Zwingli, Huldrych - Vertheidigung wider einige über ihn ausgestreute Unwahrheiten

Zwingli, Huldrych - Vertheidigung wider einige über ihn ausgestreute Unwahrheiten

25. Brachmonat im Jahre 1524

§ I.

Allen Christenmenschen seye die Gnade GOttes des Vaters und seines eingebornen Sohnes, unsers lieben HErrn JEsu Christi zuvor! Fromme, liebe, andächtige Brüder! Euch soll nicht so sehr verwundern, daß die Feinde des göttlichen Wortes täglich neue und unzählbahre Lügen wider dasselbige und seine Verkündiger erdichten, sondern frolocken, daß unsere Widersächer mit der Wahrheit nichts vermögen, und sich deßhalber zu den Fablen und Lügen kehren müssen. Wie sollte ihm der Teufel anderst thun? Er siehet das Licht des Evangeliums mit seinem Nachtheil wachsen, dann wo das Licht scheinet, da müssen die Finsternissen weichen, wann sie sich schon lange sperrten. Nichts destoweniger will der Teufel noch etwas mit seinem Menglen unterstehen, und so er mit der Wahrheit nichts vermag, kehrt er sich zu den Lügen, dann er ist lügenhaft und all sein Geschlecht, Johannis 8. Also hat er den armen Adam im Anfang mit Lügen verführt. Also hat er über unsern Erlöser den HErren JEsum Christum seine Lügen so mannigfaltig durch einandern verwicklet, daß auch die wider ihn erdachte Kundschaften etliche der Gewaltigen ungeschickt bedünkten; dennoch ward der HErr mit solchen Künsten getödtet. Aber jetzt wird gesehen, was zuletzt hernach folget, daß, wenn er wähnet überwunden zu haben, er selbst überwunden und gefangen wird. Dann so das Waitzenkörnlein verfaulet ist, so bringt es erst viel Frucht. Darum soll niemand ab Lügen bewegt werden, ja auch nicht ab Durchächtung; das göttliche Wort muß mit solchem Regen und Ungewitter übergangen werden, aber es wächset erst davon. Christus hat es selbst seinen Jüngern zuvor gesagt: Johannis 16. Ihr werdet Angst oder Drang in der Welt haben; doch vertrauet, ich habe die Welt überwunden. Solche Stempeneyen mehren die Ehre des göttlichen Wortes, dessen Sieg so viel desto klärer und größer wird, je mehr es Widerstand hat; denn die Wahrheit muß je in allwegen überwinden, und die Lügen müssen an den Tag kommen. Denn der die Lügen redt, spricht Salomon in den Sprüchen 19. der wird nicht entrinnen; und ob wir gleich den Triumph mit den leiblichen Augen nicht sehen würden, den wir doch jetzt an vielen Orten sehen, so wird die Ehre GOttes und unser Heil nur desto grösser; dann solche Streiter erfordert GOtt, die ihm in allen Trübsalen bis an das End anhangen, und wenn sie gleich die ganze Welt bestehen, und mit ihr kämpfen müßten. Doch wo ein Volk widerspännig ist, so ist es nichts anders, dann der ganzen Welt widerspahn; dass die Welt thut allenthalben gleich. Sie lüget, sie wütet, sie drohet, sie pochet, sie schwöret, sie schlägt, sie schmähet, sie tödtet, sie metzget; summa, sie ist unsinnig und taub. Welche aber GOttes sind, lassen sich solche Künste nicht von ihm abführen, sondern erlernen erst bey ihnen, wie groß die Kraft des göttlichen Wortes sey, daß es die hohen Empörungen allwegen überwindt. Sie werden auch hiermit verhütet, daß sie keinem Zeichen nachfragen. Dann es ist ihnen Zeichens genug, daß sie täglich sehen, daß es gehet, wie es GOtt vorgesaget hat. Es muß also zugehen, und ist doch das End noch nicht hier, Lucä 21. Aber das Wort des HErrn wird in die Ewigkeit steif bleiben, und werden die Feinde des HErrn, so bald sie erhöhet und in Ehren sind, vergehen und zu nichten werden, wie der Rauch.

§ II.

