Waldenser - Predigt von der Furcht des HErrn

Waldenser - Predigt von der Furcht des HErrn

Die Furcht GOttes verwirft die Sünde. Aus der Furcht GOttes entstehet viel Gutes. Daher sagt Salomon: Die Furcht des HErrn ist der Weisheit Anfang, und, wohl dem, der sich allewege fürchtet.

Denn durch die Furcht GOttes werden die Seelen von der Strafe der Höllen befreyet, und durch die Furcht GOttes findet man die Freude des Paradieses. Denn die Freundschaft mit GOtt und dem Nächsten ist Liebe; wer aber in der Liebe ist, der ist in GOtt, und wer in GOtt ist, der entschlägt sich der weltlichen Dinge. Wer GOtt lieb hat, der fürchtet die Hölle, und wünschet die Freude des Paradieses, dahin er auch gewiß zu gelangen verhoft, um ewig da zu bleiben: da dann die Furcht vor dem Tod und allen Feinden ein Ende haben wird. Denn da ist Leben ohne Tod. Und also erhält man das ewige Leben durch die Liebe gegen GOtt und gegen den Nächsten. So saget auch Paulus: Die Liebe zu GOtt und dem Nächsten thut nichts Böses, und wer in derselben stehet, wird in keine Sünde fallen. Wer hingegen mit seinem Hertzen an dem Zeitlichen hänget, der entfernt sich von dieser Liebe; sintemalen die Schätze der Welt schwerlich ohne Sünde erworben werden. Soll hier einer gewinnen, so muß der andere verlieren, und dieser wird sich darüber grämen, indem jener sich über seinen Gewinst erfreuet. Mancher gibt von fremden Schweiß sein Almosen, und nimmt dem einen sein Kleid, um des andern Blösse damit zu bedecken. Ein solches Almosen aber, das mit Ungerechtigkeit vermischt ist, ist dem HErrn ein Greuel. Daher sagt der heilige Augustinus: Das ist eine rechte und GOtt wohlgefällige Gabe, die du von dem deinigen, nicht, die du vom Raube oder Wucher giebest. Denn Almosen von Geraubten oder Wucher geben, ist kein Werck der Barmhertzigkeit, sondern eine Nahrung der Sünde.

O meine Brüder, was sollen wir von denen Reichen sagen, die da Schätze sammlen, und nicht wissen wem? Sie verlieren über dem Zeitlichen das Ewige: sie gewinnen etwas von der Welt, und leiden dabey Schaden an der Seele. Denn ihrer viele meynen, sie stehen im Licht, und wandeln doch in der Finsterniß. O blinde Begierde! welche die Seelen von Christo trennet, und mit dem Teufel vereiniget! Wie der gottlose reiche Mann, der alle Tage herrlich und in Freuden lebete. O ihr elende Reiche! warum erschreckt ihr nicht, die ihr nach irrdischen Dingen trachtet, und die himmlischen verlieret? Jacobus ruft euch deswegen zu: Wolan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird. Wehe denen, die dergleichen sind! Denn der Geitzige ist unbarmhertzig, und der Begierige ist wie die Hölle. Wie diese immer begieriger wird, je mehr sie zu verschlingen kriegt, so wird auch der Geitzige niemals satt. Wehe aber denen, die der Hölle einmal sollen zu theil werden, da sie sich hier in der Zeit der Genaden nicht haben bessern noch bekehren wollen. Alle ihre Gewalt und Reichthum wird zurücke bleiben, wann sie der Tod abfordern wird, und nichts als die elende Seele wird sie in die Hölle begleiten. Der HErr JEsus sagt deswegen im Evangelio: Es sey schwer, daß ein Reicher in das Reich GOttes eingehe; und der Apostel nennet den Geitz eine Wurzel alles Uebels. So sagt auch der heilige Gregorius: der Geitzige und der Hoffärtige haben niemals genug. Auch die blosse Begierde nach Reichthum ist schon sündlich: Darum sollen wir uns vor dieselbe hüten.

