Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Apg. 24,14-16 und 1. Cor. 4, 2-4

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Apg. 24,14-16 und 1. Cor. 4, 2-4

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen!

Gemeinde Jesu Christi! Wir haben aus der heiligen Schrift uns über das Gewissen, im Allgemeinen gefaßt, belehren lassen; laßt uns vernehmen, was die heilige Schrift uns über das Gewissen insbesondere lehrt, über das verletzte und unverletzte Gewissen, über das irrende und erleuchtete Gewissen, über das unruhige und das gestillte Gewissen. O Herr, du Richter der Gewissen, wecke das Gewissen in dem, der da prediget, und wecke es in denen, die da hören, durch deinen Geist! Amen. -

Wohlan denn, so vernehmet eine Predigt über das unverletzte Gewissen! Hört man die Leute reden, so möchte man glauben, daß kein Ding wohlfeiler sei, als das gute unverletzte Gewissen, denn wer hat das nicht? Der Säufer hat ein unverletztes Gewissen, „denn, spricht er, ich bin kein Hurer und Ehebrecher;“ der Hurer und Ehebrecher hat ein unverletztes Gewissen, denn er spricht: „Ich bin kein Säufer.“ Der Dieb hat ein unverletztes Gewissen, denn er spricht: „Ich bin nicht wie andere Leute, kein Säufer, kein Meineidiger.“ Der ausschweifende Student hat ein gutes Gewissen, denn er hält auf Ehre und bezahlt seine Schulden; der fleißige Student hat ein gutes Gewissen, denn er ist fleißig und nicht lüderlich: o, die ganze Welt ist guter Gewissen voll! Und wenn etwa ein Ablaßkrämer unter uns kommen sollte, er würde keine guten Geschäfte machen, weil kein Mensch ein unruhiges und geängstigtes Gewissen hat. Darum kann der Prediger des Wortes seine Zuhörer nicht finden, und findet er sie, so wird es sie nicht treffen, denn die Welt ist so arm geworden an erschrockenen und unruhigen Gewissen! Ach, daß wir es verstehen lernten, was für ein großes Ding es um ein unverletztes Gewissen ist; wie Luther spricht: Das Auge ist ein so zartes Glied des Leibes, daß schon ein Stäublein und Splitterlein ihm gar gefährlich werden kann. Wohl haben nun unsere Alten, mit Recht das Gewissen der Seele Auge genannt, weil schon ein Splitterlein ihm gefährlich werden und den Tod bringen kann.

Unser Textwort soll seyn aus den doppelten Aussprüchen des Apostels Paulus, von denen der erste im 24. Kapitel der Apostelgeschichte vom 14. Verse an also lautet: Apostelgesch. 24, 14-16.

Das bekenne ich aber dir, daß ich nach diesem Wege, den sie eine, Secte heißen, diene also dem Gott meiner Väter, daß ich glaube allem was geschrieben stehet im Gesetz und in den Propheten. Und habe die Hoffnung zu Gott, auf welche auch sie selbst warten, nämlich daß zukünftig sei die Auferstehung der Todten, beides der Gerechten und Ungerechten, In demselben aber übe ich mich zu haben ein unverletztes Gewissen allenthalben, beides gegen Gott und den Menschen. “ -

der zweite:

1. Cor. 4, 2-4.

Nun sucht man nicht mehr an den Haushältern, denn daß sie treu erfunden werden. Mir aber ist es ein Geringes, daß ich von euch gerichtet werde, oder von einem menschlichen Tage, auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir wohl nichts bewußt, aber darinnen bin ich nicht gerechtfertiget, der Herr ist es aber, der mich richtet. “ -

Das sind die zwei Worte der heiligen Schrift, an die sich unsere andächtige Betrachtung anschließen soll. Nehmen wir beide zusammen, so zeigen sie uns - daß der Apostel Paulus, der Glaubensmann, die Pflicht, ein unverletztes Gewissen sich zu erhalten, anerkennt; - wieviel dazu gehört, ehe einer sagen kann: Ich habe ein unverletztes Gewissen; - wie viel Kampfes-Schweiß und Wachen dazu nöthig ist, um es zu erhalten; und endlich - daß, wenn du es erhalten hast, es dich doch noch nicht rechtfertigen kann.