Jetzt sey euch, lieben Brüder! zu wissen, daß verschiedene Paffen etlichen Gewaltigen unterschieben, wie wir zu Zürich alle unsere Kunst im göttlichen Wort von den Juden lerneten; das uns wenig bekümmerte, was dieser oder jener schwatzete, wenn es nicht dahin reichen wollte, daß man verhoffte, das GOttes-Wort darmit verhaßt zu machen, das doch vor allen Dingen unangefochten bleiben soll. Darum rede ich darzu, daß solche Rede erdacht sey, und ohne alle Wahrheit. Ich habe auch den Mosche Juden zu Winterthur, von dem einige fürgeben, er habe sich gerühmt, wie er zu uns komme, und uns lehre, und wiederum wir heimlich zu ihm, durch Mittelpersonen darum bestrafen lassen. Derselbige hat mir darüber schriftlich geantwortet, wie ich hier aus seiner eigenen Schrift ausschreibe: „Darum, lieber Herr! laß ich euch wissen von wegen solcher Red, die man mir fürgehalten hat, daß mir solche Red nicht vor meinen Mund ausgegangen ist, auch wollte ich einen solchen gern ansehen, der solches von mir sagte, er sey, wer er wolle, ich will ihm still stehen, daß ich solches nicht geredt habe; es wird sich auch mit keiner Wahrheit finden, so wahr GOtt im Himmel ist… Also schrieb der Jud. Das ist wahr, ich habe vor etwas Zeits in Beyseyn mehrer dann zehen gelehrter und frommer Personen von Zürich und Winterthur, mit ihm von einigen Verheissungen im alten Testament Red gehalten, aber alles wider ihren Irrthum; da sie allein an dem presthaft sind, daß sie den HErrn JEsum Christum nicht annehmen. Er ist auch zweymal zu uns nach Zürich in unsere Hebräische Lectionen kommen zuzuhören, und nicht uns zu lehren; sondern er hat zugehört, ob wir mit der Hebräischen Schrift recht umgehen könnten, und hat gewünschet, daß er sie auch solchergestalt verhandlen könnte. Wiewol nun zu solchen Verleumdern, die etliches fürnehmen in denen Dingen, darinnen sie unwissend sind, möchte gesagt werden: Wisset ihr nicht, daß in euren eigenen Rechten Di. 9. bestimmt ist, daß man zu den Hebräern gehen möge, wo etwas unbekandtes in dem alten Testament fürkomme? Nun laufet ihr doch zu den Heyden, und gilt Aristotelis mehr bey euch, dann GOttes und seines Sohnes JEsu Christi Wort; dann ihr das Wort Christi nach seinen Worten mäßiget und verstehet. Doch ist mit ihnen eben so viel zu handlen, als mit den verstockten Juden; dann GOttes Wort giltet wenig bey ihnen.

§ III.

Darnach geben sie euch für, wie der liebe, fromme Bruder Franz Kolb, Predicant zu Bern, der jetzt etliche, treue, Christliche Predigen bey uns gehalten, öffentlich gepredigt habe: Christus hätte nicht für uns gelitten, sondern Sant Jacob der mindere, welches Wort ohne Zweifel keine Creatur je aus seinem Munde gehört hat, ich geschweige, daß er es jetzt bey uns geprediget habe. Was ist es aber, daß man insgemein spricht: Es haben es fürnehme, glaubwürdige Leute gesagt? Spreche du, ob sie es gehört haben? Du wirst vernehmen, daß es ihnen zu Ohren getragen, und sie verführt worden. Es geschiehet ihnen, was den höchsten Königen und Herren, die, so sie nicht friedsam und gerecht seyn, noch andere bey Recht und Frieden bleiben lassen wollen, ihren Krieg und ganzes Reich etwan an einen Verräther lassen müssen, der sie doch eben so wol verrathen kann und darf, als ihre Widerpart.

§ IV.

