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Psalm 103

Psalm 103

103:1 Ein Psalm Davids. Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
David fordert sich selbst, seine Seele, auf, den HErrn zu loben. Er muß sich erst zum Lob heraufheben. So sollst du auch wohl deinen HErrn loben, oft, da dir's gar nicht recht ums Loben ist; und zuletzt wirst du Gott um alles loben, wenn du es auch im Anfang nicht kannst. Denn zuletzt wird's heißen : „Ende gut, alles gut.“ Bis dahin mußt du bei Dingen, die dir Leid und Kummer verursachen, nicht so tief heruntersinken, nicht zu sehr in Klagen dich verlieren. Behalte allezeit in deinem Herzen etwas von Lob übrig, damit du dich ergeben, und des HErrn Wege dir gefallen lassen kannst. Wie sehr man sich innerlich erheben kann über dem Gedanken an das, was der treue Gott unfehlbar tun wird zur Rettung, beweist der ganze 100.Psalm, der so überschwänglich herrlich lautet, obwohl er Spuren genug enthält, daß auch Dinge vorlagen, die betrübt machen konnten.
Wie man auch unter dem Traurigen Gott loben kann, darin giebt Hiob das schönste Beispiel, wenn er sagt: „Der HErr hat's gegeben, der HErr hat's genommen,“ da ihm über dem Gedanken: „Der HErr, der HErr hat's getan,“ unwillkürlich das Schlußwort über die Lippen kommt : „Der Name des HErrn sei gelobet!“ Laß dich gleich ihm durch nichts zu tief herunter bringen. Sage nicht, wenn ein schmerzlicher Verlust kommt: la perte est cruelle (der Verlust ist grausam), wie es je und je in Todesanzeigen heißt, freilich mehr nach einer gewohnten Redensart, daß es nicht so böse gemeint ist. Aber eine schöne Redensart ist es nicht, und eine fromme auch nicht. So hat Hiob nicht gesagt, als ihm sieben Sohne und drei Töchter, alle seine Kinder, erschlagen waren, nachdem dazu noch alles andere ihm weggenommen worden war. Er sagt: „Der HErr hat's gegeben, der HErr hat's genommen: der Name des HErrn sei gelobet!“ David sagt auch, alles in ihm solle den HErrn loben. So weit werden's wir wohl selten bringen, da auch beim Glücklichsten, das uns widerfährt, stets etwas übrig bleibt, das Unlust macht. Aber im Himmel kommt's so weit! Ach, wären wir da! (Christoph Blumhardt)


Einst rief der Priester der Schar, die im Tempelhof versammelt war, zu: Lobt den Herrn! und die Festgenossen wiederholten seinen Ruf und es rief es einer dem anderen zu: Lobe den Herrn! Auch der Psalmist wiederholt diesen Ruf, richtet ihn aber nicht an die anderen, sondern an sich selbst: auf, meine Seele, lobe den Herrn! Paulus hat gesagt: du kannst dir selbst das Gesetz sein, kannst dir selber vorhalten, was Gottes Gebot verlangt, und dich mahnen und ermuntern, daß du es tust. Wie ich mir das Gesetz sein kann, so kann ich mir auch der Evangelist sein und kann und soll mir vorhalten: „Der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöset und dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit.“ Wenn ich aber mir selbst zum Evangelisten geworden bin, dann beginnt und schließt mein Gespräch mit meiner Seele damit, daß ich ihr zurufe: Lobe den Herrn, meine Seele. Sie hat es nötig, daß ein Evangelist sie besuche und sie zum Lob Gottes ermuntere. Denn sie trägt mancherlei Bürden und hat doch nur schwache Schultern. Sie klebt am Leib und dieser füllt sie mit seinen starken Reizen. Sie kennt ihre Not und Schuld und trägt schwer daran. Sie hat vielerlei Wünsche und hätte gern Flügel, damit sie eilig dahin gelange, wohin sie ihr Begehren zieht. Ueber all dem verlernt sie das Loben. Nun sorge dafür, daß deine Seele den Evangelisten nicht entbehre. Sie braucht nicht zu warten, bis die Glocken läuten und von der Kanzel aus das Evangelium zu ihr kommt oder bis ein Volksmissionar und Evangelist anlangt und es dir sagt. Sei du selbst der Evangelist deiner Seele. Halte ihr das göttliche Wort, das ihr Gottes Gnade zeigt, vor und mahne sie: Lobe den Herrn, und wenn du deine Seele mit dem Evangelium mahnst, wird sie dir zustimmen und aus dem Befehl: lobe den Herrn! entsteht dann wirklich und gläubig Gottes Lob.
Ich habe mich mit dem Psalmisten gemahnt und will seiner Mahnung gehorchen und dir, Vater, danken und mich zu deiner Schar gesellen, die im Himmel und auf Erden ohne Unterlaß dich preist. Bleibt mein Wort dürftig, weil meine Seele müde ist, so bist du gnädig und barmherzig; darumd arf dich auch meine Seele loben so, wie sie ist. Amen. (Adolf Schlatter)


