Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - 1. Kor. 15, 25-27

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - 1. Kor. 15, 25-27

Andächtige Gemeinde. Nicht bloß unser Prophet und Hoher-Priester, auch unser König und Regent ist Christus, und dies ist sein drittes Amt, welches wir mit Andacht betrachten. Einen König im Lande der Wahrheit hat er sich genannt. Als den höchsten Propheten der Wahrheit hat er sich damit hingestellt und zwar als einen Regenten, der auch Unterthanen hat, denn ein Reich der Wahrheit hat er auf Erden gestiftet. Wohl haben die Weissagungen des alten Testaments ihn als den Propheten geschildert, dem der Herr seinen Geist gegeben, und der sein Reich zu den Heiden bringen wird; als den Hohenpriester haben sie ihn geschildert nach der Ordnung Melchisedeks, aber vorzugsweise doch als den königlichen Sproß aus dem Hause Davids, als den rechten Hirten, der des Schwachen warten und das Verlorene suchen wird, unter dessen Scepter Gott will der Gott seines Volkes seyn und das Volk die Heerde seiner Weide seyn soll. Wie der Engel auch an Maria verkündigt: Siehe, du wirst einen Sohn gebären, der wird ein König seyn über das Haus Jakobs ewiglich. In diesem königlichen Amte des Herrn gipfelt und vollendet sich auch in der That sein prophetisches und priesterliches Amt, denn wenn ihr wollt: es sind diese nur die Mittel zu jenem - wohin nämlich alles zielt, das ist doch nichts anderes, als daß unter dem Scepter Christi die Herrschaft des Vaters in der Welt zu Stande kommt. Wenn Christus als Prophet, als unser Lehrer und Vorbild vor uns steht, Christus als Priester der Mittler für uns ist, so ist Christus als König die heiligende Kraft Gottes in uns, die uns zum Eigenthum Gottes macht und über uns, die uns im Reiche der Herrlichkeit vollendet.

Das erwägen wir, indem wir das Wort des Apostels zu Grunde legen:

1. Cor. 15, 25-27.
“Er muß aber herrschen, bis daß er alle seine Feinde zu seinen Füßen lege; der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod, denn er hat ihm alles unter seine Füße gethan. Wenn er aber sagt, daß es alles unterthan sei, ist es offenbar, daß ausgenommen ist, der ihm alles untergethan hat; wann aber alles ihm unterthan seyn wird, alsdann wird auch der Sohn selbst unterthan seyn dem, der ihm alles unterthan hat, auf daß Gott sei alles in allen.

Diese Worte des Apostels sind aus einem Abschnitte entlehnt, in welchem der Apostel uns schildert, welches der Ausgang der ganzen Heilsgeschichte seyn werde. Wir richten den Blick darauf:

  1. daß Christo die Stiftung und Herrschaft über seine Kirche übertragen ist;
  2. was das Ziel dieser Herrschaft sei, und
  3. wie es sich erfüllen werde.

