Zeller, Samuel - Haus-Andachten - III.

Zeller, Samuel - Haus-Andachten - III.

Jes. 1,5.
Was soll man weiter an euch schlagen, so ihr des Abweichens nur desto mehr macht? Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt.

Wir haben das letzte Mal die ersten Verse dieses Kapitels betrachtet und da gehört, wie uns Gott seinen großen Schmerz über den Abfall und Undank seines Volkes klar machen will. Diese Stimme des HErrn haben wir aber nicht zu betrachten als einen neuen Donner vom Sinai, sondern als den Ausdruck seines tiefen Schmerzes. Der HErr hat dreierlei an seinem Volk auszusetzen:

  1. V. 2: „Ich habe Kinder auferzogen und erhöht, und sie sind von mir abgefallen.“ Das ist die rechte Art unserer Buße, in unser Herz zu gehen, wenn wir anschauen die Liebe Gottes, und dann bedenken, wie schnöbe mir sie erwidern, ja mit unsern Sünden unsern HErrn und Heiland so betrüben.
  2. Es schmerzt Gott weiter, dass Er uns zeigen muss, wie wir unsere Bestimmung so aus den Augen verloren haben, dass wir unter das Tier gesunken sind; denn V. 3: „Ein Ochse kennt seinen Herrn, und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber sein Volk kennt nicht mehr seinen HErrn, noch den Ort, wo es Nahrung für seine Seele findet.“ Es ist schmählich, dass der HErr so mit uns reden muss, dass viele sein Wort so wenig achten; ich hoffe, sie schämen sich ihres tiefen Falles.
  3. Es schmerzt Gott endlich, dass er klagen muss V. 5: „Was soll man weiter an euch schlagen, so ihr des Abweichens nur desto mehr macht?“ Was der Vater getan, ist nutzlos; Liebe und Ernst, womit Er gekommen ist, ist vergeblich. O wie wehe tuts dem HErrn, wenn wir nicht mehr unter seiner Zucht stehen wollen und auf sein leises Klopfen nicht mehr achten; wenn Er, wie schon im Anfang, klagen muss: „Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, denn sie sind Fleisch.“ Wie viele haben Ursache, in sich zu gehen und sich zu fragen: Stehst du noch unter der Zucht des Geistes? An einem Kind Gottes ist dem Vater auch nicht immer alles wohlgefällig; aber es hört auf seine Stimme und folgt seiner Zucht.

Nachdem der HErr seinen Schmerz so ausgesprochen, zeigt Er uns jetzt unser ganzes Elend und Verderben, lasst uns das recht beherzigen. V. 5: „Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt.“ Wir haben vor kurzem Matth. 9,16 betrachtet: „Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid und der Riss wird ärger.“ Wir hörten da von den vielen Flickereien und Quacksalbereien. Es pfuschen so viele an ihrer Seele, salben daran herum und wollen sie bessern; aber so werden oft nur neue Übel erzeugt und selbst wieder neue Risse. Von dem alten Wesen taugt eben gar nichts.

Wenn wir den Ausspruch des Heilandes auf den kranken Körper (V. 5) anwenden, so zeigt er, wie schwer und mühsam der Beruf eines Arztes oft ist. Da soll er ein Übel kurieren; aber der ganze Leib ist krank. Wenn man Einsicht in die Medizin hat, so sieht man oft, wie viel da gepfuscht und geflickt wird. Radikalkuren sind so selten und eine solche will der HErr mit der Seele vornehmen. Viele Eltern sind oft furchtbar dumm in der Erziehung; ein eigensinniges Kind setzt oft alles durch, was es will, statt dass ihm früh der Wille gebrochen und es an Gehorsam gewöhnt wird. Unter den Geisteskranken hier in der Anstalt ist manch eigensinnig Tröpflein, das jetzt nicht in der Zwangsjacke wäre, wenn es wäre anders erzogen worden, und nun ist es eine Geißel für seine Eltern. Wie sieht es in vielen Familien aus! Da weiß bald ein jedes, wo die andern der Schuh drückt, und sucht jedem nach seinem Willen zu tun, nur um den faulen Frieden zu erhalten; tut alles, was es kann, nur um von jedem gelobt zu werden. Ich aber sage euch, wenn ich nur Friede haben kann, unter der Bedingung, dass ich jedem nach seinem Willen tue, so erkläre ich heute noch den Krieg. Radikalkuren sind notwendig, denn „das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt.“