Es ist ein großes Ding, ein unverletzt Gewissen;
Das ganze Pflichtgebot thut's allzumal umschließen;
Wenn du's erlangen willst, braucht's Kampfesschweiß und Wachen.
Und hast du es erlangt, kann's doch gerecht nicht machen.

Das ist, sage ich, was unser zwiefacher Text uns vorhält. Und zwar zuerst hält er uns vor, daß Paulus der Glaubensprediger es für eine große Pflicht anerkennt, ein unverletztes Gewissen zu haben. „Es ist ein großes Ding, ein unverletzt Gewissen,“ so würde Paulus auch gesprochen haben. Ach, daß die uns hören könnten, welche um ihres Glaubens willen wähnen sich vom Gewissensernste dispensiren zu können. Solche nämlich sind wieder unter uns aufgestanden, denen es wohl gar verdächtig und rationalistisch erscheint, vom Gewissen viel Wesens und Redens zu machen, statt einzig und allein vom Glauben zu predigen. Ach, daß sie es hören könnten, und daß Paulus der Glaubensprediger es in ihr Gewissen riefe, was er selber schreibt: Ich übe mich, ein unverletztes Gewissen zu bewahren allenthalben, beides vor Gott und den Menschen. Ja, in der That, der Apostel legt ein ganz besonderes Gewicht auf ein gutes und unverletztes Gewissen. An der einen Stelle zählt er's zur Hauptsumme des Gebotes: „die Hauptsumme aber des Gebotes ist,“ spricht er, „reine Liebe aus gutem Gewissen und ungefärbtem Glauben. „ Er sagt, daß Christen das Geheimniß ihres Glaubens „bewahren sollen in einem reinen Gewissen.“ Er rühmt sich des guten Gewissens, da er spricht: „Das aber ist mein Ruhm, das Zeugniß meines Gewissens, daß ich in Einfältigkeit und göttlicher Lauterkeit in der Welt gewandelt habe.“ Ist er nun darum etwa einer von denen gewesen, bei denen es heißt:

Kann mein Gewissen mich nicht verklagen,
Was soll ich nach dem Glauben fragen?

Aber achtet vielmehr auf unsern Text, daß er nur darum ein solch ernstliches Trachten nach einem unverletzten Gewissen gehabt hat, weil er so stark von Glauben gewesen ist. Heißt es nicht in unserm Text: „ich glaube allem, was geschrieben steht und habe die Hoffnung zu Gott, in demselben Glauben übe ich mich.“ Nur weil er solchen Glauben und solche Hoffnung gehabt hat, hat er's auch erkannt: „es ist ein großes Gut, ein unverletzt Gewissen.“ Hätte er solchen herzinnigen Glauben nicht gehabt: er hätte ja auch mit seinem Gewissen so leichte Rechnung gemacht wie die Andern. Nach diesem Worte des Paulus ist es also klar: ein ernstes Trachten nach einem unverletzten Gewissen, das ist das Kennzeichen, daß einer im rechten Glauben stehe. O, daß denen unter uns, die im Glauben stehen, dieses Kennzeichen nicht abgehen möchte; o, daß hier Keiner wäre, bei dem sein Glaube und sein Gewissen in verschiedenen Kammern wohnt!

