Thomasius, Gottfried - Am ersten Pfingsttage.

Thomasius, Gottfried - Am ersten Pfingsttage.

Die Pfingstpredigt.

Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei und bleibe mit euch Allen! Amen.

Das Wunder, welches heute die christliche Kirche feiert, ist euch Allen bekannt. Ihr habt es vorhin aus unserem Evangelio vernommen, wie am Tage der Pfingsten der heilige Geist wie das Brausen eines Sturmes vom Himmel sich über die Jünger des Herrn ergoss und wie ein Strom des neuen Lebens ihre Herzen durchdrang, während er in feurigen Flammen auf ihren Häuptern glänzte und in feurigen Worten aus ihrem Munde redete. Was sie von dieser Stunde an reden und wirken, das reden und wirken sie nicht in ihrer, sondern in seiner Kraft; es sind seine Taten, die sie tun, es ist sein Wort, das sie verkündigen, sein Geist, der durch sie Zeugnis gibt. Dieses Zeugnis, und zwar das erste, das der heilige Geist durch die Apostel von Christo abgelegt hat, wollen wir heute betrachten. Wir lesen es seinem größeren Teile nach:

Apostelgeschichte 2, 22 bis 41.
Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann von Gott, unter euch mit Taten, und Wundern, und Zeichen bewiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisst); denselbigen (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes ergeben war) habt ihr genommen. durch die Hände der Ungerechten, und ihn angeheftet und erwürgt. Den hat Gott auferweckt, und aufgelöst die Schmerzen des Todes, nachdem es unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden. Denn David spricht von ihm: Ich habe den Herrn allezeit vorgesetzt vor mein Angesicht; denn er ist an meiner Rechten, auf dass ich nicht bewegt werde. Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge freut sich; denn auch mein Fleisch wird ruhen in der Hoffnung. Denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, auch nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe. Du hast mir kund getan die Wege des Lebens, du wirst mich erfüllen mit Freuden vor deinem Angesicht. Ihr Männer, lieben Brüder, lasst mich frei reden zu euch von dem Erzvater David: Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. Als er nun ein Prophet war, und wusste, dass ihm Gott verheißen hatte mit einem Eid, dass die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhle sitzen: hat er es zuvor gesehen, und geredet von der Auferstehung Christi, dass seine Seele nicht in der Hölle gelassen ist, und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat. Diesen Jesum hat Gott auferweckt, des sind wir Alle Zeugen. Nun er durch die Rechte Gottes erhöht ist, und empfangen hat die Verheißung des heiligen Geistes vom Vater; hat er ausgegossen dies, dass ihr seht und hört. Denn David ist nicht gen Himmel gefahren. Er spricht aber: Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße. So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christ gemacht hat. Da sie aber das hörten, ging es ihnen durchs Herz, und sprachen zu Petro, und zu den anderen Aposteln: Ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi, zur Vergebung der Sünden; so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung, und Aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzu rufen wird. Auch mit vielen anderen Worten bezeugte er, und ermahnte, und sprach: Lasst euch helfen von diesen unartigen Leuten. Die nun sein Wort gerne annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzu getan an dem Tage bei dreitausend Seelen.

