Tauler, Johannes - Vom inneren Leben

Tauler, Johannes - Vom inneren Leben

Die meisten Menschen wissen nichts vom inneren Menschen und setzen ihre ganze Frömmigkeit in äußere Werke. Sie schwatzen lieber, als daß sie stillschweigen. Sie reden lieber, als daß sie hören; daher bleiben ihnen auch die drei Haupttugenden: der Gelassenheit, der Ledigkeit (da sie von allem los und ledig sind) und der Unanmaßlichkeit (da sie sich von allen Gaben Gottes nichts zuschreiben, sondern sie als unverdiente Gnade ansehen), ganz fremd, und sie gelangen nicht zu dem Frieden Gottes, der über alle Vernunft erhaben ist.

Ließe der Mensch ein ganzes Königreich oder die weite Welt und behielte er sich selbst, so hätte er nicht viel gelassen. Aber wer sich selbst gründlich läßt, was er dann behält, sei es Reichtum, Ehre oder was es ist, das er behalten muß, so hat er alle Dinge gelassen.

Die Menschen dürfen nicht so sehr bedenken, was sie zu tun haben, als was sie selbst seien. Denn wären sie in ihrem Wesen gut, so wären sie auch gut in ihren Werken. Wären sie im Grund gerecht, so wären die Werke auch gerecht. Viele Menschen setzen ihre Heiligkeit auf ein Tun. Aber es ist das Beste nicht; man soll die Heiligkeit auf ein Sein setzen. Denn so heilig auch unsere Werke sind, so heiligen sie uns doch nicht als Werke. Ist es aber, daß wir selbst heilig sind und einen heiligen Grund haben, so heiligen wir auch alle unsere Werke, auch Essen, Schlafen, Reden, Schaffen, Bitten, es sei, was es sei.

Daß der Mensch in Widerwärtigkeiten ungeduldig wird, macht ihn nicht böse, sondern offenbart die Bosheit, die in ihm ist, und es geht ihm wie einem übersilberten Pfennig, der, ehe er ins Feuer kam, lauter Silber zu sein schien; aber bald offenbart es sich, daß er inwendig Kupfer war. Das Feuer macht ihn nicht zu Kupfer.

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