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Hebräer, Kapitel 12

Hebräer, Kapitel 12

12:1 Darum wir auch, dieweil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.

12:2 und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht und hat sich gesetzt zur Rechten auf den Stuhl Gottes.1)
Fort und fort ist es das Werk des Heiligen Geistes, unsre Augen von uns ab und auf den Herrn Jesum hinzulenken. Aber Satans Werk läuft dem geradezu entgegen, denn er versucht beständig uns dahin zu bringen, dass wir auf uns selber sehen, statt auf Christum; er flüstert uns zu: „Deine Sünde ist größer, denn dass sie dir vergeben werden möge; du hast keinen Glauben; du empfindest nicht genug Reue; du wirst nie und nimmer bis an das Ende beharren; du weißt nichts von der Freude seiner Kinder; ach, du hast einen so zweifelhaften Anspruch an deinen Heiland.“ Das alles sind Gedanken, die dein eigenes Ich voranstellen, und wir können beim Blick auf uns ja weder Trost noch Zuversicht finden. Aber der Heilige Geist lenkt unsre Blicke ganz von unserer eigenen Person ab; Er sagt uns, dass wir nichts sind, sondern dass „alles und in allem Christus“ ist. Darum erwäge: es ist nicht dein Ergreifen und Festhalten des Herrn Jesu, was dich errettet - der Herr Jesus selber ist‘s; es ist nicht deine Freude an Christo, was dich selig macht - Christus selber ist‘s; es ist nicht einmal der Glaube an den Sohn Gottes, obgleich der Glaube das Mittel ist - sondern es ist Christi Blut und Verdienst; darum siehe nicht so sehr auf deine Hand, die du nach Christo ausstreckst, als auf Christum selber; siehe nicht auf deine Hoffnung, sondern auf Jesum, die Quelle deiner Hoffnung; siehe nicht auf deinen Glauben, sondern auf Jesum, den Anfänger und Vollender deines Glaubens. Wir finden nie Glück und Seligkeit darin, dass wir auf unsre Gebete und unsre Gefühle, auf unsre Werke sehen; was Jesus ist, nicht was wir sind, gibt unsrer Seele Ruhe. Wenn wir Satan wollen überwinden, und Frieden haben mit Gott, so muss es geschehen dadurch, dass wir „aufsehen auf Jesum.“ Richte dein Auge einfältiglich auf Ihn; lass es ruhen auf seinem Tod, seinen Leiden, seinen Tugenden, seiner Herrlichkeit, seiner Fürbitte, und lass dein Gemüt dadurch erquickt werden; wenn du am Morgen aufwachst, so sieh‘ auf Ihn; wenn du dich des Abends wieder niederlegst, so sieh‘ auf zu Ihm. Ach, lass sich nicht deine Hoffnungen und Befürchtungen zwischen Ihn und dich eindrängen; bleibe in seiner unmittelbaren Nähe, so wird Er dir nimmer mangeln. „Erleuchte meine Seele ganz, Du starker Himmelsglanz!“ (Charles Haddon Spurgeon)


Der Herr ist dein Hirte, dein Hort und deine Zuflucht, Er ist dein Teil. Es ist uns alles Heil bereitet und aufgeschlossen in Jesus. Dafür aber müssen wir nun sorgen, dass wir Seine Gaben und Gnaden hineinziehen in unsere Seele. Von den Wogen weg blicke auf den Herrn. Von den Mängeln und Gebrechen deiner Seele weg blicke auf den Herrn. Von den Leiden, Nöten und Krankheiten deines Leibes blicke hinweg auf den Herrn. Und in aller deiner Arbeit und Mühe halte den Blick fest auf Ihn gerichtet. Bringe alles mit Ihm in Beziehung, flehe um Licht, um Kraft, um Hilfe. Wir sind der Hilfe beraubt, wenn wir zweifeln; wir werden mutlos und verzagt, wenn wir uns von den Sorgen einnehmen und einschließen lassen; wir machen eine Scheidewand zwischen uns und Jesus, wenn wir an irgendeiner Sache hängen bleiben. Das, was uns mangelt und drückt, was uns fehlt und quält, bereitet dem Herrn keine Schwierigkeit, Er ist und bleibt der Allmächtige; was Ihn aber hindert, einzugreifen, das ist unser Eingenommensein von der Krankheit, oder von dem Ungemach, oder von den Schrecknissen der Seele. Reiße dich los von dir selbst, denn Jesus lebt, Jesus liebt, ist dir nahe, ist allvermögend; auf Ihn blicke, „mit Ihm rede, Ihm vertraue! Der überwindet die Welt, der auf nichts achtet als auf Christus allein. Da, und nur da, tut Er Großes. Wir müssen nicht immer mit den Verhältnissen rechnen, das bannt an die Erde; wir sollen aber immer auf den Heiland blicken und Ihn hochhalten, das macht fröhlich und heiter. Sollte Ihm etwas unmöglich sein? (Markus Hauser)


Sagt da ein armer seelenblinder Mann: Jesus habe überhaupt nie gelebt - so kann der Mann einem leid tun. Was hat er von seinem Leben ohne Jesus? Woran hat er solches Schielen, solches Vorbeisehen gelernt? Kamen ihm denn keine wahren Jünger Jesu in den Weg, die ihm etwas von der Herrlichkeit, der verborgenen Schönheit offenbaren konnten? Wir können es ja gar nicht mehr lassen, seit unsere Seelen mit weitgeöffnetem Blick Jesum erspäht, als nach ihm zu blicken ohn' Unterlaß. Die leiblichen Augen geschlossen, die Hände gefaltet, so sehen wir den König in seiner Schöne, so kann er sich uns offenbaren - auch ungesehen. Immer wieder sehen wir von uns weg, von unseren Wünschen und Träumen weg, nur auf ihn. Wie wir ihn erlebt haben, wie wir seine Liebe erfuhren, wie er sich ernst oder mild zu uns geneigt, als wir in Trauer und Tränen saßen, so erscheint er jedem in einer ganz besonderen Art, aber doch so, daß wir mit heimlichem Beben und süßem Schauer spüren: Es ist der Herr! Darum, laßt uns aufsehen - von der Erde weg, vom Niedrigen weg auf Jesum und auf ihn allein.
Meine Augen suchen deine Augen, Herr Jesus! Mein Herz sehnt sich nach deinem Herzen. Lege deine Worte in meinen Mund und deinen Wink in meinen Willen und dein Tun in meine Hand und deinen Weg vor meinen Fuß. Amen. (Samuel Keller)


Zwei Arten von Blicken haben mir viel geschadet in meinem Heiligungsleben; dagegen geholfen hat nur die dritte Art. Der eine gefährliche Blick war der auf andere Christen. Entweder rief er den Richtgeist wach und den Hochmut, weil ich mir besser und frömmer vorkam als sie, oder den Neid und die Unzufriedenheit, wenn mir schien, sie hätten es leichter als ich. Der zweite Blick war der aufs eigene Herz. Bisweilen achtete ich so scharf auf jedes Abtun einer bestimmten Sache, als gäbe es außerdem nichts, oder ich studierte meinen Fortschritt in der Heiligung am Ernst meiner Gebete. Mutlos oder übermütig bin ich durch diese Art von Selbstbeobachtung oft geworden; - besser nie. Lasset uns aufsehen auf Jesum! Das ist der Lebensblick! Wie oft hat dieser Blick mich froh und frei gemacht. Ein einziger Blick in seine Augen beschämte meinen Trotz oder Kleinglauben, verscheuchte eine schillernde Versuchung oder schuf mir Geduld und Liebe, wie ich sie gerade brauchte. Seither messe ich meine eigenen Fortschritte nicht, sondern hänge an seinen Augen. Nur dann kann ich die leiseste Trübung durch eine Untreue sofort spüren; nur dann kann er mich mit seinen Augen leiten.
Und du, Herr Jesus, laß uns leuchten dein Antlitz. Sieh mich freundlich an, so bin ich erquickt. Ich bin ein verlorenes, armes Kind, wenn ich deine Augen nicht entdecken kann. Du bist meiner Augen Licht. Ach Herr, verlaß mich nicht! Amen. (Samuel Keller)

12:3 Gedenket an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, daß ihr nicht in eurem Mut matt werdet und ablasset.