Dies ist die Pfingstpredigt Petri. Eine solche Predigt hat vor ihm noch keiner getan und auch nachher sind die großen Taten Gottes niemals mehr mit solchem Erfolge verkündigt worden als hier, wo mit Einem Male dreitausend Seelen dem Worte zufielen und als eine reife Frucht in die Scheunen Gottes eingeführt wurden. Wie lange müssen wir Diener des Wortes predigen, bis wir nur etliche Seelen fürs Himmelreich gewinnen, ja wie oft müssen wir Jahre lang arbeiten, ohne eine Frucht unserer Arbeit zu sehen, während dort durch Eine Predigt eine ganze Gemeinde gesammelt und gestiftet wird! Da könnte man vielleicht denken, der Apostel werde mit hohen Worten menschlicher Weisheit, mit großer Kunst und Beredsamkeit gesprochen haben, wie das so Sitte in der Welt ist; aber von dem Allen finden wir hier nichts. Seine Worte sind einfach und schlicht; es ist keine weltliche Kunst, kein Schmuck und kein Glanz der Rede darin; aber es weht die Kraft von Oben hindurch, und darum schreiten sie auch einher, wie ein starker, gewappneter Mann, der ein Schwert in den Händen trägt und Alles, was ihm widerstehen will, mit siegreicher Gewalt zu Boden stürzt. Was diese Siege bewirkt hat, ist nichts anderes als die Verkündigung der großen Taten Gottes zum Heil der Welt, das Wort vom Kreuz, das Evangelium von Christo, der für uns gestorben und auferstanden ist. O! möchte es auch heute seine seligmachende Kraft an uns beweisen, möchte der Geist aus ihm heraus durch unsere ganze Gemeinde wehen, damit die Sünder, erschüttert und zur Buße getrieben, nach dem Weg zur Seligkeit fragen, die Bußfertigen durch die göttliche Gnade getröstet, die Getrösteten im Geiste ihres Gemüts erneuert und Alle zu einer Gemeinde des Herrn vereinigt werden. Amen!

Wir betrachten die vorgelesene Predigt Petri als das erste Zeugnis des heiligen Geistes von Christo, indem wir genau den Worten unseres Textes folgen.

Als der heilige Geist über die Jünger ausgegossen wurde, entsetzte sich das versammelte Volk und sprachen einer zum anderen: „Was will das werden?“ Da trat Petrus mit den Elfen hervor und erklärte zuvörderst der staunenden Menge, dass dieses wundervolle Ereignis in dem ewigen Ratschlusse Gottes zum Heile der Welt längst zuvor versehen und durch den Propheten Joel schon im alten Testamente geweissagt sei (V. 17-21.); alsdann erhebt er seine Stimme mit Macht und verkündigt dem Volke seine Übertretung, dem Hause Jakob ihre Sünde. Mit der Predigt von der Buße macht er den Anfang. „Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann von Gott, unter euch mit Taten und Wundern und Zeichen bewiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch, denselbigen, (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung ergeben war,) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten und ihn angeheftet und erwürgt.“ So spricht der kühne Mann zu demselben Volke, das erst vor Kurzem das „Kreuzige!“ über seinen Meister ausgerufen hat, erinnert sie ohne Hehl an die schwere Blutschuld, die sie dadurch auf sich geladen haben, nennt sie die Mörder des heiligen Gottes und schneidet ihnen gleich von vorn herein alle etwaigen Entschuldigungen und Ausflüchte ab. Ihr wisst es selbst, sagt er, ihr habt's mit euren eigenen Augen gesehen, wie Gott diesen Jesum unter euch beglaubigt hat; seine Wunder und Taten mussten euch überzeugen, dass der Herr mit ihm war; ihr konntet das, selbst wenn ihr wolltet, nicht leugnen, so offenbar und augenscheinlich ist es gewesen dennoch habt ihr die Hände an ihn gelegt und unschuldig Blut vergossen; da seht, wie groß eure Sünde ist! Zwar hätten die Juden dies weder gekonnt noch gedurft, wenn es nicht in Gottes vorbedachtem Rat also beschlossen gewesen wäre. Der Herr hatte Macht, sein Leben zu behalten und zu lassen, Niemand konnte es von ihm nehmen; aber er wollte es aus freier Liebe für uns geben, er wollte nach dem Willen seines Vaters durch seinen Tod die Welt vom Tode erlösen und die Schuld versöhnen, die um der Sünde willen als ein Fluch auf der ganzen Menschheit lag; darum ist es im Rat der heiligen Dreieinigkeit beschlossen, dass Christus leiden und sterben soll, darum wird dem Volke Israel erlaubt, ihn zu nehmen und durch der Heiden Hände zu töten. Sie sind die Werkzeuge für Gottes hohe Zwecke; aber das mindert ihre Sünde und Strafbarkeit nicht; denn sie haben's getan aus Feindschaft gegen den Herrn, aus Hass wider das Licht und wider die Wahrheit. Kann auch die Weisheit des Höchsten die Ungerechtigkeit der Menschen zum Guten lenken, das Böse bleibt immerhin böse und fällt verdammend auf das schuldige Haupt zurück. Mit Recht straft also Petrus die Sünde des Volkes, und, was das Auffallendste ist, er macht hier keinen Unterschied, er legt diesen entsetzlichen Frevel nicht allein den Obersten und hohen Priestern, er legt ihn dem ganzen Volke, selbst den Ausländern und Fremdlingen, die von den entferntesten Gegenden her aufs Fest gekommen sind, er legt ihn Allen zur Last, denn er weiß, dass sie Alle mitschuldig sind, dass nicht nur der Juden, sondern der ganzen Welt Sünden den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben. Und das haben auch unsere Sünden getan.