Obschon ein Christ diejenigen Wohlthaten Gottes für die höchsten und wichtigsten erkennt, die den nächsten Bezug auf die Ewigkeit haben, und eben darum von irdischgesinnten Leuten am wenigsten geachtet werden: so schätzt er doch billig auch diejenigen Gutthaten nicht gering, die ihm der gütige Schöpfer zur Erhaltung seines Leibes und Lebens und zu seiner sinnlichen Erquickung zufließen läßt.
Daß mich Gott zu einem vernünftigen Menschen gemacht hat, der einer ewigen Glückseligkeit fähig ist; daß Er mir Seinen Sohn zum Versühner und Seligmacher bestimmt und geschenkt hat; daß Er mir auch den Geist Seines Sohnes entweder wirklich gegeben hat, oder doch geben will; daß Er mich Seine Gnadenmittel, nämlich Sein Wort und Seine Sakramente, genießen läßt, daß Er bereit ist, mich von aller Schuld und Strafe der Sünden frei zu sprechen, wenn ich mich in herzlicher Reue und demüthigem Vertrauen durch meinen Mittler zu Ihm wende; daß Er mir einen freien kindlichen Zutritt zu Seinem Vaterherzen gestattet, und mein Herz mit manchem seligen Genuß Seiner göttlichen Liebe tröstet, erquickt und erfreut; daß Er mir sogar manchen Vorschmack himmlischer Vergnügungen schon in diesem Leben vergönnt, und mir dereinst ein unvergängliches unbeflecktes und unverwelkliches Erbe zur Befriedigung aller meiner Begierden geben will: - das sind freilich die vornehmsten, die wichtigsten Wohlthaten, die mir angedeihen können.
Aber sollte ich meinem gütigen Schöpfer nicht auch dafür an diesem Morgen den demüthigsten Dank schuldig sein, daß Er mir einen gesunden Leib, wohlgeordnete Glieder und richtige Sinnen gegeben, und nicht nur zur höchsten Nothdurft, sondern auch in einigem Ueberfluß Nahrung und Kleider beschert hat, mich bei den Meinigen in Frieden wohnen, und in der sichtbaren Welt allerhand Annehmliches fühlen, sehen, hören, riechen und schmecken läßt? Sollte ich nicht meiner Seele selber zusprechen, lobe den HErrn, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat! Gemeiniglich vergessen die Menschen ihre Trübsale weniger als die Wohlthaten Gottes; wie es auch Salomo Pred. 11,8. bemerkt. Ein großer Theil ihrer Gespräche ist die Klage übe die böse Zeit. Was sie vor langer Zeit ausgestanden haben, können sich noch wehmüthig erzählen: die empfangenen Wohlthaten Gottes aber rühmen können sie nicht. Es soll aber nicht also sein. Man soll der Wohlthaten Gottes fleißig zur Stärkung seines Glaubens gedenken, und ihrer nicht vergessen. Man soll Gott wegen derselben loben, ja man soll Gott loben, weil Er ist, was Er ist, weil Er als der Heilige und Gerechte, als der allein Weise und Mächtige, als der Ewige und Lebendige, als der Wahrhaftige und Gütige des beständigen Lobs aller Geschöpfe würdig ist. Alles, was Odem hat, lobe den HErrn. Das Lob Gottes ist der schönste Gottesdienst. Es ist die Vorübung auf den Himmel. Der Heilige Geist muntert uns oft in Seinem Wort dazu auf. So lobe denn den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen. Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat. Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)