Da wird es einem nicht sonderlich wohl, wenn man das hört. Es gibt Seelen unter uns, die wären froh und zufrieden, wenn ihnen von dieser oder jener Sünde geholfen würde. Sie streiten nur gegen einzelne Sünden; es kann aber nur zu einer völligen Erneuerung des Geistes kommen, wenn das ganze in Angriff genommen wird. Bei manchem ist die Buße nur eine teilweise, sie meinen, das Herz sei nur teilweise verfinstert. Der HErr will uns aber heute recht die ganze Sündhaftigkeit zeigen. Manche nehmen einen Anlauf, um eine Sünde los zu werden, aber es kommt nichts heraus, denn „das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt;“ sie wollen beten, aber es geht auch nicht recht. Wo fehlt es? In unseren Tagen ist bei so vielen Christen ein Fehler, sie bekehren sich nicht ganz, und ganz müssen wir uns bekehren, denn „das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt.“ Der HErr nennt da zuerst diese zwei „Haupt und Herz,“ den Sitz des Lebens, Haupt - und Herzfehler. Es ist viel gefehlt, wenn es im Kopf nicht mehr richtig bestellt ist; mit solchen muss man Erbarmen haben. Schmerzen sind da fast nichts gegen diese Unordnung im Denken und Sinnen.

„Das ganze Haupt ist krank.“ Damit will uns der HErr sagen: Du denkst falsch, deine Phantasie ist krank und ungesund. Und es ist wahr, wir erkennen es, wenn wir uns unter das Kreuz Jesu setzen und uns in diesem Licht betrachten. Es ist mir diesen Morgen bei dem Worte des HErrn Matth. 6,25: „Sorgt nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet rc.“ ein gewaltiger Eindruck gekommen von dem kranken Gedankensystem so vieler Christen; sie wären gesund und ihnen wäre geholfen, wenn ihre Gedanken dahin gerichtet wären, wo sie sein sollten auf Jesum. Wie wohl ist es dir, wenn du nur fünf Minuten bei dem HErrn sein kannst, deine Gedanken auf Ihn gerichtet sind! Da ist es dir einerlei, ob du von andern geliebt, gelobt und beachtet wirst; du siehst da nur auf den HErrn. Große Denker waren schon so in ihre Gedanken versunken, dass alles, um sie her vorgehen konnte, ohne dass sie es merkten. Dies ist uns ein Vorbild von dem, was unsere Seele erlebt, wenn sie ganz mit Jesu verbunden ist. Ein Christ sieht und hört hundert Dinge nicht, weil fein Auge an einem andern Ort weilt, weil es auf den HErrn gerichtet ist. So sollte es bei uns sein, dann ergießt sich ein lebendiger Strom von Ihm weiter. Ist das Dichten und Denken rein, so wird das Land mit herrlichem Wasser erfüllt; ist aber das Wasser trübe (ich meine deine Gedanken), so schaue nach, es fehlt an der Quelle. Wisst ihr, warum viele so unglücklich sind? Es kommt her von ihrem Dichten und Trachten, das nicht an den rechten Ort hingeht. Die Seele muss anders werden, dann denkst du anders, und so wird es besser. Wenn man mancher Menschen Reden und Handeln zusieht, so merkt man, da oben ist es nicht richtig. Wir können auch bald merken, wie es mit unserem Denken steht, ob es da richtig ist. Da oben den Quell müsst ihr untersuchen, wie es da steht. Grabt einmal tief, untersucht das ganze Denken. Was beschäftigt am meisten deine Gedanken? worauf sind sie gerichtet? Auf das irdische oder himmlische? Wenn es mit dem Denken in Ordnung ist, so ist viel in Ordnung. „Doch das ganze Haupt ist krank,“ nicht nur das Denken. Das Auge schaut nicht immer auf den HErrn, das Ohr hört nicht mehr recht auf seine Stimme, Gottes Wort ist nicht mehr nach vieler Geschmack. Da fragt mancher: Ich kann meine Sünden gar nicht erkennen, nicht dass ich ein großer Sünder bin. So ging es mir auch, wenn ich früher das Gesetz vornahm. Ich dachte: Ich habe keine Abgötter; ich missbrauche nicht den Namen Gottes; ich heilige den Sonntag usw. Da ging es mir vortrefflich; ich bestand immer sehr gut. Aber wenn man an den Jesaja kommt, da sieht man, wie übel es steht, wie alles krank und verdorben ist; da sieht man, es muss eine Radikalkur vorgenommen werden, und die kommt durch die Erneuerung des Heiligen Geistes. Wenn unsere Gedanken einmal dahin gerichtet sind, wo sie einst in Ewigkeit sein sollen; wenn wir auf Jesum und seine Schönheit blicken, auf seine treue Hirtenstimme hören, dann ist uns geholfen. Unser ganzer Sinn ist von Natur nicht aufs göttliche gerichtet, und daher kommt alles Verderben. Gott gibt Lust und Freude die Fülle und seine ewigen Gnadengüter, aber so wenige trachten nach dem Ewigen. Alle Sünden - Geiz, Neid, Haß, Unredlichkeit usw. - würden verschwinden, wenn Herz und Haupt gesund wären. Es gibt manche, die reden zu viel; sie nehmen sich vor, still zu sein; aber es geschieht nur kurze Zeit. So geht es auch mit andern Sünden und Fehlern. Du bringst nichts fertig, wenn du nicht zu Jesu gehst und dein ganzes Leben von Ihm erneuern lässt. Da gibt es oft eine große Erschütterung; Haupt und Herz ist dann geändert, Denken, Reden und Handeln ist dann ein anderes. Nur die haben hier rechten Segen, die bei dem Anhören des Wortes einen rechten Zug zum HErrn bekommen, der auch. den Tag über recht brennend in ihnen bleibt. Bei den andern verweht vieles der Wind. Ich möchte oft gerne beim hinausgehen in die Herzen schauen, um zu wissen, welches der Hauptzug des Herzens ist, ob du mehr Jesum suchst, es dich mehr nach Ihm zieht, ob du mehr in Gott hineingeführt wirst, ein Echo und Bild Gottes in dir ist; denn dann wird es anders.

