Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die neunte Rede.

Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die neunte Rede.

Gewonnen von allen Sünden.

Der Tod ist verschlungen in den Sieg; Tod; wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum. 1. Cor. 15, 55. 57.

Es ist ein Irrthum, wenn wir uns die Sünde zu schwer vorstellen, und denken, es ist kein Rath dawider; und wenn wir sie uns zu leicht vorstellen, und denken, es ist noch eine erlaubt.

Er will sich unser ganz erbarmen, unsere Missethat dämpfen, und alle unsere Sünde in die Tiefe des Meeres werfen.

Und das ist der Sieg, darin der Tod verschlungen wird. Das ist das Meer, ja der ganze Abgrund des Erbarmens Gottes, der mit dem Blute des Sohnes Gottes bedeckt ist, wie die Erde mit Wasser. Er versenket den Bann und den Fluch aller Sünde, und läßt ihn nicht wieder empor kommen, wie einen versunkenen Stein.

Der Tod ist das gerade Gegentheil von dem, wozu uns die Liebe und Erbarmung Gottes in Christo Jesu geholfen hat. Gott hat uns zum Leben geschaffen, das haben wir verloren; wer aber den Sohn Gottes hat, der hat das Leben wieder. Wer den Sohn, das ist das Bild Gotte, nicht hat, der ist noch im Tode, s. 1 Joh. 5, 12.

Die ganze Kunst des Menschen, sein äußerliches Leben zu erhalten, bestehet darin, daß er es verhüte, daß die in ihm schon liegende Verwesung nicht überhand nehme.

Den leiblichen Tod tragen Knechte und Mägde Gottes an sich, wie andere; allein sie verhindern, durch die Gnade des Heilandes, die Verwesung in ihnen, und machen, daß ihr Land durch Sein Blut grüne und blühe. Von dem geistlichen Tode sind sie gar frei.

Das alte Verderben, das dem Sinne Jesu entgegen stehet, der Gräuelpfuhl der Erbsünde, darinnen die natürlichen Menschen schwimmen, und, wie es der Apostel ausdrückt, dahin fahren, Ebr. 2,1. und die Gläubigen als durch ein Meer der Angst waten, und um die seine Wellen schlagen, ist eine wahre Hölle.

Man stehet mehrentheils in den Gedanken, in der Sünde wäre eine Annehmlichkeit; wäre das, wie könnte sie ein Stachel genennet werden?

Der Heiland sagt's besser, wie es mit der Sünde ist: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach euers Vaters Lust wollt ihr thun.„ Joh. 8,44.

Ein jeder den Lüsten, dem Geiz, dem Hochmuth, der Gemächlichkeit unterworfene Mensch, ist ein Sklave und wenigstens Dienstbote des Teufels. Und wenn er seinen vermeinten Zweck erhält, und die gesuchte Ehre, Schätze, Lüste, Gemächlichkeit erlangt: so ist und bleibt er, hinter dem Vorhang, des Satans Hofnarr; äußerlich von Menschen wird er nach den unterschiedenen Affekten der Menschen respektiert, werth gehalten, glücklich geschätzet, beneidet, gespottet, u. s. f.

So geht's aber nur, wenn' s Alles nach Wunsch gehet. Hingegen wenn er sich zwanzig, dreißig, vierzig Jahr gequält und gemartert und nicht erlangt hat, was er gesucht oder es wieder eingebüßt hat: so wird er von aller Welt als ein Thor traktiert, verlacht, und für einen hochmüßigen Narren, für einen Geizhals, für einen schlechten Menschen, für einen Avanturier ausgeschrieen. Das ist am Ende der Lohn aller seiner Mühe und Arbeit, und gehet zuweilen gleich von der Zeit an, da man ihm halb und halb sein Schicksal voraussagen kann.

Die innige Erbarmung des Heilands bewog Ihn, Seine Boten zu den Menschen zu senden, aufzuthun ihre Augen, daß sie sich bekehren könnten von der Finsterniß zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu Gott. Ap. Gesch. 26, 18.

Wollen wir also gute Tage sehen, so lasset uns umkehren zu unserm guten Herrn. Damit unsere Sünden vertilget werden, und die Zeit der Erquickung komme von Seinem Angesichte. Ap. Gesch. 3, 19. 20.

Es ist eine erstaunliche Sache, nicht sowohl, daß Leute einmal sündigen, sondern, daß sie es ausstehen können mit dem Sündigen, weil die Sünde so ein miserabel und unerträglich Ding ist. Es hat aber eine geheime Ursache, und wenn man die weiß, so ist's gut zu begreifen. Es ist in der Welt gewöhnlich, wenn ein Mensch starke Arbeit thut, so erholt er sich und erfrischt sich. Und das gibt Gelegenheit zu der Frage, die man oft allzumäßigen und nüchternen Leuten thut: wo denn die Kräfte herkommen sollen. Man pflegt einem also etwas zu geben, das die Natur aufmuntert, wenn's einem ein wenig zu viel wird; und das müssen die Sündiger auch kriegen, sonst ließen sie das Werk liegen.

Wenn kein Gesetz in Geboten gestellt wäre, so bliebe das böse Herz wohl, wie es ist, aber die Ausbrüche wären viel rarer. Weil aber das menschliche Gemüth so gestellt ist, daß, wenn ihm eine Sache, die es sein Tage nicht gesehen noch gewollt hat, verboten wird, es alsdann erst eine besondere Neigung dazu kriegt, so ist's wohl zu begreifen, was Paulus spricht: Die Kraft der Sünde ist das Gesetz. 1 Cor. 15, 56.

Darein macht nun das Evangelium einen gewaltigen Strich. Das hebt das Gebotwesen auf, macht die Seele frei, weiset sie von allen Satzungen ab, aufs Herz, auf die Salbung, auf das Gnadengefühl von Stund zu Stund, so oft die Gelegenheit vorkommt, auf die neue oder doch erstattete Natur, die man nach Erlassung der alten Schuld von oben herab bekommt.

Da verliert das mühsame Sündigen seine Kraft und Nahrung; die Seele wird unlustig dazu, und manches bleibt liegen.

Woher kommt nun das Alles? Woher kommt die Entkräftung der Sünde? Woher kommt auf der andern Seite das selige Evangelium? „Dank sei dem Blute, das itzt durch Alles wallt.“ Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum. Vers 57.

Er hat uns erlöst, da Er gestorben ist, uns zu gut. Wir mögen gethan haben alle Sünden, so sind sie in das Meer des Blutes Jesu Christi hinein versenkt.

Alle, die dieses hören und glauben, und deren ihr Herz so werden will, die können es noch heute so haben und erfahren. Hier ist kein Sünder ausgenommen, er mag betrogen sein von dem Satan, womit und wie sehr er will, der nicht erlöst und erkauft wäre, an dem der Satan sein Recht nicht verloren hätte.

Wollt ihr selig sein, ihr Hurer und Diebe, ihr Zornigen und Mörder und Lügner, und wer ihr seid, ihr Verzagten und Ungläubigen, die ihr das höret? (und die ihr's itzt leset) So wisset, daß Jesus für euch Alle gebüßet hat, und daß ihr es in diesem Augenblick erfahren könnt, daß ihr durch Seine Wunden seid heil worden. 1 Petr. 2, 24. Der Born stehet offen, der wider alle Sünde und Ungerechtigkeit gegeben ist. Zach. 13, 1. „Nehmt hin die Absolution, und seht Ihn an, und glaubt, und stehet auf, und freuet euch, und zieht euch an, und lauft.„

Er ist darum für Alle gestorben, auf daß die, so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. 2 Cor. 5, 15.

Wir sind Seine und gehören Ihm an. Wie wir vorher ein Lustspiel des Satans gewesen sind, so können wir von nun an ein Lustspiel des Heilands sein. Diejenigen Dinge in Seinem Dienst, davon die Welt sagt, das ist eine Last, eine Beschwerde, werden uns eine Lust und Freude.

„Wer der Welt abstirbt, emsig sich bewirbt um den lebendigen Glauben, der wird bald empfindlich schauen, daß Niemand verdirbt, der der Welt abstirbt.“

Wir sind Sein Eigenthum, mit Seinem eigenen Blute erworben, der Lohn Seiner etliche dreißigjährigen Mühe und Arbeit. Wir essen und trinken, schlafen und wachen, arbeiten und ruhen Ihm.

Er hat uns erstritten von der Gewalt des Teufels, Er hat den Proceß wider den Satan hinausgeführet. Er hat uns Seinem Vater damals zugleich mit übergehen, da Er sagte. Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist. Da hat uns Gott wieder gekriegt.

„Ihr seid eurem vorigen Manne gestorben, daß ihr eines Andern sein könnet.„ Röm. 7, 4.

Das beziehet sich nun darauf, daß wir, so bald wir Gnade haben, leben, wie wir vor dem Falle würden gelebt haben, unsträflich, heilig vor Ihm etc. Eph. 1,4. Nur noch seliger und sicherer.

Weil Er nun unser Herr ist, so müssen wir auch Seine Leute sein, Ihm nachfolgen und Ihm dienen.

Wer so lebte, wie er lebte, der muß nothwendig gehasset werden, von wem Er ist gehasset worden; und auch so geliebt.

Wer aber dabei sagen kann. Ich lebe, und nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir; Gal. 2, 20. der geht über alle Schwierigkeiten hinüber, und wird ihrer kaum inne. Denn er ist erlöset von allen Sünden.

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