103:2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat:
Es ist eine liebliche und löbliche Beschäftigung, auf die Hand des Herrn zu achten, wie sie sich in der Lebensführung der Heiligen voriger Zeiten offenbart, und seine Barmherzigkeit wahrzunehmen, die sich kundgibt, wenn Er sie aus Trübsal erlöst, seine Gnade, wenn Er ihnen ihre Sünde vergibt, seine Treue, wenn Er ihnen seinen Bund hält. Aber wäre es nicht noch seliger und segensreicher für uns, wenn wir auf die Hand Gottes in unserm eignen Leben acht hätten? Sollten wir in unsrer Schicksalsführung wenigstens ebenso deutlich das göttliche Walten erkennen, ebenso klar und strahlend seine Barmherzigkeit und seine Gnade, ebenso überzeugend seine Wahrhaftigkeit und Treue, wie im Leben irgend eines Heiligen, der uns vorausgegangen ist? Wir tun ein Unrecht an unserm Herrn, wenn wir meinen, Er habe alle seine mächtigen Taten vollbracht und sich als der starke Gott erzeigt für die Menschen der Vorzeit, aber Er wirke keine Wunder mehr und rege seinen gewaltigen Arm nicht mehr für die Heiligen, die jetzt auf Erden leben. Werfen wir einen Blick auf unsre Vergangenheit. Gewiß können wir in derselben manches glückliche Ereignis gewahren, das uns aufmuntert und zur Ehre unsers Gottes zeugt. Seid ihr noch nie aus Nöten erlöst worden? Seid ihr noch nie durch Ströme der Trübsal geschritten, und dabei getragen worden von der Gnadengegenwart Gottes? Seid ihr noch nie unversehrt durchs Feuer der Verfolgung gegangen? Habt ihr nie Offenbarungen empfangen? Sind euch keine vorzüglichen Gnadenerweisungen zuteil geworden? Hat der Gott, der Salomo gab, was sein Herz begehrte, nie auf euer Seufzen geachtet und euer Verlangen erhört? Hat der Gott der überschwenglichen Güte, von welchem David sang: „Der deinen Mund fröhlich macht,“ dich nie mit dem Mark und Fett seiner Güte gesättigt? Hat Er dich noch nie geweidet auf grüner Aue? Hat Er dich noch nie geführt zum frischen Wasser? Sicher ist uns der Herr so gnädig und gütig gewesen, als den Heiligen der Vorzeit. Darum laßt uns seine Gnadentaten zum Preisgesange verweben. Wir wollen das lautere Gold der Dankbarkeit und die Edelsteine der Loblieder nehmen und sie zu einer neuen Krone zusammenflechten für unsers Jesu Haupt. Unsre Seelen sollen so lieblich erschallen wie Davids Harfen, wenn wir des Herrn Lob verkünden, des Gnade ewiglich währt. (Charles Haddon Spurgeon)


Verkleinere nicht, was du offenbar schon vom Herrn empfangen hast. Durchgehe die verflossenen Gnaden jähre, bitte Gott, Er möge dir ein treues Gedächtnis für Seine Wohltaten und Segnungen und für das, was Er schon an dir getan hat, schenken. Wenn das Herz mehr von Gottes Reichtum aufnehmen kann, so will es uns bisweilen scheinen, als sei alles nichts, was wir bis jetzt empfangen zu haben glaubten. Dem ist aber nicht so. Was du bis jetzt zu Jesu Füßen gelernt hast, das war alles eine notwendige Vorbereitung auf das, was du heute zu glauben, zu erbitten und zu erfassen vor dir siehst. Danke herzlich dafür, dass der Herr dich in Seine Arbeit genommen und dich bis jetzt so treu geführt hat. Dein j ewiger Gnadenstand ist das Resultat dessen, was du in der Schule des Glaubens bis jetzt gewonnen hast, und Er ist zugleich der Ausgangspunkt zur Gewinnung weiterer Gnade. Was dir bis jetzt genügte, reicht nicht mehr aus, du musst mehr haben, denn du vermagst jetzt mehr zu erfassen. Du bist älter und stärker in der Gnade geworden, nun warten andere Aufgaben deiner, neue Anforderungen treten an dich heran. Da musst du denn vorwärtseilen, dich ganz zu Gott halten, völlig abhängig von Ihm werden, im Glauben einen tiefen Griff in Seine Schäle tun und nehmen aus Seiner Fülle Gnade um Gnade. Gewiss sollst du immer Größeres sehen und erfahren; der Herr hat dich hierfür erzogen. Er kann Seinen Jüngern auf jeder Stufe nur so viel geben, als sie zu erfassen und zu bewältigen vermögen. Wer aber wirklich aus Gott geboren ist, den drängt es vorwärts, sein seliges Ziel ist: Gott zu schauen in Heiligkeit. (Markus Hauser)


