfreude.

„Der Herr ist König!“

Der Lobgesang der Missionsgemeine am Feste der heiligen Himmelfahrt ihres Herrn Jesu Christi.

1. In welchem Sinne sie ihn als König preist;
2. in welchem Gebiete sie ihn als König verkündet;
3. mit welchem Erfolge sie ihn als König ausruft.

Weit und breit, o Himmelssonne,
Deine Klarheit sich ergießt,
Dass ein Strom von Glanz und Wonne
Durch die Himmelsgeister fließt.
Prächtig wirst du aufgenommen,
Freudig heißt man dich willkommen,
Schau, ich armes Kindlein hier,
Ruf auch Hosianna dir. 1)

1.

„Der Herr ist König!“

Der Lobgesang der Missionsgemeine am Feste der heiligen Himmelfahrt ihres Herrn Jesu Christi: in welchem Sinne sie ihn als König preist.

Singt dem Herrn. Diese Aufforderung steht an der Spitze unsers Psalmen und kehrt in ihm zum Öfteren wieder. Psalmen dichten und Psalmen singen war Israels ganze Freude. Auch in den vorhergehenden und nachfolgenden Psalmen begegnen wir gleicher Ermunterung. Ihr gegenüber haben jedoch unsere Worte eine besondere Bedeutung. Sie klingen wie Weissagung.

Singt dem Herrn ein neues Lied. Ein neues Lied muss einen neuen Inhalt haben. Welchen? Nachdem es dreimal dicht hintereinander geheißen hat: singt dem Herrn, folgt der Zusatz: lobt seinen Namen, predigt einen Tag um den andern sein Heil. Die großen Taten Gottes in Christo Jesu sollen gerühmt werden. Der Vater hat durch den Heiligen Geist im eingeborenen Sohn uns sein ganzes Herz offenbart. Wie sollten die der Traurigkeit stattgeben, welche Gott zum Vater, Jesum Christum zum Erlöser, den Heiligen Geist zum Trost und Beistand haben; welche täglich und stündlich Vergebung finden können in Jesu Wunden und Brief und Siegel über das himmlische Erbteil empfangen haben? Christenstand ist ein fröhlicher Stand. Wie bringt uns dieses das Fest der heiligen Himmelfahrt unsers Herrn zum Bewusstsein! Derselbe, der in Knechtsgestalt auf Erden gewandelt hat, am Fluchholze für uns gestorben ist, der wahre Gott und wahre Mensch Jesus Christus wird beim Vater mit der Herrlichkeit bekleidet, die er vor Grundlegung der Welt gehabt hat. Als einer aus unserer Mitte lebt er hinfort bei dem Vater, hat das Haus seiner irdischen Wallfahrt mit hinaufgenommen und sein menschlich fühlendes Herz nicht auf Erden zurückgelassen. Voll inniger Teilnahme und heiligen Mitleides ist er für uns, weil er aus eigener Erfahrung unsere Schwachheit kennt und wohl weiß, wie es einer angefochtenen Seele unter Sünden- und Kreuzeslast zu Mute ist. Getrost können wir uns an ihn wenden, obwohl Gottes einiger Sohn, steht er uns nahe als unser Bruder, als unser Fleisch und Blut.

Allein dieses ist nicht der ganze Inhalt des neuen Liedes. Der heilige Sänger kann jubeln: Sagt, dass der Herr König sei. Gott selbst hat diesen Jesum, den sie getötet und an ein Holz gehängt hatten, zu einem Herrn und Christ gemacht, auf dass erfüllt würde, was er zuvor verkündiget hatte, ehe denn es geschehen ist: Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge Zion. Alle Dinge sind ihm übergeben von seinem Vater, Himmel und Erde und alles, was darauf und darinnen ist, das Reich der Natur ebenso, wie das Reich Gottes. Gerade in des Gnadenreiches Grenzen sieht man ihn am schönsten glänzen. Wie köstlich, die überkommene Macht beeinträchtigt nicht seine Liebe zu den sündigen Menschenkindern, im Gegenteil, sie muss ihr dienen! Mit seinem hohenpriesterlichen Herzen wartet er seines Regimentes und in seinen durchgrabenen Heilandshänden hält er sein Zepter. Vergönnt mir, Geliebte, mit Worten eines andern sein Königstum zu schildern. Welches sind seine Waffen? Er ist ein Herrscher ohne Heere, ein mächtiger Kämpfer ohne Speere, ein Friedensfürst von großer Kraft. Bewaffnet mit des Glaubens Worten zieht seine Schar nach den vier Orten der Welt hinaus und macht ihm Bahn. Und das Wesen seines Reiches? Nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.