Vor das dritte geben sie von mir aus: Ich predigte öffentlich, Daß JEsus Christus nicht der Sohn GOttes sey, und nicht für unsere Sünden den Tod erlitten habe. Ich antworte darüber: Wann ich gleich so taub und von mir selbst gekommen wär, daß ich solches redte, was wollte ich darmit? Wie viele Schriften habe ich ausgehen lassen, die mich alle heissen würden hierinnen lügen? Dann ich in denselbigen das Fegfeur, die Beicht, die päpstische absolutz und andere Dinge mehr allein darmit gestürmet habe, daß Christus der Sohn GOttes, unser Trost seye, dann wenn wir GOtt so sehr angelegen seyen, daß er seinen eingebornen Sohn für uns gegeben habe, was wir dann neuer Bezahlung, Fürsprechern und Penen nachzufragen haben? Nun ist aller, die auf diese Zeit das Evangelium predigen, Arbeit allein diese, daß man die Sicherheit seines Heils finde in dem Tod des lebendigen Sohns GOttes. Aber solches reden sie zum Theil, daß sie mich verleumden, als ob ich vom Glauben zu den Juden abgefallen wär. Zum andern, daß sie meine Worte, die ich zur Erklärung der Worte Christi geredt habe, verkehren, und deßhalben nicht mir allein, sondern auch dem Worte Christi Nachtheil gebähren. Da ich jetzt die Zeither das Evangelium Johannis predige, ist am nöthigsten, daß man zum Verstand der Worten unsers Erlösers JEsu Christi erkenne, daß zwey Naturen, und beyder derselbigen Eigenschaften in ihm seyen, die göttliche, und die menschliche, doch bey dieser ausgenommen die Anfechtung zu sündigen, und doch beyde Naturen nur ein Christus ist. Also sehen wir Christum nach der göttlichen Natur reden das Wort seines himmlischen Vaters, das ewig und unüberwindlich ist, und mächtig die Todten aufzuwecken. Nach der menschlichen aber sehen wir ihn Hunger, Durst und Forcht des Todes leiden. Und wie ein einig Eisen hauet und brennt, nachdem es geführt wird; also sehet in Christo JEsu die Kräfte und Würkungen beyder Naturen, nach der menschlichen stirbt er, nach der göttlichen auferstehet er, und ist doch nur ein einiger Christus, GOtt und Mensch, wie jenes ein Eisen hauet und brennet. Dieß erkandten aber die Juden nicht, sondern wenn er von seinem göttlichen Wesen, und wie er ein Sohn GOttes wär, redte, so ärgerten sie sich, als wenn er ihm selbst zu viel zugab, dann sie hielten ihn nur für einen Menschen, ja daß er von Joseph gezeuget wär, Lucä 4. Auf solchen ihren Irrthum giebt ihnen Christus oft Antwort, sie zu unterrichten. Johannis 5. zeiget er an, daß er von Ewigkeit her gleich lebendig sey mit seinem Vater, also wie der Vater das Leben in ihm selbst habe, also habe er auch dem Sohn gegeben, daß er das Leben in ihm selbst habe. Nun lebt der Vater selbst, und lebt der Sohn, wie der Vater in ihm selbst, und ist aber der Sohn aus dem Vater her, so muß ja seyn, daß sie nur ein Leben haben, und deßhalben auch nur ein Wesen; dann das von ihm selbst lebet, mag nicht mehr, dann ein Ding seyn, darum er wiederum spricht Johannis 10: Ich und der Vater sind ein Ding, also sind sie auch nur ein Leben. Hier wären noch viele Kundschaften, sind aber jetzt nicht nöthig. Hingegen zeiget er sich selbst an nach der menschlichen Natur minder zu seyn, als der Vater ist, Johannis 14. Der Vater ist grösser als ich, wie auch Athanasius im Symbolo spricht. Auf diese Natur redt er wiederum Johannis 5: Ich mag von mir selbst nichts thun. Wie? Er hat doch das Leben in ihm selber; auch spricht er gleich darvor: Mein Vater würket, und auch ich würke. Wie wird dann dieß verstanden: Ich vermags von mir selbst nichts? Ich als ein lauterer Mensch, worfür ihr mich haltet, vermag von mir selbst nichts. Sehe, das redet Christus von der Menschheit, die aber nicht blos in ihm war, dann die Gottheit auch gegenwärtig in ihm war; auch stellt er diese Worte nach dem Irrverstand der Juden auf die blose Menschheit, als sagte er: wenn ich ein bloser Mensch wär. Bald darnach spricht er: Wann ich Kundschaft von mir selbst gebe, so ist meine Kundschaft nicht wahr. Ist abermal auf die blose Menschheit geredt, dann die Wahrheit ist allein von GOtt, dann sie ist GOtt selbst. Nicht daß Christus ein bloser Mensch seye, und muß die Meinung der Worte Christi seyn: Wann ich nur als ein Mensch redete, so wäre meine Red und Kundschaft nichts; aber ich bin die Wahrheit, das ist GOtt selbst, darum ist meine Kundschaft wahr, nicht deßhalb, weil ich ein Mensch bin, sondern deßhalb, daß ich GOtt bin. Darum spricht er wiederum Johannis 8. Wann ich (verstehe hier den wahren GOtt) Kundschaft von mir selbst gebe, so ist meine Kundschaft wahr. Sehe, wann diese Worte nicht von beyden Naturen mit Unterscheid zu verstehen wären, würden sie richtig wider einandern seyn. Darnach eröffnet er die beyden Naturen, Johannis 12, ganz eigentlich: Welcher in mich vertrauet, der vertrauet nicht in mich, welches so viel ist, nicht in mich, als in einen lauteren Menschen, sondern in mich, als GOtt, dann ich bin GOtt. Darum spricht er gleich darauf: Welcher mich siehet, der siehet den, der mich gesandt hat. Weiter bald darnach: Welcher meine Worte hören wird, und die nicht annimmt, so verurtheile ich ihn nicht, die Rede die ich gethan habe, wird ihn am letzten Urtheil verdammen. Hier hörest du abermal, daß er nicht als ein Mensch urtheilen wird, sondern als der wahre GOtt, wie er am 5 Cap. geredt hat: Der Vater hat alles Urtheil dem Sohn übergeben. Also spricht er hier das Wort, oder die Rede werde urtheilen. Warum? Weil das Wort GOtt selbst ist, und welcher das nicht annimmt, der nimmt GOtt nicht an. Es ist auch die Wahrheit allein GOtt, also daß Christus sie seiner eigenen Menschheit auch nicht will zulegen, sofern sie allein wär; aber in ihm sind zwey unterschiedene, aber ungetheilte Naturen, die nur ein Christus sind, das wollten die Juden nicht verstehen. Sehe, das ist nach der Kürze, was ich von den beyden Naturen Christi halte, und nicht ich, sondern sein eigen Wort redt das klar, welches doch richtig wider die Juden ist. Das haben mir die Verkehrer dahin gezogen, als ob ich wider die Gottheit Christi redete. Doch schaffen sie darmit so viel, als GOtt verhängt, und so lange er will.