Die Menschen vergessen die Wohlthat Gottes viel eher als ihre Leiden, und wenn sie auch fröhlich sind, so unterlassen sie gemeiniglich das Lob Gottes, und denken nicht daran, daß alles Gute, das sie genießen, von Ihm herkomme. David hat deßwegen seine Seele, das ist sich selbst zum Lob Gottes aufgemuntert, und sich gleichsam selber ermahnt, nicht zu vergessen, was der HErr ihm Gutes gethan habe. Was war denn das Gute, das der HErr ihm erzeigt hatte? Er sagte zu sich selbst V. 3. u.ff.: der HErr vergibt dir alle deine Sünden, und heilet alle deine Gebrechen; Er erlöset dein Leben vom Verderben, und krönet dich mit Gnade und Barmherzigkeit; Er macht deinen Mund fröhlich, daß du wieder jung wirst wie ein Adler. Hernach rühmt er auch allgemeine Gnadenerweisungen Gottes, und sagt: der HErr schaffet Gerechtigkeit und Gericht Allen, die Unrecht leiden, er hat Seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israel Sein Thun, barmherzig und gnädig ist der HErr, geduldig und von großer Güte u.s.w. Es ist wunderbar, daß David dieses Alles, sonderlich aber, was V. -5. steht, zu sich selber gesagt hat, als ob er und seine Seele zwei Personen wären, da doch seine Seele selber dieses Alles dachte und sagte. Allein die Menschen sagen oft etwas zu sich selber, wenn sie Gedanken ausbilden, welche sie selber angehen. Wie Mancher würde auch vor der ehrbaren Welt beschämt, wenn er die Gedanken heraussagte, die er von sich selber hat, oder zu sich selber sagt, indem er sich in seinen eingebildeten Tugenden, Gaben, Verdiensten und Vorzügen spiegelt, und bei dem Anblick seiner Werke gleichsam wie Nebucadnezar, Dan. 4,27., sagt: dieß ist die große Babel, die ich erbauet habe zu Ehren meiner Herrlichkeit. Wer aber Gott nicht verherrlicht, und sich selber Herrlichkeit nimmt, begeht eine große Sünde. David war, da er seine Seele zum Lob Gottes aufmunterte, sich seiner Sünden und Gebrechen bewußt. Diese allein waren sein eigen. Jene vergab ihm der HErr, und diese heilete Er: alles Gute aber schreibt er dem HErrn zu. Nach dieser Weise ist die ganze Bibel eingerichtet, und wer nicht wüßte, daß sie ein heiliges und göttliches Buch sei, könnte es daraus erkennen, daß sie überall Gott allein die Ehre gibt, den Menschen aber und allen Geschöpfen den niedrigen Stand unter Gott anweist, der ihnen gebührt. So lobe denn, meine Seele, nie dich selbst, sondern den HErrn, und gleichwie du deines ausgestandenen Leides lange nicht vergessen willst, also vergiß auch nicht, was der HErr dir Gutes gethan hat. Danke Ihm für dieses Gute, und laß deine Zuversicht zu dem HErrn, und deine Hoffnung, die sich auf’s Künftige erstreckt, dadurch gestärkt werden. Ich bin es nicht allein, der den HErrn lobet, denn ich darf wie David, V. 20.21.22., nicht als ein Gebietender, sondern als Einer, der sein Wohlgefallen und seine Uebereinstimmung bezeugt, sagen: lobet den HErrn, ihr seine Engel – lobet den HErrn, ihr Seine Heerschaaren – lobet den HErrn alle Seine Werke an allen Orten Seiner Herrschaft. Und in Verbindung mit diesen Allen: lobe den HErrn, meine Seele! (Magnus Friedrich Roos)