Und die Kraft seines Reiches? Wenn der himmlische Vater uns seinen Heiligen Geist gibt, dass wir seinem Worte durch seine Gnade glauben und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich; wenn ein Sünder preisen lernt: Als mir das Reich genommen, da Fried' und Freude lacht, da bist du, mein Heil, kommen, und hast mich froh gemacht. Und die Grenzen dieses Reiches? Es ist in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt, kommt auch nicht mit äußerlichen Gebärden kommt nicht mehr im Schattenwerke des Alten Testamentes, nicht mehr eingeschränkt auf Stammesgenossen, sondern soweit der Tau der Gnade fällt und der Schall des Evangeliums geht und Annahme findet. Fleisch und Blut ererben es nicht. Die aber mit Gewalt des Glaubens und der Buße es an sich reißen, die dringen durch die enge Pforte: Wiedergeburt heißt der Bürger- und Niederlassungsschein. Und die Rangunterschiede, die dort gelten? Wer sich selbst erniedriget und klein wird, wie ein Kind, der ist der größte im Himmelreich. Sagt, wo findet sich etwas Gleiches? Ist nicht dieser König mit seinem Reiche unser ganzer Trost und Ruhm? Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn alle Welt!

2.

„Der Herr ist König!“

Der Lobgesang der Missionsgemeine am Feste der heiligen Himmelfahrt ihres Herrn Jesu Christi: in welchem Gebiete sie ihn als König verkündet.

Denke dir, liebe Seele, du ständest am Tore der Gnade, da Jesus einzieht unter dem Jubel der himmlischen Bewohner; denke dir, du müsstest da stehen bleiben und ihm nachsehen und ferne bleiben und hättest keinen Teil an ihm; denke dir, du müsstest sehen, wie andere zum Genusse der Seligkeit gelangen, wie andere, rein gewaschen durch des Lammes Blut, in den himmlischen Freudensaal eintreten dürfen, und du wärest nicht sein, nicht ihr Mitgenosse: welche Armut, welches Darben, welches Herzbrechen, welche Höllenpein! Und siehe, du bist nicht vor der Tür, du bist mitten hinein an die Hochzeitstafel gestellt. Getauft, begabt mit Wort und Sakrament, versichert des Trösters, des Heiligen Geistes, ist dein, alles dein, was Jesus hat. Du bist ein Glied und Erbe seines Reiches. Bist du dessen je froh geworden, bist du dir deines Christenstandes überhaupt bewusst, so verstehe ich nicht, wie du dir daran genügen lassen kannst, unbekümmert um andere, die du nicht im Besitze des Heils weißt. Kaum sollte es hierzu eines besonderen Hinweises bedürfen. Stehst du im zuversichtlichen Glauben, dann eiferst du für den Befehl deines Königs Jesu: Geht hin in alle Welt und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Klingt dieses nicht wie eine Erfüllung der Worte unsers Psalmen: Sagt unter den Heiden, dass der Herr König sei und habe sein Reich, soweit die Welt ist, bereitet? Ja, wer errettet ist von der Obrigkeit der Finsternis, muss wünschen, dass alle Menschen zur Erkenntnis Christi und seiner Gnade gelangen. Nicht bloß, dass du mit Schmerz wahrnimmst, wie bei dem Leichtsinn und der Gleichgültigkeit der Welt Unglaube und Gottvergessenheit zunimmt, und an deinem Teile hilfst, dass die schlechten Christen gute Christen werden möchten, auch, dass du deinen Blick vor den Millionen nicht verschließt, die noch gar keine Christen sind, und nicht zurückschreckst vor der Arbeit, in diesem weiten Gebiete deinen Herrn Jesum als König zu verkünden.

Gedenken wir nur einmal, meine Freunde, der Länder, da wir nach Gottes Weisung und sichtlicher Führung für sein Reich arbeiten sollen kraft des Wortes: Erzählet unter den Heiden seine Ehre, unter allen Völkern seine Wunder, denn der Herr ist groß und sehr zu loben und wunderbar über alle Götter.