§ V.

Zum letzten schreyen sie: Wir wollten zu Zürich die Meß hinthun. Ist gleicher Weise erdichtet. Wir sind wol der Hofnung: Wir wollten den Geitz und Gutzelwucher und die Kaufmannschaft unterlassen, und das heilige Sacrament allein gebrauchen nach der Einsetzung Christi. Das ist die Meß erst eingesetzet, aber die Meß Christi und nicht die Meß der geitzigen Päpstler. Lieber Leser! Die Zeit leidet hier nichts mehr. Darum bewahre dich wol vor den Lügen, dann sie werden nicht zu gutem erdichtet. Dann das Wort GOttes wird bleiben, so alle seine Feinde, wie die Egyptier versinken werden. Bewahre dich GOtt, und sey versichert, daß wir zu Zürich das Gotteswort solchergestalt ansehen und fürlegen wollen, daß es zu der Ehre GOttes und Besserung der Conscienzen allein reichen muß. Von der Jungfrauen Maria habe ich vormalen in einem besondern Büchlein meine Meinung angezeiget. Bey derselbigen bleibe ich steif. Ich lasse demnach einen jeden sagen, was er will. Ich will auch hier etliche Pfarrer und Predicanten bey GOttes Sohn JEsu Christo unserem HErren ermahnet haben, daß sie von ihrem Winkelhauchen lassen, und von ihrem Hetzen, da sie den einfältigen Gewaltigen zuschleichen. Vermögen sie etwas wider die Art des Evangelii, wie ich es mit vielen Frommen Gelehrten predige, so zeigen sie das an, oder ich will die Feder öffentlich wider sie gebrauchen, und der Welt ihre Unwissenheit, damit sie erschrecket werden, anzeigen, ungeachtet, wie gelehrt der kleine Finger, und wie gefärbet das Baret sey. Doch ist meine Bitt an sie, daß sie ihren Verstand GOttes Wort unterwerfen; und an GOtt, daß er alle Irrenden, auch mich, wo ich irre, herfürzeuhe. Amen.

Inimici Hominis domestici ejus.

Quelle: Füßlin, Johann Georg - Beyträge zur Erläuterung der Kirchen-Reformations-Geschichten des Schweitzerlandes - Band 5

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