Weiter nun! Käme unser Gewissensernst aus unserm Glauben, dann würden wir auch sehen, wie so erstaunlich schwer es hält, ehe einer dazu kommt, sagen zu können: Ich habe ein unverletzt Gewissen. Und das ist das andere Stück. Die Andern, denen wird es so erstaunlich leicht, ein unverletztes Gewissen zu haben; aber ein Paulus, das ist der Mann, der weiß, daß dazu nicht bloß gehört, hie und da, in diesem und jenem Stück, ein unverletztes Gewissen zu haben, sondern er weiß, daß dazu gehört, daß man ein unverletztes Gewissen habe allenthalben, beides vor Menschen und vor Gott. Darum ist Paulus einer gewesen, der sicherlich auch mit uns gesprochen haben würde: „das ganze Pflichtgebot thut's allzumal umfassen.“ Und was ist nun der Grund, warum die Welt und so Mancher auch von euch so erstaunlich leicht mit seinem Gewissen fertig wird? Das ist der Grund, daß wir mit einem von der Sünde verblendeten Auge die Gewissensschrift in unserer Brust lesen. Und weil die Sünde das Auge des Menschen blöde macht, darum können wir bei Weitem nicht Alles herauslesen, was in unserm Gewissensbuche steht. Lieset der Mensch so, mit dem groben, natürlichen, durch die Sünde blöden Auge in seinem Gewissen, ach, dann ist dieses Buch, das der Finger Gottes in unser Herz geschrieben hat, eine alte verblichene Urkunde, wo man nur hier einmal eine Sylbe erkennt und dort einmal ein Wörtlein! Und was ist der Grund, daß die Menschen so verschiedene Gewissen haben? und jede Nation ein anderes Gewissen hat? Weil sie mit dem von der Sünde verblendeten Auge in ihrem Gewissensbuche lesen. Darum hat denn Gott der Herr der Menschheit ein anderes Exemplar von diesem Buche geben müssen, mit schwarzer Dinte und in großen leserlichen Zügen geschrieben, und das ist das Wort seiner Offenbarung.

Liegt's Einem von euch denn würklich an zu erkennen, was Gott ursprünglich in der Urkunde geschrieben, die du in deinem Herzen trägst - das Exemplar mußt du vergleichen. Je ernstlicher du es vergleichst, desto mehr wirst du erstaunen, denn was das Wort Gottes von Gottes Forderungen enthält, das wirst du, wenn auch nur allmälig in den unleserlich gewordenen Zeichen wieder finden; auch werden die Züge gar nicht so unleserlich bleiben, daß du daran viel studiren müßtest. In dem Worte Gottes liegt ja nämlich auch der Geist Gottes eingehüllt: liesest du nun mit empfänglichem Herzen, so werden unter dem Anhauche dieses Wortes die verblichenen Züge wieder Gestalt und Farbe gewinnen. In einem vom Geiste Gottes angehauchten Herzen wird dann diese inwendige Schrift fast so leserlich werden, als im Worte Gottes selbst. Alles, was in der Bibel steht, wird im Hintergrunde des Herzens auftauchen und dieser Zusammenhang zwischen der Bibel und einem vom Geiste Gottes angehauchten Menschenherzen, das ist dann ein überwältigendes Zeugniß für die Wahrheit der Schrift, in welchem das Wort des h. Johannes sich erfüllt: „der Geist - nämlich im Menschenherzen - zeugt, daß der Geist - nämlich in Gottes Worte - Wahrheit ist. „ Paulus nun, welcher sprechen kann: ich glaube Allem, was geschrieben steht! findet auch unter dem Anhauche des Geistes in seinem Herzen Alles wieder, was im Worte geschrieben steht und darum hat das, was er ein unverletztes Gewissen nennt, einen viel weiteren Umfang als ihr es meint. Ihr triumphirt schon, wenn ihr zwei, drei Pflichten gegen euch selbst und gegen eure Brüder euch vorhalten könnt ohne Stich im Gewissen. Dann heißt es bei euch schon: ich habe ein gut Gewissen. Ganz anders bei Paulus, der aus dem Wort Gottes gelehrt ist, was das größeste aller Gebote: „Du sollst Gott den Herrn lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allem Vermögen. Wenn nun dieses Gebot sich vor dem Gewissen erhebt, das nicht deine Hände, nicht deine Füße, nicht deinen Mund, das dein Herz anklagt, nicht deine Thatsünden, sondern deine Zustandssünde: ihr Weltkinder, die ihr mit eurer Gewissensrechnung so schnell fertig seid, könnt ihr auch dann dem Gebote in's Auge sehen ohne Stich und Keulenschlag auf eurer Gewissen? Paulus aber unter dem Anhauche des Geistes vom Worte Gottes belehrt, weiß, wie viel zu einem unverletzten Gewissen gehört, er erkennt es: das ganze Pflichtgebot thut's allzumal umschließen, daher spricht er von einem unverletzten Gewissen allenthalben - unverletzt also nicht bloß in Bezug auf das Thun, sondern auch in Bezug auf die verborgene Neigung des Herzens; unverletzt nicht bloß in Bezug auf die Menschen, sondern auch unverletzt in Bezug auf Gott.