Stellt euch Indien vor, so groß wie Europa ohne Russland, mit 253 Millionen Einwohnern, also einem Viertel der gesamten Menschheit. In diesem Wunderlande ist ein reichbegabtes Volk zu Hause. Tempel finden sich in allen Städten und Dörfern, an allen Straßen, in schattigen Hainen, an Teichen und Rathäusern, auf den Spitzen der Berge. Es ist das größte Götzenland der Erde; hier hat Satan wohl seine festesten Burgen. Die untersten Klassen des Volkes haben in jedem Orte ein besonderes Quartier, welches die höheren Klassen für unrein achten und nie betreten. Und da jene von diesen Gutes zu erfahren gar nicht gewöhnt sind und schon zufrieden, wenn sie von ihnen nicht Böses erdulden, so haben sie auch den Mut verloren, von ihren Göttern Gutes zu erhoffen und zu erflehen. Blutige Opfer bringen sie ihnen dar, um sie zu beschwichtigen, damit sie von ihnen nicht allerlei Böses erleiden müssen. Es ist ein rechter Teufelsdienst, den diese armen Leute treiben und bei dem es auch teuflisch genug zugeht. Die höheren Kasten bringen keine blutigen Opfer dar und erbitten sich Gutes von ihren Göttern. Sie stehen mit ihnen in einer Art Tauschhandel; denn sie meinen, die Götzen bedürften ihrer Opfer, um nur sein und leben zu können. Darum halten sie diese auch für verpflichtet, ihnen das Verlangte zu gewähren. Wo nicht, so können sie des Tadels und der Vorwürfe ihrer Verehrer gewiss sein.

Stellt euch Afrika vor, dreimal so groß als Europa, aber nur mit 150 Millionen Einwohnern. Es ist nicht mehr das unbekannte Land, zum Teil auch nicht mehr so heimgesucht von den mohammedanischen Sklavenjägern, wie sonst; aber der schwarze Erdteil ist's immer noch, heute, wie ehedem. Dass ein Gott, eine höhere Macht über uns waltet, wissen sie, wie es denn kein Volk auf Erden gibt, so tief gesunken und vertiert es auch sein mag, welches dieses nicht wüsste. Gott jedoch, wähnen sie, habe nicht Zeit, sich um sie zu bekümmern; die Geister der Abgeschiedenen, besonders verstorbener Fürsten, erfüllen die Luft, umgeben die Menschen, wohnen in allerlei Gegenständen, Bäumen, Steinen, Holzstücken, Topfscherben, Stricken, Schnüren; aus diesen macht man sich ein Amulett, die Portugiesen nennen es Fetisch, d. i. Zauber. Diesen Fetisch verehren sie und fürchten ihn wie einen Gott; haben sie aber an ihm nicht die erwartete Hilfe, so werfen sie ihn weg und wählen dafür einen andern Gegenstand in derselben törichten Weise. Gerät man in Widerwärtigkeiten, in Krankheit und Todesfälle, so wird gleich die Folge eines bösen Zaubers angenommen. Durch Zauberei sucht man ausfindig zu machen, von wem man bezaubert ist. Gaukler und Betrüger haben ein weites Feld, und wie sie die Leute in Wut und Mordlust versetzen, spottet aller Beschreibung. Ist es nicht so, wie es hier lautet: Alle Götter der Völker sind Götzen, sie können und vermögen nicht bloß nichts, sie sind Nichtigkeiten, sind selbst nichts.

Seht, welche Eroberungen hat unser König Jesus Christus noch zu machen, ehe alle Knie sich ihm beugen! Und da wollten wir daheim ruhig die Hände in den Schoß legen und gemütlich ihm ein Lied singen? Hütet euch, dass er nicht vor eurem Liede sein Ohr verstopfe, als vor bloßem Geplärr der Lippen! Gewiss, der sein Reich bereitet hat, soweit die Welt ist, kann sich auch Raum und Bahn machen, kann allein die Tempel und Altäre der Götzen stürzen; trotzdem will er aber nach seinem heiligen Wohlgefallen, dass wir ihm in Treue zu Dienst sind und Gefolgschaft leisten, die wir von ihm erlöst sind, erworben und gewonnen durch sein teures Blut. Wollen wir ihm etwa sagen: ich mag nicht? Wer wagt es, angesichts des Elendes der Heidenwelt und bekannt mit dem klaren Befehl unsers Herrn, dieses nicht zu lindern oder nicht zu heben durch die Kraft seines Evangeliums? nein! Wir könnten sonst nicht ein einziges Vaterunser beten mit der Bitte: Dein Reich komme, wenn wir nicht tun wollten, was uns zu tun geheißen ist; wir könnten kein einziges Himmelfahrtslied recht singen, wenn wir nicht freudig wären, die Botschaft von seinem Reiche hinauszutragen zu den Heiden. Am liebsten möchten wir uns selbst mit Leib und Leben ihm zur Verfügung stellen; nie wollen wir ihm einen Bettelpfennig als Opfer spenden; stets wollen wir ihm betend die Not der armen Heiden vortragen, und wenn wir uns nicht verbergen können, dass wir mit unserer Missionstätigkeit hinter der emsigen Arbeit anderer Bekenntniskirchen immer noch weit zurück sind, so wollen wir ja nicht von überallher billige Entschuldigungen dafür suchen, sondern bitten: Herr, unser König, würdige uns, deinen Heilandsnamen hinauszutragen in alle Welt, erwecke auch selbst in uns heiligen Eifer für dein Reich und lass alles, was du uns tun lässt, gereichen zu deiner Ehre allein!