12:4 Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden in den Kämpfen wider die Sünde
Wachet und betet, ruft uns der Meister zu. Wer wacht und betet, den bewahrt Gott. Wenn wir aber nicht in Jesus bleiben, sondern unsere Festung verlassen, kann uns Satan unvermerkt überfallen. Zurückgebliebene Wurzelfasern früherer Sünden bilden immer wieder eine Angriffsmöglichkeit für den Feind. Die wunde Stelle ist der Anfechtung Eingangstor. Wir müssen uns selber genau kennen. Worin bist du besonders schwach und anfechtbar? Ist es nicht auffallend, wie manche Jünger bis zu ihrem Lebensende immer und immer wieder mit ein und derselben Sünde zu kämpfen haben? Was ist da zu tun? Wenn der Feind gegen dich aufsteht und es dir ist, als müssest du doch noch fallen, so nimm zu Gott deine Zuflucht und ersuche Gotteskinder um ihre Fürbitte. Entdecke ihnen deinen Jammer, verrate den Feind, mache offenbar seine Gedanken und Pläne. Wer ein teilnehmendes Herz findet, wird bald den Sieg erlangen. Aber es gilt lauter und aufrichtig zu sein. Wer mit der Sünde spielt, darf keine Hilfe wider sie suchen. Den Aufrichtigen lässt es der Herr gelingen Wo zwei zusammenstehen, ist der Sieg gewiss. Endlich wirst auch du bis aufs Blut widerstanden haben Durch Gottes Gnade wirst du gerade darin stark, worin du früher schwach warst. O, wie lobst du nun Gott! Und du weißt es jetzt aus eigener Erfahrung, was es ist um die Gemeinschaft der Heiligen. Der Herr ist mitten unter den Seinen, darum gewinnen sie den Sieg über Sünde, Welt und Teufel. Wie ein Hirt seine Herde, also will auch der Herr Seine Schafe weiden. (Markus Hauser)

12:5 und habt bereits vergessen des Trostes, der zu euch redet als zu Kindern: „Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des HERRN und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst.

12:6 Denn welchen der HERR liebhat, den züchtigt er; und stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt.“
Der Apostel führt hier Worte des Königs Salomo an, welche Sprüchw. 3,11.12. stehen. Mein Kind, mein Sohn, sagt der Geist des Herrn durch Salomo und den Apostel zu einem Jeglichen unter ihnen. Dieses Kind oder dieser Sohn wird gewarnt, die Züchtigung des HErrn nicht zu verwerfen, oder gering zu achten, wie man etwas Ungereimtes oder Unbilliges verwirft oder gering achtet. Wenn nämlich die Menschen gehört haben, daß Gott Liebe sei, und Vater heiße, und Seine Güte ewig währe, und wenn sie überdieß von ihrer eigenen Frömmigkeit eine allzugute Meinung haben: so kann es gar leicht geschehen, daß sie die Züchtigung des HErrn, die ihnen widerfährt, als etwas, das mit der Liebe und Gerechtigkeit streite, verwerfen, oder daß sie dieselbe als etwas, das unnöthig oder unbillig sei, gering achten. Vor diesem Trotz, welcher die Ehre Gottes geradzu antastet, werden wir von Salomo und dem Apostel gewarnt. Sie versichern uns, daß der HErr denjenigen liebe, den Er züchtige, und denjenigen in Seine gnädige Vorsorge aufnehme, den Er stäupe. Sie lassen’s also so gar nicht gelten, daß die Züchtigung der Liebe entgegen stehe, daß sie dieselbe vielmehr als ein Zeichen der Liebe vorstellen. Wer dieses nicht glauben kann, halte eine Zeit lang mit seinen Gedanken und Reden inne, bis ihm das Licht besser aufgeht, und ihm insonderheit der Nutzen der Züchtigungen, worauf die heil. Schrift sehr oft weiset, vor’s Gesicht kommt.
Es gibt aber auch noch eine andere Unart des menschlichen Herzens, welche sich unter den Züchtigungen des HErrn offenbart. Wenn dem Menschen seine Sünden dabei aufgedeckt werden, und er sich vieler Vergehen schuldig achten muß, so siehet er die Züchtigungen nur nach dem Gesetz, und nicht auch nach dem Evangelium an. Er denkt: was mir widerfährt, habe ich mit meinen Sünden verdient; und denkt hierin recht. Der Unglaube aber gehet weiter, und sagt: nun bricht der Zorn Gottes über mich aus, nun wird mir’s auf’s Härteste gehen, nun wird Gott nicht nachlassen, bis Er mich ganz vertilgt und verderbt hat. Diesem Unglauben wollen Salomo und die Apostel steuern, indem sie zu dem gezüchtigten Menschen sagen: sei nicht ungeduldig, verzage nicht. sie versichern dabei, der Grund der Züchtigung sei kein verdammender Zorn, sondern Liebe, und es sei dabei nicht auf’s Vertilgen und Verderben, sondern auf die Aufnahme in das Leben, auf die Heiligung, und auf einen Nutzen, den man bei dem Genuß des Friedens Gottes spüren soll, angesehen, s. Hebr. 12,9.10.11. Ja sie bezeugen, das Verhältniß, das zwischen Gott und dem gezüchtigten Menschen ist, sei nicht dasjenige, das zwischen einem Richter und einem Uebelthäter, der verdammt und den Peinigern übergeben wird, sondern dasjenige, das zwischen einem Vater und seinem Sohn ist. folglich dürfe man zwar unter den Schmerzen, welche die Züchtigung verursacht, klagen, weinen, bitten: hingegen sei der Unglaube, welcher verzagen, fliehen, und das Aeußerste befürchten will, ganz unschicklich. Gott lehre uns durch Seinen Geist Seine Züchtigungen recht beurtheilen, und mit einem demüthigen Glauben annehmen, so wird die Frucht derselben bei uns herrlich sein.(Magnus Friedrich Roos)


Paulus hatte die Absicht, in der ersten Hälfte des 12. Kap. seines Briefs an die Hebräer die Bewegungsgründe zur christlichen Geduld im Leiden vorzutragen, dem Christen die Mittelstraße zwischen jener unnatürlichen Unempfindlichkeit, welche die heidnische Weltweisheit zur Tugend erhob, und dem gefährlichen Leichtsinn, der vermittelst der Zerstreuungen über das Unangenehme mit unglaublicher Geschwindigkeit hinweghüpfen will, aber auch der unglaubigen Schwermuth, die in den Wegen Gottes nichts als Zorn-Gerichte erblickt, zu zeigen. Jeder dieser Abwege ist für das Christenthum gefährlich und führt von Gott ab. Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünket uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein, sagt der Apostel. Alle Leiden, sie mögen von außen auf den Menschen zustürmen, oder ihr Dasein bloßen Vorstellungen, oder der geheimen Stimme des Gewissens zu danken haben, erregen in der Seele traurige und unangenehme Empfindungen, und darin besteht dann nicht die Stärke des Christenthums, daß man diese Empfindungen ersticke. Man soll und darf das Wehethuende empfinden, soll aber nicht bei dem Gegenwärtigen stehen bleiben. Eine weise Hand ist es, die Alles in der Welt ordnet, und diese Hand Gottes, der lauter Liebe ist, theilt einem Jeden sein Leiden zu; aber warum nicht lauter Freuden? deßwegen, weil Gott durch Leiden das wahre Wohl der Menschen befördern will, und um ihrer Beschaffenheit willen nicht ohne Leiden befördern kann. Er züchtiget uns zu Nutz, auf daß wir Seine Heiligung erlangen (Hebr. 12,10.). Besserung, Heiligung, ohne welche Niemand den HErrn sehen wird, ist also der Zweck der väterlichen und mannigfaltigen Züchtigungen Gottes in diesem Leben, folglich ist der Grund davon Liebe. – Man darf also nicht davor zurückbeben, nicht davor fliehen, nicht darüber murren. Züchtigungen sind dem Menschen so nöthig und heilsam zu seiner Erziehung für die Ewigkeit, als dem Kinde die Ruthe seines leiblichen Vaters; aber jede Züchtigung hat nicht nur ihren Grund in der Liebe des Vaters, sondern auch in einer eigenen Unart des Kindes; und diese Unarten, diese Fehler an sich unter den Züchtigungen Gottes mit unparteiischer Sorgfalt aufsuchen, sie sich durch den Geist Gottes aufdecken lassen, das ist auf Seiten des Menschen so nothwendig, wenn der wohlthätige Zweck Gottes erreicht werden soll, als jenes Mittel selbst; sonst würde die traurige Wahrheit an dem Menschen erfüllt: Du schlägest sie, aber sie fühlen’s nicht, Du plagest sie, aber sie bessern sich nicht. Sie haben ein härter Angesicht als ein Fels, und wollen sich nicht bekehren. Jer. 5,3. Es ist ein liebreicher Rathschluß Gottes, daß ein verlorner Sohn endlich auf irgend eine Weise darben soll; der heilsame Zweck Gottes wird aber nicht erreicht, es sei denn, daß derselbe in sich schlage, und sich aufmache und zu seinem Vater gehe u.s.w., Luk. 15,11. ff. Anfechtungen sind auch den Wiedergebornen nöthig, werden aber nur alsdann heilsam, wenn ihr Glaube dadurch wie das Gold geläutert wird. 1 Petr. 1,6.7. So will ich denn auch heute mich der Liebe meines Vaters anbefehlen und ruhig überlassen, von Seiner Hand gerne annehmen, was sie mir zu thun und zu leiden anweisen wird, vor allen Dingen aber mir den großen Gedanken tief einprägen, daß ich mit jedem Tag in der Heiligung zunehmen, und zu der seligen Ewigkeit tüchtiger werden soll.(Magnus Friedrich Roos)

12:7 So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?