Denn das sichtbare ist zeitlich, aber das unsichtbare ist ewig. Der arme Sünder aber schämt sich nicht, seine Sünden zu beichten, und fürchtet sich nicht davor, daß er an jenem grossen Gerichts-Tage nicht nur von seinen groben Sünden, sondern auch sogar von allen unnützen Gedancken und Worten wird Rechenschaft geben müssen. Da wird kein Ort zum verbergen mehr vor sie übrig seyn, ob sie auch schon zu den Bergen sagen werden: fallet auf uns. So haben wir uns denn vor aller bösen Lust, vor dem Geitz, und unordentlichen Schätze sammlen wohl zu hüten, nach der Warnung JEsu, da er beym Matthäo sagt: Ihr sollet euch nicht Schätze sammlen auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen, und abermals: was hülfe es dem Menschen, so er die gantze Welt gewönne, und nehme doch Schaden an seiner Seelen. Und der heilige Hieronymus sagt: daß, wann gleich ein Verdammter so viele Freunde auf der Welt hätte, daß sie alle Schätze derselben besässen, so wären sie doch nicht im Stande ihm zu helfen: denn aus der Hölle ist keine Erlösung. Daher sagt auch der heilige Johannes: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist: so jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles was in der Welt ist, nemlich Augen-Lust, Fleisches-Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.

Laßt uns hierbey ein wenig auf uns selbst sehen und dencken: Wo sind so viele Könige, Fürsten und Gewaltige hingekommen?

Sind sie nicht aus der höchsten Gewalt und Freude in das tiefste Elend, und in die äusserste Angst; aus dem grösten Reichthum in die gröste Armuth; aus dem grösten Ueberfluß in den grösten Mangel; aus der grösten Wollust in das gröste Trauren; aus einem kurtzen Leben in einen langen Tod; aus einer kurtzen Gesundheit in eine ewig währende Kranckheit, und aus einem so kurtz geschienenen Licht, in die äuserste Finsterniß gefallen? Traun, die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke, und viel thörichter und schädlicher Lüste, welche versencken die Menschen ins Verderben und Verdamniß. Daher sagt der heilige Augustinus: Die menschliche Begierde hat weder Maaß noch Ziel: und an einem andern Orte heißt es: so hast du dann, o Geitziger, kein Auge, über dich den Himmel anzusehen, kein Hertze, GOtt zu erkennen, sondern nach deinem verstockten und unbußfertigen Hertzen häuffest du dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns, und der Offenbarung des gerechten Gerichts GOttes.

Laßt uns demnach das Irrdische vergessen, und uns strecken nach dem Himmlischen, und unsere Liebe eintzig und allein dem HErrn JEsu widmen: Dann die Liebe der Welt führet zur Verdamniß, aber die Liebe zu Christo löschet das höllische Feuer aus, und verwirft alle Liebe zum Zeitlichen. So laßt uns dann nicht unsern, sondern den Willen dessen thun, der vom Himmel herunter gekommen ist, und selbst gesagt hat: Ich bin nicht gekommen meinen Willen zu thun, sondern den Willen des Vaters der mich gesandt hat: und abermals: Dein Wille geschehe.

Zwar wenden ihrer viele ein und sagen: Ich bin noch jung, ich kann meinen Willen noch nicht so brechen; aufs Alter will ich Buße thun. Aber o thörichte Entschuldigung! der arme Mensch reden von mehreren Jahren und vom Alter, und weiß nicht, ob er auch über Morgen noch leben werde.

Josias wuste es wohl, daß auch ein Jüngling sterben könne: dann das Leben an sich ist kurtz, und die Kürtze desselben dennoch ungewiß. Wann wir des Morgens aufstehen, wissen wir nicht, ob wir auch den Abend erleben werden.

Ein anderer spricht: die Meinigen haben auch gelebt, und eben nicht so Busse gethan: Ich will mich nach ihnen richten, und mein Gutes mitnehmen, weil ich noch jung bin: Das Meinige den Armen zu geben, würde mir doch zu schwer fallen. Aber, o du Thor! deine Vorfahren sind gewesen, aber sie sind nicht mehr. Was helfen ihnen nun alle ihre Güter, und was nützen die Schätze, die sie ihren Erben gelassen haben, ihren armen Seelen? Ueberlege doch, was es sey, daß du nach deinem Tode zurücke lässest, und was du dagegen verlierest? Oder was schätzest du höher, deine Seele, oder deine Kinder, die doch nach deinem Tode dir nicht mehr angehören?

Nicht weniger handelt auch der unverantwortlich, der sich auf die göttliche Barmhertzigkeit beruft und verläßt. Es ist wahr, GOtt ist barmhertzig, geduldig und von grosser Langmuth, und wartet auf unsere Bekehrung. Er vergibt denen Bußfertigen nicht nur ihre Sünden, sondern verspricht ihnen auch noch den Lohn ihrer Frömmigkeit, und schenckt denen, die beharren bis ans Ende, die Krone des Lebens; wie wir davon ein Exempel an dem Schächer haben, der sich auch noch am Creutze bekehrte, und darauf die tröstliche Versicherung erhielt: Warlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies seyn. Allein, wohl dem, der alle Tage bereit ist, sintemalen wir die Stunde nicht wissen, wann der HErr wird kommen. So laßt uns dann Fleiß anwenden, weil wir noch Zeit haben, und uns nicht in die Welt verlieben, die im Argen liegt, und in welcher unser Leben lauter Versuchungen unterworffen ist.

Weil wir denn noch Zeit haben, so laßt uns Busse thun; denn unser Leben ist kurtz. Laßt uns fliehen vor unserm unsichtbaren Feind, und unsere Zuflucht zu der Stadt GOttes nehmen, die droben ist. Hat uns JEsus mit seinem eigenen Blut erkauft, so müssen wir ihn auch über alles lieben, und seine Gebote halten. Es müsse uns nicht verborgen seyn, was uns der HErr in seinem Worte geoffenbaret hat: Denn das Ende der Welt nahet herbey, und ich hoffe, daß die Zukunft des HErrn JEsu nicht mehr weit seyn werde, da er die Welt und alles, was wir in derselben mit unsern Augen sehen, mit Feuer richten wird. Wir wissen ja, daß, wann das sünden-Maaß voll seyn wird, der jüngste Tag kommen werde. Alsdann wird Feuer ausgehen vom HErrn, und die gantze Welt verzehren. Alle Herrlichkeit der Welt wird sodann, um der Sünden der Menschen willen, in ihr voriges Nichts versetzet werden. Der HErr JEsus wird sodann zum Gerichte kommen in das Thal Josaphats, und alle heilige Engel aus dem Paradies mit ihm: Da werden sich alle Völcker vor ihm versamlen müssen, und er wird sie von einander scheiden, wie ein Hirte die Schaafe von den Böcken scheidet. Darum heißt es in der hohen Offenbarung: Es werde ein Tag kommen, da die Sünder den Tod suchen und nicht finden werden, sie werden begehren zu sterben, und der Tod wird von ihnen fliehen: und der güldene Mund, der heilige Johannes sagt: Es habe der HERR JEsus sein Reich denen bereitet, die sich dem Bösen widersetzt, und nach dem Guten gestrebet haben, dahingegen die Hölle und ewige Verdammniß allen denen bereitet ist, die nicht Buße thun wollen.

Es ist nicht genug in der Furcht GOttes und in der wahren reinen Lehre wohl unterwiesen zu seyn. Das schwereste ist, darinnen bis an den Tod zu verharren, ungeachtet aller Versuchungen und Verfolgungen, die der Teufel, die Welt, und unser eigen Fleisch und Blut wider uns erregen.

Quelle: Leger, Johann - Johann Legers allgemeine Geschichte der Waldenser

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