103:3 der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen,
So demütigend es auch ist, so ist es nicht weniger gewiß, daß wir alle mehr oder weniger von der Krankheit der Sünde heimgesucht sind und darunter leiden. Welch einen Trost gewährt es uns da, daß wir wissen, wir haben einen großen Arzt, der uns heilen kann und gern heilt! Seiner wollen wir heute abend gedenken. Seine Heilungen sind sehr rasch: ein Blick auf Ihn schenkt uns das Leben; seine Heilungen sind gründlich: Er greift die Krankheit in ihrem Sitze an; und darum sind seine Heilungen sicher und gewiß. Es mißlingt Ihm nie, und die Krankheit kehrt nie wieder. Es gibt keinen Rückfall, wo Christus heilt; kein Gedanke, daß etwa seine Kranken nur für eine Zeitlang hergestellt werden, Er macht neue Menschen aus ihnen; auch gibt Er ihnen ein neues Herz und einen neuen, gewissen Geist. Er ist wohl erfahren in allen Krankheiten. Ärzte befassen sich sonst hauptsächlich mit besonderen Erscheinungsformen gewisser Krankheiten. Obgleich sie fast mit allen unsern Leiden und Gebrechen einigermaßen bekannt sind, so gibt es doch gewöhnlich eine Krankheit, die sie gründlicher studiert haben, als alle übrigen; aber der Herr Jesus ist durchaus vertraut mit der ganzen menschlichen Natur. Er weiß ebensogut, wie Er mit dem einen Sünder daran ist, als wie mit dem andern. Er hat schon mit ungewöhnlich verwickelten, seltenen Gebrechen zu schaffen gehabt, aber Er hat auf den ersten Blick genau gewußt, wie der Patient mußte behandelt werden. Er steht als Arzt einzig in seiner Art da, und die Arznei, die Er gibt, ist die allein echte Lebensessenz, die in jeder Krankheit hilft. Worin auch unsre geistliche Krankheit bestehen mag, so sollten wir uns sogleich an diesen göttlichen Arzt wenden. Er verbindet die zerbrochenen Herzen. „Sein Blut macht uns rein von aller Sünde.“ Wir dürfen nur an die Tausende denken, welche durch die Macht und den Segen seiner Berührung von allen möglichen Krankheiten geheilt wurden, so können wir uns getrost seinen Händen überlassen. Wir vertrauen Ihm, und die Sünde erstirbt; wir lieben Ihn, so erblühen unsre Tugenden; wir harren auf Ihn, so wachsen wir in der Gnade; wir sehen Ihn, wie Er ist, so sind wir vollendet in Ewigkeit. (Charles Haddon Spurgeon)

103:4 der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit,

103:5 der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Sechsserley Wolthaten / erzelet der Prophet in diesen dreien Versen / fur welche er / seinem Exempel nach / alle Christgleubigen ermanet / Gott von gantzem hertzen zu loben und dancken.

Der dir alle deine sünde vergibt Die erste ist / das uns alle unsere sünde vergeben sind / in und durch Christum unsern einigen Mittler und Hohenpriester/ der den gerechten und schrecklichen zorn Gottes / wider unsere sünde / auff sich geladen und sich selbst dafur Gotte geopffert hat/ da durch er den ewigen Vater versünet hat / und uns an unterlas vertritt.
Und heilet alle deine Gebrechen. DIE ander / Das uns Gott die ubrigen Sünde / die uns noch ankleben bis in die grube / der nur viel / dazu gros und schwer / sind umb Christus willen / nicht zurechnen / sondern sie alle zudecken / reinigen und heilen wil.
Der dein Leben vom Verderben erlöset. DIE dritte / Das er uns zu dem teglich aus mancherley fahr des tods / da wir offtmals / umb unser sünde willen / in fewer / wasser verderben / Item durch schwerd / pestilentz oder durch ander plage / hetten umbkomen müssen / aus lauter gnade errettet / und beim leben erhelt.
Der dich krönet mit gnade und barmhertzigkeit. DIE vierde / Das er uns uber das / mit gnade und barmhertzigkeit / wie mit einem Schilde / kränet / den heiligen Geist gibt / der uns in der Warheit erhelt / in allen nöten tröstet / und mit seinen Gaben zieret.
Der deinen Mund frölich machet. DIE fünffte / Das er uns auch mut und freidigkeit gibt / das wir beide mit hertzen und mund / getrost und unverzagt / fur aller Welt / solche wolthaten Gottes rhümen und predigen / vielen zu nutz und besserung / das sie auch Gottes gnade und barmhertzigkeit erkennen / jn da fur loben / preisen / und in der not anruffen.
Und du wider jung wirst wie ein Adler. Die sechste / das wir in Christo wider zu recht gebracht / und newe Creaturen / nach Gottes ebenbild geschaffen werden / Das wir / durch hülffe des heiligen Geists / den wir durch den glauben empfahen / Gotte willig den newen gehorsam anfahen zu leisten / der in jenem Leben aller ding volkomen sein wird. etc.