12:8 Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sind alle teilhaftig geworden, so seid ihr Bastarde und nicht Kinder.
Neubekehrte sollten diese Worte immer wieder lesen, erwägen, beherzigen. Sie geben über vieles Licht und Aufschluss. Finden nicht manche deiner Herzensfragen hier ihre Lösung? Noch sind wir nicht am Ziele, wenn wir uns zum Herrn bekehrt haben. Das vergessen wir gar leicht. Der Herr will aber Sein angefangenes Werk nicht liegen lassen. Die Vollendung der Seinen bietet Schwierigkeiten, aber sie muss allen Ernstes ins Auge gefaßt werden. Auch hierfür sind wir Ihm zu Dank verbunden. Auf den wunden Fleck legt der große Arzt Seinen Finger. Er will uns aufmerksam machen auf das, was noch erlangt werden soll. Die Reinigung unseres Wesens ist aber mit Schmerzen und Demütigungen verbunden. Die Bewährung erfordert anhaltenden Fleiß und große Treue. Das Überwinden geht fort bis zum legten Atemzuge und kann sich ohne heiße Kämpfe und schwere Proben nicht vollziehen. Es handelt sich eben nicht um ein Schablonenchristentum, es muss alles durchgekämpft und das Göttliche durch Glaubenstreue immer tieferes Eigentum unseres Wesens und Charakters und Geistes werden. O, wie viel wird hierin gefehlt! Neubekehrte werden nicht selten in den Wahn eingewiegt, als ob ihnen Gott alles nur so mitteilen und eingießen könnte. Wie ganz anders aber gestaltet sich die Wirklichkeit! Wandle im Licht, nimm jede Züchtigung dankbar an. Sobald wir widersprechen und widerstreben, öffnen wir uns der bösen Geisterwelt und verschließen uns dem Herrn. Es kann ohne Züchtigung nicht abgehen. Genügen aber Winke, so greift der Vater nicht zur Rute. Höre des Geistes zurechtweisende Stimme! (Markus Hauser)
Ob es schon, wie Salomo Pred. 9,2. sagt, nach dem äußerlichen Ansehen dem Gerechten wie dem Gottlosen geht, so ist doch nach einer andern Seite das Leiden der Gerechten von dem Leiden der Gottlosen sehr unterschieden. Jene werden als Kinder gezüchtiget, tragen ihr Kreuz, das sie auf sich nehmen, und leiden mit Christo: diese aber haben ihre Plagen, und werden im eigentlichen Verstand gerichtet und gestraft, wiewohl der Zweck Gottes hiebei, so lange die Gnadenzeit währet, ihre Bekehrung ist. Paulus schrieb an die Hebräer: wenn ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut Sich euch Gott als Kindern. Dasjenige also, was Kinder Gottes leiden, ist Züchtigung. Wie ein Vater bei der Erziehung seiner Kinder Schläge braucht, damit sie sich bessern, also braucht der himmlische Vater bei Seinen Kindern auch Schläge, damit sie sich bessern. Derjenige Mensch kennt sich selber nicht, der sich einbildet, die Worte Gottes würden ihn ohne Schläge oder Züchtigung zum Ziel der Vollkommenheit bringen, denn im Stand der Unschuld wäre dieses möglich gewesen, die verderbte Natur aber macht die Züchtigung nöthig. Wie aber? möchte man sagen, können Schmerzen fromm machen? Können Leiden für sich selbst die Seele bessern? Nein, sondern sie sind nur ein Mittel, die Seele aufzuwecken und auf die Worte Gottes aufmerksam zu machen. Sie sind ein Zaum, den Menschen von Ausschweifungen, von schädlichem Genuß eitler Dinge, und von befleckendem Umgang mit Weltmenschen zurückzuziehen. Sie sind ein äußerlicher Antrieb zum Gebet, und ein Wermuth, den Gott auf das Wesen dieser Welt streuet, das der Mensch sonst allzu lieb hat, über das er aber alsdann gern hinüber sieht, um ein Vaterland, in welchem kein Leiden ist, zu erblicken. Die Seele wird also unter dem Leiden in eine Verfassung gesetzt, bei welcher ihr der Heilige Geist durch’s Wort besser als sonst bekommen und diejenige kräftige Wahrheit beibringen kann, welche von der Sünde frei macht. Deßwegen hat Petrus, 1 Petr. 1,6.7., an die auserwählten Fremdlinge schreiben können: ihr seid traurig in mancherlei Anfechtungen, auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durch’s Feuer bewähret wird. Paulus aber sagt Röm. 5,3.4.5.: wir rühmen uns der Trübsale, dieweil wir wissen, daß Trübsal Geduld bringet, Geduld aber bringet Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässet nicht zu Schanden werden; 2 Kor. 4,17.18. aber steigt er in seiner Rede hoch empor und sagt: unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Wenn man diesen Nutzen der Trübsal einsieht und empfindet, so kann man glauben, daß Sich Gott, wenn Er die heilsbegierigen Menschen züchtiget, gegen sie erbiete oder erzeige, wie ein Vater gegen Kinder, die er lieb hat, und dieser Glaube stärket die Seele, die Züchtigungen zu erdulden oder geduldig zu ertragen. Züchtige mich, HErr, doch mit Maßen und nicht in Deinem Grimm, daß Du mich nicht aufreibest. (Magnus Friedrich Roos)

12:9 Und so wir haben unsre leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt und sie gescheut, sollten wir denn nicht viel mehr untertan sein dem Vater der Geister, daß wir leben?

12:10 Denn jene haben uns gezüchtigt wenig Tage nach ihrem Dünken, dieser aber zu Nutz, auf daß wir seine Heiligung erlangen.

12:11 Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünkt uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind.
Wie selig sind schwergeprüfte Christen nach der Züchtigung. Keine Ruhe Wist tiefer denn jene, die auf einen Sturm folgt. Wer hat sich nicht nach Regengüssen über den hellen Sonnenschein gefreut? Siegesmahle gebühren nur den wohlbewährten Kriegern. Wenn der Löwe erwürgt ist, essen wir von seinem Honig; wenn wir erst den Hügel der Schwierigkeit überwunden haben, setzen wir uns in der Laube zur Ruhe nieder; nachdem wir das Tal der Demütigung durchschritten und mit Apollyon gekämpft haben, erscheint der Strahlende mit dem heiligen Zweig vom Baum des Lebens. Unsre Trübsale lassen gleich dem Kiel der Schiffe, die das Meer durchziehen, eine glänzende Linie heiligen Lichtes hinter sich zurück. Erst der Kiel, „danach“ das Licht. Es ist Friede, süßer, tiefer Friede im Gefolge der furchtbaren Brandung, die einst in unsern schuldbeladenen, gequälten Seelen herrschte. Darum siehe, in was für einem glücklichen Stande der Christ sich befindet! Er empfängt das Beste zuletzt, und darum wird ihm in dieser Welt das Schlimmste zuerst zuteil. Aber auch das Schlimmste ist „danach“ für ihn etwas Gutes, und tief gepflügt gibt gute Ernte. Schon jetzt wird er reich durch seine Verluste, erhebt er sich durch seine Erniedrigung, lebt er durch sein Sterben, und wird erfüllt durch seine Entäußerung. Wenn ihm denn seine schweren Heimsuchungen so viele friedsame Frucht schon in diesem Leben gewähren, was wird erst die volle Ernte der Freude sein, die ihm zuteil wird im Himmel, in der Herrlichkeit „danach?“ Wenn das Dunkel seiner Nächte schon so hell ist, wie die Tage dieser Welt, wie werden erst seine Tage sein? Und wenn der Sternenglanz seines Himmels glänzender strahlt als die Sonne, wie herrlich muss das Licht seiner Sonne sein? Wenn er in der grausamen Grube kann singen, wie süß tönt sein Gesang im Himmel! Wenn er den Herrn im Feuer loben kann, wie wird er Ihn erheben vor dem Thron der Ewigkeit! Wenn ihm schon jetzt das Böse zum Heil dient, was wird die überströmende Güte Gottes ihm „danach“ sein? O seliges „Danach!“ Wer möchte nicht ein Christ sein? Wer möchte nicht das gegenwärtige Kreuz tragen für die Krone „danach?“ Aber hier ist Geduld vonnöten, denn die Ruhe kommt nicht heute, noch der Sieg jetzt, sondern „danach.“ Harre, o meine Seele, und lass die Geduld ihr Werk vollenden. (Charles Haddon Spurgeon)


