Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die zwölfte Rede.

Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die zwölfte Rede.

Nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Seinem heiligen theuren Blute, und mit Seinem unschuldigen Leiden und Sterben.

Darum, daß Seine Seele gearbeitet hat, wird Er Seine Lust sehen, und satt werden. Jes. 53, 11.

Die Rede ist von dem Arbeitslohn Jesus.

Die Sache theilt sich selbst natürlich ein, wenn wir von dem Arbeitslohn Jesu reden wollen, daß wir von Seiner Arbeit und von Seinem Lohne sprechen.

Die Arbeit wird eine Seelenarbeit genennt.

Das, was der Heiland an Seinem Leibe gelitten hat, ist nicht eigentlich die Sache, dadurch wir zu Seinem Eigenthum erworben sind. Mit Seinem Leibe wurde Er ein Opfer für uns auf dem Holze, da Er uns durch Seinen Tod mit Gott versöhnete, und das Zornfeuer stillete. Die die Vernunft in die Sache führen, und dem Mißbrauch der Lehre vom Kreuz und der Genugtuung abhelfen wollen, die sprechen: Der Heiland hat uns durch Seinen Tod nur fromm und gottselig und zu feinen christlichen Leuten machen wollen, und durch Sein Leiden den Weg zur Heiligkeit geoffenbaret. Aber die wahre Ursache der Leiden an Seinem Leibe war die Loskaufung der Menschen von der Sklaverei der Sünde und des Teufels, und daß Er für uns am Kreuze eine gültige und verdienstliche Buße thun möchte, wie die böhmischen Brüder sangen.

Wir fangen nicht beim Fromm- und Heiligwerden an, wenn wir des Todes und des Kreuzes Jesu theilhaftig werden wollen, wir werden gerecht durch Sein Verdienst, als Sünder, ohne Zuthun der Werke, wenn wir es Ihm nur glauben können. Es muß aber nicht ein Wahnglaube im Kopf sein.

Wer die Versöhnung Jesu glauben kann, wenn er dem Heilande gleich gar nichts gedienet, sondern vielmehr seine Tage mit Sündigen zugebracht hat, der wird selig, und wenn er den Augenblick, da er zum Glauben gekommen, in die Ewigkeit ginge.

Das ist die Wirkung des Verdienstes des Todes Jesu.

Der Punkt aber, der mit unserer Pflicht zusammenhängt, ist der, daß Seine Seele gearbeitet hat. Er hat Seinen Tod dreißig Jahre und noch länger erwartet, und hat gewußt, daß Er um der Menschen Sünde willen sterben würde. In der ganzen Zeit hat Er erfahren Alles, was ein Mensch an seiner Seele ausstehen kann, alle unsere Schwachheiten, Krankheiten, Versuchungen und Übungen. Das hat sich zusammen gezogen, da Er am Ölberge Blut schwitzte, da Er am Kreuze schrie: Mein Gott! mein Gott! warum hast Du mich verlassen?

Sein Geist war in Seinem Leben oft sehr beklemmt, und Er weinte vielmal; diese Schmerzen haben Ihm unsere Seelen zu Seiner Braut erworben, wie sich Jakob durch seine vierzehnjährige Arbeit bei seinem Vetter Laban seine Weiber erwerben mußte.

Der Heiland mußte sich in der menschlichen Hütte sehr schlecht und kümmerlich behelfen, und ließ sich das Alles gefallen, ja oben drauf den Tod.

Das geschahe auf eine ganz andere Art als bei Seinen Zeugen. Die bekommen zu ihrem Leiden die größte Freudigkeit geschenkt, Ihm aber wurde Seine Ruhe und Seine Freudigkeit oft gestört.

Sein Lohn für diese Arbeit ist dem Heiland bestimmt von Seinem Vater.

Es sind Ihm zwei Dinge versprochen:

  1. Er soll Seine Lust sehen,
  2. Er soll satt werden.

1. Soll Er Seine Lust sehen.

Wenn wir die gegenwärtigen Verfassungen der Welt ansehen, so sehen wir, wie wenig des Heilands gedacht wird; und wenn es auch geschiehet, so ist es doch ohne Empfindlichkeit.

Seiner Kinder geringe Zahl werden für nichts anders als Wunderthiere in der Welt angesehen.

Sie verlangen nichts, als Seiner Seelenarbeit zum Lohn zu werden. Das ist ihre einige Ambition, ihre einige Sehnsucht, ihre Begierde gar allein.

Und doch werden sie als gefährliche, bedenkliche, ja gar verwerfliche Leute angesehen, als solche, mit denen man sich fast bedenken sollte umzugehen.

Läßt man sie auch aus Leichtsinn für Kinder Gottes passieren, so bleibt man darum doch, wie man vorher war, ohne Nacheifern.