Christo ist als Könige die Stiftung und Herrschaft in seiner Kirche vom Vater übertragen. Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget, heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Ende zum Eigenthum,“ mit diesen Worten setzt der Herr Herr in den Worten des zweiten Psalms seinen Gesalbten zum König über sein geistiges Zion ein. Und in einem andern Psalm spricht David: Der Herr sprach zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege,' und dieses prophetische Königswort ist es, welches der Apostel an dieser Stelle seinem Ausspruche zu Grunde legt; die Hülle, in welcher er die Herrschaft des Sohnes Gottes anschaut, ist ein streitbarer, siegreicher König, aber daß es nicht Waffen von Erz und Eisen seyn werden, mit denen er streiten wird, das deutet er an, indem er diesen König einen priesterlichen Herrscher nennt nach der Ordnung Melchisedeks, und indem er von den Streitern in dem heiligen Kriege ausspricht, daß sie opfern werden in heiligem, das ist in priesterlichem Schmuck. Auf dem Throne Jehova's soll er sitzen während seiner heiligen Kriege, das ist, streitend in der Macht und Majestät des Herrn aller Herrn. So ist denn der Streit und der heilige Krieg die Aufgabe, die diesem Könige zugewiesen wird. Die Unterthanen nämlich seines Reichs und sein Reich selbst sind zur Zeit seiner Einsetzung noch nicht vorhanden, er soll sie sich erobern. Wie der Herr selbst im Gleichniß sich einem Edlen vergleicht, der in ein fernes Land zog, daß er ein Reich einnähme und wiederkäme. „Warum toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Die Könige im Lande lehnen sich auf, und die Herrn rathschlagen mit einander wider den Herrn und seinen Gesalbten. Ein Reich von rebellischen Unterthanen gegen Gott ihren Herrn ist diesem Könige zugewiesen, daß er seinen heiligen Streit führe, bis daß er alles, was an und in ihm wider Gott streitet, gebunden und sich unterthänig gemacht hat, bis zu dem letzten Ziele hin, wo es heißt: es ist vollbracht, siehe, ich mache alles neu. Wir richten den Blick auf das Ziel dieser Herrschaft, bis daß er alle seine Feinde unter seine Füße lege. Wer sind nun die Feinde seines Reiches? In den Weissagungen der Propheten vom Reiche des Gesalbten sind es alle Feinde des Reiches Israel unter den Heidenvölkern. Der Herr, heißt es, will sitzen im Thal Josaphat, da wird der Herr richten alle Heiden. Gürte dein Schwert an der Seite, Held, und gürte dich schön, scharf sind deine Pfeile, daß die Völker unter dir fallen. Edom und Moab werden bittende Hände gegen das Volk ausstrecken, Ammon wird gehorsam seyn. Aber die geistlichen Feinde des geistlichen Israels sind es, welche der Geist Gottes in den Propheten meint. Daher auch Johannes der Prophet des neuen Bundes von demselben Könige, den er doch kennen gelernt hatte als den König im Lande der Wahrheit, dessen Diener nicht mit Waffen um seine Herrschaft streiten, schreibt: und ich sahe ein weißes Pferd, und der darauf saß, hatte als Namen auf sein Kleid geschrieben: ein König aller Könige, aus dessen Munde ging ein scharfes Schwert, daß er die Heiden schlüge. und bei Zacharias dem Propheten lesen wir: es wird zur Zeit des Messias kein Kananiter mehr seyn im Hause des Herrn Zebaoth. das ist: kein Rebell wird mehr seyn gegen das Reich Gottes. Und so zeugt nun auch Paulus von einer Zeit, wo „im Namen Jesu sich beugen sollen alle derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters. Christi Feind ist also kein anderer als Gottes Feind und Gottes Feind ist, wer anders will als Gott, denn wie nur Ein Gott ist im Himmel und auf Erden, so ist auch nur Ein heiliger Wille, welcher Gesetz ist für alle endlichen Geister, und wer einen andern Willen hat, als diesen, der ist ein Rebell, sei es wissentlich, sei es unwissentlich, darum die Schrift spricht: fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft wider Gott.“