103:6 Der HERR schafft Gerechtigkeit und Gericht allen, die Unrecht leiden.

103:7 Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israel sein Tun.

103:8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.
Ach, wollte Gott überall die traurigen Folgen unserer Vergehungen eintreten lassen, das menschliche Geschlecht wäre längst untergegangen in selbstbereitetem Verderben. Seine Gnade läßt oft auf eine Menge unserer Verirrungen gar keinen fühlbaren Schaden folgen. Der Verlust unseres Vermögens, unserer Ehre, unserer Gesundheit, unseres Lebens, wohl manchmal durch unser Verhalten verdient und verschuldet, ist ohne unser Zuthun durch eine höhere Fügung abgewendet worden. Die Strafen vieler Vergehungen treten erst spät und langsam ein. Gottes Mühle geht langsam, aber sie mahlt klein. Mancher Leichtsinnige begeht eine Thorheit über die andere, mancher Verwegene setzt die gefährlichsten Wagstücke wiederholentlich fort, mancher Bösewicht verübt immer noch dasselbe Verbrechen, ehe er entdeckt und bestraft wird. Wie lange währt es, ehe sich die Zerrüttungen zeigen, die so oft mancher Unmäßige, so mancher Wüstling durch wildes Stürmen in seine Gesundheit vorbereitet hatte! Es zeigen sich die Vorboten der künftigen Zerrüttung, es ergehen Warnungen an den sichern Sünder. Gott läßt ihn manche Blicke thun in den Jammer, der seiner wartet: aber Jahre lang verzieht die Strafe, oft erst am Ende des Lebens bricht es mit voller Macht hervor. Gott ist ein langer Borger, aber ein gewisser Zahler. Ja, der Herr ist geduldig und von großer Barmherzigkeit; er vergibt Missethat und Uebertretung: aber er lässet auch Niemand ungestraft, sondern suchet die Missethat der Väter heim an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. 4. Mos. 14, 18.
Herzuführen und selig machen will der Herr aber auch alle die, welche zwar seinen Namen tragen, aber in heidnischem Unglauben und heidnischen Sünden dahin leben. Er läßt sich an ihnen nicht unbezeugt: sie hören seine Hirtenstimme in den Stunden des Glückes und der Freude, in den Tagen der Noth und der Trübsal. Mit dem Stab Sanft und mit dem Stab Wehe klopft er an ihren Herzen an, um sie aus der Irre eines verfehlten Lebens, aus der Oede eines verlornen Daseins zu erretten und sie zu führen auf seinen grünen Auen und zu seinen frischen Wassern. Und wir werden es sehen, und unser Herz wird sich freuen, mit unaussprechlicher Freude: Eine Heerde, Ein Hirte! Alle wird er zu sich ziehen und sie werden unter sich selbst nicht mehr entzweiet sein. Der Friede, den er am Kreuze erworben, wird zum Friedensbande seiner ganzen Heerde werden. (Christian Wilhelm Spieker)

103:9 Er wird nicht immer hadern noch ewiglich Zorn halten.
Er wird zuweilen hadern, sonst würde Er kein weiser Vater für solche arme, irrende Kinder, wie wir es sind. Sein Hadern ist sehr schmerzlich für die, welche wahrhaft sind, weil sie fühlen, wie sehr sie es verdienen, und wie unrecht es von ihnen ist, Ihn zu betrüben. Wir wissen, was dieses Hadern bedeutet, und wir beugen uns vor dem Herrn und trauern darüber, daß wir Ihm Anlaß geben, mit uns zu zürnen.
Aber was für einen Trost finden wir in diesen Zeilen! „Nicht immerdar“ will Er hadern. Wenn wir Buße thun und uns zu Ihm wenden mit einem Herzen, das gebrochen ist um der Sünde willen und ihr entsagt hat, wird Er sofort freundlich gegen uns sein. Es ist Ihm kein Vergnügen, denen, die Er von ganzem Herzen liebt, ein strenges Antlitz zu zeigen: es ist seine Freude, wenn unsre Freude voll ist.
Kommt, laßt uns sein Angesicht suchen. Es ist kein Grund da zum Verzweifeln, nicht einmal zum Verzagen. Laßt uns einen hadernden Gott lieben, und nicht lange, so werden wir singen: „Dein Zorn hat sich gewendet, und Du tröstest mich.“ Hebt euch hinweg, ihr düstern Ahnungen, ihr Raben der Seele! Kommt herein, ihr demütigen Hoffnungen und dankbaren Erinnerungen, ihr Tauben des Herzens! Er, der uns längst als Richter begnadigt hat, will uns wiederum als Vater vergeben, und wir sollen uns in seiner süßen, unveränderlichen Liebe freuen. (Charles Haddon Spurgeon)

103:10 Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.

103:11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine Gnade walten über die, so ihn fürchten.

103:12 So ferne der Morgen ist vom Abend, läßt er unsre Übertretungen von uns sein.

103:13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, so ihn fürchten.
Indem sich Gott in Seinem Wort mit einem Vater vergleicht, ja den Namen Vater Sich selber beilegt, so hat Er uns auch dadurch einen Weg zur Erkenntniß Seiner bahnen wollen, weil doch bekannt genug ist, was ein Vater und ein väterliches Herz unter den Menschen sei. Nun ist zwar ein Vater, dergleichen einer Eli war, kein ächtes Bild des himmlischen Vaters, auch ist ein tyrannischer Vater, der seine Kinder erbittert und muthlos macht, kein solches Bild: aber ein treuer Vater, der mit Weisheit, Treue und Geduld, mit Gelindigkeit und heilsamer Strenge für seiner Kinder Heil besorgt ist, kann ein solches Bild heißen; wiewohl wir doch an die Rede Christi Matth. 7,11. und Luk. 11,13. gedenken sollen, in welcher Er alle irdischen Väter arge Menschen heißt, und ihnen den Vater im Himmel unendlich weit vorzieht. Was ist aber die vornehmste Eigenschaft eines väterlichen Herzens? Dieses ist’s, daß sich ein Vater über seine Kinder erbarmet; da denn David sagt: eben so erbarmt sich der HErr über die, so Ihn fürchten. Diese Erbarmung wird Ps. 103. ausführlich erklärt. Der HErr siehet bei denselben die Sünden als Sünden an, und liebt die Missethaten nicht; wenn aber der Mensch zur Gottesfurcht umkehrt, so vergibt Er, so heilet Er die Gebrechen. Er züchtiget zwar, hingegen handelt Er nicht mit uns nach unsern Sünden, und vergilt uns nicht nach unserer Missethat. Versuchungen und Kreuz verhängt Er so über uns, daß Er dabei unsere Schwachheit in die Rechnung nimmt. Er kennet, was für ein Gemächt wir sind, Er denket daran, daß wir Staub sind. Seine Gnade währet länger als unser Leben, sie währet auf Kindeskinder hinaus, sie währet ewig. Dieses heißt väterlich gehandelt. Wer sollte nicht einer solchen Behandlung froh sein? Fürchten muß man aber den HErrn, wenn man eine solche Behandlung genießen will; denn wer freventlich sündigt, wer Seine Güte mißbraucht, wer Seine Worte hinter sich wirft, wird nach den strengen Rechten des Gesetzes, worin sich Gott als ein starker eifriger Gott, und als der allerhöchste HErr über Alles offenbaret, gerichtet und gestraft. Hier gibt’s einen Zorn, hier gibt’s Feuerflammen, hier gibt’s ein ewiges Verderben. Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes fallen. So wollen wir denn in der Furcht Gottes wandeln, und heute nichts reden oder thun, welches unserm Nächsten den Anlaß geben könnte, zu uns zu sagen: und du fürchtest dich auch nicht vor Gott. Die Furcht des HErrn ist der Weisheit Anfang. Die Furcht des HErrn hasset das Arge, die Hoffart, den Hochmuth, und bösen Weg, Spr. Sal. 8,13. Gleichwie der Vatername Gottes ein kindliches Vertrauen bei uns erwecken soll, also soll der Name HErr (Jehovah) uns in eine tiefe Ehrfurcht setzen. Gott ist allein derjenige, der ist, und der war, und der sein wird. Wir aber haben unser schwaches Wesen Seinem Willen zu danken. Er bleibet wie Er ist, wir vergehen. Auch Seine Gerechtigkeit ist unveränderlich. Weil wir nun denjenigen als Vater anrufen, der als der Ewige und Unveränderliche ohne Ansehen der Person richtet nach eines Jeglichen Werk, so sollen wir unsern Wandel, so lange wir hier wallen, mit Furcht führen, 1 Petr. 1,17.(Magnus Friedrich Roos)


