Zinzendorf, Nikolaus von - Aus einem Brief von der im Lehramt erforderlichen Willfährigkeit gegen allerlei Gesinntheiten.

Zinzendorf, Nikolaus von - Aus einem Brief von der im Lehramt erforderlichen Willfährigkeit gegen allerlei Gesinntheiten.

Es ist kein Wunder, dass die Frommen, die der Heiland zu seiner Zeit nicht einmal rief, uns in allen Parteien bitter zuwider sind.

Wollten die eifrigen Lehrer begreifen, dass wir erhalten, was sie zum Zwecke haben, so würden sie anders urteilen.

Und was die orthodoxen Theologen betrifft, so kann es nicht anders sein, als wir müssen am Ende ihren völligen Beifall finden. Welt-Theologen werden, in thesi von Niemand, auch von sich selbst nicht, gut geheißen; denn was ein ehrlicher Mann unter ihnen ist, der weiß, was ihm fehlt. Redliche Theologen werden gar bald inne werden, dass unsere Methode weder Heuchler noch Kopfhänger, noch Irrgeister, noch Schwätzer, noch stolze Heilige macht, sondern solche Leute zu Wege bringt, die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen haben.

Damit aber doch Jedermann, dem es um Grund und Ursache zu tun ist, unsere Methode kürzlich beleuchten könne: so will ich sie in den wichtigsten Hauptpunkten darlegen.

Unsere Methode, zu predigen.

Das herzliche Gottes Lamm, das für uns gestorben ist, und wiewohl es Gottes Sohn war, sich selbst für unsere Sünden dahingegeben hat, einem jeden menschlichen Herzen zum Gott und Mittler zwischen Gott und den Menschen, zum Gesetzprediger, zum Beichtvater, zum Tröster, zum Exorzisten, zum Heiland, zum Gnadenthron, zum Vorbild, zum Bruder, zum Mann, kurz zu Allem zu machen, durch die Predigt von seinem Blut, und von seiner Liebe zu uns bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Von dem herzlichen Lamm nicht eine Viertelstunde, weder im Vortrag, noch im Beweis auszuschweifen: keine Tugend zu nennen, als an Ihm und aus Ihm und Seinethalben; kein Gebot zu predigen, als den Glauben an Ihn; keine andere Gerechtigkeit, als dass Er für uns gut ist; keine andere Heiligkeit, als das Privilegium, nicht mehr zu sündigen; keine andere Seligkeit, als um Ihn herum sein, Ihm danken, Ihm wohlgefallen; keine andere Verleugnung, als wenn man Ihn und das Seine entbehren muss: kein anderes Unglück, als Ihm übel gefallen: kein anderes Leben, als wo Er ist; die ganze heilige Dreieinigkeit ehren in seiner Person; den Vater nirgends anders sehen, als an Ihm; den heiligen Geist nirgend anders herholen, als von Ihm, seinen Vater für unsern ausgeben, weil das Lamm unser Bruder ist: den Geist allein daran unterscheiden, wie groß an sich selbst, und in seiner Erniedrigung verdienstlich, er Jesum macht.

Methode, zu predigen.

Der Welt: Niemand als ihren einigen Gott und Schöpfer, Jesum Christum; und wer den nicht annehmen will, einen Atheisten bleiben lassen sein Leben lang; weil es ihm doch nichts helfen kann, dass er einen Gott glaubt, der anders heißt.

Den Kindern, denen in Gottes Namen die Sünden vergeben sind; sobald der Geist im Herzen Abba! gerufen hat und eher nicht, den Kindern Gottes, sage ich, gelten lassen, dass Gott, der Vater, ihr Vater ist: den heiligen Geist nicht an die Wand malen: wer ohne Geist ist, wird nur ein Spötter, und wer den Geist Jesu hat, der weiß ohnedies, dass der Heilige Geist auch Jehova ist: Überhaupt, was so klar in der Bibel steht und so zuverlässig als das Einmal Eins ist, mit Begierde einschärfen, genießen und Frucht bringen lassen.

Einen andern Grund kann Niemand legen, außer dem, der gelegt ist. Und wenn ein Engel vom Himmel rc. (Gal. 1, 8. 9.)

Predigt den Gekreuzigten, Christum rc. (1 Kor. 1, 2. 3.) Predigt Gottes Marter. Damit lasst die Leute aus der Kirche gehen, lasst sie auch wieder vergessen eure Gabe, eure Miene, euern Beweis, eure Leidenschaft rc. Wenn ihnen nur nach zwanzig Jahren noch vor den Ohren saust, ans Herz tritt, in den Gedanken liegt: Es hat sich Gott, der wahre Gott, für mich verlornen Menschen gegeben in den Tod.

Methode mit Fragern.

Nach jedes Beschaffenheit, nichts, oder etwas Weniges, oder nur das Nötigste für dieses Mal, oder alles auf einmal.

Mit den Spöttern.
Dass sie sich ärgern und zu Tod daran rieben.

Mit den Toten.
Dass man auf die Stimme des Sohnes Gottes an ihre Herzen wartet, und sie mit allen eigenmächtigen Weckungen verschont.

Mit den Ungläubigen.
Wie bei den Toten, außer, dass man es ihnen zuweilen emphatisch klar macht, dass es ohne Glauben unmöglich ist rc. (Hebr. 11, 6.)

Mit den Sündern.
Man lässt ihnen nicht gelten, dass das Sündetun ihre eigentliche Passion ist. Dass sie nicht an den wahrhaftigen Gott glauben, ist ihre Sünde, dass sie nicht an Ihn glauben wollen, ist ihre Passion; und dass sie Sünde tun, ist ihre Strafe.

Mit denen, welche abwesend sind.
Ein göttlicher Wandel in ihren Augen, bis dass sie gereizt werden, zu fragen, wer solche Leute macht.

Mit den Juden.
Allemal voraussehen, dass Moses und seine Propheten von keinem andern Gott gewusst haben, als von dem, der Mensch geworden ist, und den ihre Väter ans Holz gehängt haben. Im Übrigen nicht disputieren, sondern den Mann ansehen, ob die Decke noch vor dem Herzen hängt, und wenn das ist, ihn Laufen lassen.

Mit den theoretischen Atheisten.
Ihrer spotten, wie der im Himmel wohnt.

Mit der Welt.
Ein Herz voll brüderlicher und zärtlicher Menschenliebe voller Respekt für das geringste Gute bei einem andern, voll Scham über unsere Gnade, voll Verlangen nach jener Heil: eine demütige, bescheidene, freundliche, behutsame und deutliche Rede.

In Hinsicht der Irrtümer.
Diese sind nicht von einerlei Art.

Die Dämonischen, als da ist die gloriatio ex absoluto decreto, die Lehre von der Werkheiligkeit, von dem Eigenwirken im Werke der Seligkeit1), von der Sündlichkeit der Ehe, von der Frömmigkeit ohne Glauben, von einem Glauben in unreinem Gewissen rc. die muss man, so zu reden, teils mit der Peitsche aus der Kirche Christi herausschlagen, teils keiner Aufmerksamkeit würdigen.

Die menschlichen, welche eine weltliche Religionsform befestigen, muss man nach der Geduld der Weisheit behandeln, mit der sie das Haupt der Kirche verträgt; die andern, entweder eines jeden Gewissen überlassen, oder doch sehr bescheidentlich und behutsam zu rügen; und sich nicht nur überhaupt vom Konsequenz ziehen, und alle Leidenschaft gegen die uns irrig Vorkommenden hüten, sondern darauf besonders bedacht sein, dass man die guten Absichten, woraus oft Nebenirrtümer entstanden sind, sorgfältig ausfindig mache, und den Irrenden auf eine bessere Art in das Gute helfe, dem sie nachtrachten, und dabei sie nur des Handgriffs verfehlen.

Methode zu kontroversieren.

Entweder der Gegner will allein reden, so lässt man ihn oder er will wirklich Antwort haben, so gibt man sie: oder er erklärt sich besser, als ers meint, so lässt mans dabei: oder er erklärt sich schlechter, als er gleichwohl denkt, so führt man sein Wort: oder er ist irre, so weist man ihn gern zurecht: oder er ist böse, so begütigt man ihn: oder er ist beleidigt, so gibt man ihm gute Worte: oder er will herauslocken, so schweigt man: oder er ist bitter, so mildert man: ist er indifferent, so schont man seiner: ist sein Wort gefährlich, so entdeckt man es; ist es reißend, so schlägt man darauf, dass es liegen bleibt: ist er begierig, so ist man offen: ist er bescheiden, so beugt man sich unter ihn: hat er recht, so lässt man ihm mit Dankbarkeit recht: wo er Grund fordert, da gibt man ihm welchen: wo er an dem Grund schüttelt, da zeigt man ihm Felsengrund. Überhaupt ist man so kurz und klar, so rund und verständlich als möglich, in Nebensachen zugebend, in Hauptsachen unbeweglich bei allen Gelegenheiten muss herzliche und Menschenliebe oder brüderlicher Respekt gezeigt werden, so viel man davon gegen den Gegner auch nur aus Reflexion fassen kann.

Ordnung des Vortrages.

Nach der Weisheit, die der Herr darreicht. Die Hauptwahrheit zuerst und so viel möglich ganz etabliert; in Jesu alles gesucht und gefunden, in Jesu alles gegeben; das Objekt alles wahren Gottesdienstes ist Jesus an einem hin das Subjekt ist das Herz, für Ihn eingefordert. Das wahre Christentum kommt mit der Geburt aus dem Geiste, wie die fünf Sinne und ihr Gebrauch mit der natürlichen Geburt….

Der Ausdruck muss deutlich, nicht zweideutig, biblisch, eindringend und so ganz sein, dass man gleich hören kann, was wir wollen. Spiritus biblicus, ore biblico.

In Hinsicht der Personen, die zum Dienste brauchbar sind.

Zu einem Professor der Wahrheiten erfordern wir nur natürliche Redlichkeit und offnen Kopf, zum Evangelisten aber ein ganz begnadigtes demütiges Herz.

In vita communi.

Gegen die Mitknechte treuherzig und ernstlich gegen alle fremde Knechte bescheiden und nachbarschaftlich; gegen die Mietlinge unparteiisch; gegen die reißenden Wölfe attent und kurz resolviert. Dein Auge soll ihrer nicht schonen. (5 Mose 13,8.) Man soll sie aber weder im Wald aufsuchen, noch in der Grube totschlagen, in welche sie gefallen sind.

Und was ist eigentlich der Charakter eines Lehrers der alten wahren Kirche, wovon Jesus am Kreuze der Stifter ist? Sie sind arme Sünder vor Gott und allen heiligen Engeln, Verehrer und Liebhaber alles einfältigen Guten, wo es immer ist; Verfolger und Verdächtigmacher alles Guten, das einigem Bösen zum Vehikel oder Deckmantel dienen soll. Das offenbar Böse müssen sie dulden und vertragen können, das Schleichende fühlen und aufdecken: Bei den Heiden hungern, dürsten und warten können, bei den Juden seufzen, bei den Irrigen Geduld lernen: Jesu Verdienst zum Helm haben, sein Wort zum Schwert, und seine Liebe, die besser als Leben ist, zum Element ihres Lebens; um des willen leben, der unser Leben auf Erden will, und bei Niemand zu Hause sein, als bei Ihm, aber auch gern hingehen und sein, wo Er will: in Hinsicht des Orts und Art des Berufes, zu Land oder See, kurz oder lang, bequem oder unbequem, reichlich ausgestattet oder gar armselig, wie es dem Herrn gefällt: Seelen zu Christo laden und alle Welt in den ewigen Hochzeitsaal: Gasthöfe bauen auf allen Straßen für die Fremdlinge der Erde; was aber ein geschenktes Handwerk hat, oder seine eigene Herberge, wieder dahin zurechtweisen.

Frage: Wer wird dann solche Leute verfolgen?
Antwort: Niemand, als der auch den Meister verfolgt hätte.

Philadelphia den 28. Mai 1742.

1)
Versteht sich ohne und außer Christus, dem alleinigen Seligmacher.
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autoren/z/zinzendorf/zinzendorf_aus_einem_brief.txt · Zuletzt geändert: von aj
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