Tauler, Johannes - Auf Ostern - Die erste Predigt.

Tauler, Johannes - Auf Ostern - Die erste Predigt.

Wie wir mit Christo sterben, und in uns alle Sinnlichkeit, Begehrlichkeit, natürliche Kräfte und Bildungen tödten, und in Christo auferstehen und überbildet werden sollen.

Unser lieblichster Herr Jesus Christus sprach: Ich bin vom Vater ausgegangen, und in die Welt gekommen, ich verlasse sie wieder und gehe zum Vater. Und St. Paulus spricht: Christus ist von den Todten auferstanden, durch die Glorie des Vaters, auf daß wir in einem neuen Leben wandeln sollen, denn, werden wir Christo in seinem Tod gleich, so sollen wir auch seiner Auferstehung gleich seyn.

Kinder, dieß ist die lauterste, wahrste und bloseste Lehre, die man haben kann; es ist der rechteste, der kürzeste, sicherste und schlichteste Weg, man kehre es, wie man wolle, sonder alle Glossen, diesen Weg muß man gehen, den der liebe Herr selbst gegangen ist, wollen wir kommen wo er ist, wollen wir vollkommen mit ihm vereiniget werden. Er kam aus dem väterlichen Herzen, aus des Vaters Schooß, und kam in die Welt, und litt über alle Maßen in der Welt alle seine Tage, er gewann nie Gemach, noch Lust, er ward verderbt, getödtet und begraben. Darnach erstand er wahrhaft frey von Leiden, in Klarheit, gänzlich frey vom Tode, und fuhr wieder in das väterliche Herz, in ganzer, wahrer, gleicher Seligkeit.

Welcher Mensch diesen Weg so noch gehen wollte, und erstorben wäre in sich selbst in Christo, der könnte und mußte ohne allen Zweifel auch mit ihm auferstehen. Wirst du mit Christo begraben, so stehest du sicherlich mit ihm auf. Wie St. Paulus spricht: Ihr seyd todt und euer Leben ist mit Christo in Gott verborgen. In der Wahrheit, dieser Mensch wird etlichermaßen ohne Leid, ohne Tod, er fährt mit ihm zum Himmel, in ganzer wahrer Vereinigung mit dem Sohne in den Vater, in das väterliche Herz, in ganzer Besitzung wahrer, gleicher, vereinter Seligkeit. Was Gott von Natur hat, das hast du von Gnaden. Dieß muß aber erfolgt werden. Der Mensch, der diesen Weg gehet, ist über andere gemeine Leute erhaben, wie ein edler Mensch über ein Thier. Der nun mit Christo nicht will verwerden, wie soll er mit ihm gewerden? Der nicht sterben will, wie soll der auferstehen? St. Paulus spricht: Seyd ihr mit Christo auferstanden, so schmeckt die Dinge, die hier oben sind, und nicht die auf Erden. Man findet Leute, wenn sie von großen Dingen sagen hören, so waren sie es gerne, und heben schön an, und wollen dem Geiste und Gott leben, und wenn es ihnen nicht sogleich wohl zu Handen gehet, so lassen sie sich bald nieder in die Natur. Diese sind recht wie die Schüler, sie wären gerne alle große Pfaffen, und etliche lernen kaum krankes Latein und böse Grammatik, die anderen harren aus und werden große Meister. Also giebt es etliche liebe Menschen, denen gehet es wohl zu Handen, und sie sind gar stet und fleißig, aber aus den andern will nichts werden.

Wer nun will zu hoher Vollkommenheit kommen, der muß auch über große Dinge kommen. Er muß über neun Dinge kommen, von denen wir nur die vier niedersten und mindesten hier auslegen. Er muß zuerst kommen über die Sinne und Sinnlichkeit, und alle sinnliche Dinge übertreten. Das andere, du mußt über deine leibliche und natürliche Kräfte kommen. Zum dritten, über alle Begehrung. Zum vierten, über alle Bilde und Bildung.

Zum ersten, sagen wir, über alle Sinne. Hier meinen wir nicht die Leute, die nach sinnlichen Genügen leben, willig in Todsünden, sondern die mit Christo wollen auferstehen und zum Himmel fahren. Man findet Leute, die von großen Dingen sagen können, und doch nichts wissen, denn von Hörensagen oder von Lesen, was alles mit den Sinnen eingetragen ist. Man findet Ritter von Treue, und Leute von Wort, des sinnlichen Florirens und Ausbrechens; musst du sterben und es übergehen, sollst du vollkommen werden.