Daß diese Empörer gehorsame Kinder, diese Feinde in Freunde verwandelt werden, zu dem Zwecke hat der Vater seinen Sohn auf Erden gesendet, und auf das Ziel blickt der Herr hinaus, wenn er uns beten lehrt: Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. ' Dazu ist ein Reich Gottes gegründet, worin Christi Wort und Sakrament eingesetzt sind, unsern Willen zu brechen und willige Herzen zu machen. Seine Feinde also, die ihm unterthan werden sollen, sind die empörten Unterthanen der Erde, sind die endlichen Menschengeister, welche von ihrem Oberherrn sich abgewandt haben zu ihren eigenen Gelüsten und zur Liebe der Kreatur. Näher betrachtet ist aber dasjenige, was in diesen Geistern dem heiligen Willen Gottes widerstrebt, die Fessel und die Schranke der Sünde und des Nebels, die sie an sich tragen, ihre Knechtschaft und Gebundenheit, ihre Gelüste und Leidenschaften, ihre Krankheit und ihre Gebrechen. Oder ist es nicht auch mit dem Apostel Paulus geredet, wenn wir von einem inwendigen Menschen sprechen, der nicht ein Feind Gottes, der vielmehr auf Seiten des göttlichen Willens steht, und der frei werden möchte von den Fesseln der Sünde und des Todes, die er an sich trägt? Von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes spricht daher der Apostel als von dem letzten Ziele unserer Erlösung, von einer Freiheit, die so herrlich seyn wird, daß auch die übrige irdische Kreatur sich nach diesem Tage sehnt, um an dieser Freiheit einen Antheil zu erhalten. So haben wir es nun auch zu erklären, wenn der Apostel an dieser Stelle nicht sowohl von den Menschen geistern spricht, die Christo dem Könige sollen unterthan werden, wenn er vielmehr von den Mächten und Gewalten spricht, welche den Menschengeist seiner Bestimmung zuwider beherrschen, wenn er spricht: der letzte Feind aber ist der Tod. Sünde und Tod, welcher der Sold der Sünde, die Fesseln unseres geistigen Menschen, andererseits die Uebel und Schranken unseres irdischen Daseyns, das ist der doppelte Feind, der soll überwunden und ihm unterthan gemacht werden. Wie ähnlich der Apostel auch an einem andern Orte davon spricht, daß nach der Kraftwürkung Christi, nach der er sich kann alle Dinge unterthan machen, er auch unsern Leib sich wird unterthan machen, um ihn zu verklären zur Herrlichkeit des Leibes des Sohnes Gottes. Gemeinde Christi, fühlst du die Gnade, welche dir dadurch gegeben ist, unter der Herrschaft eines solchen Königes zu stehen? Es ist ein hoher Inhalt der des Glaubens an das königliche Amt Christi - es ist die Gewißheit, daß einer vom Throne des Vaters aus, vom Throne der Allmacht und Majestät, für uns so streitet, daß wenn sein Ziel einst erreicht ist, nichts mehr an uns und in uns seyn wird, was der Bestimmung entgegen wäre, zu welcher Gott uns geschaffen hat. Blicken wir gegenüber einer Schaar von Feinden, die in uns und außer uns wider das Reich Gottes kämpfen, bloß auf uns selbst, wer sollte nicht alle Hoffnung wegwerfen? aber wir nehmen sie wieder auf, denn „es streit't für uns der rechte Mann, den Gott selbst auserkoren, weißt du, wer er ist? es ist Jesus Christ, der muß das Reich behalten.“

Fragt ihr aber nach den Waffen dieses Sieges, und wie die Hoffnung dieses Zieles sich erfüllen soll, so antworten wir: zuerst durch den Zug seiner Liebe und sodann durch das Regiment seiner göttlichen Allmacht. Zuerst durch den Zug der Liebe, die uns von Anfang an aus der Welt herausgeliebt und herausgezogen, so daß wir zu hassen ansingen, was wir sonst liebten und zu lieben, was wir sonst haßten, und die, je länger wir ihrem Zuge folgen, desto mehr uns ihre Süßigkeit und Allgenugsamkeit offenbart, so daß uns alles verleidet wird, was sonst Liebe heißt, ohne feinen Stempel empfangen zu haben. Wer Christ wird, dem wird auch damit die Gewißheit, daß in seinem Glauben der Sieg liegt, der die Welt überwindet und daß, wenn wir uns noch ohnmächtig fühlen, diese Ohnmacht niemals begründet ist in der Ohnmacht dieses Glaubens, sondern nur in der Ohnmacht, mit der wir ihn umfassen. Es liegt eine unfehlbar verklärende Kraft in dem im Glauben angeschauten Christus, wie der Apostel davon spricht in dem großen Ausspruche, daß wer den Herrn anschaut im Glauben, der wird auch verklärt in dasselbige Bild des Herrn von einer Klarheit zur andern, vom Herrn, der der Geist ist. denn eben weil er der Geist ist, so theilt er sich auch mit unserm Geiste, und alle Kraft, die in ihm ist, die fängt auch in uns zu würken an. Je mehr nun dieser Geist des Herrn die beherrschende Kraft in uns wird, desto mehr erfüllt sich auch jene zweite Bitte des Vaterunsers „dein Reich komme“ und je mehr dieses sein Reich in uns kommt, desto mehr geschieht auch der Wille Gottes auf Erden, wie er unter den reinen Geistern des Himmels geschieht. Dieß nun ist die königliche Herrschaft, mit welcher der Herr von innen heraus die Seinigen dem ewigen Ziele entgegenführt.