Nachdem er sich so einen Eingang in die Gemüter gebahnt hat, fährt er weiter fort, der Wahrheit Zeugnis zu geben, und setzt hinzu: „diesen Jesus hat Gott auferweckt und aufgelöst die Schmerzen des Todes, nachdem es unmöglich war, dass er sollte von ihnen gehalten werden.“ Auferweckt von den Toten! Wie musste dies Wort die Fremdlinge in Erstaunen setzen, die noch niemals von einer Auferstehung gehört, wie musste es selbst den Kindern Jerusalems durch die Seele dringen, die es wohl zumeist wieder vergessen hatten, was am legten Osterfeste in ihrer Stadt geschehen war. Denn es war seitdem ganz stille gewesen von diesem gekreuzigten Jesus; man hatte nicht weiter davon geredet, man hatte nichts mehr von ihm gesehen und die Wenigen, die darum wussten, hatten sich ganz im Verborgenen gehalten; man achtete es etwa für ein Märlein, das kaum der Rede wert ist. Da tritt nun mit einem Male einer auf und predigt: Er ist auferweckt von den Toten! Mit diesem Wunder hat ihn der Vater als seinen lieben Sohn kräftig erwiesen und das Siegel der Wahrheit auf seine Worte und Taten gedrückt; damit hat er es vor aller Welt bezeugt, dass dieser unter die Übeltäter Gerechnete dennoch der Heilige und Gerechte ist, dass dieser Erniedrigte und Verachtete doch der König der Ehren, dieser Gekreuzigte, Gestorbene und Begrabene der Fürst des Lebens, der Herr und Christ, der Heiland der Sünder ist. Dies soll uns nun Niemand mehr leugnen, dies soll uns keine freche Hand mehr antasten; denn der Allmächtige hat es selbst bezeugt! Weil aber die Auferstehung also wichtig ist, so muss sie auch gewiss und unwidersprechlich sein. Darum führt der Apostel sogleich den Beweis, und zwar aus dem alten Testamente, wie das vor Israeliten am schicklichsten und überzeugendsten war. Es war unmöglich, sagt er, dass Jesus von den Banden des Todes festgehalten wurde; das seht ihr schon aus einer bekannten Weissagung des Königs David. Der sagt im 16. Psalm: „Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, auch nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe, du tust mir kund die Wege zum Leben, du erfüllst mich mit Freuden vor deinem Angesicht.“ Dass aber David in dieser Stelle nicht von ihm selber rede, dass sie auf seine Person sich nicht beziehen könne, ist leicht zu ermessen. „Denn der Erzvater David ist gestorben und sein Grab ist bei uns bis auf den heutigen Tag.“ Da schläft er ganz mit Frieden samt allen Königen und Helden Israels der Vorzeit bis auf den künftigen Tag der Auferstehung; aber weil er ein Prophet war und wusste, dass der göttlichen Verheißung zu Folge der Messias aus seinem Geschlechte kommen und auf seinem Stuhle sitzen werde, so hat er es zuvor versehen und geredet von der Auferstehung Christi, dass seine Seele nicht in der Hölle gelassen ist und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat; diesen Jesum hat Gott auferweckt, des sind wir Zeugen. Und nicht nur das, fährt Petrus fort: „Er ist auch erhöht durch die Rechte Gottes“; das heißt, die allmächtige Kraft des Vaters hat ihn dieser Erde entnommen und, mit Preis und Ehre gekrönt, auf den Stuhl seiner Majestät im Himmel erhoben, wie dies gleichfalls David zuvor verkündigt hat, Psalm 110: der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: „Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße!“ -Da thront er nun mit königlicher Macht bekleidet und übt Gewalt mit seinem Arm und hat ein eisernes Zepter in seinen Händen, damit er euch, die ihr ihn verworfen habt, zerschlagen kann (Psalm 2,9.), ein Schrecken seiner Widersacher, ein Richter seiner Feinde, zugleich aber auch ein Heiland der Seinen, ein offener Vorn des Segens und des Lebens. Denn eben jetzt, nachdem er die Verheißung des heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er ausgegossen dies, das ihr seht und hört, diese Fülle des Geistes, dessen Brausen ihr vernahmt, dessen Wirkungen ihr bewundert, dessen Kraft ihr aus unseren Worten reden hört.