Es dünkt oft die Menschen, die Gewalt haben, ein Großes zu sein, wenn sie den Seelen des Heilandes nur erlauben, Sein Eigenthum zu sein, Ihm zu leben, und sich zu Ihm zu bekennen, und das mitten in der Christenheit.

Was den Heiland betrifft, so hat Er Seine Lust an geringen Sachen, und nimmt gern mit Wenigen vorlieb. Er hat sich überhaupt was Schlechtes zum Lustspiel erlesen.

Die Glückseligkeit eines Menschen ist groß, den der Heiland in Seinem Herzen dafür erkennet, daß er Seine Lust ist: mehr Seligkeit kann ein Mensch kaum verlangen. Der Heiland siehet Seine Lust an allen denen Seelen, von denen Er weiß, daß sie Ihn in der Zeit ihres Lebens ergreifen werden.

Des Heilandes Lust wird pünktlicher und solider gesucht als unsere. Wir haben manchmal gute Hoffnung von Seelen, da der Heiland voraus siehet, daß es nichts ist. Seine Freude ist also gemäßigter, Er siehet weiter hinaus, und was wir für hübsch, treu und ziemlich ganz halten, das siehet Seine Weisheit oft als elend und jämmerlich und weniger als halb an. Aber Er hat doch auch mehr Lust als wir Alle; denn Er siehet voraus, sowohl was aus einer jeden Seele noch werden kann, als was Er in zehn, zwanzig, dreißig Jahren noch Alles hinzuthun wird bei denen, die selig sind.

2. Er soll satt werden.

Das gehet so weit, daß unser Verstand nicht dahin langt. Satt werden heißet, so viel kriegen, als man bedarf, so viel Nahrung haben, als man braucht, so viel essen, als einen hungert. Wenn der Sohn Gottes soll satt werden, und Sein Hunger nach Seelen soll gesättiget werden, so muß das was Unaussprechliches sein. Da muß freilich mehr geschehen, als wir denken und hoffen können.

Das macht Seinen Streitern Lust zu arbeiten. Die Zahl Seiner Seelen muß noch zu viel Myriaden anwachsen. Durch diese Hoffnung wird Seiner Zeugen ihr Muth vergrößert, und ihre Treue gereizet, sich ohne Aufhören an die Seelen zu machen.

Gewiß der Inbegriff dieses Ausdrucks gehet so weit, daß ich nicht Worte finden kann, mich darüber herauszulassen. Er, der vor Hunger und Durst nach Seelen dreißig Jahre gelaufen, und sich mehr in den Tod gewagt hat, als die Helden David's, den Durst ihres Fürsten zu stillen: Er, der bis in den Tod dabei geblieben ist, daß Ihn dürstet; der soll sich satt trinken.

Bei uns, die wir ein Lohn des Heilandes sein sollen, muß es so weit kommen, daß wir mit Wahrheit sagen können. Ich mag keine Ehre, kein Gut, kein Recht, keine Lust mehr auf der Welt. Ich habe gern keinen Willen mehr; Sein Wille ist mein Wille.

Es ist nicht nöthig, die guten Werke auf den Fingern herzuzählen. Es ist Alles Seine von der Stunde an, da uns der Heiland gemahnt und Seinen Lohn gefordert hat, und wir's geglaubet haben, daß Er Lohn verdienet, was Leib und Seel' vermögen.

Drum ist das eine Hauptsache, die sich die Knechte Christi merken müssen. Wenn Seelen todt sind, und die Stimme des Sohnes Gottes noch nicht gehört haben: so kann man ihnen zu früh predigen, daß sie des Heilandes Lohn sind. Der Arbeitslohn wird für den Heiland gefordert, wenn Er uns Vergebung der Sünden bringet. Wir müssen es erst wissen, daß uns der Heiland erworben hat.

Das ist die Arbeit, die der heilige Geist bei denen gelehrten und klugen Leuten zuweilen durchs Gesetz intendiert, da Er sie in die Enge treibt, und ihnen zeiget, wie elend sie sind, da Er ihnen allen Ruhm und eingebildete Tugend wegnimmt, und sie überzeugt, daß sie auch Sünder sind. Das macht erst, daß sie die Wichtigkeit des Verdienstes Jesu lernen schätzen, und wenn ihnen der Heiland die Sünde vergibt: so fällt ihm der Doctor zu Füßen, und erkennet, daß es eine himmelschreiende Sünde wäre, wenn er dem Arbeiter Seinen Lohn vorenthielte, und der blutige Angstschweiß Christi umsonst auf die Erde gefallen sein sollte.

Die Einfältigen haben's näher: denn der Glaube an das große Leiden ihres Schöpfers und Heilandes für ihre Sünde reißet ihnen das Herz in Stücken, und macht sie in Thränen schwimmen.

„O weh, daß wir so gesündiget haben!“ „Wie heftig unsre Sünden den frommen Gott entzünden, kann so eins aus dem Leiden sehn.“

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