Aber auch von außen her durch das Regiment seiner Allmacht führt er diesem ewigen Ziele entgegen. Seitdem Jehova zu ihm das . setze dich zu meiner Rechten. gesprochen, sind die Zügel des Weltregiments in seine Hände gegeben, und wie wenig es auch dem fleischlichen und glaubenslosen Auge so scheinen möchte, doch ist es so, daß die Weltgeschichte und alle ihre Ereignisse dem Reiche Gottes dienen müssen. Das hat der Herr im Auge, als er, der tieferniedrigte, vor dem Hohenpriester das Zeugniß ablegt: „ich sage euch, von nun an wird es geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels.“ Von da an hat dieses Weltregiment in der Geschichte seiner Kirche sich offenbart, zuerst in dem göttlichen Gerichte über das Volk der Erwählung, das ihn als Missethäter gerichtet, dann in dem Siege seiner Kirche über die alte Welt und der Auflichtung des Kreuzeszeichens und so fort und fort bis auf diesen Tag. Mag dem glaubenslosen, fleischlichen Blicke auch noch so sehr der Schwerpunkt aller Geschicke der Welt nach einer ganz andern Seite hin zu liegen scheinen, dennoch ist Christus und sein Reich der wahre Mittelpunkt derselben, und so winken die Geschicke seiner Kirche und die Lebensgeschicke der einzelnen Christen mit dem, was das Regiment seines Geistes von innen an ihnen vollbringt, zu einem und demselben Ziele zusammen. Und ist seine Zeit gekommen, hat die Menschheit die ihr gestellten Aufgaben ausgelebt, dann wird zuletzt auch Christi äußeres Regiment seiner Kirche und das innere Regiment der verklärten Geister sich in demselben Zielpunkte begegnen, wenn sie in verklärter Leiblichkeit werden eingeführt werden in einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dann erst werden die beiden ersten und letzten Feinde der Menschheit, die Sünde und der Tod, dem siegreichen Könige völlig unterthan geworden seyn. Dann ist das Ziel da, welches Jehova gesetzt hatte, als er zum Könige der Menschheit sprach: „setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße“; das Ziel, welches der Apostel - dem unerfahrenen Leser räthselhaft - in diesem Texte ausspricht: daß „der Sohn dem Vater die Herrschaft übergeben wird, damit Gott sei alles in allem“. Der Eine Schöpferwille soll würklich in allen seinen Geschöpfen zur Herrschaft kommen, nachdem dies Ziel erreicht ist, hat der König des Reiches Gottes nichts mehr zu unterwerfen, nichts mehr zu vermitteln. Dann erfüllt sich: er hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott seinem Vater. Nicht daß die, die er so vollendet hat, dann aufhören, ihn als ihr Haupt anzuerkennen. Werden sie es ewig vergessen können, was sie ihm verdanken? Auch dort in dem Gesichte der Offenbarung, wo sie selbst als Verklärte ihre Kronen tragen und neben dem Sohne Gottes auf seinem Throne sitzen, rufen sie ja noch aus: Ihm, dem treuen Zeugen, der uns geliebt und gewaschen hat mit seinem Blute, sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Könige werden sie seyn, deren verklärtem Willen alles unterthänig, aber in der Kraft Christi ihres Königes; Priester werden sie seyn, die unmittelbar in der Gegenwart Gottes stehn und leben, aber in der Kraft Christi ihres Königes, denn Gott wird alles in allen seyn in Christo, durch Christum.

O Christe, mein Prophet, mein Priester und mein König, lehre mich an dich glauben in deiner wunderbaren Ueberwindungskraft und dich anbeten in deiner wunderbaren Majestät. O du, dem der Vater alles unterthan hat:

Herrscher herrsche, Sieger siege,
König brauch dein Regiment,
Führe deine heil'gen Kriege
Bis du alles hast vollend't!
Amen.

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