Damit ist der Apostel zum Schluss seines Zeugnisses gekommen, fasst's nun noch einmal kurz zusammen und tritt damit dem versammelten Volke mächtig und gebietend entgegen. So wisse nun, spricht er, so wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Christ und Herrn gemacht hat! In der Tat, eine große Forderung: denselben, den sie noch vor wenig Wochen in Knechtsgestalt unter sich wandeln sahen, den sie verklagt, verhöhnt, misshandelt und den Heiden zum schmachvollsten Tode überliefert haben, den sollen sie jetzt als ihren Herrn anerkennen, dem sollen sich ihre stolzen Knie beugen, den sollen sie zu ihrem Heiland oder aber zu ihrem Richter erwählen; diese Wahl legt ihnen Petrus vor; und es muss in seinem Wesen ein Ernst und eine Majestät gewesen sein, die jedes Gemüt erschütterte, es muss aus seinen Augen etwas hervorgeleuchtet haben, wie ein Feuer des lebendigen Gottes; denn kaum hat er geendet, siehe, so schlägt's mit einem Male in die Herzen der Hörer, und alles Volk bricht in ein lautes Klagen aus und spricht wie mit Einer Stimme zu Petro und den anderen Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? Kein Widerspruch wird vernommen, keine Entschuldigung wird gehört, kein Mensch tritt aus der Menge hervor und leugnet die Blutschuld, die sie auf sich geladen haben, sondern Alles beugt sich erschrocken unter die brennenden Worte des Apostels, denn das Schwert des Geistes ist ihnen durchs Herz gegangen und hat, Mark und Bein zerschneidend, als einen Richter der Sinne und Gedanken sich bewährt. Nun sehen sie, in wen sie gestochen haben, nun fühlen sie, wen sie verworfen haben, und Gottes großes Gericht tritt vor ihre Seele hin! Wo sollen sie hinfliehen vor seinem Zorn? wie sollen sie dem drohenden Verderben entrinnen? wer soll sie retten von dem Abgrunde, der sich vor ihren Füßen auftut? Die Angst ihres Herzens ist groß; darum fragen sie: was sollen wir tun?

