Dreising, Wolfgang – Dein Gott ist König
Jes. 52, 7.
„Mache dich auf, mache dich auf, Zion! Zeuch deine Stärke an, schmücke dich herrlich, du heilige Stadt Jerusalem.“
So rufen im Anfang dieses Kapitels die Boten, welche der Messias an sein Volk sendet, so wiederholen alle Propheten die Botschaft, und der Inhalt ist immer derselbe: das Heil. Ein anderes Evangelium brauchen auch wir nicht, und wer es uns bringt, ist uns ein guter Bote. Kein König dieser Erde, kein Mann des Gesetzes, keine Obrigkeit lässt diesen Ruf ergehen, er geht vielmehr von Gott, dem Herrn selbst aus: „Dein Gott ist König.“ Da merken wir auf, da regt sich unser Glaube, da wird unsere Hoffnung neu belebt, die Adventsgemeinde macht sich auf, ihrem Gott und König zu begegnen. Denn ihr gilt
Der Heilsruf „Dein Gott ist König“ als Adventsbotschaft. Sehen wir
I. die Empfängerin an,
vernehmen wir
II. wie sich die Botschaft erfüllt.
I.
An Zion ist nach diesem Schriftwort die Botschaft gerichtet. Von Jammer allerorten umgeben ist die zerstreute Gemeinde des Alten Bundes, kein Volk mehr, im Vaterlande kaum geduldet, an der Stätte, wo ihre Heiligtümer in Trümmer liegen. Was sie suchen kann, ist einzig Trost. Welch eine Botschaft: Es kommt endlich in diesen Tagen alleräußersten Elends der Verheißene, der Messias, der über Israel Herr sei. Die Boten, Gottes Propheten, gehen vor ihm her; mit lauter Stimme fordern sie dazu auf, dem Herrn, der nach ihnen kommt, den Weg zu bereiten, ihn als König, Propheten, Hohenpriester zu empfangen und er kommt nicht. - Am Tore Jerusalems steht eine kleine Schar, zum Teil nicht einmal alle Israeliten, vielmehr Leute aus dem halbheidnischen Galiläa, aber ihr Auf klingt durch die Welt und durch die Jahrtausende: „Hosianna, dem Sohne Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.“ Tausende schließen sich ihnen an und werden Boten, Prediger des Propheten, der in ihrer Mitte sanftmütig auf einem Esel daherreitet. Das ist die Gemeinde des Neuen Bundes mit ihrem Könige und Herrn.
Welch eine Fülle von Angehörigen dieser Gemeinde! Es wird vielleicht unser Jahrhundert nicht zu Ende gehen, ohne dass in jeglichem Land Seelen hinzugetan werden, die den Verheißenen ihren Herrn Jesus Christus nennen. Denn sie will sich nicht mit einzelnen Anhängern begnügen, ihre Absicht ist auf die ganze Welt gerichtet, alle Knie sollen sich ihrem Herrn beugen und alle Zungen bekennen, dass er es sei zur Ehre Gottes des Vaters. Darum gehen ihre Boten aus und verkünden die frohe Botschaft, und ob sie die Feindschaft einer verlorenen Welt erfahren müssen, lassen sie nicht ab zu bitten: „Lasset euch versöhnen mit Gott.“ Und wie ein Aufatmen geht es durch die Völker, Mühselige und Beladene kommen hervor, eine große Gemeinschaft des Heils. Nur eins wird von ihnen allen verlangt, nur eine Bedingung gestellt, das ist der Glaube an den König, der da in Knechtsgestalt kommt. Der Prophet hier, der ihn doch nur von fern geschaut hat, geht uns darin voran mit seinem Jubel- und Heilruf: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da Frieden verkündigen.“ Verstummen sollen die Klagen der Gequälten, die Seufzer der Gefangenen, die Hilferufe unschuldig Unterdrückter. Das angenehme Jahr steht in Aussicht und die daran teilnimmt, ist die Gemeinde des Neuen Bundes. Müssen wir's nicht anerkennen: Lieblich ist solche Botschaft, lieblich der Ruf, der in die Lande dringt, lieblich die Füße, welche solchen Segensweg gehen und die Spuren ewiger Freiheit bezeichnen?
II.
Wie erfüllt sich nun die Adventsbotschaft: Dein Gott ist König? Es ist zuerst die Rede von den Boten, welche Frieden verkündigen. Das ist der Friede des Senders selber, welcher noch in den Tagen seines Leidens die Seinen tröstet: „Den Frieden lasse ich euch.“ Das ganze Evangelium, ja die ganze heilige Schrift ist das Angebot dieses Friedens. Wohin unsere Blicke sich richten, tritt er uns entgegen, und wenn sich Jesus den Sohn Davids nennt, so ist das nicht ohne Anklang an jenen, den David selbst Salomo, den Mann des Friedens, genannt hatte. So soll die heilige Adventszeit dieses Friedens voll sein, und darin liegt, dass sie selbst eine Zeit des Heils ist, denn allezeit fassen wir unser Heil dahin zusammen: „Gott gebe euch Frieden,“ nämlich den Frieden Gottes und den Frieden mit Gott in Christo. Daraus fließt denn der Friede untereinander, der in sich die Kraft hat, dem Streit, dem Zwiespalt, dem Kriegszustande ein Ende zu machen. Er ruht auf der einen Grundlage: Versöhnung mit Gott. Aber könnte ein mit Gott im Einklang stehendes Herz anders als im Frieden leben? Freilich gibt es solche Herzen nur, wenn sie in sich selber Frieden haben. Und das alles wird derselbe Herr mit seinem Geiste, den schon unser Prophet nennt „Friedensfürst“ und von dessen Reiche er demgemäß sagt: Des Friedens kein Ende.
Das andere, in welchem Jesaia die Adventsbotschaft erfüllt sieht, ist „Gutes predigen“. Das kann nur bestehen in dem Leben an sich, wie es von dem ausgeht, der sich den Weg, die Wahrheit und das Leben nennt. Sein Apostel sagt darum so recht adventlich: Das Leben ist erschienen. Was es aber damit auf sich hat, deutet das Wort „ewiges Leben“, d. h. ein Leben ohne Tod am Ende, ohne Vernichtung, ohne Furcht und Zweifel. Wir werden es bald grüßen, wie es Person, Mensch geworden ist in dem Kinde, das uns die heilige Weihnacht zeigt. In ihm ist dann „volles Genüge“. Was an guten Gaben die Erde bietet, hier hat es seine Stätte, seine Weihe und Verklärung, es fehlt nicht an einem. Noch mehr aber volles Genüge in den geistlichen Gütern, vor allem in dem, was das höchste Gut und die höchste Aufgabe jedes Einzelnen bleibt, in der Heiligung in Christo Jesu. Möchte die Zeit des Advent mit ihrer fröhlichen Geschäftigkeit, worin sie so lieblich sich zeigt, gerade darin ihre Macht beweisen, dass wir sie durchleben wie jene ersten Jünger Jesu, wie dann Maria, die Mutter des Herrn und die fromme Elisabeth, in der Arbeit der Heiligung an uns selbst und in der heiligen Bitte des Priesters Zacharias: „Dass der Herr erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“ Amen.