Wie betrübt ist es doch, im Elend und Jammer mit harten und unfreundlichen Leuten zu thun haben. Allein ein betrübtes Kind Gottes soll versichert seyn: 1) daß sein getreuer Gott im Himmel wisse all sein Leiden, Elend und Kreuz, wie groß und schwer es sey, wie lange es daure, und wie empfindlich es der Seele sey; nicht allein aber weiß es Gott, sondern 2) er erbarmet sich auch des Elenden. In Betrachtung dessen, daß Gott also barmherzig ist, soll 3) ein Betrübter nicht verzagen, sondern zu dem barmherzigen Gott seine Zuflucht nehmen; denn die Betrübten sollen getröstet werden. 4) Gott erweiset aber seine Barmherzigkeit gegen die Elenden, theils, wenn er ihnen giebt Freudigkeit und getrosten Muth, theils wenn er in ihrem Leiden ihnen Stärke giebt, daß sie es ausstehen und tragen können, theils aber auch, wenn er es gar von ihnen nimmt. Erbarmet sich ein Vater über sein Kind, so wird Gott den Betrübten in seinem Elend nicht verderben lassen. (Johann Friedrich Stark)

103:14 Denn er kennt, was für ein Gemächte wir sind; er gedenkt daran, daß wir Staub sind.

103:15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld;

103:16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

103:17 Die Gnade aber des HERRN währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

103:18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, daß sie darnach tun.

103:19 Der HERR hat seinen Stuhl im Himmel bereitet, und sein Reich herrscht über alles.

103:20 Lobet den HERRN, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seine Befehle ausrichtet, daß man höre auf die Stimme seines Wortes!

103:21 Lobet den HERRN, alle seine Heerscharen, seine Diener, die ihr seinen Willen tut!

103:22 Lobet den HERRN, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den HERRN, meine Seele!1); 2)
Mit diesem Davidischen Lobgesange schließe ich billig diese Buß- und Betwoche des Jahres. Mein Herz ist von Natur gar träge und verdrossen zum Lobe Gottes und zum Danke für die von Ihm empfangenen Wohlthaten. Darum ist gewiß eine Aufmunterung nöthig, mich selbst also anzureden: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat! Nicht genug ist’s, mit dem Munde Gott zu loben und mit den Lippen Ihn zu ehren; sondern die Seele muß selbst in Lob und Dank Gottes übergehen, alle ihre Kräfte und alle Blutstopfen müssen mit dem Preise des Herrn beschäftigt sein. Es fordert ja Gott für alle Seine Wohlthaten nichts mehr, als nur einen Dank. Das müßte demnach eine verfluchte Creatur sein, die sich dessen weigerte. Die Wohlthaten Gottes sind freilich unzählbar; aber die größten sind doch die, welche David im obigen Psalm anführt, und an welche mich namentlich diese Bußwoche erinnert. An ihrer Spitze steht die Vergebung der Sünden: wer kann sie in ihrer erquicklichen, tröstlichen Kraft gebührend genug beschreiben? Darauf folgt die Heilung unserer Gebrechen: ach, Seele und Leib haben tausend Gebrechen, der Herr aber ist unser Arzt, der sie alle durch sein Macht- und Gnadenwort heilt! Daran reiht sich die Erlösung vom Verderben, in welches Sünde und Teufel uns stürzt, und von welchem kein Mensch uns erretten kann: Er hat uns die Augen geöffnet, daß wir es sahen und erschraken, Er hat uns auf allen Seiten mit Seiner Gnade gekrönt wie mit einem Schilde und Seine Barmherzigkeit uns zu einem Walle und einer Mauer gesetzt, daß uns der Sünde und des Satans List und Macht nichts hat schaden können. Endlich hat Er uns nach dem Schmerz der Reue auch den Mund wieder fröhlich gemacht und die Kräfte unseres Geistes und Leibes erneuert durch die reichen Mittheilungen Seiner göttlichen Gnade. Darum Hallelujah! Wer recht danken kann, kann auch recht genießen. Dein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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