So hat denn hier der Geist des Herrn Herrn seine zerschlagende Gewalt geübt und gleich bei seinem ersten Zeugnisse getan, was Jesus vorhergesagt hatte, nämlich, dass er die Welt strafen werde um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht. O dass er diese seine Macht auch an uns bewiese, dass es ihm auch heute gelänge, viele Seelen aufzuwecken und unruhig zu machen, dass es ihm gelänge, auch eure Herzen, liebe Zuhörer, zu strafen, zu demütigen und mit solcher Betrübnis über die Sünde zu erfüllen, dass ihr hinginget und dieselbe Frage tätet wie jene! Denn umsonst ist alles Predigen, wenn es den Menschen nicht zur Buße treibt, vergeblich aller Trost der Gnade, so lange kein Hunger und Durst danach erwacht ist; Gottes Schwert und Pflugschar muss erst den harten Boden aufreißen, sonst kann der gute Same nicht hineinfallen; Gottes Geist muss erst die Seele heilsbegierig machen, sonst kann die Predigt von dem Heile Gottes keinen Eingang finden. Aber in unseren Tagen ist noch große Erstorbenheit. Viele schlafen in ihren Sünden, Viele sind in fleischliche Sicherheit versunken, Viele gehen dahin, ohne sich je um Seele und Seligkeit ernstlich zu bekümmern; so tief sind sie in die Eitelkeit dieser Welt verflochten, so lieb haben sie die vergänglichen Dinge, so reich und satt dünken sie sich in ihrer großen Armut. Wenn sie nur Wohlleben und gute Tage haben, wenn sie nur bei den Leuten in Ehren stehen, wenn sie nur ein bequemes und ruhiges Leben führen: ob sie bei Gott in Gnaden stehen, ob sie die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, besitzen, ob ihre Namen im Himmel angeschrieben sind, oder aber, ob sie vielleicht Kinder des Verderbens sind und den Zorn Gottes sich häufen auf den Tag des gerechten Gerichts, danach ernstlich zu fragen, lässt ihnen der Leichtsinn, die Zerstreutheit, die Weltlust keine Zeit. Nicht als ob die Predigt von der Buße aus der Kirche verschwunden wäre; der Geist des Herrn Herrn straft noch immer die Sünder und hält uns in seinem Worte einen Spiegel vor, daraus wir wohl ersehen könnten, wie wir gestaltet sind. Er sagt's euch noch heute, ihr Fleischlichgesinnten, dass ihr Feinde des Herrn und seines Kreuzes seid; er bezeugt's euch offen, ihr Lauen und Ungläubigen, dass ihr noch keinen Teil an seiner Gnade habt; er erklärt es unverhohlen, dass eure Werke, ihr Unbekehrten, böse sind und das Gericht auf euch herabrufen, dass eure Wege, die ihr wandelt, geradehin zur Verdammnis führen! Aber wie viele nehmen seine ernste Warnung zu Herzen? So geht die Gnadenzeit verloren, so rückt die Ewigkeit immer näher, so kommt der letzte Tag allmählig herbei; und wenn er heute käme? wenn mit dieser Stunde die Gnadenzeit zu Ende ginge? Lieben Brüder! wir haben allzumal Ursach, von dem Geiste Gottes uns warnen und strafen zu lassen, wir täten sehr wohl, wenn wir ernstlicher nach unserem ewigen Heile fragten, wenn wir fleißiger bedächten, was zu unserem Frieden dient in dieser unserer Zeit; denn der Zorn vom Himmel muss offenbar werden über alles gottlose Wesen und bald, ja bald könnten wir erfahren, was es heiße, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!

Ist Niemand unter uns, der sich fürchtet vor solchem seinen Grimm? Niemand, der sich in seinem Gewissen beunruhigt und überwiesen fühlte, dass es mit ihm bedenklich steht? keine Sünder, keine Sünderinnen, denen das Wort zu Herzen ginge, und die sich eilends aufmachten und heilsbegierig fragten: Was sollen wir tun? was sollen wir tun, dass wir dem künftigen Zorne entrinnen, dass wir selig werden? `

Sind solche unter uns, denen gibt der Apostel einen guten Rat und eine tröstliche Antwort. Denn der Geist, der aus ihm redet, ist nicht nur ein brausender Sturm und ein verzehrendes Feuer, sondern auch ein stilles, sanftes Wehen des Friedens. Tut Buße, redet er die Gebeugten an, tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.

