Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Vorwort.

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Vorwort.

Es erscheint mit diesem Bande eine Auswahl aus meinen in den letzten 15 Jahren gehaltenen akademischen Predigten. Nach dem Wunsche des geehrten Herrn Verlegers sind sie nicht als Fortsetzung jener Sammlungen, sondern unter besonderem Titel veröffentlicht worden. - Manche von diesen Predigten hat, als sie gehört wurden, in manchen Herzen eine gute Stätte gefunden, manche ist mit der innern Herzensgeschichte jugendlicher Seelen verwachsen: möchten sie auch als gelesenes Wort in manchem Herzen den rechten Fleck treffen.

Darf ich bei dieser Veranlassung aussprechen, was ich in dieser Zeit in den Predigten gläubiger Prediger am meisten beklage und was ich am meisten wünsche. Die Einen - wenn auch freilich nur in geringer Zahl - haben wieder angefangen die subtilen Lehr-Controversen zu treiben, während die ganze Zeit dazu auffordert, der entchristlichten Christenheit die Hauptartikel, von denen Selig- und Verdammtwerden abhängt, wieder ins Herz hineinzupredigen; die Anderen, ob sie es wohl hierin nicht fehlen lassen, vergessen aber ganz des Apostels Wort: „Ich wollte, daß ich bei euch wäre und meine Stimme wandeln könnte. “ Immer sind's nur zwei Klassen, die Bekehrten oder die Unbekehrten, zu denen sie sprechen - die große Stufenreihe zwischen beiden ist für sie gar nicht vorhanden, und darum fehlt es einerseits an dem Brückenschlagen und Anknüpfen, andererseits an der conkreten Anwendung, an dem mannichfaltigen Ausbau des christlich-sittlichen Lebens. Obwohl sie unter ihrer Gemeinde stehn, ist's doch als ob sie „nicht unter ihnen wären,“ um je nach den Stufen und Bedürfnissen ihre Stimme wandeln zu können. „ So tönen denn auch so viele der wohlgemeintesten evangelischen Predigten über Köpfe und Herzen hinweg, ohne einzuschlagen, ohne in der Geschichte der Herzen ihre bestimmte Stelle zu haben. Mir steht bei meinen Predigten nicht bloß das allgemeine Bedürfniß des Menschenherzens vor Augen, sondern das gerade meiner Zuhörer, und zwar nach den so verschiedenen Klassen und Stufen, Richtungen und Standpunkten, und wonach ich trachte und ringe - daß das Ringen noch nicht Gelingen ist, weiß ich wohl - das ist: meine Stimme recht wandeln zu können, damit das Evangelium sich würklich erweise „als ein Strom, darin der Elephant waten kann und das Lamm nicht ertrinkt,“ als das Gastmahl des großen Königs, zu dem Leute aus allerlei Volk geladen sind und jeder seine Speise findet.

Halle, den 23. April 1860. A. Tholuck.

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