3.

„Der Herr ist König!“

Der Lobgesang der Missionsgemeine am Feste der heiligen Himmelfahrt ihres Herrn Jesu Christi: mit welchem Erfolge sie ihn als König ausruft.

Darüber möchtet ihr noch etwas hören? Sagt mir, Geliebte, mit welchem Erfolge habt ihr euch euern König dienen lassen? Wie steht's mit eurer Sonntagsfeier; wie steht's mit euern Abendmahlsgängen; wie

steht's mit euern Hausgottesdiensten; wie steht's mit eurem Gebetsleben; wie steht's mit eurem Glauben, der in der Liebe tätig ist; wie steht's mit eurem Wandel nach Gottes Geboten im Hause und außer dem Hause? Er kann sagen: Ich habe dich je und je geliebt und habe dich zu mir gezogen aus lauter Güte; und du musst bekennen im Tone der Buße: ich habe dir Mühe gemacht mit meinen Sünden und Arbeit mit meinen Missetaten. Leider trifft dieses nicht bloß den Einzelnen.

Euer Dorf ist eine alte wendische Ansiedelung. Karl der Große war es, der 789 über die Elbe drang, um die Wenden zu züchtigen für die mannigfache Unterstützung, welche sie den Sachsen geleistet hatten. Seitdem entspann sich ein Doppelkampf des Deutschtums mit dem Wendentum, des Christentums mit dem Heidentum, ein Kampf, furchtbar und gewaltig, oft scheinbar beendet und immer von neuem schrecklicher losbrechend, als zuvor. Ihr ahnt wohl kaum, dass eure Fluren bis hin in die Mark Brandenburg mit Krieger- und Märtyrerblut reich getränkt sind. Hundert Jahre nach Karl dem Großen ist jegliche Spur des Christentums verwischt; Swentowitz und Radigast und Triglav und Siwa, in eurer Gegend besonders Belbog und Zernybog, der weiße und der schwarze Gott, empfangen ihre Opfer nach wie vor. Wieder hundert Jahre, nach Heinrichs I. und Ottos II. eifrigen Bemühungen, kommt um 970 von Meißen her Bischof Burkhardt, auch Bischof Eido und sie alle haben einen harten Stand gegen eure Vorfahren gehabt, haben viele der Ihren unter diesen mörderisch dahinsinken sehen; wie's scheint, umsonst. Denn wieder hundert Jahre und alles ist längst verloren. Die gegründeten Bistümer sind verschwunden; aber im Dienste ihres himmlischen Königs tragen seine Boten sein Kreuz in die wendischen Wälder, um ihre Liebe mit dem Leben zu büßen. So geht es fort, fünfhundert Jahre, bis 1289, wo mit dem Tode des letzten Wendenkönigs, Rogazky, die äußeren Stützen des Heidentums brechen. Ist es ganz erloschen heute, lebt es nicht in manchem Aberglauben noch fort? Seit über einem Jahrtausend hört das Volk: Siehe, dein König kommt, ein gerechter und ein Helfer; jubelt es ihm aber entgegen: Dein sind wir, David, und mit dir halten wir es, Sohn Isai?

Jedenfalls sind wir bescheiden, meine Freunde, und erwarten nicht gleich Großes von dem Wenigen, was wir als Missionsgemeine leisten. Eröffnet uns Gott in seinem Worte darüber irgendwelche Aussichten, so tut er es aus lauter Herablassung zu uns leicht verzagten Menschenkindern. Der nächste Erfolg wird in unserm Psalmen als eine Anrede an die Völker der Erde ausgesprochen: Bringt her dem Herrn Ehre und Macht, bringt her dem Herrn die Ehre seinem Namen, bringt her Geschenke und kommt in seine Vorhöfe! Erinnert euch, dreimal hieß es: singt; jetzt dreimal: bringt her dem Herrn! Angelockt durch unseren Lobgesang über unseren König Jesum Christum, sollen die Heiden alle kommen und ihm auch die Ehre geben, welche ihm gebührt und welche er keinem andern geben will. Geschieht es wirklich? Ein berühmter Heide Indiens rief in einer Volksversammlung Calcuttas2) aus: „Die vorwärts dringenden Wogen einer wichtigen Revolution überschwemmen das Land und fremde Neuerungen und Reformen dringen im Namen Jesu Christi in Indiens innerstes Herz. Ihr könnt nicht in Abrede stellen, dass unsere Herzen berührt, erobert, überwunden sind durch eine höhere Macht und diese Macht ist Christus. Christus beherrscht Indien, nicht das britische Gouvernement. Niemand als Jesus, niemand als Jesus, niemand als Jesus hat dieses köstliche Diadem Indien verdient, und er wird es haben.“ Aus Afrika, unserm neuen Arbeitsgebiete, können wir noch nicht besondere Nachrichten erwarten. Am 13. Februar dieses Jahres starb in Tandschaur die siebenjährige Drawiam, eine Tochter des tamulischen Lehrers. Als das Ende herbeikam, blickte das Kind, wie der Vater erzählt, nach oben, hob seine Hände zwei-, dreimal empor und rief: „Herr Jesu, rette mich; mein Name ist Drawiam; schreibe ihn auf“, so entschlief die Kleine sanft und selig im Herrn. Wenn Seelen aus der Heidenwelt ihm so Nachfahrt halten, und nicht zu vergessen, wenn Scherflein der Witwen und Gebete aus dem Munde der Unmündigen für die Heiden draußen so gesegnet und erfüllt werden, wie es geschieht, da können wir mit Recht singen:

Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß. 3)

Ja, der Heilige Geist lässt den Psalmisten in weite Fernen hinausschauen, so weit hinaus, dass dieser wohl kaum wusste, was zu weissagen er gewürdigt ward in den Worten: Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich; das Meer brause und was darinnen ist. Das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist, und lasst rühmen alle Bäume im Walde, vor dem Herrn; denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit. Die ganze Schöpfung soll einst zusammenklingen zu einem Lobgesange. Denn auch die Kreatur, die sich mit uns sehnt und seufzt nach Erlösung, soll dereinst frei werden von dem Dienste des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Ganz ist dann erfüllt: Siehe, ich mache alles neu. Die Zeit wird anbrechen, da ein neuer Himmel und eine neue Erde sein wird. Ein großes Halleluja wird dann Himmel und Erde durchtönen, Jesu Christo, dem König zur Rechten des Vaters.

Wie wird es dann sein? Können wir keinen Blick vorwärts tun, Geliebte? Gelehrt von St. Johannes, dem Seher des neuen Testamentes, vermögen wir es. Die himmlische Stadt ist noch dieselbe; ihre Mauern strahlen noch im alten Glanze; ihre goldenen Gassen sind nicht geweitet: aber viel Volks, viel Volks ist darinnen, mehr, viel mehr als am Tage der heiligen Himmelfahrt unsers Herrn Jesu Christi. Dem Throne des himmlischen Königs strebt alles zu. Da sind die vier Tiere, durch welche die vier heiligen Evangelisten abgebildet werden und welche rufen das Dreimalheilig; da sind die vierundzwanzig Ältesten, welche niederfallen vor dem Lamme, mit goldenen Harfen in den Händen und goldenen Kronen auf den Häuptern und lobpreisend singen; da sind viel tausend mal tausend Engel um sie her und jauchzen mit großer Stimme dem Lamme; da ist alle Kreatur, welche im Himmel und auf Erden und im Meer ist und alles, was darinnen ist, um Lob und Ehre darzubringen; da ist eine große Schar, welche niemand zählen kann, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in den Händen, die da rufen: Heil sei dem, der auf dem Stuhle sitzt, unserm Gott und dem Lamme; und immer von neuem, und immer mächtiger schallt es durch das neue Jerusalem hin. Wann will das ewige Lob enden, wann will das ewige Lob schweigen? Nie, niemals. Ich hörte eine Stimme einer großen Schar als eine Stimme großer Wasser und als eine Stimme großer Donner, die sprachen: Halleluja, denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen. Halleluja! Der Herr ist König! Amen.

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