Buße heißt hier Bekehrung, Änderung des Sinnes und Lebens, Umkehr von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans, zu Gott (Apostelgesch. 26,18.). Zu einer rechtschaffenen Bekehrung gehören aber drei Stücke: erstlich Erkenntnis und Bereuung der Sünden, zweitens Glaube, drittens Erneuerung des inwendigen Menschen. Erkenntnis der Sünde zuerst; denn der natürliche Mensch ist tot in Übertretung und Sünde, von Gott und von dem Leben aus Gott entfremdet, aber er sieht das Verderben nicht, das in ihm wohnt, und die Gefahr nicht, in der er steht. Darum muss er vor Allem sein Elend erkennen, seine Sündenschuld und seine Sündennot fühlen, und über sich selber betrübt und leidtragend werden; ist er das geworden, dann wird er auch anfangen, sich aus seinem Elende herauszusehnen, er wird nach Gnade verlangen, er wird seine Augen aufheben zu den Bergen, von welchen die Hilfe kommt, und damit hat das gute Werk der Bekehrung begonnen. Hier, bei dem Volke Israel, ist beides vorhanden, es erkennt seine Schuld und fragt nach dem Wege zum Leben; allein die Bußtraurigkeit selbst gibt dem Menschen noch keinen Trost und keine Kraft zur Umkehr; sie kann ihm die Vergebung seiner Sünden nicht auswirken; diese kann überhaupt von uns nicht verdient, sie kann durch keine Reue, durch keine Tränen, durch keine Buße, durch keine Werke verdient werden; denn sie ist ein freies Geschenk der ewigen Liebe, das uns Christus erworben hat, sie ist die Frucht seines Todes und seiner Auferstehung, eine Gnadengabe, die auch nur als eine solche angenommen werden will; darum muss zur Bußtraurigkeit der Glaube hinzukommen, welcher das teure Verdienst des Erlösers ergreift und der göttlichen Verheißung traut. Dies sagen die Worte St. Petri: Lasst euch taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden; denn die Taufe schließt das gläubige Bekenntnis des Sohnes Gottes, des Heilandes und Erlösers der Welt, und damit zugleich den Glauben an den Vater und an den heiligen Geist in sich, weil nur durch den Sohn Gott unser Vater und der heilige Geist unser Tröster und Heiligmacher ist. Ohne Glauben aber hilft die Taufe nichts. „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ (Mark. 16,16.) So hat's der Herr selbst unzählige Male ausgesprochen, so hat er den Juden versichert: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben, wer nicht an mich glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm;“ so haben auch die Apostel einmütig gepredigt, und so oft sie späterhin von dem Gekreuzigten und Auferstandenen Zeugnis gaben, immer und überall das als die Summa des Evangeliums verkündigt: „dass durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfangen sollen Alle, die an ihn glauben“ (Apostelgesch. 10,43.). Denn sie wussten es wohl, dass in keinem anderen Heil, auch kein anderer Name den Menschen unter dem Himmel gegeben sei, darinnen sie könnten selig werden. Hierher also, mein Mitchrist, wenn du Heil und Frieden begehrst! Hat dich die Bußpredigt Petri zerschlagen siehe, hier ist der Arzt, der die Wunden wieder heilt; hast du den Zorn des göttlichen Gerichts gefühlt, hier ist der Mittler, der ihn mit seinem Blut getilgt hat; bist du bekümmert über dein Seelenheil geworden, hier ist der Heiland, der dich mit Gott versöhnt! Tue Buße und glaube! Das Volk von Israel hört mit Freuden diese liebreiche Einladung an, es geschieht eine große Erweckung in ihrer Mitte, sie eilen hungrig und durstig herzu und lassen sich taufen zur Vergebung der Sünden. So lasst denn auch uns, andächtige Freunde, die wir zwar Alle getauft sind, aber noch Mangel am lebendigen Glauben haben, der Stimme des Apostels, dem Zeugnisse des heiligen Geistes gehorchen, lasst uns alle, wie wir sind, Arme und Reiche, Hohe und Niedrige, mit einander aufmachen und demütig, heilsbegierig bei dem einigen Mittler unser Heil und unseren Frieden suchen, dann werden wir heute ein rechtes Pfingstfest feiern, dann werden wir gewissen Trost der Gnade, Versicherung der ewigen Seligkeit, Erquickung vor dem Angesicht Gottes erfahren, und rühmen dürfen ein jeglicher unter uns: „Ich bin abgewaschen, ich bin gerecht gemacht, ich bin geheiligt durch das Blut Jesu Christi und durch den Geist unseres. Gottes!“ Ja, geheiligt andächtige Freunde, denn in und mit dem Glauben muss es zugleich zu einer gründlichen Veränderung und Erneuerung mit uns kommen; unser ganzes Leben muss eine andere Richtung annehmen; wir müssen heraus aus unserem alten verkehrten Wesen, heraus aus unserer Halbheit und Lauheit, der Sünde absterben und zur völligen Entschiedenheit für das Gute hindurchdringen; wir müssen uns ungeteilt dem zum Eigentume und zum Dienste hingeben, der sich für uns in den Tod gegeben hat. Denn Niemand kann zweien Herren dienen, Niemand kann mit dem Lichte und mit der Finsternis, mit Christo und mit Belial zugleich Gemeinschaft haben; Niemand kann das Reich Gottes sehen, es sei denn, dass er von Neuem geboren werde, sagt die Schrift. Wie sehr irrt also die große Zahl der Christen, die, wie man zu sagen pflegt, auf beiden Schultern tragen und mit der einen Hälfte ihres Herzens dem Herrn, mit der anderen der Welt angehören möchte?, in welcher gefährlichen Täuschung befinden sich die Seelen, die es gerne mit keinem Teile verderben wollen, die am Morgen dem lebendigen Gott und am Abend den Götzen der Eitelkeit und der Sinnenlust dienen; die etwa in der Kirche einer guten Regung Raum geben und daheim den Geist des Unglaubens oder der Lieblosigkeit über sich herrschen lassen, die zwar zu fromm sind, um auf der breiten Straße offenbarer Sünden zu wandeln, aber auch nicht fromm und gottesfürchtig genug, um auf dem engen Wege zu gehen, der allein zum Leben führt. - Nein! Andächtige, hier gibt es keinen Mittelweg, hier muss man sich notwendig entscheiden, das fordert der Herr, und er hat ein Recht, das zu fordern; denn er hat uns von unseren Sünden erlöst und zu seinem Eigentum erkauft; gib mir, spricht er, gib mir, mein Sohn, meine Tochter, dein Herz, ohne Vorbehalt, ohne Rückhalt dein ganzes Herz, und lass meine Wege deinen Augen wohlgefallen! das heiße ich eine rechte Bekehrung; und das kannst du nicht aus eigener Kraft, mein Christ! dazu bist du viel zu fleischlich und zu ohnmächtig, aber es ist einer da, der kann und will es in dir tun - der Geist des Herrn.

