Calvin, Jean - An Lelio Sozzini in Zürich.

Nr. 287 (C. R. – 1323)

Calvin, Jean - An Lelio Sozzini in Zürich.

Vgl. Nr. 268. Von Calvins Antwort nicht befriedigt, hatte Sozzini seine Fragen wiederholt und vermehrt.

Warnung vor unnützer Neugier. Antwort auf verschiedene Fragen.

Ich antworte dir später, als du wünschest, weil ich nur ungern (ich muss gestehen) mich dahin ziehen lasse, wohin mich dein Brief ruft. Ich sehe, meine Antwort über die Auferstehung des Fleisches hat dir keineswegs genügt. Verlangst du aber mehr von mir [so muss ich sagen]: ich wünsche nicht einmal mehr zu wissen, als ich gesagt habe. Wenn ich zur Entschuldigung vorbringe, mehr sei mir vom Herrn nicht gegeben, so wäre es unbillig, weiter in mich zu dringen. Denn an dem Satz müssen wir festhalten: Ich glaube, darum rede ich [2. Kor. 4, 13]. Ich kann wahrhaftig sagen: In dem Glauben, den ich vor dir bekannt habe, habe ich solche Sicherheit, dass ich glaube, zu weiterem Forschen nicht das Recht zu haben. Ich höre deinen Einwand wohl: da das doch der Hauptpunkt unseres Glaubens sei, da daran unsere ganze Seligkeit hänge, so scheine dir seine genaue Untersuchung nicht überflüssig. Das sind nun zwar ganz schön klingende Verlockungen; aber was Gottes Geist durch Johannis Mund sagt: „Es ist noch erschienen, was wir sein werden“ [1. Joh. 3, 2] und die Kenntnis darüber stehe aus bis zum jüngsten Tag, das, meine ich, schreibt uns Mäßigung vor. Was ich dir schrieb, ist mir so sicher und in Gottes Wort bewährt, dass mich kein Zweifel plagt. Es genügt mir so vollauf, dass ich im Vertrauen darauf den Tod ruhig verachte. Willst du mehr, so musst du es anderswo suchen. Denn von mir erreichst du nie, dass ich dir zu lieb die von Gott gesetzten Grenzen überschreite.

Wenn ich auch im Übrigen knapper bin, als du wünschest, so verzeih. Wünscht jemand von mir Rat übers Heiraten, so werde ich nichts anderes sagen, als er solle eine Frau nehmen, die bereit ist, mit ihrem Gatten Christo zu folgen. Das soll sie aber nicht nur mit dem Munde bekennen, sondern mit der Tat beweisen. Denn wer eine Frau nimmt, die zwar sonst recht denkt, aber vom Bekenntnis der Gottlosigkeit nicht lassen will, der legt sich eine sehr böse Schlinge. Zu oft habe ich es an vielen erfahren, wie sehr die von Christo weichen, die sich in solche Ehen einlassen. Das ist Tatsache, um dir bündig zu antworten. Du fragst, ob man sich der Heirat mit einer Papistin ebenso wie der mit einer Türkin enthalten müsse. Ich für meine Person möchte es nicht wagen, selbst diejenigen, die den Aberglauben des Papsttums, in dem sie erzogen sind, innerlich festhalten, mit den Türken auf die gleiche Stufe zu stellen; denn etwas näher stehen sie uns doch. Aber ohne Vergleich sage ich doch, ein Christ hat nicht das Recht, sich mit einer Gattin zu verbinden, die Christo entfremdet ist. Dazu gehören aber, wie wir wissen, alle Papisten. Wer es für erlaubt hält, eine noch in vielen Irrtümern steckende Frau zu nehmen, wenn sie nur ihre Gerechtigkeit in Christo sucht, der bemerkt nicht, in wie vielen Fragen nachher doch Uneinigkeit zwischen ihnen sein wird. Ich werde also niemanden veranlassen, sich in diese Gefahr zu begeben; vielmehr ist meine Meinung, dass weder fromm noch mit dem Segen des Herrn heiratet, wer sich eine Gattin erwählt, die sich nicht vorher hat vom Papste scheiden lassen. Ich weiß wohl, dass nicht immer eine Entscheidung nach Wunsch möglich ist, aber die Schwierigkeit vermag doch nicht alle Schuld zu tilgen. Eine feierliche Abschwörung des Papismus ist, wenns dazu kommt, zwar lobenswert, aber ich möchte sie doch nicht als notwendig verlangen, wie ich auch keinen bestimmten Punkt feststellen möchte, bis zu welchem eine Frau, die man nehmen darf, in der reinen Lehre gekommen sein muss, nur muss sie den Feind Christi verlassen und der handgreiflichen Gottlosigkeit den Abschied gegeben haben und Christo die Ehre geben.

Wohin deine Frage zielt, ob die Kirche eine Mischehe als gültig oder ungültig anzusehen habe, ist mir nicht ganz verständlich. Denn wie nur gegenseitiges Einverständnis beider eheschließenden Personen verlangt wird, um eine Ehe in Gottes Namen und Auftrag einsegnen zu können, so ist das Band der Ehe, durch das Gatten sich einander verpflichten, auch noch gesetzmäßig, wenn ein Teil von der Pflicht abweicht. Mit Recht ist zwar der Leichtsinn einer Mischehe zu tadeln, aber das gegebene Versprechen hebt dieser Umstand nicht auf.

Soll ich von zwei Übeln das kleinere wählen, so glaube ich, einer, der unter dem Papsttum lebt, kann nichts anderes tun, als seine Kinder zu der freilich verderbten Taufe zu bringen. Wenn er die bösen Dinge, die dem Gebot Christi zuwider sind, offen verabscheut, tut er recht und nach seiner Christenpflicht. Das bedeutet zwar Gefahr für sein Leben; aber umso mehr Lob verdient der Mut, wenn einer, er sei, wer er wolle, sich durch keine Furcht hindern lässt, ein seiner Frömmigkeit würdiges Zeugnis abzulegen. Lässt einer seine Kinder ungetauft, so schafft er mehr als zweifaches Ärgernis. Dazu möchte ich nicht raten. Weil die meisten, die in der Tyrannei des Antichrists leben, sich durch ihre Schwäche hindern lassen, freimütig zu bezeugen, dass sie sich den Gräueln des Papsttums entzogen haben, so muss man sie daran erinnern, wie ich es immer tue ihnen gegenüber, wie elend und in welch Irrsal verstrickt sie sind, dass sie einer Beleidigung Gottes nicht ausweichen können als durch eine andere Beleidigung. Das heißt wirklich, zwischen Opferaltar und Opfermesser stecken, wie man sagt, wenn man seine Kinder Christo nicht darbringen kann, ohne sie durch die Gräuel des Antichrists zu entweihen, und doch auch nicht den Brauch der Taufe lassen kann, ohne den Tadel der Verachtung des Christentums auf sich zu nehmen. Den Stachel gebe ich allen zu fühlen, die sich in diesen Verhältnissen wohl zu befinden vorgeben; sie sollten ihr Elend doch auch in ihren Kindern erkennen.

Wenn ich [in meinem letzten Brief] doch einen Unterschied mache zwischen der papistischen und einer zum Spaß nachgeahmten Taufe, so machst du dir daraus eine Antwort zurecht und bekämpfst sie, als ob ich sie so gegeben hätte. Ich weiß aber, du findest in meinem Brief nichts davon, dass die Wirksamkeit der Taufe abhänge von der Absicht des Taufenden. Irre ich mich nicht, so habe ich nur gesagt, sie sei wirksam, insofern sie vollzogen werde zum Zweck, uns in den Leib Christi aufzunehmen oder ein Sinnbild unserer Erneuerung zu sein. Das kümmert mich nicht, obs ein Spötter ist, der tauft, oder der Teufel selbst. In Betracht fällt nur die Einsetzung und der ununterbrochene Brauch des Taufens nicht erst von gestern; denn weder die Papisten, noch andere Götzendiener haben ihn erfunden. Du magst ihn also verkehrt finden, wenn du ihn nicht in seiner ursprünglichen Gestalt wiederherstellst. Aber so sehr er auch durch falsche Zusätze verderbt ist, fest blieb doch stets das: es wird getauft auf den Befehl Christi im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes als ein Zeugnis der Wiedergeburt. Das ist der Zweck, der, wie ich meine, in Betracht gezogen werden muss. In ganz derselben Weise hat einst Gott bei der Entweihung aller andern heiligen Bräuche die Beschneidung nichtsdestoweniger gelten lassen, weil sie eben den Zweck hatte, das Siegel des göttlichen Bundes zu sein: Ich will dein Gott sein und deines Samens nach dir [1. Mose 17, 7]. Als damals unter Josia das Volk den Bund von neuem schloss und feierlich Buße tat für seinen Abfall, wurde doch die Beschneidung nicht wiederholt, wiewohl auch sie nicht nur durch die allgemeine Untreue, sondern durch vielen gottlosen Aberglauben befleckt war. Denn soviel vermag die heilige Einsetzung Gottes, dass sie unter vielfacher Verderbnis durch die Menschen doch noch stark genug ist, ihre Wirksamkeit zu behalten. Denn es drang nicht, wie du meinst, eine Nachäffung der Taufe ins Volk Gottes ein, sondern [bloß eine falsche] Beobachtung einer von Gott überlieferten Einsetzung. Und doch waren die Söhne entartet, die das mit den Vätern geschlossene Bündnis verletzt hatten.