Insofern weiß er nun auch, wie schwer ein solches Gewissen zu erlangen ist.

Willst du's erlangen, braucht's viel Kampf und Schweiß und Wachen. Ich übe mich, spricht er, zu haben ein unverletzt Gewissen. Das Wort, welches hier unser Grundtext braucht, bezeichnet nicht bloß, wie in unserer Sprache, einen Versuch machen: „bearbeiten“ heißt es, an sich arbeiten also, mit Schweiß und Kampf nach etwas trachten. An einen anderen Ausspruch erinnert es: ich betäube meinen Leib und zähme ihn, daß ich nicht, während ich andern predige, selbst verwerflich werde. O wie heilig und ehrwürdig erscheint mir jedes Menschenkind, das einen solchen heißen Kampf kämpfet um ein unverletztes Gewissen, wie dort auch der Psalmist spricht: O daß mein Leben deine Rechte mit ganzem Ernste hielte,“ Sie haben mich schier umgebracht auf Erden, ich aber verlasse deine Rechte nicht. - Laßt uns nun sehen, was zu einer solchen Uebung, sich ein unverletztes Gewissen zu bewahren, gehört. Ein Mal das treue Achten auf Gottes Befehle. Sind wir überzeugt, daß die Sünde unser Auge verblendet hat, daß wir von allen Pflichten und Geboten, die Gott in unser Herz geschrieben, unserm eigenen Licht überlassen kaum etliche Buchstaben und Sylben lesen, und hat Gott im Buche seiner Offenbarung uns ein anderes Exemplar gegeben, wo alle seine Gebote mit den leserlichsten Zügen geschrieben stehn, so muß ja ein Achten auf diese göttliche Urkunde, das erste Stück der Uebung seyn, ein unverletztes Gewissen sich zu bewahren. Nun hatte Paulus gewiß schon von Kindheit an gelernt, was der Psalmist spricht, daß „ Gottes Wort für den Menschen eine Leuchte seiner Füße ist und ein Licht auf seinen Wegen. Demgemäß erklärt er nun auch, daß die heilige Schrift uns gegeben sei „zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit. Dazu die heilige Schrift und alle auf sie gegründete Anweisung für ein christliches Leben zu gebrauchen, ist demnach das erste Stück jener Uebung. Das andre aber - das immer erneute Gedächtniß an Gottes Gnade. In welchem Glauben und in welcher Hoffnung, spricht der Apostel, ich mich übe. Was kann es helfen, wenn Gottes Befehl tausendmal dem Todten zuruft: stehe auf und wandle! was kann es helfen, wenn das „du sollst Gott lieben von ganzem Herzen“ vom Sinai herab steinernen Herzen gepredigt wird. Mag gleich Moses mit seiner eisernen Ruthe sich daneben stellen - aus Soll und Muß wird kein herzliches „ich will“ im Menschenherzen geboren. Gäbe es nicht eine Liebe, die uns zuerst geliebt, und die, ob sie wohl göttlicher Gestalt und Art war, in Bettlergestalt dir entgegengekommen, um dein Herz zu betteln, würden all deine Entschlüsse doch nur eine taube Hülse und Schaale geblieben seyn. Da nun aber menschlicher Leichtsinn nicht weniger Gottes Gaben und Gnaden vergißt als Gottes Gebote, darum ist das andre Stück solcher Hebung, wie sie Paulus übt, sich auch der herrlichen Güter des Glaubens und der Hoffnung, die uns geschenkt ist, immer aufs Neue zu erinnern. Endlich ist es auch der Glaube, der den Christen wachsam macht, männlich und stark. „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark. So muß unser Glaube uns also auch wachsam machen. Weil das Auge ein so überaus zartes Leibesglied ist, das schon durch ein Stäublein verletzt werden kann, so schließen wir es und bedecken es, wo ein Stäublein oder Splitterlein hineinfliegen kann. Ist das Gewissen nun der Seelen Auge, so gehört auch zur Uebung eines unverletzten Gewissens, wachsam und auf der Hut zu seyn und schnell das Augenlied zu schließen, wo Versuchung droht, damit ja kein Staublein und Splitterlein hineinfällt. Und ist dennoch eins hineingefallen, das ihm wehe thut, o schnell es wieder herausreißen, ob's auch sehr wehe thut! doch besser als daß es dieses zarte Seelenauge zum Tode verletze.

Nun aber das letzte Stück aus unserem Texte: Und hast du es erlangt, kann's dich gerecht nicht machen.

„Ich bin mir zwar nichts bewußt, aber darum bin ich doch nicht gerechtfertigt; der Herr ist's, der mich richtet. - „Ich bin mir zwar nichts bewußt. Wie, Paulus? das Wort hat dir über die Lippen gehen können, welches wir so oft aus dem Munde der leichtfertigen Weltkinder auf den Straßen hören müssen? Nichts bewußt bist du dir, du, der du doch so gut als wir anderen Menschenkinder in deinem täglichen Vaterunser beten mußtest: vergieb uns unsere Schuld? Du, der du freilich hast sprechen können, was so wenige von uns vermögen: „nun aber lebe nicht ich, sondern Christus lebet in mir. der du doch aber auch wie wir andern Gläubigen hast bekennen müssen: was ich aber noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den, der sich für mich dahin gegeben?“ - Von seinem ganzen Leben sagt er dies indeß auch nicht, das sei ferne, nur und allein von dem Leben in seinem Amte sagt er es, und daran denkt er auch, wenn er von dem Ruhme seines Gewissens an einem andern Orte spricht: „unser Ruhm ist das Zeugniß unseres Gewissens, daß wir in Einfalt und göttlicher Lauterkeit in der Welt gewandelt haben. Was muß dieser Mann in Bezug auf seine Berufstreue für ein gutes Gewissen gehabt haben, der die ganze Welt zur Anklage gegen sich aufzurufen wagt, wenn sie es vermag? „Worauf Einer kühn ist in seinem Amte, darauf bin ich auch kühn. O ihr, die ihr so gute Christen seyn wollt, und die ihr es mit der Berufstreue doch so gar nicht wichtig nehmet, die ihr das für die geringste Sache haltet, ein unverletzt Gewissen zu haben in eurem Amte: höret ihr nicht, worauf Paulus ein so großes Gewicht legt seinen Anklägern gegenüber? Wo sind denn die unter uns, die in Bezug auf das Amt, das ihnen auf Erden befohlen ist, sprechen können: ich bin mir nichts bewußt? Paulus kann es und doch fährt er fort: Darin bin ich nicht gerechtfertigt. Rechtfertigen kann das Gewissen keinen Menschen, denn das Gewissen ist ein Gesetz und rechtfertigen kann den Menschen kein Gesetz, sondern allein - der Gesetzgeber und Richter. Und das ist der, der uns besser kennt, als wir uns selbst, das ist Gott, der größer ist als unser Herz und weiß alle Dinge. Und wenn der vor uns hintritt wie dort vor Hiob: gürte deine Lenden wie ein Mann, ich will dich fragen, du sollst mir antworten,- wenn der auch nur bei dem ersten Gebot sein Katechismusverhör mit dem Menschen anfängt: „Du sollst keine andern Götter haben neben mir; mich sollst du über alle Dinge lieben,“ wer kann ihm auf Tausend nur Eines antworten? Aber meine Brüder, wenn Paulus sich so mit allem Eifer geübt hat, ein unverletztes Gewissen sich zu erhalten, hat er's denn gethan, um durch dieses unverletzte Gewissen gerechtfertigt zu werden? Nein, sage ich abermals. In diesem Glauben und in dieser Hoffnung übe ich mich. Darum hat er es vielmehr gethan, weil solcher Christenglaube und solche Christenhoffnung auf freie Gnade ein so mächtig und geschäftig Ding im Herzen ist, daß ein solcher Christenglaube gar nicht anders kann, als dem zu Gefallen zu leben, der sich selbst für ihn dahingegeben.

Darum laßt uns denn flehen: O Herr Christe, du wollest uns Allen also unsern theuern Glauben und unsere selige Christenhoffnung fortwährend vor unser inneres Auge stellen, daß unter uns Keiner solcher hohen Gnade sich unwürdig zeige, sondern wir uns Alle nach dem Vorbilde deines großen Apostels angelegen seyn lassen, nach einem unverletzten Gewissen zu streben allenthalben und in allen Stücken. Amen.

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