Ein Mensch begehrte sehr von Gott zu wissen, was sein liebster Wille wäre; da erschien ihm unser Herr und sprach: Du sollst deinen Sinn zwingen, deine Zunge binden, dein Herz überwinden und alle Widerwärtigkeit fröhlich um mich leiden, das ist mein liebster Wille. Kehre dich von sinnlichen Bilden, in deine inwendige Bilde, da ist: Herr, du hast das Licht deines Antlitzes über uns gezeichnet. Etliche Menschen haben gar viel sinnlichen Gewerbes in guter Meinung, und gewinnen kaum immer Rast. Was sollen sie thun? Wenn sie eine Stunde müßig werden, so sollen sie sich so tief in Gott senken, und so viel, daß sie in einer Stunde vierzig Jahre Zeit, welche sie durch die Sinne verloren, gewaltig zurückdrücken, also thun sie dann desto mehr zu frommen, nicht wie etliche, die nicht zu Gott kommen können, ausser in sinnlichen Bilden oder mit gelehrten, gelesenen oder gedichteten Worten, sondern sie sollen aus dem Grunde, aus dem Innersten, aus dem Geiste, Gottes Geist suchen, Geist mit Geist, Herz zu Herz. Wie der liebe Herr sprach: Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Gott versteht die Herzenssprache und Seelenmeinung, ein gründliches, innerliches und wesentliches Aussprechen. Mariens Sinn und ihre Gegenwart betete heiliger und tiefer in den Ohren Christi, denn alles, was Martha sagen oder klagen konnte.

Zum andernmal soll man über alle natürliche Kraft, in- und auswendig kommen. Welcher Mensch hiermit ordentlich wirken könnte, daß er dieß begriffe, und doch bey seinen Kräften und natürlicher Stärke bliebe, das wäre ein Wunder! Deren sah ich nie einen, wer das ist, der trete hervor und lasse sich sehen. St. Bernhard hatte das nicht, denn er klagte, daß er seinen Leichnam (den Knecht Gottes) verderbt hatte. Auch nicht St. Gregorius, der ein Licht der Christenheit war. Darum betrüge sich Niemand selbst, und lasse sich dünken, daß er das sey oder habe, was ihm fern und fremd ist, denn es muß kosten; was nichts kostet, das gilt auch nichts. Wer Liebe will haben, der muß Liebe lassen. Ein Jünger fragte seinen Meister: Lieber Meister, wir essen und trinken, und es scheint uns nicht so; da sprach der Meister: Lieber Sohn, das ist kein Wunder, wir verzehren alles mit inwendigen Uebungen, es gehet alles einen andern Weg, alle auswendige Kraft ist hierzu zu klein, dieß zu gewinnen, doch Gott kann wohl eine neue Kraft geben. Wenn das Weizenkorn stirbt, so bringt es neues Korn und viele Frucht, traun stirbt es nicht, so bleibt es allein; es muß erst des Seinen sterben. Man muß auch über eine andere Kraft gehen, über den gemeinen Sinn. Den findet ein Mensch, wenn er auch nichts auswendig siehet und höret; er findet dann allerley Bilde in sich, und ist dessen viel, was in ihm ist, und er kehrt das eine hierhin, das andere dorthin; nun so, nun so und ist da viele Unruhe innen. Dieß soll man gänzlich in eine Einfalt kehren, in das lautere Gut, was Gott ist. Ein Meister sah einen groben Block liegen und sprach: Ach, wie ist da so schönes, wonnigliches Bild innen, wären die Spane nur abgehauen und geschält. Unser Herr sprach: Scheidest du das Gute von dem Bösen, so wirst du recht wie mein Mund; ach, wer alles abschiede, schälte und sonderte, der fände Gott blos, lauter in sich.

Die dritte Kraft ist vernünftige Kraft. Ueber diese Kraft muß der Mensch kommen. Man findet Leute, die haben viel vernünftiges Auswirken und Floriren mit ihrer Vernunft, recht als ob sie die Himmel durchfahren wollten, und stehen alle auf ihre blose Natur, wie Aristoteles und Plato, die Wunders viel verstanden, und auch gar tugendlich lebten, und es war doch Natur. Diese Leute müssen mit großem Fleiß ihre Natur schwer unterdrücken, und sich fleißig für sich selbst hüten. Man findet auch andere Leute, die sind gar einfältig, und lassen sich einfältig, und empfangen auch also alle Dinge, und es gehet ihnen inniglich wohl zu Handen, wie eine Woge, worin ein Bild des Schiffs leicht eingedrückt wird, aber auch bald wieder zusammenfällt und vergeht; aber in einen Stein kommt das Bild mit großer Arbeit, und bleibt auch hart und fest darin, und vergeht nicht bald. Also ist es auch mit diesen vernünftigen Leuten.