„Das ganze Herz ist matt.“ Mit dem Wort „matt“ wird so recht beschrieben das träge Christentum, das kein Leben in sich hat, weil sein Trachten nicht auf Gott gerichtet ist. Was ich sage ist eigene Erfahrung. Als ich hierher kam und meine Seele Frieden suchte, so fand ich ihn. Ich kann keine Texte angeben, über die gesprochen wurde; aber eins kann ich mich noch entsinnen: ich fand Frieden, und warum? Ich habe mich mehr mit Jesu beschäftigt und war wie mit Seilen an Ihn gebunden. O betet nur im Glauben: „Zieh mich nach dir, so laufen wir!“ Einer Frau, die in Unruhe war, sagte ich, sie sollte nur recht ernstlich beten: „Dein Reich komme“ - und sie hatte bald Frieden. O betet recht, dass Jesus der Gegenstand eures Dichtens und Trachtens werde! Mit erneuertem Herzen kann man dann in die schwersten Verhältnisse hineingehen.

Der HErr präge dies Wort, das wir eben gehört haben, recht in eure Herzen. Das nächste Mal wollen wir dann betrachten V. 8: „Es ist noch etwas übrig von der Tochter Zions rc.“ Ich möchte euch schon im Voraus zeigen, dass wenn der HErr uns mit der einen Hand tief hinuntertaucht in die Flut, so zieht Er uns mit der andern Hand wieder heraus, und es tönt dann so lieblich: „Es ist noch etwas übrig.“ Der HErr weiß aus wenigem viel zu machen, und wenn bei aller Krankheit nur noch etwas übrig ist, so kann der HErr viel daraus machen; denn: „Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden.“ Der HErr gebe, dass immer mehr sein Bild in unserer Seele entstehe; das präge Er mit seinem Liebessiegel fest in sie hinein. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/z/zeller_samuel/zeller_hausandachten/zeller_hausandachten_iii.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain