Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – 1. Kor. 7,29-31

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – 1. Kor. 7,29-31

Wenn Ihr, geliebte Jünglinge, in diesen neuen Zeitabschnitt hineinblickt, der vor euch liegt, worauf mag bei den Meisten von euch der Blick sich vorzugsweise richten? Bei nicht Wenigen wohl auf nichts Andres, als auf die Freuden der Jugendlich, die sich vor euch aufthun, und wie manche unter euch Alten, bei denen es nicht anders ist, die wenn sie an einem Neujahrsabend mit so lautem Jubel in's neue Jahr hinüberschauen, keinen andern Grund des Jubels und der Hoffnung haben als neuer Freuden und neuer Lust im neuen Jahr. Nun, der Prediger des rechten und lautern Evangeliums braucht diese Freudenlust, zumal bei der Jugend, nicht niederzuschlagen. Hat doch auch Luther geboten, daß man die Jugend nicht sauertöpfisch machen solle. „Freuet Euch und abermals sage ich, freuet Euch. ruft Paulus seinen Christen zu, setzt aber freilich auch hinzu: im Herrn. Wenn Ihr nun so mit vollen Segeln der neuen Freudenlust eines neuen Lebensabschnittes entgegeneilt, so thut es wohl Noth, daß am Anfange eines solchen Zeitabschnittes die Kirche euch zur Seite trete und das: „Im Herrn, im Herrn,“ euch in die Seele rufe.

Das laßt mich heut' thun, indem wir vor dem Herrn das Wort des Apostels erwägen

1 Cor. 7, 29 - 31.

Das sage ich aber, liebe Brüder, die Zeit ist kurz. Weiter ist das die Meinung: Die da Weiber haben, daß sie seien, als hätten sie keine; und die da weinen, als weineten sie nicht; Und die sich freuen, als freueten sie sich nicht; und die da kaufen, als besäßen sie es nicht; Und die dieser Welt brauchen, daß sie derselbigen nicht mißbrauchen: denn das Wesen dieser Welt vergehet.

In diesem Worte des Apostels habt Ihr die rechte Antwort auf die Frage, wie Christen die Güter und die Freuden des äußern Lebens anzusehn haben - die Güter, sage ich, denn der Apostel spricht von den Weibern und von dem Besitz - die Freuden, denn der Apostel spricht von denen, die sich freuen. So laßt uns denn erwägen, welche Antwort uns unser Text auf unsre Frage giebt.

Die erste Antwort, die wir aus unserm Text entnehmen, liegt in den Worten: die da Weiber haben, die sich freuen, die da kaufen. Daraus wird klar: Wir haben unsern Besitz und unsre Freude des äußern Lebens als eine Gabe Gottes anzusehen, auf die Christen nicht von vornherein zu verzichten brauchen, so lange es der Herr nicht bestimmt von ihnen verlangt.

Was Himmel und was Erd im weiten Schooße hegen,
In dem streckt Gottes Hand sich segnend dir entgegen,
Drum schöpft fröhlich nur, wo seine Brünnlein fließen,
Doch mußt du's fühlen auch, wer dir's giebt zu genießen.

Der Apostel hat davon gesprochen, daß um der Trübsal der Zeit willen es besser sei, überhaupt nicht zu freien. Es war damals die Zeit, wo der Kirche die Aufgabe gestellt war, durch Dulden und Unterliegen sich erst siegreich einen Platz in der Welt zu erwerben, die Zeit, wo es hieß: „Um deinetwillen werden wir getödtet den ganzen Tag. wir sind geachtet wie Schlachtschaafe. wo ein Paulus schreibt: Ich bin in Gefahr gewesen zu Wasser, in Gefahr unter den Mördern, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter den falschen Brüdern, in Mühe und Arbeit, in viel Wachen und Hunger und Durst, in viel Fasten und Frost und Blöße. Das sind in der That keine Zeiten zum Freien. Sieht Einer in solcher Trübsal und Gefahr gar noch ein klagendes Weib und Haufen weinender Kinder um sich her, das mag wohl auch ein starkes Herz zum Brechen bringen, und in jedem thränenden Auge spiegelt sich des Leidens Bild verdoppelt wieder. Für sich allein Haus und Hof lassen und das Thränenbrot essen zu müssen um Christi willen, wo man ohne das Bekenntniß Christi gute Tage sehen und Freude die Fülle haben möchte, ist versuchlich genug; dazu aber auch noch Weib und Kind mit darben zu sehen, dem sind noch Wenigere gewachsen. Darum spricht Paulus, indem er den Rath giebt, in solchen Zeiten ledig zu bleiben: Ich verschonte Eurer gern. Wenn er nun doch fortfährt: Die aber Weiber haben, und die sich freuen, und die da kaufen. giebt er nicht damit zu erkennen, daß Christen auch nicht einmal in so bedrängten Zeiten auf ihr Besitzthum und auf die Freuden des Lebens zu verzichten brauchen? Etliche zwar haben sich eine andere Vorstellung gemacht von der Forderung des Herrn und von den ersten Christen. Weil geschrieben steht: Keiner von ihnen sagte von seinen Gütern, daß sie seine wären, sondern es war ihnen alles gemein,“ haben sie gemeint, daß keiner etwas mehr von eignem Gute behalten habe, sondern sie alles verkauft für eine gemeinsame Kasse, und weil der Herr zu dem reichen Jüngling gesprochen hat: Gehe hin und verkaufe alles was du hast, und gieb es den Armen. haben sie solches freiwillige Verzichten auf alle Habe um der Armen willen, wie's die Mönche üben, für die höchste Christentugend geachtet; aber spricht nicht der Apostel Petrus zu Ananias: Hättest du deinen Acker nicht wohl mögen behalten, da du ihn hattest, und da er verkauft war, war es auch noch in deiner Gewalt?“ Ist nicht des Herrn Wort an den Jüngling nur der Prüfstein, den er der selbstgerechten Seele vorlegen will, die sich rühmt schon alle Gebote Gottes erfüllt zu haben, und nur noch ein apartes gutes Werk thun will? Können wir, wie es doch die Schrift verlangt, Haushalter Gottes seyn, wenn wir nichts mehr von den uns anvertrauten Gütern behalten wollten? O über das Viele oder das Wenige, welches der Herr dir gegeben hat, ein treuer Haushalter seyn, der im Blick auf den Herrn in den Kasten legt und im Blick auf den Herrn wieder auszieht, wo es der Herr verlangt, das ist wohl eine schwerere Aufgabe, als es alles auf einmal von sich werfen. - Was nun vom Besitz gilt, dasselbe gilt auch von den Freuden. Dankbar im Herrn und mäßig vor ihm auch der Welt genießen und der irdischen Gaben und Güter sich freuen, die der Herr geschenkt hat, ist wohl eine schwerere Aufgabe, als auf einmal ein Einsiedler oder Klosterbruder werden. Und sollen wir denn etwa meinen, daß Gott der Herr den schönen Sonnenglanz von oben und den grünen Teppich des Feldes, die goldene Frucht auf den Bäumen und die funkelnde Traube auf den Bergen nur geschaffen habe, um die Menschenkinder zu versuchen, ob sie alle diese Güter seiner Milde von sich zu weisen stark genug seyn werden? Was spricht dagegen der Psalm: Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringest und daß der Wein erfreue des Menschen Herz und seine Gestalt leuchte wie von Oel und das Brot das Menschenherz stärke. Was heißt denn, was geschrieben steht: Weißest du nicht, daß Gottes Güte dich zur Buße leite? Buße, Buße wollen uns alle solche Güter und Gaben und Freuden Gottes predigen für unser kaltes Herz, Buße darüber, daß wir ihm nicht recht dafür danken, Buße über unsern Unglauben, Buße, daß wir diese Gaben nicht aus Seiner Hand nehmen, und ihn dafür nicht desto kindlicher ehren und lieben. Wenn Dr. Luther spricht: „Wer nicht liebt Wein, Weiber und Gesang„ u. s. w., „wenn der liebe Gott feiste Ochsen giebt, kann Dr. Martinus auch davon essen“ und manches ähnliche dreiste Wort, so mag das freilich im Munde leichtsinniger Leute zum Frevel werden: der Mann Gottes aber hat wohl gewußt, was er wollte, daß nämlich ein fröhlicher und dankbarer Genuß von Gottes Gaben und Freuden vor Gott werther geachtet ist, als eine sauertöpfische Meißner, wie er sie zu seiner Zeit vor Augen hatte, welche fastet und darbt, Gott zu ehren, aber durch das mürrische und verdrossene Herz, mit dem sie das thut, sich mehr gegen ihn versündigt, als wenn sie kindlich und mit Maaß davon genösse.

Aber die dieser Welt brauchen, also daß sie ihrer nicht mißbrauchen fährt der Apostel fort und lehrt uns damit, daß wir auf die Güter und Freuden der Welt auch nicht ohne weiteres zustürzen sollen und genießen, wo es nur zu genießen giebt und so lange es zu genießen giebt. Wer einem Heiland nachfolgen will, der eine Dornenkrone getragen, der darf sich nicht auf lauter Rosenkränze gefaßt machen. Unsre Erdengenüsse giebt der himmlische Vater nur, wie man das Zuckerbrot den Kindern in der Schule giebt, damit sie ihre Lection desto fleißiger lernen. Und unsere Lection auf Erden, die ist Menschen Gottes zu werden. Mißbrauchen sollen wir unsre Güter und Freuden nicht, das heißt: wir dürfen sie nicht anders brauchen, als wann's der Herr will, wie's der Herr will und wozu es der Herr will, denn der es gegeben hat, ist der nicht auch der Herr, Zeit und Stunde, Art und Weise, Ziel und Zweck vorzuschreiben? Lern dich nur beim Genuß nach seinem Willen richten So lernst du beides wohl, genießen wie verzichten.

O Geliebte, sind wir Gottes Haushalter auch beim Genuß unserer Freuden, so muß auch aller unser Genuß und alle unsre Freude an einen goldenen Faden aufgereiht seyn, welcher ist - Gottes Gebot. Ist alle unsere Freude eine Freude im Herrn, so muß der Herr auch ihr Anfang seyn, d. h. wir müssen die Erlaubniß von ihm dazu haben, ihre Mitte d. h. der Gedanke an Ihn muß als das Richtmaaß durch alle hindurch gehn, daran sie gemessen werden, wie weit und wie viel und ihr Ende und Ziel, so müssen sie also genossen werden, daß wir nicht mit verletzten Gewissen, sondern mit Loben und Danken darauf zurückblicken können, kurz so muß bei allen unsern Genüssen der Herr dabei seyn. Ich kann es mir wohl denken, wie manchem von euch das klingen wird, als sollte damit alle Frische und Harmlosigkeit der Jugendfreude und des geselligen Genusses überhaupt zu Grabe getragen werden. Ihr kennt nur Frische und Harmlosigkeit der Freude, wo der Gedanke an Religion und an den Herrn Christus gerade möglichst fern gehalten wird, nur eine Religion, die mit der Jugendfreude und eine Jugendfreude, die mit der Religion nicht bestehen kann. Aber wehe, wehe der Jugendfreude, sage ich, für welche der Gedanke an den Herrn Christus nur ein Freudenstörer ist: die ihr ihn als Meister eurer Freude nicht ertragen könnt, ihr werdet ihn einst als Richter eurer Freuden erfahren; denn eine Freude wie die eurige, muß doch eine solche seyn, die kein gut Gewissen hat, Christenfreude muß aber ein gut Gewissen haben und bei allen ihren Genüssen ein offenes klares Kindesauge zum himmlischen Vater aufschlagen können. Wären die Hochzeitsleute zu Kana solche Leute wie ihr gewesen, sie hätten ja den Herrn Jesum sofort von ihren Thüren getrieben statt ihn einzuladen, aber weil sie ein gut Gewissen bei ihren Freuden gehabt, so haben sie auch keinen Freudenstörer in ihm gesehen, sondern in seiner Gegenwart nur eine Freudenwürze. Wären die Jünger von Emmaus solche Leute gewesen, wir ihr, sie hätten den Herrn nicht gehalten, sie hätten ihn ruhig seines Weges ziehen lassen, aber sie haben ein gutes Gewissen gehabt bei ihren Tischfreuden und darum sprechen sie zu ihm: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Was ihr von Freuden genössen kennt, das sind solche, die euer geistliches Leben schwächen: hättet ihr aber solche Freuden, für die ihr mit reinem Gewissen und kindlichem Herzen Gott danken könntet, so würden sie euer geistliches Leben kräftigen und erhöhen.

Die der Welt nicht mißbrauchen spricht der Apostel und setzt hinzu: denn das Wesen dieser Welt vergeht. Da giebt er uns eine andere Regel für unsern Genuß. Als eine väterliche Liebesgabe Gottes sollen wir die Güter und Freuden der Welt ansehen, die, wie dankenswerth sie auch seyn mögen, doch die rechte Kinderspeise seiner Kinder noch nicht sind.

Wie lieblich sie auch sind, die reichen Segensgaben,
Damit der Herr uns will auf dieser Erde laben:
Im Grunde können sie des Herzens Durst nicht stillen.
Das nur das Ewige auch ewig kann erfüllen.

Die dieser Welt brauchen, daß sie derselben nicht mißbrauchen, denn das Wesen dieser Welt vergeht. Leichtsinnige Leute machen es wohl den Christen zum Vorwurf, daß sie von der Vergänglichkeit alles irdischen Guts so viel zu reden haben, aber wie sollte das Evangelium nicht mit Worten davon predigen, wo das tägliche Leben fortwährend mit der That davon predigt? Vorbei, vorbei! steht das nicht hinter jeder weltlich fröhlichen Stunde, die keinen andern Genuß, als den der fünf Sinne brachte? Erinnert ihr euch denn nicht der Leere und Oede, die nach jedem in Sinnenrausch verlebten Genusse das Herz erfüllt? Was also verlangt der Apostel von denen, die im Herrn ihre Erdenfreuden genießen wollen? Geliebte, solche Leute müssen es seyn, die auch mitten im schönsten Erdengenusse und in der süßesten Freude doch nicht satt werden - nicht satt werden, auch wenn im Schooße des Glücks das Weib unsers Herzens und ein Kreis der lieblichsten Kinder um uns her wäre, nicht satt werden, auch wenn die Natur das ganze Schmuckkästchen Gottes vor uns ausbreitet - die sich immerfort sagen: das rechte Kinderbrot ist das doch nicht, das hat er erst für die Zukunft aufbewahrt; das ist alles nur Lockspeise, daß wir ihn für einen Gott halten, der es herzlich gut mit uns meint, der aber, wenn wir erst an seinem Herzen liegen werden, viel Schöneres noch für uns aufbewahrt hat. Solche Leute nur genießen im Herrn der Erde Freuden, die in aller Erdenlust doch singen:

Wenn an seines Thrones Füßen
So viel Lieblichkeit und Lust,
Was wird man erst dann genießen
Liegt man einst an seiner Brust!

Das ist seiner rechten Kinder Art. Ihr rechten Kinder Gottes, das ist unser Privilegium und unser Adel, daß die ganze geschaffene Natur mit ihrer Herrlichkeit unsre Brust nicht füllen kann, daß wir immer nach etwas darüber hinaus verlangen, und auch ihr Weltkinder, die ihr Stunden habt, wo die Lust der Welt euch so ganz ausfüllen kann, ihr tragt doch etwas in euch, das euch lehren könnte, daß es anders seyn soll. Warum kommt denn nach solchen Stunden zuweilen eine so unbeschreibliche Wehmuth über euch? Wißt ihr was diese Wehmuth euch sagt? Daß das doch noch nicht das rechte Kinderbrot gewesen. Mit aller der Lust und Freude hat der himmlische Vater euch nur als mit einer Lockspeise an sein Herz locken wollen, und erst wenn ihr daran liegt, werdet ihr sein rechtes Kinderbrot zu kosten bekommen.

Die da haben als hätten sie nicht, die sich freuen als freuten sie sich nicht, die da kaufen als besäßen sie nicht spricht der Apostel und erklärt uns damit, daß wir endlich unsre Güter und Freuden anzusehen haben als Güter, von denen wir nicht beherrscht werden dürfen, die wir aber beherrschen sollen. In aller Güter Füll und dennoch drüber schweben, Heißt das in Wahrheit nicht auf Erden himmlisch leben?

Ihr Weltkinder, wenn ihr genießt, so herrschen eure Freuden über euch, denn zuerst geht ihr gemeiniglich ja so in ihnen auf, daß ihr gar keinen Raum mehr daneben für einen andern Gedanken habt - nicht für Gott, nicht für Christus, nicht für die Ewigkeit. So herrschen eure Freuden über euch, denn ihr könnt ja das Richtmaaß des Herrn nicht daran anlegen, ihr könnt ihnen keinen Halt mehr anlegen, ihr könnt ihnen nicht sagen: bis hieher und nicht weiter, noch weniger könnt ihr darauf verzichten und sie ihm zum Opfer bringen. Ein Paulus aber spricht: ich hab es alles Macht, es soll mich aber nichts gefangen nehmen. Höret ihr's, ihr Jünglinge, die ihr auf eure akademische Freiheit pocht? Das heißt frei seyn: sich von nichts gefangen nehmen lassen, von keinem Genuß, von keiner Leidenschaft, sondern über alles herrschen. Seht jene Hoheit der wahren. Christenseele, an der alle Freude und Genüsse der Erde nur hinfliegen, wie das fliegende Gewölke am tiefblauen Himmel, der unverrückt dahinter steht, die dankbar eingeht auch in die Freuden, die ihr der Herr geschenkt hat, aber nicht darin aufgeht, die ein Heiligthum im Innern des Herzens trägt, von dem zwar erwärmende und verklärende Strahlen in alle Geschäfte und alle Genüsse des Lebens ausgehen, wohin aber der Staub und die Unruh des Lebens nicht dringen kann, die, daß ich's mit Einem Wort sage, auf Erden wandelt, aber im Himmel lebt. Weil der Christ, wenn er dahin gekommen ist, weder an seinen Besitz, noch an seine Freude, noch an irgend ein Gut gebunden ist, so kann er besitzen, so kann er genießen, aber er ist zugleich zu jener Freiheit der Kinder Gottes gelangt, daß er auch opfern kann ohne Bedenken und fahrenlassen ohne Zaudern, so oft er bestimmt weiß: der Herr will's. Alles vermag Paulus, er kann niedrig seyn, er kann hoch seyn, er kann hungern, er kann dürsten, er kann übrig haben, er kann Mangel leiden. Mit der Losung: der Herr will's! zogen die Kreuzritter aus, Jerusalem zu erobern - wer ein rechter Kreuzritter Christi ist, mit der Losung: was der Herr will! erobert der das Reich Gottes.

So laßt uns denn, geliebte Brüder im Herrn, so laßt uns nach diesem Worte des Apostels, so oft wir genießen, prüfen, ob wir als Christen genießen oder als Kinder der Welt. Zuerst deß müßt ihr gewiß seyn, daß euer Herr euch die Erlaubniß dazu gegeben, ihr müßt gleichsam die ausgestreckte Vaterhand sehen, damit er euch eure Freude darbietet. Damit ist denn verknüpft: ihr müßt mit reinem und fröhlichem Gewissen Ihm dafür danken können. Der Gedanke an Ihn muß euch immerfort dabei begleiten, es muß euch zu Muthe seyn, wie den Gästen zu Kana, als er bei ihnen zu Tische saß: so werdet ihr auch ein Richtmaaß eurer Freuden haben. Ihr werdet dann nicht aufgehn, sondern ihr werdet, auch wenn ihr draußen mit euren Genossen jubelt, doch noch ein Hinterstübchen behalten, wo ihr mit eurem Gott allein seid. So werdet ihr's aber auch inne werden, daß das alles noch nicht eure rechte Speise ist.

Wohlan denn, geliebte Brüder, so sei denn das unsere Regel, wenn wir an unsere Freuden und Genüsse gehen: wir wollen den Herrn nicht zurückschicken, der Herr soll bei allem dabei seyn. Er sei unser Anfang: kein Freudengenuß ohne seine Erlaubniß, er sei die Mitte: keine Freude, wo Er nicht der Meister, der das Richtmaaß hält, er sei das Ende: keine Freude, für die wir nicht nachher recht herzlich danken können. Und wo wir uns freuen, nicht aufgehen mit dem ganzen Menschen in das, was vorliegt, sondern immer noch ein stilles Herzenskämmerchen, wo wir mit dem Herrn allein sind, von dem aus sich ein verklärender Lichtstrahl über unsere zeitlichen Genüsse legt, und niemals satt werden an einem Erdengute, sondern immer noch den Wellenschlag des Herzens, der darüber hinausgeht, daher auch nimmer gefangen werden, auch nicht von der schönsten Freude, sondern immer denken: das Beste für Gottes Kinder kommt noch!

O Herr so rüste dir diese Jünglingsschaar, daß sie aus ihren Freudenstunden kein Brandmal des Gewissens mitnehme, daß sie keine andere Freude suche, als für die sie dir jetzt danken kann, und für die sie dir noch mit gutem Gewissen wird danken können, wenn der Jünglingsscheitel dünn wird, wenn das Grau an den Schläfen sproßt und des Lebens Sonne sich gesenkt hat. Amen.

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