Zum dritten muß man über alle Begehrung und über die begehrliche Kraft kommen. Hierin meinen wir nicht die Leute, die vergängliche Dinge begehren (denen ist dieß hunderttausend Meilen fern und fremd, denn sie begehren Gut, Ehre und andere zeitliche Dinge), wir meinen etliche gute Leute, die viele Begehrung mit Eigenschaft und Leben haben, wünschend von dem Morgen zu der Nacht: Ach, wollte mir Gott dieß und das thun, und gäbe mir diese Gnade und die Offenbarung, oder wäre mir wie dem, wäre ich so oder so. Nein nicht also! Man soll sich Gott ganz lassen, und treulich ihn allein begehren, und ihm alle Dinge gänzlich und treulich befehlen und sprechen mit Christo: Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst, nicht mit dem Munde, sondern aus des Herzens Grunde, aus herzlicher Andacht und innerlicher Meinung. Ach, das wäre ein wonnigliches Ding in allem Leiden, in aller Gelassenheit in aller Weise, sich zu Grunde lassen können, wie der liebe Herr sich so grundlos ließ. Er war gänzlich gelassen, mehr als sich irgend eine Creatur je ließ; er rief: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! Er ließ sich bis es alles vollbracht war und sprach: Consumatum est. Recht also soll sich der Mensch Gott gänzlich lassen in allen Leiden, in allem Untrost. Meine nicht, daß dir Leiden nicht wehe thun sollte; thäte es nicht wehe, womit verdiente man denn? Hätte unser Herr Jesus Christus seinen Finger ins Feuer gesteckt, das hätte ihm wehe gethan; also in allen deinen Leiden und Begehrungen lasse dich Gott. Der etwas begehrt, was außer ihm ist, oder den etwas verdrießt, was in ihm ist, der ist noch nicht in diesem, der hat sich nicht gelassen. Einem Menschen ward einst geoffenbart, wie es sich lassen sollte; er sollte thun, als ob er in dem tiefen Meere auf seinem Mantel säße, und eine Meile im Umfange sollte kein Land seyn, weder nahe, noch ferne; was wollte er thun? er konnte weder rufen, noch schwimmen, noch waden, er mußte sich Gott lassen. Also sollte der Mensch sich allezeit Gott lassen, wenn er in der Wahrheit ein gelassener Mensch seyn will. Nun sage ich, man soll nicht begehren; nichts anders sollst du begehren, denn daß der liebe Gott dir alle Mittel abnehme und dich ohne Mittel gänzlich mit sich vereinige. Hiermit fallen alle Sünden ab, und kommt alles Gut und alle Seligkeit ein.

Zum vierten mußt du über alle Bilde und Bildung kommen. Nun meinen wir nicht die Leute, die mit Muthwillen einiger sterblichen Creatur Bild in sich nehmen oder tragen, sie seyen wie sie seyen, oder sie heißen wie man will, sie seyen diesen gänzlich fern und fremd. Man findet auch Leute, die davon Noth haben, und gute Leute sind, doch haben sie viele Einfälle und Einbildung, derer muß der Mensch entfallen, damit er alle die Bildung einfältig in Gott trage, und ihm seine Gebrechen bekenne und klage, und will es ihm dann nicht vergehen, so leide er sich Gott hierin und lasse sich. Auch findet man Leute, die haben viele Phantasien und Traume, sie sehen so schöne und zukünftige Dinge in dem Schlafe, so sehen sie die Heiligen, oder die Seelen, dieses spreche ich nicht ab, denn der Engel erschien Joseph in dem Schlafe, und ich spreche es auch nicht zu, denn solche Dinge geschehen auch von Natur, wie Boethius spricht: Wer mit reinen Dingen umgehet, der träumet von reinen Dingen aus der Natur, wer mit Thorheit umgehet, der träumet von Thorheit. So findet man auch solche Leute, die haben viele Visionen und Offenbarungen; und wenn es auch zehn Jahre gut wäre, so kann sich der Engel des falschen Lichts einmal darunter mengen, und damit betrügen und verleiten. In diesen Offenbarungen soll all dein Thun darauf gehen, daß du der heiligen Schrift Zeugniß in allen Dingen findest. Laufe an das heilige Evangelium, und an die Lehrer der heiligen Kirche, findest du, daß es sich damit verträgt, so lasse es gut seyn, thut es das nicht, so trete es darnieder, so lieb dir Gott und deine ewige Seligkeit ist, folge und achte es nicht, schlage es von dir.

Ueber diesen Weg sollst du also in dir kommen, daß du dein Gemüth nicht auf einige Weise oder Offenbarung setzest, Gottes und der Heiligen. Lege dich in den göttlichen Willen in allen Dingen, in Haben, in Darben, in Etwas, in Nichts, in Trost, in Untrost, nach dem allerlieblichsten Exempel Christi, den laß dir in deines Herzens- und Seelen-Grunde allezeit offenbar seyn, daß du den in dich bildest und in dich ansiehest, ohne Unterlaß, wie hohe Vollkommenheit sein Leben, sein Wandel, sein Gemüth war; wie gelassen, wie einfältig, wie züchtig, demüthig, geduldig und aller Tugenden voll er war - dem laß dich; auch nehme ihn zu dir ein, zu einem Gesellen in allen Dingen. Issest du einen Mund voll, so denke dein liebster Herr sitzet dir gegenüber und isset mit dir; sitzest du, er sitzt bey dir, und siehet dich an; gehest du, gehe nimmer allein, laß ihn deinen Gesellen seyn; schläfst du, lege dich in ihn; und also in allen Stätten, in allen Weisen, bey allen Leuten. Ich weiß einen Menschen, der um vollkommene Gleichheit unsers Herrn und seiner Wege, von einem Winkel zu dem andern ging, wie einer, der um seinen Ablaß gehet, die Werke Christi überdenkend. St. Bernard schreibt dem anfangenden Menschen, daß er einen wohlgeordneten Menschen sich vor Augen setzen soll, und an sein Thun und Lassen denken. Wolltest du und getrauest du dich dieß zu sprechen oder zu thun, wenn dieß der gute Mensch sähe? wie viel mehr soll man das liebliche Bild unsers Herrn in sich drücken, das doch wahrlich und wesentlich in uns und näher ist, denn wir uns selbst sind, denn in ihm ist aller Trost, alle Güte, alle Freude, alle Gnade und Wahrheit ist in ihm.

Dein geistlicher Mensch soll sich keinen Augenblick dieß entgehen lassen, er sollte ein vernünftiges Wissen der Stunden und ein inwendiges Merken haben und Warten, wie ihm zu Gott in den Stunden sey, das sollten die vonnöthen haben, die Gott von der bösen, falschen Welt erlöset hat, und die nicht zu sorgen, noch zu denken haben für Haus, noch für Kinder, denn allein wie sie Gott behagen, und ihm allein leben möchten. Es ist schwer, denen zu rathen und zu thun, die der Welt Sorge zu tragen haben, denn man kann in der Mühle kaum unbestaubt seyn und in dem Feuer unverbrannt, doch sollt ihr wissen, daß ich Leute in allen ihren Bekümmernissen, in also hoher Lauterkeit und Vollkommenheit gefunden habe, daß sich geistliche Leute wohl schämen mögen.

Das liebliche Bild unsers Herrn nimmt man und kann es in bildlicher und auch in lebendiger Weise nehmen. In bildlicher Weise soll man es adelich, göttlich, vernünftig nehmen, nicht creatürlich oder sinnlich, wie etliche Leute, wenn diese an Gott denken sollen, so denken sie an ihn creatürlich, wie an einen lieben Menschen, der ihnen viel Gutes gethan und für sie gelitten hat, und haben zu ihm natürliche Barmherzigkeit und Mitleiden - nein, nicht also! Ein Mensch soll eine göttliche Einbildung von dem lieblichen Menschen Jesu Christo gelernt haben, wie von dem Sohn Gottes und dem Gott-Menschen und Mensch-Gott, nicht creatürliche Einbildung (Vorstellung), sondern göttliche, übernatürliche, so daß er an das allerliebste Bild Christi nimmer denke, als wie an Gott; also gedacht und genommen, ist man nimmer ohne Gott. Wo irgend Gottes ist, da ist Gott allzumal ganz. In dieser Weise mag man nimmer das Allerbeste versäumen.

Man nimmt das Bild Christi auch in lebendiger Weise; das ist, daß der Mensch nicht raste, er werde denn dem Bilde gleich in Gleichförmigkeit, nach seiner Weise, so viel ihm möglich ist. Ihm soll es nicht allein ein kleines Ding dünken, daß er die Gebote halte, sondern alle die Rathschlüsse unsers Herrn sollen ihm vielmehr lustlich, begehrlich und wonniglich seyn. Unser Herr hat gesprochen: Ihr sollt eure Feinde lieb haben, das ist der Liebe so lieblich, daß ihr nicht genügt, daß sie die Feinde gütlich anspreche, sondern man mag wohl und soll sie von ganzem Herzen liebhaben, und aus herzlicher Gunst ihnen alles Gute und Ehren wohl gönnen, gut von ihnen sprechen und sie. aller Schuld günstiglich entschuldigen. Meint nicht, daß der Mensch unfügsam seyn soll; er kann wohl Gunst oder Ungunst erkennen, aber er soll es nicht achten, noch wissen wollen nach dem Bild Christi, daß es dem ganz gleich werde.

Nun haben wir hievon gesprochen, daß der Mensch soll und muß über alle Bilde kommen. Sollen wir dann das liebliche Bild unsers Herrn absprechen, von dem wir viel gesprochen haben, nein, traun das wäre ein sorgliches Ding, denn gehen wir zu ihm selbst und fragen seine eigenen Worte, so spricht er: Es ist euch besser, daß ich von euch fahre, denn fahre ich nicht von euch, so kommt der Heilige Geist nicht zu euch. Ist hiermit dieses Bild abgesprochen? Es ist in creatürlicher, sinnlicher, bildlicher Weise abgesprochen, wie ihn die Jünger hatten, und also mußten sie ihn lassen, aber in lieblicher, göttlicher, übernatürlicher Weise ließen sie ihn nie. Denn da er leiblich und gegenwärtig von ihnen fuhr, da führte er mit sich all ihr Gemüth, alle ihre Sinne und alle ihre Liebe. Also sollen wir auch thun! Er ist gen Himmel gefahren, in das väterliche Herz, da er ist, in des Vaters Schooß, wir wollen mitfahren mit allen unsern Sinnen, Liebe und Meinung, zumal in das väterliche Herz. Er ist da ein Leben, ein Wesen, ein leuchtender Spiegel seiner Klarheit und ein Bild seines väterlichen Angesichts, nicht allein in Bildes-Weise, sondern in wesentlicher Weise, in vollkommener Gleichheit der väterlichen Person, in dem göttlichen Ausbruch der ewigen Geburt, Eins mit dem Vater. Dahin sollen wir mit allem unserm Gemüth und Liebe, und da mit ihm vereinigt und ein leuchtender Spiegel werden. Da sollen wir in den drey Personen wohnen und wandeln, und können dann allezeit mit St. Paulus sprechen: Unser Wandel ist in dem Himmel, das ist in den drey Personen der Gottheit. Hiernach soll der Mensch mit allen seinen Begehrungen, Sinnen und Kräften streben, daß ihm dieses werde. Wird es ihm dann nicht in seinem Leben, so giebt es ihm Gott in seinem Ende. Wird es ihm da nicht, und er behält irgend ein Gebrechen, so fördert er die Gebrechen ins Fegfeuer und sie werden da abgescheuert. Und wenn er dann in den Himmel kommt, so soll er es da ewiglich gebrauchen so viel minder und mehr, als er es hier minder oder mehr von ganzem Herzen geliebt oder begehrt hat. Darum soll ein Mensch den Bogen seiner Begehrung auf das Allerhöchste spannen, daß er viel Gutes in einer jeglichen Zeit gewinne, denn der Begehrung will Gott in Ewigkeit antworten (wenn auch der Mensch es in der Zeit nimmer erfolgt), und wird all sein übriges, laues, kaltes Leben und Begehrungen nach dem Höchsten richten, dazu der Mensch je hinzukam in allen seinen Tagen. Darum soll der Mensch nicht ablassen, wenn er sich nicht in einem hohen Grad der Vollkommenheit findet, so soll er doch je darnach arbeiten mit allen Kräften, und will es ihm nicht werden, so soll er es doch von Herzen lieben und begehren. Daß uns allen dieß werde, dessen gönne uns Gott, der Vater, der Sohn und Gott der Heilige Geist. Amen.

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