Wenn ich sage, auch im Papsttum seien Überreste der Kirche geblieben, so beschränke ich das nicht auf die Erwählten, die darin hier und dort zerstreut sind, sondern ich meine wirklich, es ist im Papsttum die Ruine der zerstörten Kirche vorhanden. Aber um mich nicht in lange Erörterungen einlassen zu müssen: Pauli Autorität muss uns da zufrieden stellen, der sagt, der Antichrist werde sich in den Tempel Gottes setzen (2. Thess. 2, 4). Freilich glaube ich es auch mit genügend sichern Gründen bewiesen zu haben, dass die Kirche, zwar halb zerstört, ja, wenn man will, ganz zerstört und entstellt, doch in gewissem Sinne noch im Papsttum geblieben ist. Du fragst, warum ich nicht dulde, dass im Privathaus eines frommen Mannes die Taufe rein nach Christi Vorschrift vollzogen werde. Die Antwort ist leicht. Denn eine Taufe dieser Art, wie sie bei uns hier nicht erlaubt, ja sogar rechtlich verboten ist, duldete ich persönlich lieber als die päpstliche Taufe, die von so manchem Schmutz befleckt ist. Aber hier handelt es sich nicht darum, was ich billigen könnte. Wenn du aber glaubst, ich halte die Taufe für nichts, die irgendeiner meiner Amtsbrüder vielleicht in einem Privathaus vollzogen hat, so ist mir das nie in den Sinn gekommen; das bezeuge ich vor Gott und Menschen. Denn es ist etwas ganz anderes, zu entscheiden, ob etwas recht und echt ist, als ob unter fremdartigen Zusätzen noch etwas von Gottes Einsetzung vorhanden ist.

Wenn ein Türke durch feierliches Glaubensbekenntnis in die Kirche aufgenommen ist, so sind zweifellos seine Kinder auch zu taufen. Denn da gilt die Verheißung: Ich will dein und der Deinen Gott sein.

Die Furchtsamkeit, die manche Leute veranlasst, so vorsichtig zu leben, dass sie den Verfolgern nicht verdächtig werden, einfach zu verdammen, steht mir nicht zu. Denn einer ist Gesetzgeber und Richter, und ich sehe, dass sein Mund sie nicht verdammt. Die aber meinen, ihr schlaues Heucheln beim Messegehen sei ein nützliches Mittel zur Förderung der Ehre Gottes, die mögen doch bedenken, dass Gott nicht so schwach ist, dass er unserer Lügen bedürfte [Hiob 13, 7 Vulgata]. Zwar ist es wahr, dass bei diesem Anlass zuweilen Leute für Christum gewonnen werden. So oft das geschieht, will ich mich nach Pauli Beispiel [Phil. 1, 18] freuen. Denn in welcher Weise auch das Reich Christi ausgebreitet wird, müssen wir es als Gewinn ansehen. Aber jetzt handelt sichs darum, ob eine solche Nachgiebigkeit [gegen die Umgebung] Gott wohlgefällt. Da sagt er selbst aber nein. - -

7. Dezember 1549.

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