Calvin, Jean - An Lelio Sozzini in Zürich.

Nr. 332 (C. R. – 1578)

Calvin, Jean - An Lelio Sozzini in Zürich.

Vgl. 287.

Scharfer Tadel wegen unnützen Spekulierens.

Wenn du meinst, gelesen zu haben, Melanchthons Meinung über die Prädestinationslehre sei der unsrigen entgegen, so täuschest du dich. Ich erwähnte nur mit einem Wort, ich hätte einen Brief von ihm in Händen, in dem er zugibt, seine Ansicht stimmt mit der meinen überein. Übrigens ist mir, was du berichtest, ganz glaubhaft; denn es wäre nicht neu an Melanchthon, dass er, um nicht in ärgerliche Fragen hineingezogen zu werden, sich in dieser Sache verstellte. Auch ich habe, wenn irgendeiner, stets vor Paradoxien Abscheu gehabt und finde an Spitzfindigkeiten kein Vergnügen. Doch soll mich nichts je hindern, offen zu bekennen, was ich aus Gottes Wort gelernt habe. In dieses Lehrers Schule wird nur Nützliches überliefert. Das ist meine einzige Weisheitsregel und soll sie stets bleiben, an seiner schlichten Lehre mir genügen zu lassen. Lerntest doch auch du, mein lieber Lelio, deinen Geist bei solcher Mäßigung festzuhalten!

Du hast also keinen Grund, von mir Antwort auf deine ungeheuerlichen Fragen zu erwarten. Magst du dich zu solch lustigen Spekulationen aufschwingen, lass mich aber, bitte, als demütigen Schüler Christi nur das bedenken, was zur Förderung meines Glaubens dient. Ich hoffe zwar nun, durch mein Schweigen zu erreichen, was ich wünsche, dass du mir nicht mehr mit solchen Fragen lästig fällst, aber doch schmerzt es mich sehr, dass die reiche Begabung, die dir der Herr verliehen hat, nicht nur mit Unnützem sich fruchtlos beschäftigt, sondern auch durch gefährliche Phantasien verdorben wird. Die Mahnung, die ich dir schon früher gab, wiederhole ich in allem Ernste: wenn du dieses Kitzel des Grübelns nicht rechtzeitig überwindest, musst du fürchten, dir noch große Qualen zuzuziehen. Ich wäre grausam gegen dich, wollte ich unter dem Schein der Nachsicht deinem Fehler, den ich für sehr gefährlich halte, Nahrung bieten. So ists mir lieber, du nehmest jetzt an meiner Derbheit ein wenig Anstoß, als dass du, ganz gefangen von den süßen Lockungen der Neugier, nicht mehr zurückgebracht werden kannst. Hoffentlich kommt die Zeit, da du dich freuen wirst, so unsanft geweckt worden zu sein. Lebwohl, liebster Bruder, und wenn mein Schelten zu hart ist, so setze es meiner Liebe zu dir auf Rechnung.

1. Jan. 1552

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