Wenn man sehr in die Enge geführt wird und darunter viel leidet, ist es eben in der Regel eine Züchtigung dafür, daß man nicht genug aufgemerkt hat, nicht einzig genug auf den HErrn geblickt, Seine Sache nicht genug im Auge gehabt, mehr sich selbst als Ihm gedient hat - ja wohl gar schwere Versündigungen sich hat zuschulden kommen lassen. Dabei verfängt man sich denn und kommt vor eine Wand, durch die man nicht hindurch zu kommen weiß; und so gibt's Pein, Kummer, Trübsal, Schmerz aller Art. Züchtigung ist's für die Untreue, die man sich erlaubt hat. Und schon bei dem Gefühl, daß es nicht mehr gehe, gibt's eine Traurigkeit über die andere, oder es kommt auch Gott mit einem Rutenschlag auf den andern. Dann ist's dem Menschen nicht mehr wohl und ist's ihm keine Freude. Indessen kommt's jetzt nur darauf an, wie man sich zu solchen Züchtigungen stellt. Vorerst nehme man sie eben als Züchtigung, wie ein Vater seinen Sohn züchtigt, und sage nicht, jetzt höre das Kindsein auf, wie's so viele sagen. Die sind dann Stiefkindern gleich, welche bei jeder Züchtigung, die sie um ihrer Unarten willen bekommen, häufig klagen und sagen, man sehe es wohl, daß sie nicht die rechten Eltern, sondern nur Stiefeltern hätten! Sie haben eben selbst kein rechtes Kindesgefühl. Machen doch wir's nicht so und denken wir nicht, die Züchtigungen seien vonseiten Gottes als ein Fortjagen gemeint! Werden wir vielmehr eben jetzt erst rechte Kinder und sagen wir: »Ich danke Dir, daß Du mich züchtigst!“
Wer denn alles Widrige, das vorkommt, als Züchtigung nimmt, behält auch das Zutrauen zu Gott und wird durch alle Züchtigungen hindurch immer besser, vernünftiger und tugendsamer. So kommt hernach eine Frucht zum Vorschein, die eine friedsame heißt, weil sie zum Frieden, zuletzt zum ewigen Frieden, dient.
Sie heißt auch eine Frucht der Gerechtigkeit, eben insofern als man immer lauterer und entsündigter wird vor Gott, immer gerechter und treuer, je mehr man sich die Züchtigungen gefallen läßt und durch sie geübt wird.
Die Übung aber geschieht, indem man einerseits vom lieben Gott recht viel gezüchtigt wird - warum willst du denn immer nur wenig geschlagen sein, wenn du selbst merkst, daß du ungeschlagen doch nicht aufmerken lernst? Die Übung geschieht andererseits, indem man an Glauben und Zutrauen zu Gott darunter zunimmt. Selbst dann, wenn man sich recht große Vorwürfe über Untreuen machen muß: Immer wieder dem HErrn vertrauen, sich Seiner Gnade und Güte immer wieder aufs neue versichern, immer wieder unter der Trübsal auch das ansehen und sich wichtig machen, daß der Heiland unsretwegen sich in den bittern Kreuzestod gegeben hat, damit uns aus allem Elend geholfen werde - das übt und macht fertig zu allem guten Werk in dieser Zeit und zu einem seligen Eingang in die ewigen Friedenshütten!
So wollen wir denn alle Trübsal als eine Züchtigung vom HErrn annehmen, als Kinder vom lieben Vater, und auch das Schwerste, das kommt, tragen - mit der Hoffnung, daß es eine Frucht bringe, die uns ewig erfreuen werde! (Christoph Blumhardt)


Wir denken oft, es wären andere Leiden uns weniger schwer zu tragen als diejenigen, die der Herr uns eben auferlegt hat; allein ich glaube, daß dein Kleid dir nicht besser passen kann als das Kreuz, das du trägst, sich für dich schickt. Ein Kreuz müssen wir tragen, und das im Himmel gewählte eignet sich am besten für den Rücken des geliebten Heiligen; dasjenige hingegen, das wir in unserer Torheit uns selber machen, ist gewißlich das schwerste und härteste von allen.
Meistens macht der Herr aus dem Holz ein Kreuz, aus dem wir uns einen Götzen gemacht hatten - und wie ist nicht die Treue Gottes, die sich hierin offenbart, so anbetungswürdig! Kreuzträger passen ja besser in seinen Himmel als Götzendiener. Ist Gottes Hand gegen dich gerichtet, so ist sein Herz zu dir gewendet; er züchtigt nicht, um dich von sich zu entfernen, sondern um dich zu sich zu ziehen. Er trennt die Seele, die er liebt, durch die Züchtigung von der Sünde, die er haßt, und niemals raubt er uns ein irdisches Gut, ohne uns zu seiner Zeit etwas Besseres dagegen zu geben. Was wir in dem Geschöpf verlieren, finden wir hundertfach in Gott, und wenn wir dann in unseren Leiden in ihm unsere Kraft und unseren Trost gefunden haben, so werden wir mit dem Psalmisten sagen können: „Es ist mir lieb, daß du mich gedemütigt hast.“
Die Leiden sind dem Volke Gottes verheißen, nicht gedroht; daher heißt es auch, es werde dem, der aufrichtig wandelt, „an keinem Gute fehlen“, unerachtet ihm doch an vielen Stellen Trübsale angekündigt werden. (Hermann Heinrich Grafe)


Wenn das Kind die Züchtigung empfindet, weint es, und meint, es geschehe ihm gar zu wehe; was ists dann Wunder, wenn Betrübte oftmals nichts wissen, wie sie sich in ihr Kreuz schiecken sollen? Ein Betrübter soll erwägen: 1) Gott will uns durchs Kreuz nicht ins Verderben bringen, sondern uns daraus erretten; wenn der Wundarzt in die Wunde schneidet, beißende Sachen auflegt, so will er sie heilen und säubern; und durch Trübsal will uns Gott abziehen von der Welt, und uns zu sich ziehen. 2) Sieht Gott, daß wir uns in irdische Dinge und Kreaturen verlieben, so nimmt er uns dieselben, daß wir ihn allein lieben sollen, und unsere Freude an ihm haben. Ja, wenn er sieht, daß wir durch die beständige Glückseligkeit, Ruhe und Wohlergehen sollten träg zum Gebet, und in unserem Christenthum nachläßig werden, so läßt er uns ein wenig bekümmert und betrübt werden, damit wir wiederum nach ihm verlangen, und in seiner Liebe und Erkenntniß zu wachsen trachten. Bei diesem Allem aber bleibt er ein gnädiger, allmächtiger, weiser und gütiger Gott, der uns herzlich liebt. (Johann Friedrich Stark)


Wohl uns, daß unser Gott, der alle Dinge leitet, uns besser liebt, als wir selber uns lieben, und daß er uns bewahrt vor dem Feuer, das nicht verlischt, indem er uns die väterliche Zuchtrute fühlen läßt! Wenn wir einmal am Ziel unseres Laufes angelangt sind und von dieser Höhe aus die Wanderwege in der Wüste übersehen, die hinter uns liegen, und das gute Land, das vor uns liegt - wenn wir mit einem einzigen Blick alle Begebenheiten auf der zurückgelegten gefahrvollen Reise überschauen und ihre Bedeutung für die Ewigkeiten erkennen - gewiß, dann werden wir gerade diejenigen Wege Gottes anbeten, welche uns früher als die härtesten scheinen wollten. Wir werden sie dann erkennen als weise Anordnungen der Liebe eines Vaters, der uns „züchtigte uns zu nutze, auf daß wir seine Heiligung erlangten“ (Heb. 12,10). Dann werden wir mit Dank und Anbetung erkennen, daß der Herr sich als ein guter Vater erwies, wenn er uns tief demütigte, wenn er unsere Wünsche durchkreuzte, wenn er uns Gesundheit, Vermögen, liebe Angehörige nahm, wenn er uns mit Menschen umgab, unter denen wir zu leiden hatten. Vielleicht gar werden wir sehen, daß an den Stellen unseres Weges, wo wir die härtesten Prüfungen bestanden und die bittersten Tränen geweint haben, ein Abgrund war, dem wir entgegengingen, und dessen Rand die Hand des himmlischen Vaters gleichsam mit Dornen verzäunt hatte, um das Leben zu retten. Dann werden wir danken für dieselben Züchtigungen, über die wir zu ihrer Zeit bittere Klage führten. Dann werden wir erkennen, daß der Pflug darum unsern harten Herzensacker aufgerissen hatte, damit der gute Gottessame Wurzel fassen und Frucht bringen konnte zum ewigen Leben. (Auguste Rochat)

12:12 Darum richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee

12:13 und tut gewisse Tritte mit euren Füßen, daß nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde.

12:14 Jaget nach dem Frieden gegen jedermann und der Heiligung, ohne welche wird niemand den HERRN sehen,
Das paßt besonders gut auf das Vorige, welches uns eben den rechten Weg zur Heiligung durch etwas Bestimmtes gezeigt hat. Den HErrn aber möchten doch wohl wir alle einmal sehen. Die Verheißung ist da. Man kann Ihn einmal sehen, wenn man es überhaupt würdig ist, sehen von Angesicht zu Angesicht. Man denkt sich's häufig mehr als ein geistliches Sehen, indem man Gott fast zu Nichts macht, so Geist seyn läßt, daß Ihn Niemand soll sehen können. Das ist aber nicht biblisch. Denn wäre es bloß geistlich, so wäre es nicht etwas erst in Aussicht Gestelltes. Ihn einmal zu sehen, wirklich zu sehen, wie das nun seyn mag, ist verheißen denen, die Ihn lieb haben. Daß natürlich zugleich alle Herrlichkeit und Seligkeit mit eingeschlossen ist, die sich nur ein Mensch denken kann, versteht sich von selbst. Alles ist uns geschenkt, wenn uns das Sehen Gottes geworden ist.
Wie erlangen wir's nun? Keinesfalls ohne Heiligung, ohne Geschiedenheit von der sündlichen Art, die in dieser Welt von Natur an uns ist. Wohl hören wir, daß wir, wenn wir glauben, die Seligkeit und das ewige Leben ererben sollen. Ganz gut! Aber wir müssen so glauben, daß wir neue Menschen werden, andere Menschen werden, als wir von Natur sind. Ist's ein Glaube, der uns nicht umändert, nicht erneuert, der uns also allem Gelüste hingegeben seyn läßt, wie es nach dem Lauf dieser Welt geht, so reicht er nicht aus. „Ohne Heiligung wird Niemand den HErrn sehen!“
Den HErrn sehen wir übrigens doch auch bildlich schon in dieser Welt in Seinem Segen. Darum können wir sagen: Wollen wir Segen im Herzen und im Haus und in all unserm Wesen und Treiben haben, so ist es uns mit dem gleichen Wort: „Jaget nach der Heiligung!“ gesagt, wie solcher Segen uns nicht fehlen könne. Suchet alle eure Wege dem entsprechend zu machen, was der HErr im Himmel von euch fordert. Lebet und seid Ihm zu Gefallen, so ist Er auch euch zu Gefallen. O wie herrlich, wenn man je und je bei allerlei Erfahrungen und Begegnissen in seinem Leben auszurufen gedrungen ist: „Es ist vom HErrn! es ist der HErr, der mir begegnet!“ Im Himmel aber wird's völlig werden.
Das sei denn uns allen gesagt. Jeder Mensch, kann man immerhin mit einigem Recht sagen, macht sich selbst Glück, je nachdem er im Einverständnis mit seinem Gott bleibt, lebt und denkt. Es braucht dabei kaum viel Bittens für's Äußere, weil dann alles ihm so zu sagen zufällt, wie Christus sagt (Matth. 6, 33). Wenn wir richtig stehen, wenn wir aufrichtig uns nach Ihm richten, durch alles hindurch Ihn im Auge haben, nach Ihm blicken, in allem Ihm untertan sind, demütig auch in Trübsalstagen uns Ihm unterwerfen, - dann macht sich immer alles, wie es unser Glück erfordert, und kommt Friede, Wohlsein, Segen und Freude in Fülle über uns, - läßt sich gleichsam der HErr selber auf allen unsern Schritten sehen. Darum wollen wir's alle miteinander lernen, wie wir den HErrn auch hienieden sehen können, allerdings nicht mit Augen, und doch mit Augen, sofern Sein Segen sich auch mit Augen sehen läßt. Ach, wie viel könnten die armen Menschen auf Erden haben und erlangen, wenn sie nur wollten sich umdrehen und in's Licht blicken, auf Seine Gesetze und Gebote schauen, die zur Heiligung führen! Denn auch bei Schwächen hilft und vergibt der HErr. Man darf sich nur demütigen, so ist man schon wieder der Geheiligte, und läßt sich Seine segnende Hand fühlen. Gebe der liebe Heiland, daß wir heute einen Segen verspüren! Er wird uns werden, wenn wir gesammelten Gemütes bleiben, und auch unter der Freude Ihn, den Allerhöchsten, im Auge behalten. Wir wollen's wagen auf Ihn! (Christoph Blumhardt)


Wenn sich ein gläubiger Christ in seinem natürlichen Verderben ansiehet, so erinnert er sich 1) daß er sich selbst nicht heiligen kann, sondern das ist ein Werk Gottes; 2) derohalben braucht er die von Gott zur Heiligung verordneten Mittel. Er denket an seine heil. Taufe, darin der heil. Geist über ihn ausgegossen worden, und in seinem Herzen Wohnung genommen hat, und forschet fleißig, ob er diesen guten Geist in den erwachsenen Jahren durch muthwillige Sünden wiederum vertrieben habe. Er weiß, daß das heil. Abendmahl eine Speise der Heiligung ist, darum trachtet er, wenn er dasselbe empfängt, daß dadurch Seel und Leib mögen geheiligt werden. Gottes Wort hört er andächtig, und behält das Gehörte in seinem Herzen, damit er in der Heiligung fortfahren möge. 3) Denn es soll die Heiligung geschehen sowohl an der Seele, als an dem Leibe durch Gottes Kraft du des heil. Geistes Wirkung. Ist die Seele geheiligt, so muß das ganze leben in der wahren Heiligung geführt werden. 4) Diese Heiligung soll in Zeiten geschehen, nicht erst im Alter oder auf dem Todtbette, sondern dieweil man noch beten und die Mittel der Heiligung mit gutem Verstand gebrauchen kann. 5) Solche Heiligung soll man hernach beweisen zu allen Zeiten, bei allen Gelegenheiten, wenn man ungefähr bei Weltkindern sich befindet, da sollen wir in Gebärden, Worten und Werken zeigen, daß wir ein geheiligtes Herz haben, und daß der heilige Geist unsern Mund und ganzes Leben regiere. Solche geheiligte Seelen werden auch dereinst zur Wohnung der Heiligen im Licht gelangen. (Johann Friedrich Stark)

12:15 und sehet darauf, daß nicht jemand Gottes Gnade versäume; daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch dieselbe verunreinigt werden;

12:16 daß nicht jemand sei ein Hurer oder ein Gottloser wie Esau, der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte.

12:17 Wisset aber, daß er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ward; denn er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte.

12:18 Denn ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, den man anrühren konnte und der mit Feuer brannte, noch zu dem Dunkel und Finsternis und Ungewitter

12:19 noch zu dem Hall der Posaune und zu der Stimme der Worte, da sich weigerten, die sie hörten, daß ihnen das Wort ja nicht gesagt würde;

12:20 denn sie mochten's nicht ertragen, was da gesagt ward: „Und wenn ein Tier den Berg anrührt, soll es gesteinigt oder mit einem Geschoß erschossen werden “;

12:21 und also schrecklich war das Gesicht, daß Mose sprach: Ich bin erschrocken und zittere.2)

12:22 Sondern ihr seid gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu einer Menge vieler tausend Engel
Vor dem Anbruch des Neuen Testamentes gab es keine größere Offenbarung der Herrlichkeit Gottes als diejenige, die auf dem Berg Sinai geschah, weßwegen auch in den Psalmen und in den Büchern der Propheten sehr oft davon geredet wird. Wenn nun die Israeliten diesen Berg, der mit Feuer brannte, und den außer Moses Niemand anrühren durfte, immer vor Augen hatten, so konnte es nicht fehlen, es mußte eine Furcht bei ihnen entstehen, und sie mußten wie unmündige Kinder werden, welche man so behandelt, daß zwischen ihnen und den Knechten kein Unterschied ist. Gott hat zwar auch große Verheißungen auf diesem Berg ausgesprochen, oder vielmehr die älteren Verheißungen, die Er dem Abraham gegeben hatte, wiederholt und bestätigt: es wurden aber diese Verheißungen in so fürchterliche Offenbarungen des göttlichen Feuereifers eingehüllet, und mit so vielen Satzungen und Geboten verbunden, daß sich zwar der Glaube daran halten konnte, doch aber kein kindlicher Glaube werden, und zu keiner ganzen Freimüthigkeit gegen Gott erwachsen konnte. Nun sagt aber Paulus zu den Glaubigen des Neuen Testaments: ihr seid nicht kommen zu dem Berg, der mit Feuer brannte, daß ihr dabei still stehen, ihn immer ansehen, und eure ganze Erkenntniß Gottes dorther bekommen müßtet: sondern ihr seid kommen zu dem Berg Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes. Was ist der Berg Zion? Ps. 2,6. sagt der himmlische Vater: Ich habe Meinen König eingesetzt auf Meinem heiligen Berg Zion. Gleichwie nämlich auf dem irdischen Berg Zion in der Stadt Jerusalem die königliche Burg Davids war, also ist auch auf Erden überall ein unsichtbarer Berg Zion, wo Christus als ein gnädiger König durch Sein Evangelium und durch Seinen Geist herrscht, und im Himmel ist der Berg Zion, wo sich der HErr Jesus als König in Seiner herrlichen, schönen Pracht offenbaret, und in Seinen mächtigen Thaten erzeigt. Johannes sah Offenb. 14,1. den himmlischen Berg Zion im Gesicht, und auf demselben das Lamm Gottes stehen, und mit Ihm Hundertundvierundvierzigtausend, die den Namen Seines Vaters an ihrer Stirne geschrieben hatten. Zu dem Berg Zion gekommen sein heißt also, eine lebendige Erkenntniß des Königs Jesu bekommen haben, und durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes glauben, daß Er als Gottmensch über die durch Sein Blut erkauften und Ihm freiwillig unterworfenen Menschen mit großer Gnade, Weisheit und Macht herrsche, und sie durch sich selbst selig und herrlich mache. Diesen Blick auf Jesum und Sein Reich soll ein Christ niemals verlieren, denn er ist überwiegend gegen alle Versuchungen der Lust und Furcht. Ein neutestamentlicher Christ aber ist auch zu der Stadt Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem gekommen, daß er es auch im Glauben und in der Hoffnung vor Augen habe, und nach den Sitten und Rechten desselben gebildet werde. In diesem himmlischen Jerusalem ist auch der königliche Thron Gottes und des Lammes, Offenb. 22,3., es ist aber auch eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein, Offenb. 21,3. (Magnus Friedrich Roos)

12:23 und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten
Erinnern wir uns, dass es zwei Arten der Vollkommenheit gibt, deren der Christ bedarf: die Vollkommenheit der Rechtfertigung in der Person des Herrn Jesu, und die Vollkommenheit der Heiligung, welche durch den Heiligen Geist in ihm gewirkt wird. Hienieden bleibt auch im Herzen der Wiedergebornen immer noch etwas vom Sündenverderben zurück; die Erfahrung lehrt uns dies nur zu bald. In uns, das ist in unserem Fleische, wohnen noch Lüste und eitle Begierden. Aber wie freue ich mich, dass ich weiß: es kommt der Tag, da Gott das Werk vollenden wird, das Er in mir angefangen hat; und Er wird meine Seele darstellen, nicht allein vollkommen in Christo, sondern vollkommen durch den Heiligen Geist, ohne Flecken oder Runzel oder des etwas. Kann es wahr sein, dass dies mein armes, sündiges Herz soll heilig werden, gleichwie Gott heilig ist? Ist es möglich, dass dieser mein Geist, welcher oft seufzt: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ ist es möglich, dass er befreit wird von Sünde und Tod, dass kein Böses mehr mein Ohr beleidigen, kein unheiliger Gedanke meinen Frieden trüben soll? O, selige Stunde! dass sie doch bald käme!
Wenn ich durch den Jordan gehe, wird das Werk der Heiligung vollendet werden; aber erst dann. Alsdann wird mein Geist seine letzte Taufe empfangen mit dem Feuer des Heiligen Geistes. Mich verlangt beinahe zu sterben, damit ich diese letzte Reinigung empfangen könne, die mich in den Himmel hebt. Kein Engel wird reiner sein, denn ich werde in einem doppelten Sinne sagen dürfen: „Ich bin rein“: durch das Blut Christi und durch das Werk des Heiligen Geistes. O, wie wollen wir die Macht des Heiligen Geistes preisen, dass Er uns tüchtig macht, zu stehen vor dem Thron unsers himmlischen Vaters! Aber ferne sei, dass die Hoffnung der Vollendung dort drüben uns gleichgültig mache gegen die Unvollkommenheiten hienieden. Wenn sie das tut, so ist unsre Hoffnung eitel; denn eine gute Hoffnung besitzt schon hier eine läuternde Macht. Das Werk der Gnade muss schon jetzt bleibend in uns wohnen, sonst kann es dort nicht vollendet werden. Lasset uns deshalb bitten, dass wir mögen erfüllet werden mit dem Heiligen Geist, auf dass wir je mehr und mehr Früchte der Gerechtigkeit bringen. (Charles Haddon Spurgeon)

12:24 und zu dem Mittler des neuen Testaments, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet denn das Abels.3); 4); 5)
Paulus schrieb diese Worte, als er die Vorzüge der Glaubigen des Neuen Testaments vor den Glaubigen des Alten Testaments in’s Licht stellen wollte. Er sagte also zu den Hebräern, welche neutestamentliche Christen waren: ihr seid nicht kommen zu dem Berge, der (von der göttlichen Majestät) berührt wurde, und mit Feuer brannte, noch zu dem Dunkel und Finsterniß und Ungewitter u.s.w., sondern ihr seid kommen zu dem Berge Zion, - und zu dem Mittler des Neuen Testaments, Jesu, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet, denn Abels. Das Kommen bedeutet das Eintreten in ein Verhältniß, in welches die Seelen gegen die erzählten Dinge gesetzt werden, vermöge dessen sie diese Dinge betrachten, sich damit einlassen, von denselben Eindrücke bekommen, und beständige Gesinnungen, die denselben gemäß sind, erlangen. Der Berg, der mit Feuer brannte, war der Berg Sinai. Hier wurde unter fürchterlichen Zeichen das Gesetz von den Engeln angeordnet, und zwar durch die Hand des Mittlers Mosis, Gal. 3,19. Dieses Gesetz mit Inbegriff der Verheißungen, welche damals dazu gethan wurden, war der Alte Bund oder das Alte Testament. Als Moses vom Berg Sinai herabgekommen war, erzählte er dem Volk Israel alle Worte des HErrn und alle Rechte, welche diesen Bund ausmachten; ja er verfertigte ein Bundesbuch und las es vor den Ohren des Volks, und da die Israeliten sprachen: Alles, was der HErr gesagt hat, wollen wir thun, und gehorchen, so nahm Moses Opferblut, und sprengete das Volk damit, und sprach: sehet das ist das Blut des Bundes, den der HErr mit euch macht über allen diesen Worten, 3 Mos. 24. Es ist also auch der erste Bund nicht ohne Blut gestiftet worden, Hebr. 9,18., um anzudeuten, daß das Volk neben den Geboten und Verheißungen einer Versühnung bedürfe. Moses war dabei der Mittler, indem er’s einerseits mit Gott und Seinen Engeln, und andererseits mit dem Volk zu thun hatte. Jesus ist der rechte Mittler zwischen Gott und den Menschen, oder der Mittler des Neuen Bundes, welcher wegen Seines Todes die Form eines Testaments hat, und dessen Inhalt Hebr. 8,10.11.12. kurz beschrieben ist. Er ist der Stellvertreter der Menschen gegen Gott worden. Er ist, wie Paulus Hebr. 5,1. redet, für die Menschen gegen Gott gesetzt worden, und hat für die Sünden der Menschen ein Opfer gefordert, das eine ewige Gültigkeit hat. Er ist auch der Fürsprecher der Menschen bei dem Vater. Er hat aber auch den Menschen den Willen Gottes, der sie angeht, kund gethan, und macht sie durch die Heiligung des Geistes diesem göttlichen Willen gehorsam, und besprengt sie mit Seinem Blut (1 Petr. 1,2.), damit sie vermöge des Neuen Testaments Erben Gottes und Seine Miterben werden können. Er hat mit Einem Wort als Mittler mit Gott und den Menschen gehandelt, für die göttliche Ehre und der Menschen Heil zugleich gesorgt, und dadurch das Neue Testament gültig gemacht, und thut dieses Alles in Ansehung der Zueignung der Gnade noch. An dieses Alles sollen wir gläubig gedenken. Dieses Alles sollen wir uns zueignen, und deßwegen durch Christum getrost zu Gott nahen. Das Blut Abels schrie um Rache: das Blut Christi, mit welchem wir besprengt werden, redet gleichsam etwas Besseres, es zeugt nämlich von Gnade.(Magnus Friedrich Roos)


Lieber Leser, bist denn du zu dem Blut der Besprengung gekommen? Es handelt sich bei dieser Frage nicht darum, ob du zur Erkenntnis der christlichen Lehre, oder zum Gebrauch der Heilsmittel, oder zu einer gewissen innern Erfahrung gekommen seiest, sondern ich frage dich, bist du zum Blut Jesu gekommen? Das Blut Jesu ist der Lebensstrom aller lebendigen Frömmigkeit. Wenn du wahrhaft zu Jesu gekommen bist, so wissen wir, wie das zuging: der Heilige Geist hat dich liebevoll hingeführt. Du kamst zum Blut der Besprengung ohne jegliches Verdienst. Schuldbeladen, verloren, hilflos bist du herzugekommen zu diesem Blut, um es dir schenken zu lassen, und einzig und allein dies Blut ist deine unsterbliche Hoffnung. Du bist zum Kreuz Christi gekommen mit einem zitternden und zagenden Herzen, und, o welch ein süßer Ton war‘s, als du die Stimme des Blutes Jesu vernehmen durftest! Das Träufeln seines Blutes klingt den reuigen Erdensöhnen wie himmlische Musik. Wir sind voller Sünde, aber der Heiland heißt uns, unsre Augen zu Ihm zu erheben, und wenn wir auf seine blutenden Wunden blicken, so sehen wir einen Tropfen nach dem andern fallen, und jeder Tropfen redet und ruft: „Es ist vollbracht; ich habe der Sünde ein Ende gemacht; ich habe eine ewige Erlösung zustandegebracht.“ O, liebliche Rede des teuren Blutes Jesu! Wenn du nur erst einmal zu diesem Blut gekommen bist, so kommst du immer wieder. Dein Leben wird ein Aufblick zu Jesu. Dein ganzer Wandel wird sich in das Wort zusammenfassen lassen: „Hin zu Ihm.“ Nicht fragt sich‘s, zu welchem ich gekommen bin, sondern zu welchem ich immer wieder komme. Wenn du je einmal zum Blut der Besprengung gekommen bist, so wirst du das Bedürfnis in dir verspüren, jeden Tag aufs neue zu kommen. Wer nicht danach verlangt, täglich abgewaschen zu werden, ist noch gar nicht abgewaschen. Der Glaube fühlt, dass dieser geöffnete Born seine Freude und sein seliges Vorrecht ist. Frühere Erfahrungen sind eine unzuverlässige Nahrung für Christenseelen; nur wenn wir jetzt zu Christo kommen, empfangen wir Frieden und Freude. Wir wollen heute die Pfosten unsrer Häuser aufs neue mit Blut besprengen und dann vom Lamm der Erlösung Mahlzeit halten, und uns darauf verlassen, dass der Engel des Verderbens wird vor uns vorübergehen. (Charles Haddon Spurgeon)

12:25 Sehet zu, daß ihr den nicht abweiset, der da redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die ihn abwiesen, da er auf Erden redete, viel weniger wir, so wir den abweisen, der vom Himmel redet;

12:26 dessen Stimme zu der Zeit die Erde bewegte, nun aber verheißt er und spricht: „Noch einmal will ich bewegen nicht allein die Erde sondern auch den Himmel.“

12:27 Aber solches „Noch einmal “ zeigt an, daß das Bewegliche soll verwandelt werden, als das gemacht ist, auf daß da bleibe das Unbewegliche.
Wir haben im gegenwärtigen Augenblick mancherlei Dinge im Besitz, welche erschüttert werden können; und es steht einem Christenmenschen übel an, viele solcher Besitztümer aufzuhäufen, denn unter diesem wechselnden Monde hat nichts bleibenden Bestand; die Veränderlichkeit ist allen Dingen unauslöschlich aufgeprägt. Dennoch haben wir etwas, das nicht kann erschüttert werden, das „unbeweglich“ ist, und darüber wollen wir heute abend nachdenken, damit, wenn alles Bewegliche uns genommen würde, wir einen unverwelklichen Trost empfangen über dem Unbeweglichen, das da bleibet. Welche Verluste ihr auch je erfahren habt oder noch erleiden müsst, so freut ihr euch doch über eure gegenwärtige Erlösung. Ihr steht unter seinem Kreuze und vertraut ganz allein auf das teure Verdienst des Blutes Jesu; und auf diesen Schatz der Erlösung in Ihm hat kein Steigen und Fallen der Werte irgend den geringsten Einfluss, keine zusammenbrechenden Handelsbanken, keine Bankrotte und Verluste berühren ihn im mindesten. Dann bist du heute ein Kind Gottes. Gott ist dein Vater. Kein Wechsel der Umstände kann dir dies rauben. Und wenn du auch durch äußere Verluste zum Bettler geworden bist und nichts mehr besitzest, so kannst du doch sagen: „Dennoch ist Er mein Vater. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen; darum will ich mich nicht kränken.“ Du besitzest einen andern bleibenden Segen, nämlich die Liebe Jesu Christi. Er, der Gott und Mensch zugleich ist, liebt dich mit aller Macht seines liebenden Wesens, und das leidet keinerlei Veränderung.
Der Feigenbaum mag unfruchtbar bleiben, und die Herden des Feldes mögen aussterben; es kümmert den Menschen nicht, der singen kann: „Mein Freund ist mein, und ich bin sein.“ Unser bestes Teil und reichstes Erbe können wir nicht verlieren. Was auch für Trübsale kommen, so seien wir männlich und stark; zeigen wir, dass wir keine kleinen Kinder sind, die sich durch jedes Ereignis in diesem unruhigen Strom unsrer Zeit umwerfen lassen. Unsre Heimat ist Immanuels Land, unsre Hoffnung ist über den Wolken, und darum schauen wir ruhig, wie das stille Meer, auf die Trümmer alles Irdischen, und freuen uns allezeit in dem Gott unsern Heils, denn die Gnade des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so Ihn fürchten. (Charles Haddon Spurgeon)


Das Bewegliche - das sind und kennen wir selbst: das Menschenherz, die Völkermeere, die Meinungen und Moden! Die Erde, die sich drehend um sich selbst und um die Sonne, fort und fort bewegt, zeigt im Zucken ihrer Rinde, daß sie vor ihrem Ende steht - wie wird sie noch kurz vorher bewegt werden! Der Himmel mit seinen feierlich aussehenden Lichtern, die sich rasend im Riesenraume bewegen - was wird er noch erleben, ehe er dem neuen Himmel weichen muß? Was für eine Aussicht! Was bleibt dann als das Unbewegliche? Ein Forscher sagt: „Das höchste und letzte Naturgesetz, in dem alles ruht, ist Gottes Liebe. Und ich bin gewiß, daß ich in dieser Liebe durch Jesum Christum sicher gebettet den Weltuntergang überstehen werde.“ Im Unbeweglichen ist unsere Zukunft: der neue Himmel und die neue Erde. Bis daß Gott sei alles in allem! Damit will ich heute abend mein unruhig klopfendes Herz stillen. Gottes Größe, Gottes Liebe, da machen meine Gedanken halt. Darüber hinaus gibt's nichts. Das ist das Unbewegliche, in dem ich mich bergen kann wie die Taube in der Felsenritze Zuflucht findet vor Habicht und Unwetter.
Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für! Und wenn die Berge mitten ins Meer sänken und die Welt untergeht, ich habe ewiges Leben und selige Liebe in dir gefunden. Nimm mich, du Ewiger, und trage mich heim! Amen. (Samuel Keller)

12:28 Darum, dieweil wir empfangen ein unbeweglich Reich, haben wir Gnade, durch welche wir sollen Gott dienen, ihm zu gefallen, mit Zucht und Furcht;

12:29 denn unser Gott ist ein verzehrend Feuer.
Wenn Paulus im 11ten Kapitel vom Glauben handelte, so bespricht er im 12ten die Hoffnung und die ausharrende Geduld der Christen. Beide sind vereinigt im geistlichen Wettlaufe und im rechten Erdulden, Benutzen und Verstehen der segensvollen Vaterzüchtigungen Gottes; denn ohne Kreuz ist hienieden Niemand; wer ohne dasselbe geführt wird, hat schon darin ein Kreuz, daß er nicht weiß, wie dem leidenden Heilande zu Muthe war, und es wird daher in der Ewigkeit über heilsam ausgestandenes Kreuz mehr Freude sein, als über empfundene Freude, weil diese dort immer währt, jenes aber nicht mehr gekostet werden kann (V. 1-11.). – Beweggründe zum Fortschreiten im heiligen Hoffnungswandel und zur Standhaftigkeit fehlen uns überdies nicht, wenn wir an den höchsten Gnadensegen denken, daß wir ihn nicht verscherzen, noch in Bezug auf Gott uns selbst und den Nächsten nicht versäumen, was hintennach nicht so einzubringen ist, wie man manchmal meint (V. 12-17). Im neuen Testamente ist endlich Alles viel gnadenreicher, lieblicher, herrlicher, die Gemeinschaft mit Allem Himmlischen vielfacher als im alten Testament; die Kinder Gottes auf Erden und die Kinder Gottes im Himmel sind jetzt innig mit einander verbunden: sie haben ein gemeinsames Haupt, - Christum, einen gemeinsamen Namen, - Erstgeborne, Gerechte, Selige, Bürger und hausgenossen Gottes; einen gemeinsamen Streit und Sieg, ein gemeinsames Gebet, ein gemeinsames Erbe und eine gemeinsame Auferstehung; derer, die für sie sind, sind deshalb mehr als derer, die wider sie sind. Aber eben darum wird auch die Strafe der Verächter solcher Gnade schrecklich sein. Die Rede und Stimme des neuen Testaments wird Alles viel mächtiger erschüttern als die am Sinai (V. 18-29.). Das Gnadenreich Jesu Christi ist allein mitten in der allgemeinen Vergänglichkeit aller Staaten, Städte, Familien und einzelner Leben das Bleibende durch alle Jahrhunderte, und zwar sowohl seinem Wesen als Zweck und König nach. Darum gilt es, danach zu streben, den Blick auf Christum und sein Reich nie zu verlieren und in der genauesten Verbindung mit der oberen Gemeinde zu streiten und zu siegen über alle Lust und Furcht der Versuchung. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Im Anfang dieses Kapitels führet der Apostel einen großen Haufen Zeugen der Gläubigen an, die Christo zu Ehren in ihrem Leben ritterlich gekämpft - und alle Leiden und Trübsale, die ihnen in der Welt begegneten, mit Geduld und beherzter Standhaftigkeit überwunden - und über sich haben ergehen lassen, weil sie erkannten, daß man das Kreuz und Leiden dieser Zeit nicht nach der äußerlichen Empfindlichkeit, da es allerdings dem Fleisch und Blut wehe thut, abmessen, sondern nach dem heilsamen Nutzen ansehen müsse, den Gott einem jedweden zuwachsen lasset, der sein bescheiden Theil Kreuz und Leiden willig traget.
Bei christlichen und geduldigen Kreuzträgern nämlich wird die Sünde im Fleisch je mehr und mehr abgeleget, weil sie sich in dem Kampf gegen dieselbe nicht faul und träge erfinden lassen, sondern mit freudigem und getrostem Herzen um Christi willen denselben antreten. Sie sind mitten in demselbigen der Liebe und Huld unsers Gottes und des HErrn Jesu ganz gewiß versichert - und erkennen, wie sie dadurch zu reicher Beförderung des Heils und der wahren Gottseligkeit gelangen, sintemal sie der wahren Gerechtigkeit um so näher kommen, je mehr sie die Sünde täglich ablegen - und wider dieselbe streiten und kämpfen.
Dazu beweget sie einerseits des HErrn unseres Gottes heiliger und göttlicher Wille, nach welchem es also verordnet ist, daß die Frommen und Gläubigen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen, und andererseits das Exempel unseres HErrn Jesu Christi als des Anfängers und Vollenders unsers Glaubens, der mit Seinem heiligen Vorgang bis auf's Blut gekämpfet und gestritten, um für uns und unsere Sünde zu büßen, während hingegen all unser Kreuz und unsere Trübsal ein weit geringeres Leiden ist, über welches wir uns um so weniger zu beschweren haben, je gewisser es ist, daß dasselbe endlich einen erfreulichen und erwünschten Ausgang gewinnet.
Gleichwie nämlich Christus, nachdem Er viel Kreuz und Leiden willig und geduldig erlitten und ausgestanden, endlich auf den Stuhl Gottes und auf den Thron der Ehren gesetzet worden ist, ebenso haben die Frommen und Gläubigen gleiche Ehre und Herrlichkeit mit Ihm zu gewarten, wenn sie gleichermassen Seines Leidens und Seiner Trübsale theilhaftig werden.
Und weil das Krenz und Leiden rechtschaffener und gläubiger Christen ihnen nur ein Merkmal des gnädigen und liebreichen Vaterherzens Gottes gegen sie ist, daß sie erfahren, sie werden bei ihren Abweichungen und für ihre Uebertretungen der göttlichen Gebote nur wie liebe Kinder von einem lieben Vater gezüchtiget, so küssen sie diese Ruthe und väterliche Hand Gottes mit ganz gehorsamen und dankbaren Herzen, dieweil sie erkennen, daß sie von Ihm nicht als Bastarte, sondern als rechte und Ihm angehörige Kinder geachtet und angesehen werden.
Nach dieser so trostreichen und erbaulichen Lehre hängt Paulus abermals eine allgemeine Vermahnung zum christlichen Leben und Wandel an, so jedoch, daß er insonderheit auf die Friedfertigkeit und Heiligung dringet.
Auf die Friedfertigkeit, weil wahre Christen, so die Liebe Christi erkannt haben und eifrig begehren, Ihm in derselbigen nachzufolgen, weil solche Christen allen Fleiß anwenden, daß sie, so viel mit gutem Gewissen geschehen kann, mit allen Menschen friedlich leben - und alle Gelegenheit und jeglichen Anlaß zum Zank und Hader abschneiden, eingedenk, wie Paulus anderwärts redet, daß die Gemeine Christi solche Weise nicht hat, sondern als friedfertige Kinder Gottes auf das von Christo verheißene Reich und auf die Seligkeit ihre Gedanken richten.
Auf die Heiligung aber dringet der Apostel, daß man derselben nachjagen - und aus Glauben einen gottseligen Wandel führen soll, weil man ohne dieselbe den HErrn weder hier noch dort sehen kann. Denn wer in einem unheiligen und gottlosen Leben beharret, der versäumet die Gnade Gottes - und beraubet sich selber des seligen Anschauens Gottes in dem ewigen Freudenreich; ja er ist gleich dem gottlosen Esau, der die Hoheit und Würde seiner Erstgeburt aus einer unzeitigen und sündlichen Begierde um einer geringen Speise willen verkaufet und verfressen - und damit alles daran hängenden Segens sich selber beraubet hat.
So gehet es zuletzt allen denen, die mit ihren Herzen an den zeitlichen und irdischen Wollüsten hängen - und die geistlichen und ewigen Güter darüber verachten. Darum lasset uns fein fleißig als Christen und Kinder Gottes vor solcher Verachtung uns hüten, damit nicht Gott zuletzt, wenn wir Seine Gnade so gar verächtlich ausschlagen, uns derselben nicht mehr würdige - und wie jene Verächter strafe, die nichts mehr von Seiner Gnade und Seligkeit geschmecket haben. Vielmehr lasset uns dahin streben, daß wir Gottes gnädiges und väterliches Angesicht dermaleinst ewig sehen mögen, wann wir mit völligem Schauen in das himmlische Jerusalem zu der Menge vieler tausend Engel und aller Heiligen, die im Himmel angeschrieben sind, eingehen werden.
Gott, der ein verzehrend Feuer ist, bewahre durch die inbrünstige Gluth des heiligen Geistes unser aller Herzen, daß uns nicht die Welt mit ihrer Lockspeise und ihren sündlichen Leckerbißlein um den ewigen Segen bringe. Er gebe uns vielmehr die friedsame Frucht der Gerechtigkeit und der wahren Heiligung, damit wir zu dem unbeweglichen Reich, darinnen wir Gott ewig gefallen, kommen und gelangen mögen, durch den Mittler des neuen Testaments, Christum Jesum. Amen. (Veit Dieterich)

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