Ihr werdet empfangen die Gabe des heiligen Geistes, sagt unser Text. Zwar ist auch schon die Buße und der Glaube eine Wirkung dieses Geistes, allein es heißt hier: Wer da, hat, dem wird gegeben, damit er die Fülle habe. Durch den Glauben wird das Herz empfänglich für den heiligen Geist, und in dem Maße, als es dies geworden ist, ergießt sich dieser wie ein Strom des neuen Lebens durch den ganzen Menschen, verzehrt die Selbstsucht, die das eigentliche Grundverderben unserer Natur ist, tötet des Fleischs Geschäfte, vertreibt die Finsternis, bringt Licht und Leben, gibt Luft und Liebe, schafft neue Kräfte und verbindet die Seele so innig mit Christo, dass sie ein gesunder Rebe an ihm, dem Weinstock, wird und gute Früchte bringt, als da sind: Liebe, Friede, Freude, Geduld, Gütigkeit, Gerechtigkeit, Sanftmut, Keuschheit. Denn das ist die Macht des heiligen Geistes, dass er den Menschen neugebiert an Sinnen, Mut und allen Kräften, und Kinder des Zorns in Gottes liebe Kinder, sündige und verlorene Geschöpfe in neue, geheiligte Kreaturen verwandelt. Ohne diesen Geist kannst du nichts, ohne diesen Geist bist du ausgeschlossen von der Gnade Jesu Christi, denn wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein, Aber du kannst, du sollst ihn empfangen. Denn, fährt Petrus in seiner Predigt fort, denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und Aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird; nicht die Zwölfe allein, nicht das Haus Israel allein soll den Geist empfangen, so viele sich ihrer bekehren, sollen mit seinen Gaben gesegnet werden; das Wort des Apostels: „Alle, die ferne sind“ reicht auch herab auf uns, auf unsere Kinder und Kindeskinder, reicht hinein in alle Zeiten und in alle Gemeinden der Christenheit, hinein in die Länder, die bis jetzt noch im Schatten des Todes sitzen und hinaus auf die letzten Tage, wo sich der Geist des Herrn über alles Fleisch ergießen wird. Freut euch, meine Geliebten, dieser teuren Verheißung, freut euch sehr und betet um den heiligen Geist, um den Geist der Wiedergeburt, und des neuen Lebens, denn wer da bittet, der empfängt, wer da sucht, der findet, wer da anklopft, dem wird aufgetan; darum betet mit rechtem Ernst, mit anhaltendem, inbrünstigem Flehen, darum werdet nicht müde und lasst keinen Morgen und keinen Abend vorübergehen, ohne im Glauben mit David zu sprechen: „Schaff in mir, Gott! ein reines Herz und gib mir einen neuen und gewissen Geist,“ so werdet ihr gewiss die seligen Wirkungen desselben an euch erfahren; aber betet nicht nur für euch, sondern für eure Kinder, für euer Haus, für die ganze Gemeinde, denn dieser ist die Verheißung; schließt auch uns mit ein, die wir am Wort und an der Lehre arbeiten, dass uns gegeben werde, das Evangelium zu predigen mit freudigem Auftun unseres Mundes, denn dazu bedürfen und begehren wir eure brüderliche Fürbitte; vergesst selbst derer nicht, die noch in der Nacht des Heidentums sitzen; denn es ist der Wille des Vaters, dass auch diese herzugeführt werden, das mit Eine Herde und Ein Hirt werde.

Mit dieser fröhlichen Aussicht schließt der Apostel seine Predigt, und unser Text setzt noch hinzu: die aber sein Wort annahmen, ließen sich taufen und wurden hinzugetan an demselbigen Tage bei dreitausend Seelen. Dreitausend bekehrte Seelen an Einem Tage, welch' eine Ernte auf dem Acker des Reiches Gottes! welch' eine Freude unter den Engeln des Himmels! wie werden diese Erstlinge des heiligen Geistes glänzen, wenn einst die herrliche Freiheit der Kinder Gottes offenbar wird. - Gebe Gott, dass auch die heutige Predigt nicht ohne Segen bleibe, dass dieser Pfingsttag wieder ein Segen der Wiedergeburt werde, dass an ihm viele Kinder dem Herrn geboren werden und wenn auch nicht viele, doch etliche erweckt, etliche bekehrt, etliche erbaut und hinzugetan werden zur Gemeinschaft seiner Heiligen und seines herrlichen Reiches. Amen.

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